Jerry Cotton Sonder-Edition 41 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
9783732541270 (ISBN)
Ray Brennan besaß 3 Millionen Dollar in Hunderter-Scheinen - die Beute eines Überfalls. Der Nachteil war, dass die Nummern der Noten alle bekannt waren, und sie zudem noch aus einer einzigen Serie stammten. Deshalb suchte er einen Kunden, der ihm die heiße Ware zum Kurs von 2 : 1 abnahm. Es mangelte nicht an Interessenten, doch die hatten keinen fairen Deal im Sinn. Letztendlich kassierte der, der überlebte...
1
Der Mann trat an die Empfangstheke des Astor Hotels. »Mein Name ist Raymond Brennan. Ich habe telefonisch ein Zimmer bestellt.«
Der Empfangschef warf dem Mann einen unauffälligen, prüfenden Blick zu. Das Ereignis befriedigte ihn. Brennan war ein großer sonnengebräunter Mann mit glattem blondem Haar. Er trug einen locker sitzenden hellen Anzug. Einen mittelgroßen Koffer hatte er abgestellt. Mantel und ein weicher grauer Hut lagen darüber.
»Wir haben für Sie Nummer 652 im 6. Stock reserviert, Mister Brennan. Sind Sie einverstanden?«
»In Ordnung!« Er nahm den Kugelschreiber und füllte die Anmeldung aus. Der Empfangschef winkte einem Pagen. »Wie lange werden Sie bleiben, Mister Brennan?«
Der Blonde lächelte. »Oh, das ist leider ganz ungewiss. Ich fürchte, unter einer Woche werde ich meine Geschäfte nicht regeln können.«
Der Page begleitete ihn im Fahrstuhl nach oben. Er gab dem Boy einen Dollar Trinkgeld.
Brennan zündete sich eine Zigarette an. Für eine Minute starrte er durch das Fenster auf den Betrieb unten in der Second Avenue. Dann drückte er die Zigarette aus, warf sich auf das Bett und nahm den Telefonhörer ans Ohr.
Das Astor ermöglicht es seinen Gästen, Telefongespräche innerhalb des New Yorker Netzes ohne Zwischenschaltung der Hotelzentrale zu führen. Brennan konnte den Mann, den er sprechen wollte, direkt anwählen.
Eine Frauenstimme meldete sich. Sie sagte »Hallo«, aber es klang wie das Schnurren einer Katze.
»Ich möchte Louis Diskin sprechen.«
»Wer sind Sie denn?«
»Ich heiße Brennan, aber mein Name sagt Diskin nichts. Er kennt mich nicht. Ich habe ihm ein Geschäft vorzuschlagen.«
Die Frau nahm den Hörer vom Ohr. Der Mann im Zimmer 652 hörte sie säuseln. »Louis, Schatz, hier ist ein Bursche, der dir ein Geschäft vorschlagen will.«
Die Antwort des Mannes verstand Brennan nicht. Aber die Frau verdolmetschte sie: »Louis meint, er kaufe weder Aktien noch Grundstücke in Alaska, auch keine Versicherungspolicen. Sie sollen sich aufhängen.«
Brennan lachte. Vermutlich verhinderte er nur damit, dass die Frau den Hörer auflegte. »Diskin kann gar nicht verhindern, dass ich ihm das Geschäft vorschlage. Ich zwinge ihn zu seinem Glück.«
Das Miauen ging in gereiztes Fauchen über. »Erlauben Sie sich keine Frechheiten, Mann! Wenn Louis Sie nicht sehen will, so werden Sie ihm nicht …«
Der Hörer wurde ihr aus der Hand gerissen. Eine metallische Männerstimme erklang.
»Du verdammter Telefonheld!«, schrie Diskin. »Nur weil ihr wisst, dass man euch durchs Telefon nicht die Zähne einschlagen kann, versucht ihr, anständigen Leuten telefonisch euren Dreck anzudrehen. Wenn ihr den Leuten von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten müsstet …«
»Genau das will ich, Diskin. Wo kann ich dich treffen?«
Diskin zögerte. »Bist du ein Polizist?«
Brennan lachte. »Unsinn! Als Bulle wüsste ich, wo du zu finden bist.«
»Na schön! Um zwei Uhr nehme ich meinen Lunch ein,bei Arham in seinem Orient Shop, Clarkson Street. Komm, wenn du deine sagenhaften Geschäfte an den Mann bringen willst! Ich warne dich. Wenn mir dein Geschwätz auf die Nerven geht, werde ich dich an die Luft setzen.«
»Ich freue mich schon darauf, Diskin«, sagte der Blonde und hängte ein.
Pünktlich um zwei Uhr betrat er Arhams Orient Shop. Arham war ein fetter Bursche mit öligem schwarzem Haar und einem riesigen schwarzen Schnauzbart. Er stammte aus irgendeiner Ecke Südosteuropas. Gewöhnlich lief er in weiten Pluderhosen herum.
Raymond Brennan hatte Louis Diskin nie vorher gesehen. Er erkundigte sich bei Arham. Der Levantiner verwies ihn mit einer Kopfbewegung an einen Ecktisch, an dem drei Männer und eine Frau saßen.
Der Blonde trat an den Tisch. »Hallo!«, sagte er. »Ich bin Raymond Brennan.«
Die drei Männer und die Frau blickten auf. Die Frau war eine Blondine von knapp 25 Jahren mit einem stark geschminkten Puppengesicht.
Der Mann neben ihr war mittelgroß. Er trug das schwarze Haar sehr kurz. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Der Gesichtsschnitt verriet die sizilianische Abkunft des Mannes. In der Tat war Louis Diskin nichts anderes als ein Raubtier im Dschungel von New Yorks Unterwelt.
Er wischte sich mit der Serviette das Fett aus den Mundwinkeln. »Ah, der Telefonverkäufer!«, rief er. »Also pack aus! Grundstücke? Aktien? Versicherungspolicen? Nähmaschinen?«
»Nichts von allem! Außerdem ist mein Angebot für dich allein bestimmt«, sagte Brennan knapp.
Louis Diskin zog die Brauen hoch. Mit einer Handbewegung wies er auf die Frau. »Das ist Estelle Shield, meine beste Freundin. Ich habe keine Geheimnisse vor ihr, die Namen meiner anderen Freundinnen ausgenommen.«
Er zeigte auf die beiden Männer. »Albert Trombetta. Wir nennen ihn meistens Hurricane. Neben ihm Wlade Woznik. Zwischen den Jungs und mir gibt es keine Geheimnisse. Also pack aus!«
Über Brennans Gesicht lief ein Zucken. »Was ich zu sagen habe, ist nur für deine Ohren bestimmt.«
Ganz langsam wich das spöttische Grinsen aus Diskins Räubervisage. Sein Gesicht wurde ernst, ja finster. Trombetta legte die Gabel aus der Hand. Sein viereckiges, wie mit dem Beil zugeschnittenes Gesicht wandte sich dem Fremden zu. Seine mächtigen Fäuste ballten sich auf der Tischfläche. Wlade Woznik, ein knochiger Mann von slawischem Typ, schob seinen Stuhl ein wenig zurück.
Für eine halbe Minute herrschte eisige Stille. Diskin sah, wie die Hand des Fremden sich langsam an der Jacke in die Höhe schob. Dann brach Diskin in Gelächter aus. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte.
Diskin stieß den Stuhl zurück und stand auf. Immer noch lachend kam er auf Brennan zu. Er legte dem Blonden, der nahezu einen Kopf größer war als er, die Hand auf die Schulter. »Du scheinst ein verdammt hartnäckiger Bursche zu sein. Ich bin wirklich neugierig, ob am Ende von allem Zauber nicht plötzlich ein G-man zum Vorschein kommt.«
Er führte Brennan zu einem kleinen Tisch, der durch einen grell bemalten Wandschirm gegen Sicht von den anderen Tischen aus geschützt war. Sobald sie hinter dem Wandschirm saßen, stellte Diskin sein Gelächter ab. »Zeig deine Ware!«
Brennan griff in die Brusttasche, zog ein zusammengerolltes fingerlanges Stück Papier heraus, entrollte es, strich es glatt und schob es Louis Diskin über die Tischfläche hinweg zu. Es war eine druckfrische 100-Dollar-Note.
Diskin rieb den Geldschein zwischen den Fingerspitzen. »Blüte?«
Raymond schüttelte den Kopf. »Die Note ist echt.«
»Was also ist damit los?«
»Sieh dir die Nummer an!«
Der Geldschein zeigte die Seriennummer CA 42 00 011 C. Mit einem Ruck hob Diskin den Kopf. »Das Papier stammt aus dem Iowa-Überfall?«
»Anscheinend, wenn man nach der Nummer urteilt.«
Diskin bohrte den Blick in die grauen Augen des anderen. »Wie viele von diesen Zettelchen besitzt du?«
»30.000 Stück.«
»30.000 Stück zu je 100 Dollar gleich drei Millionen Dollar«, rechnete Diskin. Er ließ den Geldschein auf den Tisch flattern. »30 000 Stück Altpapier«, sagte er verächtlich. »Diese neuen Hunderter sind so wenig an den Mann zu bringen wie die miserabelsten Blüten. Jeder Bankkassierer, jeder Ladeninhaber weiß, dass Hunderter der CA-42er-Serie heißes Geld sind.«
Er knipste den Schein mit zwei Fingern auf Brennan zu. »Wenn du ein paar von den Scheinen auf alt herrichtest, kannst du versuchen eine kurzsichtige Oma beim Kauf von Zigaretten damit reinzulegen, aber wenn die Oma ihre Einnahmen bei der Bank abliefert, fischen die Bankjungs den Hunderter raus und übergeben ihn der Polizei!«
Er lehnte sich zurück. »Heaven! Danach wird es keine Stunde mehr dauern, bis dir die G-men auf den Fersen sitzen. Immerhin hast du beim Iowa-Raub zwei Leute umgebracht und einen dritten schwer angekratzt.« Er lächelte anerkennend. »Hübsche Idee, eine Planierraupe einzusetzen. Bisher kam noch niemand auf den Gedanken. Schade, dass sie nicht mehr eingebracht hat als Altpapier.«
Die Banknote lag zwischen den Männern. Beide starrten auf das Papier. Dann nahm Brennan den Geldschein und rollte ihn langsam zusammen. »Nur in den USA sind die Scheine nicht an den Mann zu bringen. In jedem anderen Land der Welt haben sie ihren vollen Wert.« Er schob das Papierröllchen in die Brusttasche zurück. »Vielleicht nicht in jedem Land«, verbesserte er sich. »In Kanada und den meisten europäischen Staaten dürfte es Schwierigkeiten geben, aber in Südamerika achtet kein Mensch auf die Nummer.«
»Südamerika mag gehen«, sagte Diskin nachdenklich. »Asien wäre vielleicht noch besser. Unsere Regierung pumpt augenblicklich solche Dollarmengen in diese Ecke der Welt, dass drei Millionen nur ein Tropfen sind.«
Raymond Brennan zeigte ein zufriedenes Lächeln. »Genauso habe ich es mir vorgestellt. Man muss nur den Mann finden, der das Altpapier aus den Staaten abtransportiert und die Verteilung in einer anderen Ecke der Welt besorgt. Du bist ein wichtiger Mann in New Yorks Hafen, Diskin. Ich habe auf dich gesetzt.«
Diskin grinste. »Danke für die Blumen, aber ich denke nicht daran, nach Asien zu reisen.«
»Daran habe ich nicht gedacht. Ich habe nicht erwartet, dass du das Geschäft auf eigene Rechnung durchführen würdest. Aber ich hoffe, dass du einen Mann finden kannst, den das Geschäft lockt und der genug Geld und genug Beziehungen nach Asien hat.«
»Wie...
| Erscheint lt. Verlag | 6.12.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
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| ISBN-13 | 9783732541270 / 9783732541270 |
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