Auf Medea entdecken Forscher zwei Alien-Spezies, die Dromiden und die Ouraniden, die 'Füchse' und die 'Ballons'. Die einen leben auf dem Boden, die anderen können fliegen, und beide Völker sind seit Anbeginn der Zeiten verfeindet. Die Xenologen auf Medea versuchen jetzt, durch Telepathie die Gedanken und Gefühle der Aliens zu entschlüsseln und so vielleicht Frieden zwischen ihnen zu stiften. Aber sind wir Menschen überhaupt in der Lage, etwas so vollkommen Fremdartiges zu verstehen?
Für seine Erzählung 'Jägermond' wurde Poul Anderson 1979 mit seinem sechsten Hugo Gernsback Award ausgezeichnet. Sie erscheint als exklusives E-Only bei Heyne und umfasst ca. 50 Seiten.
Poul Anderson (1926-2001) begann schon während seines Physikstudiums in den Vierzigerjahren mit dem Schreiben von Science-Fiction-Stories, um sich das Studium zu finanzieren. 1952 erschien dann sein erster Roman, und bis zu seinem Tod im Jahr 2001 veröffentlichte er sowohl Fantasy- als auch Science-Fiction-Texte, hielt dabei jedoch immer die Trennung der Genres aufrecht. Er gehörte zu den produktivsten SF-Schriftstellern in den USA und wurde mehrfach ausgezeichnet; unter anderem gewann er sieben Mal den Hugo Award. Vor allem seine Geschichten und Romane um die Zeitpatrouille machten ihn auch international bekannt. Anderson starb am 31. Juli 2001 in Orinda, Kalifornien.
Wir erleben die Realität nicht, sondern erschaffen sie. Etwas anderes anzunehmen, hieße katastrophale Überraschungen heraufbeschwören. Die tragische Natur der Geschichte hat ihre Wurzeln zum Großteil in diesem sich stets wiederholenden Fehler.
Oskar Häml,
Betrachtungen über die menschliche Verlegenheit
… Beide Sonnen waren nun untergegangen. Die Berge im Westen bildeten eine schwarze Woge, erstarrt, als habe die Kälte des Jenseits sie angerührt und eingefroren, noch während sie sich auftürmte, eine erste Meeres-Barriere auf dem Flug zur Verheißung; doch darüber stand purpurn der Himmel mit den ersten Sternen und zwei kleinen Monden, ockergelb gerändert mit silbrigen Sicheln, wie die Verheißung selbst. Nach Osten hin blieb der Himmel blau. Dort, dicht über dem Ozean, stand Ruii in nahezu voller Helle, seine Ringe gleich Leuchtbändern um den flammendroten Schein geschlungen. In seiner Lichtfurche zitterten die Wasser, sichtbar gemachter Wind.
A'i'ach spürte den Wind auch, kühl und wispernd. Jedes einzelne feine Körperhärchen sprach darauf an. Er benötigte nicht viel Schub, um seinen Kurs einzuhalten, gerade genug Kraft, dass er ein Gefühl der eigenen Stärke und der Einheit mit dem Schwarm in Bewegung und Ziel erhielt. Ihre Kugeln umringten ihn mit fahlem Schillern, verdeckten ihm fast die Sicht auf den Boden, über den sie dahinzogen; er war bei denen, die am höchsten schwebten. Ihre Lebensdünste, süß, berauschend, überlagerten alles andere, was in der Luft mitschwang, und sie sangen gemeinsam, ein Chor von vielen hundert Stimmen, damit ihre Seelen sich vereinten und eine Seele wurden – ein Vorgeschmack dessen, was sie im fernen Westen erwartete. Heute Nacht, wenn P'a vor das Antlitz von Ruii trat, kam die Zeit des Strahlens zurück. Schon schwelgten sie in der Glückseligkeit, die ihrer harrte.
A'i'ach allein sang nicht mit den anderen, und nur ein Teil seines Ichs versank in Träume vom Feiern und Lieben. Zu sehr lastete das, was er mit sich schleppte, auf ihm. Dieses Ding, das der Mensch an seinem Körper befestigt hatte, wog zwar nicht viel, aber was es in seine Seele legte, war bitter und schwer. Der ganze Schwarm wusste natürlich um die Gefahren eines Angriffs, und viele umklammerten Waffen – Steine zum Herunterschleudern oder die spitzen Äste von Ü-Bäumen – in den Tentakeln, die unter ihren Kugeln dahinwehten. A'i'ach besaß ein Stahlmesser, sein Preis dafür, dass er dem Menschen erlaubt hatte, ihm eine Bürde aufzuladen. Dennoch lag es nicht in der Natur des Volkes, das zu fürchten, was aus der Zukunft herabsinken mochte. A'i'ach war seltsam verändert durch das, was sich in seinem Innern abspielte.
Das Wissen war gekommen, er wusste nicht wie, behutsam genug, dass es ihn nicht erstaunte. Inzwischen aber hatte sich eine Kälte in ihm festgesetzt. Irgendwo in jenen Hügeln und Wäldern lief eine der Bestien umher, die das gleiche Ding trug wie er und auch in gespenstischem Schwarm-Kontakt mit einem Menschen stand. Er konnte sich nicht vorstellen, was das brachte – außer Verdruss für das Volk. Doch er hielt es für unklug, danach zu fragen. Deshalb hatte er einen Entschluss gefasst, der seiner Rasse fremd war: Er wollte der Bedrohung ein Ende bereiten.
Da seine Augen sich an der Unterseite des Körpers befanden, konnte er weder den hoch droben verstauten Gegenstand noch das aufwärts gerichtete Strahlen erkennen. Seine Gefährten aber sahen es, und man hatte ihm das Ding vorgeführt, ehe er sich einverstanden erklärte, es zu tragen. Der Strahl war schwach, schwach, sichtbar allein in der Nacht und selbst da nur gegen einen dunklen Hintergrund. Er würde Ausschau halten nach einem Schimmer inmitten der Landschatten. Früher oder später musste er darauf stoßen. Die Gelegenheit war jetzt, in der Zeit des Strahlens, nicht ungünstig; die Bestien wussten, dass sich das Volk in großen Scharen zum Schwelgen traf, und würden sicher versuchen, einige davon zu töten.
A'i'ach hatte das Messer als Kuriosität gewollt und nur nebenbei an den Nutzen gedacht. Er beabsichtigte es in den Zweigen eines Baumes zu verstecken und auszuprobieren, wenn ihn die Laune überkam. Angehörige des Volkes bewahrten hin und wieder zufällig gefundene Gegenstände wie einen spitzen Stein für flüchtige Zwecke auf, etwa um die Kapseln einer Federblume aufzubohren und die köstlichen Samen in die Luft zu streuen. Vielleicht konnte er mit einem Messer Hölzer zu Werkzeug verarbeiten und sich einen kleinen Vorrat anlegen.
Mit seinem neuen Wissen aber erkannte A'i'ach den wahren Zweck der Klinge. Er konnte von oben zustechen, bis eine der Bestien – nein, bis die Bestie – tot war.
A'i'ach befand sich auf der Jagd …
Einige Stunden vor Sonnenuntergang bereiteten sich Hugh Brocket und seine Frau Jannika Rezek auf ihren nächtlichen Einsatz vor, als Chrisoula Gryparis eintraf, mit großer Verspätung übrigens. Ein Sturm hatte ihre Maschine erst in Enrique festgehalten und sie dann, als er mit ungewohnter Hartnäckigkeit nach Westen weiterzog, zu einem langen Umweg nach Hansonia gezwungen. Sie sah den Ring-Ozean erst, als sie gut tausend Kilometer des Festlands überquert hatte; danach musste sie eine etwa gleich lange Strecke nach Süden fliegen, um die große Insel zu erreichen.
»Wie einsam Port Kato von oben aussieht«, stellte sie fest. Trotz eines Akzents sprach sie fließend Englisch, die Umgangssprache auf dieser Station. Mit ein Grund, weshalb sie herausgekommen war, lag nämlich darin, dass sie einen Posten hier in Erwägung zog.
»Kein Wunder – wir haben es einsam«, entgegnete Jannika in ihrem eigenen Akzent. »Ein Dutzend Wissenschaftler, doppelt so viele Assistenten und eine Handvoll Versorgungspersonal. Das macht Sie doppelt willkommen.«
»Was, Sie fühlen sich isoliert?«, fragte Chrisoula verwundert. »Sie können doch jede Holokom-Station der Nahküste anwählen, stimmt's?«
»Klar – oder auch mal rasch in die nächste Stadt flitzen, sei es geschäftlich oder zum reinen Vergnügen«, sagte Hugh. »Aber egal, wie naturgetreu so ein Stereobild ist – es bleibt ein Bild. Man kann sein Gegenüber nicht auf einen Drink einladen, sobald die Konferenz zu Ende ist, oder? Und was Besuche in den Nachbarorten betrifft – nach kurzer Zeit hat man doch wieder die altgewohnten Gesichter um sich. Außenposten sind, gesellschaftlich gesehen, ganz schön abgeriegelt. Das werden Sie noch merken, falls Sie sich nach hierher verpflichten.« Hastig setzte er hinzu: »Nicht, dass ich Sie vergraulen möchte. Jan hat recht; wir wären mehr als froh, wenn wir ein paar neue Leute bekämen.«
Seinen eigenen Akzent verdankte er dem Wandel der Zeit. Englisch war seine Muttersprache, aber er selbst gehörte der dritten Generation von Medea an. Mit anderen Worten: Seine Großeltern hatten Nordamerika vor so langer Zeit verlassen, dass die Sprache dort sich wie die meisten Dinge verändert hatte. Nun, Chrisoula war auch nicht auf dem neuesten Stand; ein Laserstrahl benötigte fast fünfzig Jahre, um vom Sol-System nach Colchis zu gelangen, und das Schiff, in dem sie angereist war, bewusstlos und in Stase, hatte beträchtlich länger gebraucht …
»Und dann noch von der Erde!« Jannikas Stimme verriet Wärme.
Chrisoula zuckte zusammen. »Es war nicht schön dort, als ich fortging, aber vielleicht hat sich inzwischen wieder einiges gebessert. Bitte, ich erzähle euch irgendwann gern mehr davon, aber im Moment schaue ich lieber nach vorn.«
Hugh klopfte ihr auf die Schulter. Sie sah nicht schlecht aus, fand er; nicht zu vergleichen mit Jan natürlich – den Vergleich bestanden ohnehin nur die wenigsten Frauen – aber er würde sich freuen, wenn sich ihre Bekanntschaft in Richtung Bett entwickelte. Abwechslung ist die Würze des Ehelebens.
»Sie haben heute wirklich Pech, nicht wahr?«, sagte er leise. »Erst die Verzögerung, bis Roberto … äh, Dr. Venosta … zum Außendienst aufbricht – während Dr. Feng ausgerechnet zur gleichen Zeit seine neuesten Proben in die Zentrale schafft.« Er bezog sich auf den Chefbiologen und den Chefchemiker. Chrisoulas Fachgebiet war Biochemie; man hoffte, dass sie, erst jüngst mit einem der seltenen Sternenschiffe eingetroffen, einen entscheidenden Beitrag zum besseren Verständnis der Lebensformen auf Medea leisten würde.
Sie lächelte. »Nun, dann lerne ich eben die anderen zuerst kennen, angefangen bei euch beiden.«
Jannika schüttelte den Kopf. »Tut mir leid«, sagte sie. »Wir bereiten auch gerade unseren Auszug vor und kommen vermutlich erst nach Sonnenaufgang zurück.«
»Das hieße – in etwa sechsunddreißig Stunden? Ja. Ist das nicht ganz schön lang in einer – nun, sagen wir mal – in einer derart gespenstischen Umgebung?«
Hugh lachte. »Das gehört zu unserer Aufgabe als Xenologen«, erklärte er. »Aber ich schätze, dass zumindest mir noch ein wenig Zeit bleibt, Sie herumzuführen und bekanntzumachen, damit Sie sich etwas heimischer fühlen.« Da sie zu einem Zeitpunkt eingetroffen war, da die meisten Leute schliefen, hatte man Chrisoula zu seinem und Jannikas Quartier gebracht. Jeder wusste, dass sie früh wach sein würden, um ihre Expedition vorzubereiten.
Jannika warf ihm einen prüfenden Blick zu. Sie sah einen robusten Mann, der sein Alter mit einundvierzig Erdjahren angab: gedrungen, ein wenig plump in seinen Bewegungen, mit einem ersten Bauchansatz; scharfkantiges Gesicht, strohblondes, kurzgeschorenes Haar, blaue Augen; glattrasiert, aber schlampig gekleidet; Jacke, Hose und Stiefel im Stil der Bergleute, unter denen...
| Erscheint lt. Verlag | 30.11.2016 |
|---|---|
| Übersetzer | Birgit Reß-Bohusch |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Hunter's Moon |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | Aliens • diezukunft.de • eBooks • E-Only • Erzählung • Hugo Award • Poul Anderson • Telepathie |
| ISBN-13 | 9783641202651 / 9783641202651 |
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