Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Über den Dächern von Rosenheim (eBook)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
208 Seiten
Emons Verlag
9783960411178 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Über den Dächern von Rosenheim -  Hannsdieter Loy
Systemvoraussetzungen
8,49 inkl. MwSt
(CHF 8,25)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Das Alpenvorland ist Ort der Erholung und der Entspannung, nicht nur für Touristen. Weiß-blauer Himmel, so weit das Auge reicht, die Schäfchenwolken ziehen vorbei, die Gedanken schweifen ab - bis dieser Nordfriese eine Krabbenstube eröffnet! Von da an ist in Rosenheim der Teufel los - und ein mörderisches Verwirrspiel beginnt.

Nachdem er als Amateurboxer, Volleyballtrainer, Jetpilot, Kommandeur im Kampfgeschwader und Direktor in der Industrie tätig war, widmete sich Hannsdieter Loy seiner Leidenschaft, dem Schreiben. Er lebt dort, wo seine Romane spielen: in Oberbayern. www.oberbayern-krimi.de

Nachdem er als Amateurboxer, Volleyballtrainer, Jetpilot, Kommandeur im Kampfgeschwader und Direktor in der Industrie tätig war, widmete sich Hannsdieter Loy seiner Leidenschaft, dem Schreiben. Er lebt dort, wo seine Romane spielen: in Oberbayern. www.oberbayern-krimi.de

1

Claus Claussen war ein Mann mit langem, schmalem Schädel, schütterem blonden Haar und einem durchdringenden Blick. Diese Augen waren es, die ihn bei den Frauen unwiderstehlich zu machen schienen. Reihenweise fielen sie auf ihn herein.

Claus Claussen war achtunddreißig Jahre alt, als er nach Rosenheim kam. In einem Kaff in Nordfriesland war er aufgewachsen. Das Dorf lag vier Kilometer südlich der dänischen Grenze, dreimal so weit westlich der Eckernförder Bucht und hieß Norderby. Der Vater war Bürgermeister, die Mutter betrieb den einzigen Fischladen im Ort. Sie hieß Marie, man nannte sie Mariechen Fisch. So wie man den Leiter der Feuerwehr Harry Brand nannte, den Küster Heini Orgel und den mit dem kurzen Arm treffend Uwe Kurz. Deshalb wuchs Claus Claussen, der schon im Kindergartenalter bei Mutter im Laden mithalf, mit dem ehrenvollen Namen Fisch-Fiete auf. Mit dreizehn legte der Fisch-Fiete sein erstes Opfer flach, ein Mädchen aus der Parallelklasse namens Wiebke. Von da an hieß sie Wiebke Bums.

Nicht dass es Claus Claussen darauf anlegte. Die Mädels kamen zu ihm, und er nahm sie wohlwollend auf. Mit neunzehn, kurz vor dem Abitur, lernte er Tanja kennen. Er wirkte damals wie ein etwas zu schnell gewachsener Junge bei einer Mutprobe. Er trug diesen langen, hübschen Kopf auf einem schlaksigen Körper, kurz geschnittenes blondes Haar und spitze, sorgfältig ausrasierte Koteletten bis zu den Kiefergelenken, was Tanja etwas doof fand.

Es war auf einem Scheunenfest im nahe gelegenen Ladelund. Claussen stand da, die Rechte in der Hosentasche, in der Linken ein leeres Glas, und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er besoffen war. Bei anderen Mädchen mochte das funktionieren. Doch Tanja merkte sehr rasch, dass die Hand, die das Glas hielt, zitterte. Außerdem hatte er Mühe, die Augenbrauen so weit hochzuziehen, dass die Lider oben blieben. Der durchdringende Blick war dahin, eine Folge der vielen Kurzen, die damals üblich waren. Doppelkorn, Korn, Aquavit, Apfelkorn, geeler Köm. Geeler Köm war ein Kümmelschnaps, nach dessen heftigem Gebrauch in vielen Trainingseinheiten sich Tanja den ehrenvollen Namen Tanja Köm eingefangen hatte. Kein Wunder also, dass sie sich auf diesem Gebiet auskannte.

Tanjas Freund stand in nächster Nähe zu ihr und Claussen. Was Tanja am allerwenigsten vertragen hätte, war eine Szene mit ihm in Gegenwart eines abgefüllten Mannes, der seinen Arm um ihre Hüfte gelegt hatte und den sie gern wiedersehen würde.

»Ich glaube, ich sollte gehen«, sagte sie daher zu Claussen und befreite sich aus seiner Umklammerung.

»Gute Idee«, sagte er. »Ich komme mit.« Nebenbei war er mit seinen Augenbrauen beschäftigt. »Wo wohnst du?«

Wenn in diesem Augenblick nicht ihr Bruder angekommen wäre, um Tanja abzuholen, wäre sie vielleicht ihren bisherigen Prinzipien untreu geworden. Aber so verabschiedeten sie sich mit zwei über Gebühr langen Wangenküssen und der Zusage, sich unbedingt wiederzusehen.

Als Claussen später leise die Tür zu dem kleinen rot geklinkerten Haus aufschloss, in dem die Familie wohnte, brannten im Wohn-Esszimmer alle vier Kerzen des Adventskranzes, der Fernseher lief, und seine Mutter saß tränenüberströmt vor dem Streifen »Der kleine Lord«.

Es war die Weihnachtszeit.

Woher ich das alles weiß, werden Sie sich irgendwann fragen. Diese Erklärung bin ich Ihnen schuldig.

Ich heiße Rico Stahl, bin zweiundvierzig Jahre alt, habe ein paar Narben am Körper und eine im Mundwinkel und bin Chef der Mordkommission von Rosenheim. Mit meiner Kollegin Chili Toledo habe ich vor zwei Jahren den Fall Claussen aufgeklärt. Claus Claussen bekam lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Ich besuchte ihn im Gefängnis. Nicht aus Mitleid oder aus Anhänglichkeit, sondern weil ich herausfinden wollte, warum er die Tat tatsächlich begangen hatte. Sozusagen die Seele des Mörders ergründen. Die Details, die ich hier beschreibe, stammen aus seinem Mund.

Im Vorfeld dieses Interviews haben wir uns bemüht, so viel wie möglich über Claus Claussen in Erfahrung zu bringen. Chili und ich gingen die Polizeiakten und die Tatortfotos durch, Autopsieberichte, Gerichtsprotokolle, alles, was Motive und Persönlichkeit erhellen könnte. Außerdem war dies der beste Weg, um sicherzustellen, dass Claussen keine Spielchen zu seinem eigenen Vergnügen oder Nutzen mit mir spielte und er schlicht mit der Wahrheit herausrückte. Zusätzlich bereiste Chili Schleswig-Holstein und fuhr nach Norderby und Ladelund, um sich dort mit Nachbarn und Bekannten zu unterhalten.

Sie bekam bestätigt, dass Claussen immer schon ein großer Weiberheld gewesen war, dass er rauchte wie ein Schlot und die Schule nicht abgeschlossen hatte. »Aber er war trotzdem ein Jung zum Anbeißen«, bekam sie auch zu hören. Claussen kellnerte, soll zeitweise eine spanische Bar an den Landungsbrücken in Hamburg geführt haben, machte den Guide bei Hafenrundfahrten und segelte für sein Leben gern. »Tja, der war man für sein Leben gern aufm Wasser«, lobte ihn eine ältere Frau. »Und er mochte Tiere«, erklärte ihr Mann. »Er mochte sie alle.«

Für einen Mörder hielt ihn keiner. Niemand hätte sich das vorstellen können.

Es ist nicht immer einfach, und es ist niemals angenehm, sich in die Haut solch eines Menschen zu versetzen – oder in seinen Kopf. Doch genau das war mein Ziel, die Absicht, die hinter meinem Besuch in Claus Claussens Zelle steckte. Dieser Mann war nicht der erste Mörder, mit dem ich so ein Interview führte. Als ich früher während meiner Tätigkeit im BKA Gespräche mit inhaftierten Mördern hatte, saß ich mit einem Kreis von Gewaltverbrechern im Gemäuer einer hessischen Justizvollzugsanstalt zusammen. Jeder Einzelne war für sich ein interessanter Fall – ein Polizistenmörder, ein Kindermörder, ein Drogendealer, ein Erpresser, ein Vergewaltiger. Die Erfahrungen, die ich dort gemacht hatte, wollte ich auch bei Claus Claussen anwenden. Seine Neugier und vermutliche Langeweile ausnutzen.

Und ich hatte damit Erfolg.

* * *

Der Besuch eines Hochsicherheitsgefängnisses ist jedes Mal eine wenig erbauliche Angelegenheit, selbst für einen Profi wie mich.

Zuerst muss man seine Schusswaffe aushändigen. Selbstverständlich sollen keine Waffen, mit wem auch immer, in den Zellentrakt gelangen. Als Zweites wird man aufgefordert, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben, in der man bestätigt, dass man das Gefängnis von jeder Verantwortung befreit, falls man als Geisel genommen wird. In einem solchen Fall würde es auch keine Verhandlungen geben. Nachdem diese und weitere Formalitäten geklärt waren, führte man mich auf den Flur, auf dem Claus Claussens Haftraum lag.

Die Einzelzelle war zwei mal drei Meter groß und hatte gegenüber der Tür ein vergittertes Fenster. In dem Augenblick, in dem sich die Tür öffnete – es war kurz nach halb neun in der Früh –, füllte sich der schmale Haftraum mit Sonnenlicht. Es drang schräg durchs Fenster ein und wurde von den Gitterstäben gebrochen. Das sah aus wie ein staksiger Kiefernwald in der frühen Morgensonne. Der etwas kräftigere Stab in der Mitte warf im milchigen Licht einen zwei bis drei Zentimeter breiten Schatten, der bis an den Boden reichte.

Rechts von dieser Stelle, an die Wand gerückt, stand das Bett. Es war schmal und der Länge nach mit einem weiß und olivgrün gestreiften Tuch bedeckt. Links gegenüber ein einfacher Holztisch mit der Schmalseite zur Tür. Die Lampe darüber war nicht angeschaltet. In der Ecke die offene Toilette neben der Tür. Sie hatte eine glänzend schwarze Brille. Die Tür war mit einer Kostklappe versehen, durch die das Essen gereicht wurde.

Claus Claussen saß auf der einen Seite des Tisches, er trug keine Handschellen und schien sich in einer Art von hilfloser Aufregung zu befinden. Ich nickte dem Wärter, der mich hereingeführt hatte, zu, gab Claussen die Hand und setzte mich dem Häftling gegenüber auf den leeren Stuhl auf der anderen Seite des Tisches. Lange Zeit sagte ich nichts. Schweigend verfolgte ich mit den Augen das Spiel des Lichts. Die Anspannung wich langsam aus Claus Claussen. Fast schien es mir, als ob er schon dabei wäre, sich mit der Situation zu arrangieren.

»Gefällt Ihnen mein neuer Anzug?«, begann er unser Gespräch mit hochgezogener Augenbraue. Die Gefängniskluft war ungewohnt.

Ich weiß noch, dass ich zu lächeln versuchte und mit den Schultern zuckte. Und wieder schwieg. Vorerst. Dann aber begann ich, Claus Claussen anzusehen, ihn genauestens zu mustern. Um vielleicht schon im Vorhinein irgendwie zu erkennen, warum der Mann, der mir da gegenübersaß, diese Brutalitäten begangen hatte, für die er verurteilt worden war.

Der aber rührte sich nicht. Er hatte die Unterlippe etwas vorgeschoben, als ob er schmollte. Die hellen Haare waren gut gekämmt und zu einem Scheitel gelegt. Auch die Wimpern waren blond. Sein Gesicht wirkte fein und sensibel, dieser Ausdruck passte gar nicht zu dem Monster, das er wohl oder übel sein musste. Wohl aber zu der Tätigkeit, die er täglich von sieben bis sechzehn Uhr dreißig in der Anstalt ausüben musste: Er arbeitete in der Wäscherei.

Glauben Sie mir: Draußen war ein fabelhafter Sommertag. Einer dieser großen Sommertage, die mich glücklich machen konnten. Das Blau über Rosenheim schien allgegenwärtig zu sein, die Luft war warm, die Dinge besaßen klare, scharfe Konturen. Unter solchen Umständen war es fast eine Qual, eine Tortur, die wertvolle Zeit aus freien Stücken in einem finsteren Gefängnis zu verbringen. Wesentlich lieber hätte ich draußen den sanften Morgen geatmet und nicht...

Erscheint lt. Verlag 24.11.2016
Reihe/Serie Oberbayern Krimi
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Alpenland • Alpenvorland • Bayern-Krimi • Chiemsee • Chiemsee-Krimi • Hannsdieter Loy • Krimi • lieblich • mörderisches Verwirrspiel • Oberbayern-Krimi • Rosenheim • Tödlich
ISBN-13 9783960411178 / 9783960411178
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 3,6 MB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Ein Fall für Albin Leclerc

von Pierre Lagrange

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 12,65
Zärtlich ist die Rache. Thriller

von Sash Bischoff

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 12,65