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Lemberger Verhältnisse -  Ulrich Hammerschmidt

Lemberger Verhältnisse (eBook)

Alles ist kompliziert
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
Morawa Lesezirkel (Verlag)
9783990573570 (ISBN)
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Ein Road Trip der etwas anderen Art, bei dem sich eine amerikanische Witwe mit ihren Kindern auf den Weg in die Ukraine macht, um den Vater ihrer Tochter zu finden - dessen Identität sie nicht kennt. Wer das für schräg hält, hat recht. Nur der Geist des verstorbenen Ehemannes findet das alles ziemlich normal und lässt es sich nicht nehmen, die Reise mit mehr oder weniger hilfreichen Tipps zu begleiten. Aber im Zentrum der Geschichte steht eigentlich eine Stadt - Lemberg, eine weitgehend unbekannte Perle, deren Vergangenheit fast so kompliziert ist wie die unserer Heldin.

Ulrich Hammerschmidt, Jahrgang 1960, hat sich entschieden, nicht nur im internationalen Geschäftsleben für Verwirrung zu sorgen, sondern auch literarisch. Aufgewachsen in Deutschland, wohnhaft in Wien und privat eng verbunden mit der Ukraine, hat er ein Faible für europäische Geschichte - und absurde Situationen.

AUFBRUCH IN DIE
VERGANGENHEIT


Die Wochen bis zur Abreise vergingen wie im Flug, und Ende Juni war es dann soweit. Sarah, Judy und Benny standen am JFK-Flughafen in New York beim Check-in-Schalter der Austrian Airlines. Die Schlange bewegte sich nur langsam weiter, und Benny trat ungeduldig von einem Bein aufs andere.

„Warum fliegen wir eigentlich über Wien und nicht direkt?“, fragte er Sarah.

„Weil es von hier keinen Direktflug nach Lemberg gibt. Und weil wir in Wien Freunde haben, die wir bei der Gelegenheit gleich besuchen können.“

„Wieder irgendwelche Typen aus deiner wilden Vergangenheit?“

„Benny, zum hundertsten Mal: Ich hatte keine ‚wilde‘ Vergangenheit.“ Sarah war genervt. „Dein Vater und ich waren zwar noch nicht verheiratet, aber schon ein Paar.“

„Ihr habt also in wilder Ehe gelebt? Ich bin schockiert!“, alberte Benny.

Sarah ignorierte diese Bemerkung. „Unsere Bekannten in Wien sind auch vor dem Kommunismus geflohen. Wir waren gemeinsam eine Weile in dieser Stadt. Dein Vater und ich sind dann weiter in die USA, und unsere Freunde blieben in Wien. Ich habe ihnen geschrieben, und sie freuen sich darauf, auch euch kennenzulernen.“

„Wien soll ja auch eine ganz nette Stadt sein“, meinte Judy. „Da wollte ich immer schon mal hin. Jugendstil, Habsburger und Lipizzaner…“

„Liliputaner?“, fragte Benny. „Sind die Wiener alle so klein oder was?“

„Nicht Liliputaner, sondern Lipizzaner. Das ist eine spezielle Pferderasse, die dort trainiert wird. Die möchte ich unbedingt sehen.“

„Gut dass ich ein paar Tage Aufenthalt in Wien eingeplant habe“, bemerkte Sarah. „Bei deiner langen Wunschliste fürs Sightseeing werden wir die auch brauchen.“

Sie waren jetzt beim Check-in an der Reihe. In weiser Voraussicht hatten sie schon im Vorhinein Plätze reserviert, damit sie beisammensitzen konnten.

Sie checkten ihr Gepäck ein, nahmen ihre Bordkarten und stellten sich bei der Sicherheitskontrolle an.

„Schon wieder anstellen“, nörgelte Benny.

„Das ist halt so. Finde dich damit ab, Bruderherz“, entgegnete Judy.

„Also wenn schon, dann ‚Halbbruderherz‘!“

„Mama, darf ich ihm eine scheuern?“, flehte Judy ihre Mutter an.

„Heb dir das lieber für später auf, sonst werden wir noch alle verhaftet. Die sind hier ohnehin alle paranoid“, ermahnte Sarah ihre Tochter und nickte in Richtung der gelangweilt in der Gegend herumlehnenden Sicherheitskräfte, die offensichtlich die Arbeit nicht erfunden hatten, dies aber mit einem Übermaß an eingebildeter Wichtigkeit wettmachten. Zu Benny gewandt meinte sie knapp: „Und du halt die Klappe! Oder willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme. Ich mache sowieso schon genug durch.“

Benny wollte zu einer Erwiderung ansetzen, überlegte es sich jedoch anders. Nachdem die Bordkarten x-mal kontrolliert, signiert, gescannt und gestempelt worden waren (auch so kann man Arbeitsplätze schaffen), kamen sie endlich zur eigentlichen Sicherheitskontrolle. Nach der Kontrolle war dann das Handgepäck der drei um einige Kilo leichter, nachdem man ihnen Wasserflaschen, Hautcremes (in zu großen Tiegeln), Nagelfeilen und Zahnstocher abgenommen hatte – alles aus Sicherheitsgründen natürlich.

„Die spinnen doch alle“, seufzte Judy halblaut, als sie ihre Tasche wieder einräumte. Sarah zuckte nur die Achseln.

Da sie noch ein wenig Zeit bis zum Boarding hatten, schlenderten sie durch die Geschäfte in der Nähe des Gates und wunderten sich, wieviel Mist die Touristen für viel Geld zu kaufen bereit waren.

„Das ist wahrscheinlich, weil es all diese Dinge in Europa nicht gibt“, meinte Benny altklug. „Sag mal Mama, haben die dort überhaupt Strom und Wasser?“

„Lass dich überraschen. Aber Talglampen sind auch ganz gemütlich, wenn man abends von der Jagd auf Mammuts nach Hause in seine Höhle kommt.“

Benny stutze. Aber als er merkte, dass er auf den Arm genommen wurde, erhellte sich seine Miene. „Hehe, netter Versuch, mich für dumm zu verkaufen.“

„Wieso, das war doch ganz ernst gemeint“, erwiderte Sarah und drehte sich um, damit Benny nicht sah, wie ihre Mundwinkel zuckten. Benny war verunsichert und sein Gesicht ein einziges Fragezeichen.

„Kommt Kinder, es ist Zeit“, rief Sarah und strebte dem Abfluggate zu.

Im Flugzeug machten sie es sich gemütlich. Sarah nahm den Fensterplatz, Benny den Gangplatz, damit er zumindest auf einer Seite mehr Luft für seinen massiven Körper hatte. Judy saß zwischen den beiden.

Der Flug startete pünktlich, und schon bald waren sie in der Luft.

Sarah sah aus dem Fenster auf die schnell kleiner werdende Landschaft unter ihnen und versuchte sich vorzustellen, was in den nächsten Wochen alles so passieren werde.

So peinlich es ihr war, aber sie war dem Geheimnis von Judys Erzeuger immer noch nicht näher gekommen. Ein dichter Nebel lag über den Erinnerungen an die Zeit ihrer Flucht aus Lemberg. Bisher war sie sich dieser Lücke in ihren Erinnerungen nie bewusst geworden. Es hatte nie einen Grund gegeben, viele Gedanken an diese Zeit zu verschwenden.

Von Jack, oder besser gesagt seinem Geist, hatte sie seit dieser einen nächtlichen Begegnung nichts mehr gehört. Ob er sich noch einmal melden würde? Oder hatte sie sich das alles nur eingebildet? Sie machte sich mit ihren Kindern auf eine lange Reise ins Ungewisse auf – und das nur, weil ihr eine Traumerscheinung etwas befohlen hatte? War sie jetzt schon komplett durchgedreht? War sie eine von diesen hysterischen jüdischen Müttern, die von ihrer Umwelt nur mehr als anstrengend und nervtötend empfunden wurden?

Als sie wieder einmal aus dem Fenster sah, bemerkte sie eine Figur, die auf der Tragfläche saß. Es war Jack, mit Fliegerbrille und Mantel bekleidet. Sein Schal flatterte im Wind. Er warf ihr eine Kusshand zu und machte dann das Daumen hoch-Zeichen.

Ohne sich umzusehen, stieß Sarah mit der Hand Judy an, die neben ihr saß. Ob Judy Jacks Geist wohl auch würde sehen können? Als Judy nicht reagierte, drehte sich Sarah zu ihr - und sah Jack neben sich.

„Hallo Sarah, schön dich zu sehen“, meinte er nur.

„Was machst du hier? Wo ist Judy?“

„Ich hatte noch ein paar Meilen im himmlischen Vielfliegerprogramm. Da dachte ich, ich komme mit. Judy ist mit Benny und ein paar anderen jungen Leuten in der Bar. So schlagen sie wenigstens die Zeit tot.“

„Apropos tot: Können dich die anderen Leute eigentlich sehen?“

„Nur wenn ich das will. Soll ich?“

„Lieber nicht, sonst gibt es noch ein Chaos?“

„Gut, gut. Die anderen Passagiere werden sich aber fragen, wieso du mit einem leeren Sitz redest.“

„Kein Problem, die halten mich sowieso für überspannt.“

Jack lächelte sie verständnisvoll an. „Wie geht es dir?“

„Na wie soll es mir schon gehen? Ich sitze hier im Flugzeug nach Europa, weiß eigentlich nicht, warum und was ich dort dann machen soll, und rede mit einem Verstorbenen. Also was glaubst du, wie es mir geht?“

„Du machst das alles schon richtig. Ich bin sehr stolz auf dich. Du wirst sehen, wir bringen alles wieder in Ordnung.“

„Ich habe nur noch keinen blassen Schimmer, wie das gehen wird.“

„Hab Vertrauen!“

„Das sagt sich leicht, wenn man tot ist. Du hast ja nichts mehr zu verlieren. Also deine arrogante Gelassenheit geht mir schon langsam auf die…“

„Nüsse?“, fragte die Stewardess, die mit dem Getränkewagen durchging. „Möchten Sie gerne Nüsse zu ihrem Drink?“

Sarah brauchte einen Moment, um wieder die Orientierung zu finden. Sie musste wohl eingeschlafen sein. Hatte sie das alles wieder nur geträumt?

„Ja, bitte. Und einen Gin Tonic dazu. Und machen Sie den extra stark.“

Alkohol war zwar keine Lösung für Probleme – aber kein Alkohol war auch keine Lösung.

Während sie noch an ihrem Drink nippte, kamen die Kinder von ihrem Ausflug zurück. Sie hatten ein paar andere Jugendliche gefunden und versucht, gemeinsam die Zeit totzuschlagen. Aber jetzt hatten sie langsam Hunger, und sogar ein Essen im Flugzeug war immer noch besser als ein knurrender Magen. Speziell Benny war gewohnt, ständig etwas zu essen oder zu trinken, was nicht unerheblichen Einfluss auf seine Figur hatte.

Kurze Zeit später wurde tatsächlich das Essen serviert, das die drei als ungewöhnlich gut empfanden. Aber sie waren bisher eben das Essen von amerikanischen Fluglinien gewohnt gewesen.

Benny hatte seine Portion Rindsgulasch sowie die Schokoladentorte in Windeseile vertilgt und schaute sich nun satt und zufrieden einen Videofilm an.

Judy und Sarah stocherten beide in ihrem Essen herum. Beide hatten keinen rechten Appetit, weil ihnen einfach zu viele...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-13 9783990573570 / 9783990573570
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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