Auf der Suche nach einem Antibiotikum hat Francis Saxover, der Chef eines Biochemie-Forschungszentrums, eine Entdeckung gemacht, die alle bisherigen Errungenschaften und Großtaten der modernen Medizin weit in den Schatten stellt. Das Lichenin, aus einer seltenen Flechtenart gewonnen, ist das Medikament, von der die Menschheit seit Anbeginn der Geschichte träumt. Es ist das Lebenselixier, das Mittel gegen den Tod, denn es verlangsamt den Alterungsprozess und erhöht die Lebenserwartung. Jeder, der sich der Lichenin-Behandlung unterzieht, wird praktisch unsterblich. Aber die Lebensverlängerung hat ihre Probleme. Die Unsterblichkeitsdroge ist knapp, und nur wenige Menschen können in den Genuss der Behandlung kommen. Das Geheimnis der Unsterblichkeit muss also um jeden Preis gewahrt werden, um ein weltweites Chaos zu verhindern.
John Wyndham Parkes Lucas Beynon Harris wurde am 10. Juli 1903 in der Nähe von Birmingham, England, geboren und besucht im Laufe seiner Schulzeit verschiedene Internate. Nach seinem Abschluss arbeitete er unter anderem als Landwirt, Grafiker und Werbefachmann, bevor er sich ab 1931 dem Schreiben widmete. Er ist einer der wichtigsten Science-Fiction-Autoren Englands und benutzte eine Reihe von Pseudonymen, darunter auch Lucas Parkes und John Beynon. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als Verschlüsselungsexperte für das Royal Corps of Signals und nahm an der Landung in der Normandie teil. Nach dem Krieg wandte er sich, inspiriert und angespornt vom Erfolg seines Bruders Vivian Beynon Harris, erneut dem Schreiben zu. 1951 landete er mit Die Triffids einen Bestseller, dem sechs weitere Romane folgten. Zahlreiche seiner Werke wurden verfilmt, darunter auch Die Triffids und Das Dorf der Verdammten. John Wyndham starb am 11.3.1969 im Alter von 65 Jahren in London.
Kapitel 1
Die Halle war ausgeräumt und der Boden auf Hochglanz gebracht worden. Irgendjemand hatte die Wände durch hier und da angebrachte Efeubüschel verschönt und noch jemand anderes hatte gedacht, ein bisschen Lametta könnte dem düsteren Grün nicht schaden. Die Tische waren zusammengestellt worden, weiß gedeckt und dienten als Büfett, das sich unter belegten Brötchen, Kuchen- und Würstchenplatten, Krügen voll Zitronen- und Orangensaft, Blumenvasen und einigen Teemaschinen bog. Dem Auge bot der Raum eine wildbewegte Szenerie. Das Ohr wurde selbst aus einiger Entfernung an Stare in der Abenddämmerung erinnert.
St. Merryn's High hielt seine Jahresschlussfeier.
Miss Benbow, Mathematik, ließ ihre Augen, während sie einem langatmigen Bericht über die von Aurora Treggs jungem Hund an den Tag gelegte Intelligenz zuhörte, durch den Raum schweifen und merkte sich diejenigen vor, mit denen sie im Laufe des Abends noch sprechen wollte. Am Saalende erblickte sie Diana Brackley, für einen Augenblick allein. Diana gehörte auf alle Fälle zu denen, die Lob verdienten, und so wartete sie eine Atempause in Auroras wasserfallartigem Vortrag ab, machte eine Bemerkung über den erstaunlichen Scharfsinn des Hundes und stand auf.
Auf ihrem Weg durch die Halle betrachtete sie Diana plötzlich mit den Augen eines Fremden. Kein Schulmädchen mehr, sondern eine attraktive, junge Frau. Wahrscheinlich lag es am Kleid. Ein einfaches, dunkelblaues Tuchkleid, das man, bevor man es nicht richtig ansah, überhaupt nicht bemerkte. Es war nicht teuer – Miss Benbow wusste, dass es nicht teuer sein durfte – aber es hatte Stil. Diana hatte Geschmack in Kleidern, und sie besaß das gewisse Etwas, das ein Kleid für drei Pfund wie eines für zwanzig aussehen lässt. Eine Gabe, dachte Miss Benbow kummervoll, die nicht zu verachten ist. Und, spann sie ihre Gedanken weiter, ihr Aussehen war ein Teil dieser Gabe. Nicht hübsch. Hübsche Mädchen sind wie Frühlingsblumen – lieblich, aber es gibt halt so viele Frühlingsblumen. Niemand, der einen gewissen Blick sein eigen nennen konnte, konnte Diana hübsch nennen …
Achtzehn, gerade achtzehn war Diana damals. Ziemlich groß und schlank und gerade. Ihr Haar war ein dunkles Kastanienbraun mit roten Lichtern. Die Linie von Stirn und Nase konnte fast klassisches Ebenmaß für sich beanspruchen. Den Mund hatte sie leicht geschminkt. Sanft geschwungen und dekorativ, sagte er nichts über Diana aus, aber er konnte bei Gelegenheit voller Charme lächeln, und er lächelte nicht zu oft. Ihre grauen Augen waren es allerdings, die man sofort bemerkte und denen man sich nicht entziehen konnte; nicht nur, weil es sehr schöne Augen waren, wundervoll geschnitten und weit auseinanderliegend, sondern weil sie eine solch in sich ruhende Gelassenheit ausstrahlten.
Mit einer Art Überraschung, denn sie hatte Diana immer nur als Geist und weniger als Materie betrachtet, gewahrte Miss Benbow, dass Diana zu, was man in der Jugend ihrer Eltern als Schönheit bezeichnet hatte, herangewachsen war.
Diesem Gedanken folgte ein Glücksgefühl, ausgelöst dadurch, dass Miss Benbow sich selbst gratulierte. Denn in einer Schule wie St. Merryn's High lehrt und erzieht man nicht nur ein Kind, man führt einen Dschungelkrieg um es. Je gutaussehender und liebenswürdiger ein Mädchen ist, um so schlechter stehen im allgemeinen seine Überlebenschancen.
Die Werbetrommeln für Sackgassen-Jobs werden eifrig gerührt, Schmetterlinge mit Banknotenflügeln gaukeln in Reichweite, Bazillen von Filmen und Illustrierten vergiften die Luft, die Netze früher Heirat werden gesponnen, beschränkte Mütter mischen sich ein, kurzsichtige Väter erscheinen polternd auf der Bildfläche und über allem das spöttische Raunen: »Was zählt das alles, solange sie glücklich ist … Was macht es …«
So ist man schon berechtigt, beim Anblick derer, die man um diese Gefahren herumgelotst hat, einigen Stolz zu empfinden.
Aber dann musste sich Miss Benbow zur Ordnung rufen, da sie unverdientes Lob für sich in Anspruch nahm.
Diana hatte wenig Schutz erfordert. Die Fährnisse hatten sie nicht angefochten. Die Versuchungen überging sie, als ob es ihr nie in den Sinn gekommen wäre, dass sie es auch darauf anlegen könnte, sie zu verführen. Sie erinnerte an einen Reisenden, der durch eine interessante Gegend fährt. Ihr Bestimmungsort war noch ungewiss, aber er lag sicherlich in der Ferne, und dass irgendjemand damit zufrieden sein sollte, die Reise so früh abzubrechen und an einem Rasthaus am Weg oder einem primitiven Dorf haltzumachen, setzte sie in Erstaunen. Nein, es freute einen, dass Diana so gut abgeschnitten hatte, aber allzu verdient hatte man sich nicht darum gemacht. Sie hatte hart gearbeitet und Erfolg gehabt. Das einzige, das man sich wünschen konnte, obwohl es, da man ansonsten mit trägen und konformistischen Kindern zu kämpfen hatte, fast sündhaft erschien, war, dass sie ein wenig – nun, weniger individualistisch wäre …
Miss Benbow hatte die Halle fast durchquert, und Diana hatte sie schon gesehen.
»Guten Abend, Miss Benbow.«
»Guten Abend, Diana. Ich möchte dir ganz herzlich gratulieren. Es ist großartig, einfach großartig. Wir alle haben erwartet, dass du gut abschneiden würdest – wären schrecklich enttäuscht gewesen, wenn es weniger als gut gewesen wäre. Aber das – nun, es ist besser, als ich für dich zu hoffen wagte.«
»Vielen Dank, Miss Benbow. Aber es ist nicht nur mein Verdienst. So weit wäre ich nicht gekommen, wenn nicht alle mir so geholfen und mich angeleitet hätten.«
»Dafür sind wir hier. Aber wir stehen auch in deiner Schuld, Diana. Selbst heutzutage trägt ein Stipendium sehr zum Ansehen einer Schule bei, und deines ist eines der besten, das St. Merryn's jemals verliehen wurde. Ich nehme an, du weißt das.«
»Miss Fortindale schien wirklich sehr erfreut.«
»Sie ist mehr als erfreut. Wir alle sind es.«
»Danke, Miss Benbow.«
»Und deine Eltern sind natürlich auch hocherfreut?«
»Ja«, antwortete Diana mit einem Hauch Reserve. »Daddy freut sich sehr. Er ist froh, dass ich nach Cambridge komme, weil er selber gern dort studiert hätte. Wenn ich das Stipendium nicht gewonnen hätte, wäre Cambridge nicht zur Debatte gestanden und es wäre nur« – im rechten Augenblick fiel ihr ein, dass Miss Benbow an der Universität London ihr Examen gemacht hatte, und sie verbesserte sich zu »– eine von den Redbricks in Frage gekommen.«
»Einige der Redbricks leisten sehr gute Arbeit«, bemerkte Miss Benbow mit leichtem Tadel.
»O ja, natürlich. Nur, wenn man sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann kommt es einem wie eine Art Versagen vor, wenn man dann etwas anderes tun muss, nicht wahr?«
Miss Benbow ließ sich nicht auf diese Betrachtungsweise ein.
»Und deine Mutter? Sie ist wahrscheinlich auch sehr stolz auf deinen Erfolg?«
Diana sah ihr mit diesen grauen Augen ins Gesicht, die einen zu durchdringen schienen.
»Ja«, meinte sie zögernd, »das ist sie.«
Miss Benbows Augenbrauen gingen in die Höhe.
»Ich wollte sagen, dass Mama sehr stolz auf mich sein müsste«, erklärte Diana.
»Aber sicher ist sie das«, protestierte Miss Benbow.
»Sie gibt sich Mühe. Sie war wirklich sehr süß«, sagte Diana. Sie heftete ihre Augen auf Miss Benbow. »Warum halten Mütter nur Betttauglichkeit für so viel respektabler als Gescheitheit?«, fragte sie. »An sich sollte man das Gegenteil erwarten.«
Miss Benbow blinzelte. Die Unterhaltung drohte verfänglich zu werden, aber sie stellte sich.
»Ich denke, dass man für ›respektabel‹ ›verständlich‹ einsetzen sollte. Im großen und ganzen ist die Welt des Geistes für Mütter ein Buch mit sieben Siegeln, und sie wissen nichts damit anzufangen. Aber natürlicherweise halten sie sich auf dem anderen Gebiet alle für Autoritäten, die mit Rat und Tat beistehen können.«
»Aber ›respektabel‹ spielt irgendwie mit hinein«, entgegnete sie mit leichtem Stirnrunzeln.
Miss Benbow schüttelte den Kopf.
»Verwechselst du nicht Respektabilität und Konformismus? Der elterliche Wunsch, dass Kinder ihnen vertraute Wege einschlagen, ist nur natürlich.« Sie zögerte und fuhr dann fort: »Ist dir noch niemals der Gedanke gekommen, dass die Tochter, die eine Karriere dem Leben ihrer hausbackenen Mutter vorzieht, damit insgeheim ihre Mutter kritisiert? Im Grunde sagt sie: ›Das Leben, Mutter, das du führst, mag dir genügen, aber mich befriedigt es nicht.‹ Nun, Mütter schätzen das – genau wie alle anderen Leute – nicht sehr.«
»So habe ich es noch nicht betrachtet«, gab Diana gedankenvoll zu. »Sie glauben, dass Mütter im Stillen darauf hoffen, dass ihre Töchter in ihrer Karriere Schiffbruch erleiden und damit beweisen, dass ihre Mütter doch recht gehabt haben.«
»Jetzt lässt du deiner Phantasie aber die Zügel schießen, Diana.«
»Ja, schon – aber es folgt doch daraus, nicht, Miss Benbow?«
»Ich glaube nicht, dass es uns einen Gewinn bringt, wenn wir diesen Gedanken weiterverfolgen. Wohin fährst du in den Ferien, Diana?«
»Nach Deutschland. Ich wäre eigentlich lieber nach Frankreich gegangen, aber Deutschland ist, glaube ich, nützlicher.«
Darüber unterhielten sie sich eine Weile. Dann gratulierte ihr Miss Benbow zum zweiten Mal und wünschte ihr alles Gute für die Universität.
»Ich bin für alles schrecklich dankbar. Ich bin so froh, dass Sie sich alle so gefreut haben. Aber es ist komisch«, setzte sie hinzu, »ich hätte gedacht, dass eigentlich jede betttauglich ist, wenn sie es darauf anlegt....
| Erscheint lt. Verlag | 31.10.2016 |
|---|---|
| Übersetzer | Brigitte Kraus |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Trouble with Lichen |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | diezukunft.de • eBooks • John Wyndham • Klassiker der Science-Fiction • Near future • Unsterblichkeit |
| ISBN-10 | 3-641-19166-1 / 3641191661 |
| ISBN-13 | 978-3-641-19166-5 / 9783641191665 |
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