Jerry Cotton Sonder-Edition 38 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
9783732538522 (ISBN)
Auf meiner Geburtstagsparty ging es hoch her. Längst schon hatte ich den Überblick über meine Gäste verloren. Dann traf ein weiterer Gast ein. Die Lifttür ging auf, und ein Mann fiel mir in die Arme. Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Dolchs. Bevor er starb flüsterte er noch: 'Die vier Engel.' Damit war der ausgelassene Teil der Feier blitzartig vorbei, und Phil und ich steckten mitten in einem Fall, der nichts Engelhaftes an sich hatte...
1
Ich hatte Geburtstag und feierte ihn mit einer großen Party. Dauernd stießen neue Gäste dazu, und jeder hatte sich eine kleine Überraschung ausgedacht. Freddie Hampton, der Besitzer des Luga-Luga-Nachtclubs, rückte mit seiner Drei-Mann-Combo an. Josuah Poolbrath, der Bildreporter, rollte mit einer riesigen Torte an.
Mr High, mein Chef beim FBI, kam um Mitternacht.
»Es geht ja mächtig hoch her, Jerry, was sagen denn die Nachbarn dazu?«
»Sind alle eingeladen und damit entschärft. Sorgen machen mir nur die Leute in den umliegenden Häusern.«
Mr High zog mich in eine ruhige Ecke. »Ich wollte Ihnen eigentlich ein kleines Geschenk mitbringen, Jerry«, sagte er. »Drei Tage Sonderurlaub. Aber es geht nicht, nicht zu diesem Zeitpunkt.«
Ich zog die Brauen zusammen.
»Ist etwas passiert?«
»Allerdings«, sagte Mr High in seiner ruhigen, konzentrierten Art. »Toro Massena ist heute Abend in New York angekommen!«
Ich stieß einen Pfiff aus. »Ich denke, er wollte die nächsten Wochen in Florida bleiben?«
»So lauteten die letzten Berichte. Aber sie stimmten nicht. Unsere Leute haben sich geirrt. Er ist vorhin angekommen. Er hat den South Express benutzt. Der Abteilschaffner im Zug hat ihn erkannt. Der Mann arbeitet für uns.«
»Und?«, fragte ich.
»Ich habe Phil sofort losgeschickt. Er soll versuchen, Massena zu folgen und herauszufinden, wo sich der Gangster niederlässt.«
»Hat Phil Erfolg gehabt?«
»Ich habe noch nichts von ihm gehört. Aber es ist auch noch zu früh.«
»Und Carto?«
»Roy Cartenogese ist in New York«, sagte Mr High.
»Dann gute Nacht«, sagte ich. »Dann können wir uns auf einiges gefasst machen.«
Massenas plötzliche Rückkehr nach New York ließ allerhand Rückschlüsse zu. Keiner von ihnen eröffnete friedliche Aussichten.
»Mir ist diese Party ganz lieb«, sagte Mr High. »Ich weiß nicht, inwieweit die Gangster über unsere Maßnahmen informiert sind, sehr wahrscheinlich wissen sie einiges. Eine so groß angelegte Aktion ist einfach nicht geheim zu halten. Aber wenn sie es darauf angelegt haben, uns zu täuschen, werden sie glauben, dass ihnen das gelungen ist. Wer auf Gangsterjagd ist, feiert keine Partys.«
»Da ist was dran«, räumte ich ein.
»Schön, Jerry, das wäre eigentlich alles. Ich fahre jetzt ins Büro zurück und warte auf Phils Anruf.«
»Ich kann hier Schluss machen und mitkommen.«
»Nein, nein«, wehrte er ab. »Das würde die Bande nur misstrauisch machen. Dass Sie hier feiern, beweist ihnen, dass wir ahnungslos sind, und in diesem Glauben sollten wir sie lassen. Ich verschwinde jetzt unauffällig. Wenn es etwas Neues gibt, rufe ich an.«
»Mein Telefon funktioniert leider nicht!«
»Ach so, nun, dann schicke ich jemand vorbei. Wir sehen uns später, Jerry.« Er drängte sich durch die Menge und war gleich darauf verschwunden.
Nachdenklich ging ich an die Bar und mixte mir einen Scotch – wenig Whisky, viel Soda.
Plötzlich ging die Tür auf. Ein Mann im seidenen Morgenmantel stand dort und blinzelte durch seine Brille. Es war Alan Heaverside, mein Wohnungsnachbar. Er hatte sich schon vor einer Stunde zurückgezogen.
»Sie suche ich, Mister Cotton«, schnaubte er wütend.
»Wir hören bald auf«, sagte ich besänftigend.
»Das meine ich nicht. Sie werden am Telefon verlangt, und zwar an meinem Telefon!« Böse sah er mich an.
»Das tut mir leid …«
»Mir tut es leid, denn ich wurde aus dem Bett geklingelt. Ich hab dem Burschen gesagt, er solle, verdammt noch mal, bei Ihnen anrufen, aber er behauptet, da komme er nicht durch, und es sei dringend.«
»Hat er seinen Namen genannt?«
»Nein, aber der Kerl hat eine ordinäre Stimme. Er behauptet, es sei äußerst dringend. Ich kann mir zwar beim besten Willen nicht vorstellen, welchen dringenden Grund es gibt, morgens um ein Uhr friedliche Bürger aus dem Schlaf zu holen …«
»Schon gut«, sagte ich, »es ist wirklich sehr nett, dass Sie mich verständigt haben.«
***
Das Telefon war in seinem Schlafzimmer neben dem Bett. Er wies mit gekränkter Miene auf den Hörer, der danebenlag, und setzte sich so, dass er gut hören konnte.
Ich nahm den Hörer. »Hallo?«, sagte ich.
Keine Antwort. Nur ein leises Rauschen und dazwischen Stimmengewirr. Es war offenkundig, dass der Anrufer noch nicht aufgelegt hatte. »Hallo«, rief ich. »Wer ist da?«
Nichts. Ich sah Heaverside an. »Hat der Mann gesagt, dass er am Apparat bleiben werde?«, erkundigte ich mich.
Er nickte. »Ja, er hat doch gesagt, es gehe um Leben und Tod. Nun kennt man ja diese Tricks …«
»Hallo«, rief ich wieder.
In diesem Augenblick meldete sich eine Stimme. »Hallo, spricht da jemand?«
»Ja«, sagte ich verwundert. »Hier ist Jerry Cotton. Ich, denke, Sie haben eben hier angerufen und nach mir verlangt?«
»O nein, nichts dergleichen. Sind Sie etwa der FBI-Agent Jerry Cotton?«
»Der bin ich!«
»Ich bin Dick Hunter, Besitzer von der Moonlight Bar. Ich kenne Sie, Agent Cotton. Mein Lokal ist gleich gegenüber Ihrer Wohnung.«
»Schön – aber was soll das Ganze?«
»Bei mir war eben ein Gast, schien es ziemlich eilig zu haben. Er verlangte eine Telefonmünze und stürzte in die Zelle. Gleich darauf kam er wieder heraus und lief davon. Nach einer Weile fiel mir auf, dass in der Zelle das Licht noch brannte. Ich ging hinein, entdeckte, dass der Hörer nicht aufgelegt war, und hörte Sie gleichzeitig sprechen.«
Ich überlegte einen Augenblick. »Können Sie den Mann beschreiben?«
»Ich denke schon.«
»Schön, ich komme gleich zu Ihnen rüber.«
Ich legte auf. Alan Heaverside sah mich giftig an.
Ich verließ mit einer weiteren Entschuldigung die Wohnung, ging zum Aufzug. Ich drückte den Knopf und wartete. Ich brauchte nicht lange zu warten, bis der Lift kam und die Tür sich öffnete.
Vor mir stand ein Mann. Er war untersetzt und hatte ein feistes Gesicht, das durch einen schmalkrempigen Hut beschattet war. Er trug einen hellen Regenmantel, dessen Kragen hochgeschlagen war, und sah mich an, als wolle er etwas sagen und könne es nicht.
Dann hob er seine Hände, als wolle er nach mir greifen. Im nächsten Augenblick begann er zu taumeln.
Ich fing ihn auf und spürte, wie der glatte Mantelstoff durch meine Finger glitt. Langsam sank der Mann zu Boden. Ich merkte, wie meine Hände feucht wurden, und als ich sie hob, sah ich, dass sie rot von Blut waren.
Jetzt entdeckte ich den Dolchgriff, der aus dem Rücken des Mannes ragte.
Einen Augenblick war ich wie erstarrt. Dann beugte ich mich über den Mann. Sein Mund bewegte sich in der verzweifelten Anstrengung, etwas zu sagen. Ganz dicht brachte ich mein Ohr daran.
»Jerry Cotton«, ächzte der Mann.
»Ja«, sagte ich. »Der bin ich. Reden Sie, Mann, was ist passiert?«
Er setzte mehrmals zum Sprechen an. Es war offensichtlich, dass seine Kräfte schwanden. »Ich wollte zu Ihnen …«, kam es stoßweise heraus, kaum hörbar.
»Wer war es?«, fragte ich eindringlich. »Der Name!«
In einer letzten verzweifelten Anstrengung bäumte er sich auf. »Die vier Engel«, brach es aus ihm heraus. Dann fiel sein Kopf zur Seite. Er war tot.
Behutsam ließ ich den Körper zu Boden gleiten. Es bedurfte keiner Fantasie, um sich vorzustellen, was geschehen war. Der Mann hatte mit einer wichtigen Information zu mir gewollt. Er wurde verfolgt und wusste das.
Da er damit rechnete, dass mein Haus beobachtet wurde, hatte er von der Moonlight Bar aus bei mir angerufen. Dort hatte ihn der Mörder entdeckt. Der Mann war geflohen, aber hier in der Halle hatte man ihn erwischt.
Die vier Engel! Was hatte er damit gemeint?
Ich nahm mein Taschentuch und fasste damit nach seiner Brieftasche. Vorsichtig, um keine Fingerabdrücke zu zerstören, zog ich sie heraus und klappte sie auf.
Ein Führerschein fiel mir entgegen – ausgestellt in Reta Village, Florida. Der Name des Mannes lautete Bill Tide. Er war geboren am 7.6.1920 in San Louis Obispo, Kalifornien. Beruf: Chauffeur.
Achselzuckend steckte ich die Karte wieder weg. Damit konnte ich nichts anfangen. Ich war sicher, den Mann weder zuvor gesehen noch seinen Namen gehört zu haben. Einen Augenblick überlegte ich. Aus meiner Wohnung kam gedämpft das Geräusch der Party. Es fehlte jetzt nur noch, dass jemand von dort erschien und die Leiche sah.
Kurz entschlossen stellte ich den Fahrstuhl auf Halt, ließ die Türen zugleiten – der Tote lag im Fahrstuhl – und sperrte den Mechanismus mit Hilfe meines Dietrichs ab. Ohne Schlüssel konnte jetzt niemand den Fahrstuhl öffnen.
Einen Augenblick überlegte ich, ob ich nicht zu Alan Heaverside gehen und dessen Telefon benutzen sollte, aber dann entschied ich mich für das Telefon in der Moonlight Bar. Dort würde es keine Mithörer geben.
Ich lief über die Treppe nach unten, trat vor das Gebäude und wartete, um ein sich langsam näherndes Fahrzeug vorbeizulassen. Der Wagen bremste aber, und ich bemerkte, dass es ein Streifenwagen der New Yorker City Police war. Das erleichterte die Sache gewaltig. Ich hob den Arm, und der Wagen stoppte neben mir.
»Hallo«, sagte ich, bückte mich und forschte in den Gesichtern der Männer, ob mir einer bekannt war. Das war nicht der Fall. Vier...
| Erscheint lt. Verlag | 25.10.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
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| ISBN-13 | 9783732538522 / 9783732538522 |
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