Die Shannara-Chroniken: Der Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk (eBook)
Blanvalet Taschenbuch Verlag
9783641181222 (ISBN)
Im Jahr 1977 veränderte sich das Leben des Rechtsanwalts Terry Brooks, geboren 1944 in Illinois, USA, grundlegend: Gleich der erste Roman des begeisterten Tolkien-Fans eroberte die Bestsellerlisten und hielt sich dort monatelang. Doch 'Das Schwert von Shannara' war nur der Beginn einer atemberaubenden Karriere, denn bislang sind mehr als zwanzig Bände seiner Shannara-Saga erschienen.
Eins
Sie saß allein in ihren Gemächern, in den Schatten der Dämmerung und der Einsamkeit des Abends. Ihre Gedanken waren düsterer als die anbrechende Nacht und wogen schwerer als das Gewicht aller Steine von Paranor. In letzter Zeit zog sie sich früh zurück, vorgeblich zum Arbeiten, in Wirklichkeit jedoch, um über die Enttäuschungen des Tages zu grübeln und über die trüben Aussichten des nächsten Morgens nachzudenken. Die Stille hier im hohen Turm gewährte ihr einen Augenblick der Ruhe in dem Zwist zwischen ihr und jenen, die sie zu führen hatte. Dieser Moment dauerte nur kurz, nur solange sie in ihrer Abgeschiedenheit blieb, doch ohne diesen kleinen Trost wäre sie, so fürchtete sie manchmal, vollkommen in Verzweiflung verfallen.
Sie war kein Kind mehr, nicht einmal mehr jung, wenngleich sie jugendlich aussah, da ihre bleiche, durchscheinende Haut keinen Makel und keine Falten aufwies, ihre klaren blauen Augen leuchteten und sie sich sicher und gewandt bewegte. Schaute sie in den Spiegel, was damals wie heute selten geschah, so sah sie dort das Mädchen von vor zwanzig Jahren. Der Alterungsprozess schien bei ihr auf wundersame Weise zum Stillstand gekommen zu sein. Während jedoch ihr Körper jung blieb, alterte ihre Seele, und daran trug ihre Verantwortung mehr Schuld als die Zeit. Allein der Druidenschlaf würde, falls sie sich seiner bediente, die Ermüdung ihres Herzens verlangsamen, aber zu diesem Mittel wollte sie in nächster Zukunft nicht greifen. Sie konnte nicht. Sie war die Ard Rhys des Dritten Druidenrates, die Hohe Druidin von Paranor, und solange sie dieses Amt einnahm, würde Schlaf für sie ein knappes Gut bleiben.
Ihr Blick schweifte zu den Fenstern ihres Zimmers, die nach Westen hinausgingen, wo die Sonne längst hinter dem Horizont versunken war und das schwache Leuchten des Himmels zu schwinden begann. Auch ihr eigener Stern, dachte sie, war im Sinken begriffen, sein Licht verblasste, seine Zeit und seine Chancen zerrannen. Wäre es ihr denn möglich gewesen, hätte sie daran etwas geändert. Allerdings hatte sie den Glauben verloren, den Weg zu finden.
Sie hörte Tagwen, ehe sie ihn sah, vernahm seine leichten und vorsichtigen Schritte auf dem Gang vor ihrer offenen Tür, und in der Zaghaftigkeit seiner Annäherung verriet sich seine Sorge um sie.
»Komm herein, Tagwen«, rief sie.
Er trat durch die Tür und blieb hinter der Schwelle stehen, erdreistete sich nicht, weiter einzudringen, da er diesen Raum als den ihren und alleinig ihren respektierte. Auch er wurde alt, stand nun fast schon zwanzig Jahre in ihren Diensten, und da er der einzige Gehilfe war, den sie je gehabt hatte, stellte er einen Spiegel ihrer eigenen Zeit in Paranor dar. Sein stämmiger, knorriger Körper besaß noch Kraft, doch seine Bewegungen wurden langsamer, und sie konnte häufig beobachten, wie er zusammenzuckte, wenn die verschlissenen Gelenke steif wurden. Seine Augen strahlten eine Güte aus, die sie von Anfang an angezogen hatte und die den Charakter des Mannes offenbarte. Tagwen diente ihr, weil er respektierte, was sie tat und was sie für die Vier Länder bedeutete, und er hatte sie niemals nach Erfolg oder Misserfolg beurteilt, nicht einmal, als Letzterer so sehr überwogen hatte.
»Herrin«, sagte er mit seiner heiseren, rauen Stimme und neigte den Kopf, so dass das bärtige Gesicht kurz im Schatten lag. Diese eigentümliche und steife Geste war so typisch für ihn. Er beugte sich vor, als wolle er ihr etwas anvertrauen, das andere belauschen könnten. »Kermadec ist da.«
Sofort erhob sie sich. »Er wird nicht hereinkommen«, sagte sie, eine Feststellung, keine Frage.
Tagwen nickte. »Er wartet am Nordtor und fragt, ob Ihr mit ihm sprechen werdet.« Ernst presste der Zwerg die Lippen zusammen. »Es sei dringend, sagt er.«
Sie griff nach ihrem Mantel und warf ihn sich um die Schultern. Während sie an Tagwen vorbeiging, berührte sie ihn beruhigend an der Schulter. Im Treppenhaus hörte sie Stimmen von unten, Gesprächsfetzen, die zu ihr herangetragen wurden. Sie konnte nicht verstehen, was gesagt wurde. Möglicherweise sprach man über sie; das geschah beinahe ständig. Gewiss fragten sie sich, aus welchem Grund sie ihre Anführerin blieb, warum sie vorgab, überhaupt irgendetwas erreichen zu können, nachdem sie so oft gescheitert war, warum sie nicht begriff, dass ihre Zeit vorüber war und ein anderer ihren Platz einnehmen sollte. Mancher flüsterte vielleicht, man müsse sie mit Gewalt vertreiben, auf die eine oder die andere Weise. Andere stimmten sogar für wesentlich härtere Maßnahmen.
Intrigen von Druiden. Die waren in den Hallen von Paranor nichts Ungewöhnliches, und ihr gelang es einfach nicht, ihnen ein Ende zu bereiten. Auf Walkers Befehl hin hatte sie diesen Dritten Druidenrat gegründet, nachdem sie aus Parkasia in die Vier Länder zurückgekehrt war. Sie akzeptierte ihre Rolle als Oberhaupt, ihr Schicksal als Führerin jener, die sie rekrutiert hatte, ihre Verantwortung dafür, das Erbe der Druiden als Überlieferer des Wissens an die Rassen mit neuem Leben zu erfüllen. Das Herzstück ihres neuen Ordens hatten jene wenigen gebildet, die ihr der Elfenkönig Kylen Elessedil auf Drängen seines Bruders Ahren geschickt hatte. Weitere aus anderen Ländern und anderen Rassen waren gefolgt, angelockt von der Aussicht, den Gebrauch von Magie zu erkunden. Das war vor zwanzig Jahren gewesen, und damals hatte sie große Hoffnungen gehegt. Alles war ihr erreichbar erschienen. Die Zeit und das Unvermögen, einen erkennbaren Wandel des Denkens und der Einstellungen bei den Regierenden der Länder und Rassen herbeizuführen, hatten diesen Optimismus gebrochen. Was blieb, war ein verzweifeltes Beharren auf ihren Glauben, dass sie nicht aufgeben durfte.
Das allein genügte jedoch nicht. Niemals würde es genügen. Nicht für jemanden, der aus einer solchen Dunkelheit kam, in der jegliche Hoffnung auf Erlösung vergeblich erschienen war. Nicht für Grianne Ohmsford, die einstige Ilse-Hexe, die nun zu Ard Rhys geworden war, um Sühne zu üben.
Sie gelangte in die unteren Stockwerke des Bergfrieds, in die langen Gänge, welche die Versammlungsräume und Unterkünfte jener verbanden, die sie nach Paranor geholt hatte. Einige kamen ihr entgegen, Schatten, die an den Wänden im Licht der flammenlosen Öllampen entlangschlichen. Manche nickten ihr zu; ein oder zwei grüßten sie. Die meisten warfen ihr lediglich rasch einen Blick zu und eilten weiter. Sie fürchteten sie und misstrauten ihr, diese Druiden, die sie in ihrem Orden aufgenommen hatte. Offensichtlich konnten sie sich dieser Gefühle nicht erwehren, und sie vermochte ihnen dies nicht zum Vorwurf zu machen.
Terek Molt trat aus einem Zimmer und grüßte mit unfreundlichem Grunzen, nach außen hin mutig und herausfordernd. Aber sie spürte seine wahren Gefühle, und sie erkannte seine Angst. Seinen Hass, der noch stärker war. Für Traunt Rowan und Iridia Eleri und ein oder zwei weitere galt das Gleiche. Shadea a’Ru begegnete ihr mit ihren giftigen Blicken sogar so offen feindselig, dass es zwischen ihnen keinerlei Gespräche mehr gab, ein Zustand, an dem sie nichts zu ändern vermochte.
Sie schloss die Augen, unterdrückte ihre Gefühle und fragte sich, was sie mit diesen Vipern anstellen sollte – was konnte sie tun, das nicht schlimmere Rückwirkungen hatte, als sie zu ertragen bereit war.
Der junge Ceryson Scyre kam ihr entgegen, winkte und lächelte, sein Gesicht verriet ehrliche Freude, seine Begeisterung war unverkennbar. An diesem ansonsten dunklen Firmament stellte er ein hell leuchtendes Licht dar, und sie war dankbar für seine Gegenwart. Noch glaubten einige Angehörige des Ordens fest an sie. Freundschaft oder gar Mitleid hatte sie nie von jenen erwartet, die zu ihr kamen, doch hatte sie auf Loyalität gehofft und auf ein Gespür für die Verantwortung, die sich mit ihrem Amt verband. So zu denken war töricht, und inzwischen hatte sie es sich abgewöhnt. Inzwischen würde es den Kern besser treffen, wenn man sagte, sie hoffe lediglich auf den Sieg der Vernunft.
»Herrin«, grüßte Gerand Cera mit leiser Stimme und verneigte sich im Vorübergehen vor ihr. Er war groß von Gestalt, schlank und geschmeidig, und sein kantiges Gesicht wirkte gleichermaßen verschlafen wie gefährlich.
Längst waren es zu viele geworden. Sie konnte nicht auf alle aufpassen. Jedes Mal, wenn sie diese Gänge betrat, setzte sie sich einem Risiko aus – hier an dem einzigen Ort, der ihr Sicherheit bieten sollte, in dem Orden, den sie selbst gegründet hatte. Das war verrückt.
Sie durchquerte die Eingangshalle und trat in die Nacht hinaus, eilte durch eine Reihe von Höfen zum Nordtor und befahl der Wache, sie hinauszulassen. Die Dienst habenden Trolle gehorchten teilnahmslos und schweigend. Sie kannte ihre Namen nicht, wusste nur, dass sie auf Kermadecs Geheiß da waren, und das genügte ihr, um von ihrer Loyalität überzeugt zu sein. Was auch sonst in dieser Gemeinschaft ihrer einst Getreuen passierte, die ständig mehr unterminiert wurde, die Trolle würden ihr zur Seite stehen.
Würde das eines Tages notwendig sein? Vor einem Monat wäre ihr dieser Gedanke nicht in den Sinn gekommen. Allein schon die Frage bewies, wie angespannt die Lage geworden war.
Sie ging zur Kante der Felswand, zu der Mauer aus Bäumen, wo der Wald begann, und blieb stehen. Eine Eule glitt durch die Dunkelheit, ein stiller Jäger. Sie selbst jagte ebenfalls. Plötzlich spürte sie eine starke Verbindung mit dem Nachtvogel, und fast konnte sie sich vorstellen, wie sie davonflog wie er, alles hinter sich zurückließ...
| Erscheint lt. Verlag | 24.10.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Die Shannara-Chroniken: Der Magier von Shannara | Die Shannara-Chroniken: Der Magier von Shannara |
| Übersetzer | Andreas Helweg |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | High Druid of Shannara Trilogy 1 - Jarka Ruus |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
| Schlagworte | Amazon Prime • Austin Butler • Der Herr der Ringe • eBooks • Fantasy • Game of Thrones • High Fantasy • John Rhys-Davies • Manu Bennett • MTV • Poppy Drayton • RTL2 • Serien • TV Serie |
| ISBN-13 | 9783641181222 / 9783641181222 |
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