Jupiter 8: Wie man Sterne programmiert (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-5021-9 (ISBN)
Die Arche
»Sie können Ihren Helm öffnen. Die Luft ist für Sie atembar.«
Beinahe hätte Perry Rhodan gelacht. Er unterdrückte den Impuls jedoch. Wer hier unten, in dieser Umwelt, sein Haus bauen konnte, konnte auch den internen Funkverkehr eines Skaphanders abhören. Und wer wusste schon, wie er Rhodans Lachgeräusche womöglich gedeutet hätte.
»Was soll ich tun?«, fragte Pao Ghyss.
»Wir steigen aus!«, entschied Rhodan.
Perry Rhodan, Firmion Guidry und Pao Ghyss hatten sich hierhergekämpft, zuletzt zu Fuß, eingeschlossen in der quälenden Enge eines Skaphanders, eines Jupiteratmosphären-Schutzanzugs. Sie hatten den tödlichen Umweltbedingungen auf der Jupiteroberfläche getrotzt und sich zum Fluktuationstransmitter durchgeschlagen. Jenem unbekannten Gebilde, das die Quelle der manipulierten Higgs-Teilchen war, die im Verbund mit den Gravitonen vom Ganymed-Artefakt den Jupiter in ein Schwarzes Loch verwandeln würden – mit verheerenden Folgen für die Erde und alle anderen Welten des Solsystems.
Um herauszufinden, wie sich dies verhindern ließ, war Perry Rhodan mit seinen zwei Begleitern hergekommen und auf ein gewaltiges Zylinderkonstrukt gestoßen. Massiv, unüberwindlich und fugenlos hatte der Turm vor ihnen aufgeragt, nirgendwo ein erkennbarer Angriffspunkt oder Zugang. Dann jedoch hatte sich unvermittelt eine Öffnung in dem Wall vor ihnen gebildet, und sie waren mit einem Traktorstrahl ins Innere geholt worden.
Perry Rhodan verfolgte auf der Bildfolie, die sich vor seinen Augen spannte, wie Firmion Guidry seiner Anweisung folgte und sich aus dem Frontteil des Schutzanzugs schälte. Danach öffnete sich der Rucksack, in dem Rhodan selbst den Marsch im Skaphander verbracht hatte. Er wand sich nun ebenfalls heraus.
Zuletzt klappte der innere Brustteil weit nach vorn, und Pao Ghyss erschien – ein wenig wie der Schmetterling aus der Puppe. Der Skaphander schloss sich hinter ihr beinahe geräuschlos wieder.
Die drei Menschen verzogen geblendet das Gesicht und versuchten, ihre Augen mit der Hand gegen das grelle Licht abzuschirmen. Kurz darauf wurde die Beleuchtung gedämpft.
Sehr aufmerksam, dachte Rhodan. Wir werden genau beobachtet.
Plötzlich überfiel Rhodan die Empfindung eines Déjà-vu: Sie können Ihren Helm öffnen. Die Luft ist für Sie atembar. Er lachte nun doch lauthals auf. Waren das nicht genau die Worte, mit denen ihn vor einer Ewigkeit der Arkonide Crest an Bord seines auf dem Erdtrabanten havarierten Raumschiffs empfangen hatte?
Guidry schaute ihn fragend an. »Habe ich etwas verpasst?«
Rhodan schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe mich nur an alte Zeiten erinnert. Und an einen ersten Besuch bei jemandem, der später mein Freund werden sollte.«
»So«, erwiderte Guidry desinteressiert. »Gehen wir also und schließen Freundschaft.« Er kicherte.
Rhodan blieb ernst. »Ich wüsste nicht, was man Besseres tun könnte.«
»Da tut sich was!«, sagte Ghyss.
In der gegenüberliegenden Wand öffnete sich ein Tor. Eine Art Flugschlitten glitt aus einem womöglich noch grelleren Tunnel auf sie zu, die beiden Kufen knapp über dem glatten Boden der Halle.
Auf dem Schlitten saß eine Kreatur, die einem toten, skelettierten Vogel ähnelte, der einen dunklen Poncho über seinen Knochenleib geworfen hatte. Der Schnabel lief spitz zu; der obere Teil war an der Basis ein wenig breiter als sein Gegenstück.
Rhodan glaubte zu erkennen, dass die Gestalt wie ein irdischer Vogel Flügel besaß. Als der Schlitten näher kam, geriet er in Zweifel. Das, was links und rechts aus den Schultern und über den Schädel hinauszuwachsen schien, hätten auch zwei nach Samuraiart auf dem Rücken getragene Schwerter sein können.
Der Schlitten stoppte. Die Kreatur stieg ab. Der Körper und die Proportionen der Arme und Beine wirkten humanoid. Der Fremde trug unter dem Poncho eine Art Rock, eine blaugrau glänzende, metallische Folie, die ihm bis über die Knie fiel.
Allerdings war, was von den Beinen und den Armen sichtbar blieb, die sich unter dem Poncho hoben, knöchern und dürr.
Der Schädel wies keine anderen Sinnesorgane auf als die beiden Augen. Sie lagen tief in den Höhlen und wirkten, als hätte jemand die Augengruben mit einem schwarzen Lack gefüllt.
Erstkontakt, dachte Rhodan.
Der Fremde blieb einige Meter vor den drei Menschen stehen. Er schien unbewaffnet und ungeschützt. Und er machte den Eindruck, dass er sich das leisten konnte.
Rhodan war sich sicher, dass es ringsum genug offensive und defensive Waffensysteme gab, die ihn, seine beiden Begleiter und auch den Skaphander zuverlässig in Schach hielten, ohne dass sie es bemerkten.
»Mein Name ist Perry Rhodan«, stellte er sich vor. »Ich bin Mitglied der Regierung des Volks, das dieses Sonnensystem bewohnt. Wir betrachten die Planeten, die zu diesem System gehören, als unser Hoheitsgebiet. Wir vermuten, dass dieses Konstrukt, in das ihr uns eingelassen habt, maßgeblich an der Manipulation dieses Gasplaneten, den wir Jupiter nennen, beteiligt ist. Wir fordern euch auf, die Transformation sofort zu beenden und den astrophysikalischen Status quo ante wiederherzustellen. Solltet ihr meinen Anweisungen nicht entsprechen, übernehme ich kraft meiner Autorität als Resident der Liga Freier Terraner das Kommando über dieses ...« Er machte eine umfassende Geste.
»Wir nennen es die NAPHAUT DOSCHUR«, sagte der Fremde mit seiner kehligen Stimme, deren Ironie nicht zu überhören war. »Es ist ein Hyperraumboot meines Volks, der Schiqalaya. Wir sind auf dem Planeten, den du Jupiter nennst, havariert. Die Unannehmlichkeiten, die aus unseren Bemühungen resultieren, bedauern wir zutiefst.«
»Dann stellt sie ab!«, forderte Rhodan. »Und wir können über alles reden. Wir helfen euch, das Hyperraumboot wieder flottzumachen und sein Ziel zu erreichen.«
Der Fremde pfiff langsam und – wie es Rhodan empfand – traurig. »Wir wären bereits am Ziel, wenn das Ziel noch existierte. Und wir wären nicht havariert, hättet ihr uns nicht das hyperdimensionale Hindernis in den Weg projiziert.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass die NAPHAUT DOSCHUR eine Einflugerlaubnis erbeten hätte«, sagte Rhodan so sachlich wie möglich. »Deswegen kann von einer bewussten Behinderung keine Rede sein. Wann sollen wir euch behindert haben?«
»Nach eurer Zeitrechnung im Jahr 1344.«
1344 – vor 117 Jahren?, rätselte Rhodan in Gedanken. Schlagartig erkannte er die Zusammenhänge. Schon Irene Lieplich, die Chefwissenschaftlerin der Forschungsstation Cor Jupiter, hatte dieses Datum erwähnt. Die Errichtung des TERRANOVA-Schirms – am 16. März jenes Jahres hat es ein völlig unerklärliches Beben auf Jupiters festem Kern gegeben.
»Ihr seid mit dem TERRANOVA-Schirm kollidiert«, stellte Rhodan laut fest. »Und dieser Kollision wegen ist der Kristallschirm damals zusammengebrochen.«
»Ja«, bestätigte der Schiqalaya. »Beide Seiten haben damals Schaden genommen.«
Rhodan überlegte, ob sein Gesprächspartner diesen Zusammenstoß selbst miterlebt hatte oder ob er ein Nachfahre der ursprünglichen Besatzung war. Ihm fehlten alle Anhaltspunkte, das Alter des Fremden zu schätzen.
Der Schiqalaya fuhr fort: »Du hast mir deinen Namen und deine Funktion genannt. Wer sind die anderen beiden?«
»Das sind meine Begleiter«, gab Rhodan Auskunft. »Pao Ghyss und Firmion Guidry.«
Der Schiqalaya betrachtete die zwei lange und ungeniert aus seinen lackschwarzen Augen. Deutlich länger jedenfalls, als er sich Rhodan gewidmet hatte.
»Mein Name ist Ileschqa«, sagte er sodann. »Ich fürchte, ich bin in der Situation, euch um Hilfe bitten zu müssen. Unser Schiffbruch hat viele Zehntausende das Leben gekostet. Ebenso viele haben zwar nicht das Leben, aber ihren Verstand verloren. Das Leben hier in den Niederungen ist für die meisten meines Volks nicht mehr erträglich.«
Rhodan nickte behutsam. Die Niederungen – etwas sagte ihm, dass der Schiqalaya Ileschqa damit nicht die Metallgassphäre im Kernbereich von Jupiter meinte. Wenigstens nicht ausschließlich.
»Immer wieder haben einige von uns versucht, aus dem Boot ins Freie zu entkommen.«
Rhodan betrachtete den Schiqalaya fragend: »Die Wahnsinnigen? Sie haben sich in den Tod gestürzt?«
»Nein«, widersprach Ileschqa. »Wir sind uns sicher, dass sie überlebt haben könnten. Es jagen, soweit wir sehen, keine eingeborenen Räuber in dieser Welt. Schwieriger dürfte es sein, Nahrung zu finden. Aber nicht unmöglich.«
Ist er selbst wahnsinnig?, fragte Rhodan sich. Wie kann er glauben, dass Organismen wie er, die offenbar dasselbe Gasgemisch atmen wie wir, in der Jupiteratmosphäre überleben könnten?
Er führte das Gespräch wieder zum Thema zurück. »Wie auch immer. Die Zeit drängt. Habe ich dich richtig verstanden? Wegen eurer Havarie könnt ihr den Prozess der Umwandlung nicht stoppen?«
»So ist es«, antwortete Ileschqa.
»Wer könnte es? Und wie?«
»Das lässt sich nicht mit wenigen Worten vermuten.«
»Wir benötigen Informationen«, sagte Rhodan. »Wenn wir euch helfen sollen.« Euch helfen – und uns selbst, ergänzte er in Gedanken.
Rhodan konnte dem fremdartigen Gesicht noch immer nichts entnehmen. Der Schiqalaya stand wie erstarrt, und für einige Augenblicke hatte Rhodan den scheußlichen Eindruck, einer ausgestopften Kreatur gegenüberzustehen, der Trophäe im Haus eines abwesenden Jägers. Die Gesichtshaut des Wesens war so weiß wie abgeschälte und...
| Erscheint lt. Verlag | 13.10.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Perry Rhodan - Jupiter |
| Verlagsort | Rastatt |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | Gift • Jupiter • Perry Rhodan • PR Mini-Serie • Science Fiction • Tau-acht |
| ISBN-10 | 3-8453-5021-0 / 3845350210 |
| ISBN-13 | 978-3-8453-5021-9 / 9783845350219 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich