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Die Post-mortem-Karriere des Rufus Abbas - Roman -  Hans Joachim  Gorny

Die Post-mortem-Karriere des Rufus Abbas - Roman (eBook)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
372 Seiten
Verlag DeBehr
9783957533289 (ISBN)
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Deutschland in der Zukunft. Zwanzig Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Rufus Abbas, dem Sohn einer alemannischen Eingeborenen und eines christlichen Palästinensers aus Lahr, der zu Lebzeiten viel Gutes tat, stößt ein Journalist auf den mit Merkwürdigkeiten belasteten Mordfall. Er befragt Zeitzeugen und schreibt die Biografie 'Wie ein Mensch sein sollte', welche mit Unwahrheiten aufgehübscht wird, zudem werden Rufus Botschaften an die Menschheit angedichtet. Zögerlich wird das Buch angenommen. Erste Rufus-Fanclubs entstehen, dann Vereine, Gemeinschaften und Bewegungen. Ihm nachzueifern, wird als ein alternatives Leben betrachtet. Die Biografie wird zum Bestseller, seine Lebensweise wird weltweit zum Vorbild, gerät jedoch mit Kulturen in Konflikt. Bald wird seine angebliche Lehre als Religion praktiziert und er als Gott verehrt. Rufus krempelt post-mortem das zivilisatorische Leben um, teils auch gewaltsam, in jedem Land der Welt auf andere Weise und nicht immer zum Nutzen aller. EIN FASZINIERENDER ROMAN ÜBER DIE MACHT DES GUTEN UND SEINE MÖGLICHE WENDUNG ZUM SCHLECHTEN.

 

Der Fünfziger

„Menschen sind recht, wenn sie gut drauf sind und wenn sie schlecht drauf sind, soll sie der Teufel holen.“

Das letzte Mal, als Rufus mit seinem Klassenkameraden Rainer Trenkle sprach, es war an Rainers 50sten Geburtstag, ging es um Rufus’ zunehmende Abneigung gegen den modernen Menschen.

„Soll das heißen, du hast an Menschen nur noch Freude, wenn sie gut gelaunt sind?“, forschte Rainer nach.

„So in etwa. Wenn sie schlecht drauf sind, werden die Bösen noch böser, die Gewalttätigen noch gewalttätiger und die Frustrierten vertiefen ihre Leck-mich-am-Arsch-Haltung“, begann Rufus sich in Rage zu reden. Die Party fand in Trenkles Wohnzimmer und ihrem Garten statt. Der Hausherr hatte sich hinter seinem Grill, der an die Ausmaße einer Ritterburgruine heranreichte, verschanzt, um seine Gäste mit Gebratenem versorgen zu können. Rufus saß wie das personifizierte schlechte Gewissen neben Rainer hinter dem Grill und nuckelte an einer Cola Flasche. Vor dem Grill wartete ein halbes Dutzend Gäste auf das erste Fleisch und lauschte Rufus’ Ergüssen.

„Eigentlich kann man nur von gut gelaunten Menschen Positives erwarten. Die nehmen Rücksicht aufeinander, sind ehrlicher, suchen nicht immer ihren eigenen Vorteil und lassen auch mal Fünfe gerade sein, sind also kulanter. Natürlich wirkt sich schlechte Laune von Person zu Person unterschiedlich aus. Die miesen Charaktere lassen sie voll an Anderen aus, während es die Vernünftigeren bei Maulaffen belassen.“

Rainer hätte seinem besten Freund, um dessen Stimmung zu heben, gerne etwas von seinem vorzüglichen Wein angeboten, doch Rufus hatte seit mindestens 20 Jahren keinen Alkohol mehr angerührt.

„Vor allem diese Leck-mich-am-A-Einstellung der von Frust geplagten Mitbürger macht mir zu schaffen“, gab Rufus mit angewidertem Gesicht von sich. „Die sagen kein anständiges Wort zueinander, Alkoholmissbrauch wird als notwendiges Übel dargestellt, wenn jemand einen Schaden macht, wird weggeschaut und wo sie gehen und stehen wird der Müll hingeschmissen. Da wird voll das schlechte Sozialverhalten ausgelebt. Ich verstehe gar nicht, wo diese Unzufriedenheit herkommt, wir leben doch in einem reichen Land. Während in anderen Ländern die Armen ausgehungert aussehen, sind sie bei uns dick. Selbst Sozialhilfeempfänger können sich die seltsamsten Dinge leisten und haben oft eine Wohnung voller Nippes. Aber mit dem Wohlstand scheint der Frust zuzunehmen. Zu anderen freundlich sein, für Asylanten Verständnis zeigen, selbst vor der eigenen Haustür den Müll entfernen, ist für viele schon zu anstrengend. Oder dass sich ein Manager für die Sorgen der Arbeiter interessiert, ein Arbeiter für die Probleme der Lehrer, oder ein Banker für Habenichtse, scheint nur mit guter Laune möglich zu sein.“

„Jetzt wird es aber persönlich“, sagte der Banker Rainer Trenkle. „Und wie sollen deiner Meinung nach die Menschen zufriedener werden?“

„Sie sollten sich nicht so sehr am Materiellen aufhängen und mit dem zufrieden sein, was sie haben. Jeder giert nach immer mehr Besitz, obwohl er zu Hause in einem Berg Gerümpel erstickt, den er nicht braucht. Anstatt nach dem zu schielen, was andere haben, sollten sich die Leute an ihren seelischen Bedürfnissen orientieren. Sollten sich bemühen, in einem ordentlichen, sauberen und freundlichen sozialen Umfeld zu wohnen. Jeder, der etwas mehr macht, als er muss, trägt zur Verbesserung der Gesellschaft und Lebensqualität bei und tut gleichzeitig etwas für sich. Es wäre auch bestimmt kein Schaden, höflicher zueinander zu sein und auf so allgegenwärtige Wörter wie Wichser, Scheiße und Fuck zu verzichten. Denn wenn man höflich zueinander ist, passiert am wenigsten. Doch mit welchen Argumenten bringe ich das den Leuten in ihren Verstand?“

Rainer rief: „Die ersten Steaks sind fertig!“ Bestimmt die Hälfte der Geburtstagsgäste, denen ihre betuchte Herkunft anzusehen war, versammelte sich jetzt vor dem Grill genannten Gemäuer. Die andere Hälfte stand in kleinen Grüppchen im Garten und Wohnzimmer verstreut und war in Gespräche vertieft. Rainer begann, das Fleisch auf die Teller zu legen.

Etwas ruhiger redete Rufus weiter. „Ich verlange ja nicht von der Menschheit, in Harmonie miteinander leben zu müssen. Ein Streit kann auch etwas Positives bewirken. Doch dieses Wegsehen, wenn es unangenehm wird, geht mir auf den Sack. Diese mangelnde Courage, das fehlende Rückgrat, diese Angst, sich die Finger zu verbrennen, kotzen mich an. Das vermisse ich nicht nur bei meinen Leuten im Jugendzentrum, ich vermisse es auch bei den Arbeitern und Angestellten. Ganz besonders sehe ich diesen Mangel bei Leuten, die echt was zu sagen haben.“

Rufus nuckelte wieder an seiner Flasche, die Umstehenden trauten sich nicht, sich in den Monolog einzumischen.

„Wenn die Menschen gut drauf sind, sind sie imstande viele brenzlige und unangenehme Situationen mit Humor zu überspielen. Wenn sie schlecht drauf sind, gehen sie aufeinander los, meistens mit bösen Worten, manchmal sogar mit Fäusten oder Waffen.“

„Hast du schon einmal in Betracht gezogen“, meldete sich eine Frauenstimme aus der Zuhörergruppe, „dass nicht allen deine Einsicht, Stärke und dein Mut in die Wiege gelegt wurde?“ Die Stimme gehörte Grete, Rainers Frau, die mit Rufus einmal drei Jahre zusammengelebt hatte.

„Jeden Tag höre ich von irgendjemand aus dieser Stadt, aus was für einer kaputten Familie er kommt. Der springende Punkt dabei ist doch“, entgegnete Rufus, „dass man sich an denen orientieren könnte, die aus intakten Familien kommen. Aber dann müsste man ja Ratschläge annehmen und seine Umgangsformen verbessern. Leider sind die Menschen dazu aber zu bequem, wie zu vielem anderen auch.“

„Und was wollen uns deine vielen unbestellten Worte sagen?“, fragte Grete mit provozierender Stimme, obwohl sie von Rainer mit aufgerissenen Augen gewarnt wurde.

„Dass mich die Menschheit zutiefst frustriert, so wie du damals.“ Damit leerte er die Cola-Flasche, drehte sich um und verschwand zwischen Gretes exotischen Gewächsen zum Pinkeln.

Für Rufus war 50 nur eine Zahl, an der man nichts aufhängen konnte, mit der man nicht viel verbinden sollte, deshalb hatte er seinen 50sten erst gar nicht gefeiert. Wie wenig sie über das Alter aussagte, sah er deutlich, wenn er sich mit dem gleichaltrigen Rainer verglich. Der war im Gegensatz zu ihm übergewichtig, grau und weitgehend kahl und hatte aufgequollene Tränensäcke unter seinen Augen. Rufus war mit seinem vollen Haar und seiner sportlich schlanken Figur eine jugendliche Erscheinung. Deshalb kam er bei der Jugend, die er zu betreuen hatte, wohl auch so gut an. Die kannten zwar Rufus’ Alter, aber im Vergleich mit ihren Vätern nötigte ihnen Rufus’ Fitness viel Respekt ab. Zudem schätzten sie seine nüchterne und sachliche Art und niemand nahm es Rufus übel, wenn er mal Klartext redete. Er verfügte auch über nicht wenig Charme und konnte gut mit seinen Mitmenschen.

Trotz seines blendenden Aussehens und seinen vielen Vorzügen haderte er doch mit dem Altern. Unzufrieden beobachtete er, wie sich einzelne graue Haare in seine rotblonde Mähne mischten. Noch weniger gefielen ihm der Doppelkinnansatz, der seinen Hals fülliger zu machen drohte und der Wulst über dem Gürtel, der immer schwerer wegzubekommen war. Wenn er nach dem Duschen ungeschickt unter der Lampe stand, sah er wie sein Oberkörper eine leicht wellige Oberfläche bekam. Das Ebenmäßige seines Körpers schien ihm abhanden zu kommen. Weil ihn das störte, gab es mit seiner Freundin nur noch Sex bei Kerzenlicht, in die Sonne legte er sich nur noch, wenn er alleine war. „Eitel, eitel“, meinte er zu sich. Er musste damit rechnen, auch 60 und 70 zu werden. Würde er dann seinen veränderten Körper noch ertragen können?

Rufus kam wieder aus den Hecken. Vor ihm stand eine kauende Grete mit einem Teller in der Hand.

„Na, alles bewässert? Mich wundert’s, dass du dieses Zuckerzeug trinkst.“

„Rainer hat leider kein light für mich besorgt“, war die Antwort.

„Dass ich dir früher auf den Wecker gegangen bin, ist nichts Neues. Aber du haderst ja richtig mit deinem Dasein. So kenne ich dich überhaupt nicht“, stellte Grete zwischen zwei Bissen fest.

Rufus überlegte, ob er sich mit Grete überhaupt unterhalten sollte. Es war zwar schon 10 Jahre her, dass sie miteinander gegangen waren, aber Gretes unangenehme Eigenschaften waren ihm noch präsent. Leute, die immer ein Haar in der Suppe fanden und es anschließend auch noch breittraten, waren einfach unerquicklich. Grete war von der Sorte Mensch, die in einem gut besuchten Fischlokal als Einzige eine Gräte hatte und es natürlich gleich großräumig kundtun musste. Irgendwann hatte er sich eingestanden, dass er mit Grete hauptsächlich wegen ihrer tollen Figur zusammen war, was nicht unbedingt die Basis für ein langlebiges Verhältnis darstellte.

„Vielleicht liegt es einfach an euren Gästen, die ich mit meiner Welt nicht in Einklang bringen kann“, sagte er dann doch etwas. „Die erinnern mich an das Klassendenken, das viele pflegen und daran, wo sich die wahren Asozialen befinden.“

„Mach jetzt bloß nicht noch schlechtere Stimmung“, raunzte Grete ihn an. „Viele unserer Bekannten sind auch irgendwo engagiert und sie spenden auch.“

„Leider kommt davon...

Erscheint lt. Verlag 3.10.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-13 9783957533289 / 9783957533289
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