G. F. Unger Sonder-Edition 94 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732536313 (ISBN)
Es ist ein rauchiger Trail, den die Swarthout-Brüder reiten, und wenn kein Wunder geschieht, wird er geradewegs in die Hölle führen. Aber dann stoßen sie auf den Frachtwagenzug von Bill Eller und seiner Nichte Linda. Plötzlich bekommen sie noch einmal eine Chance.
Ja, für die Sattelwölfe Ty, Jim, Joe, Ben und Art Swarthout werden die fünf staubigen Wagen zum Schicksal. Sie bedeuten ihre letzte Chance, dem Verderben zu entrinnen ...
2
Drei Stunden später brieten wir in einer Senke unter Bäumen das Fleisch eines Bullkalbs. Auch Wasser war in der Nähe. Meine Brüder hatten auch noch etwas Kaffee. Ich steuerte Mehl und Zucker bei.
Wir alle lagen im Schatten und warteten, bis das Fleisch gar wurde. Der Kaffee und die Pfannkuchen waren schon fertig.
Art drehte den Braten über der Glut.
Wir alle waren mürrisch und müde – ja, auch ich, denn ich war die ganze Nacht geritten und hatte auch noch kein Frühstück bekommen.
Jetzt aber war es höchste Zeit für ein Mittagessen.
Art probierte den Braten. Er schnitt ein Stück davon ab und kaute.
»Ja, jetzt geht’s«, sagte er dann. »Jetzt könnt ihr euch die Bäuche vollschlagen wie tausend Indianer nach einem Blizzard, wenn ihnen eine Büffelherde in den Weg gerät.«
Wir erhoben uns und holten unsere Messer.
Da hörten wir Hufschlag.
Reiter kamen.
Meine Brüder wurden sofort wachsam. Doch sie schnitten sich dennoch jeder ein Stück Fleisch ab. Auch ich tat es.
Wir kauten schon und beruhigten den schlimmsten Hunger, als die drei Reiter herangeritten kamen.
Sie sahen das Bullkalb, das wir getötet und dem wir dann die besten Stücke herausgeschnitten hatten.
Es waren drei harte Burschen, keine gewöhnlichen Cowboys. Ich hielt sie sofort für Reiter, die für Revolverlohn arbeiten.
Einer sagte: »Zehn Dollar für das Bullkalb. Ist das nicht ein fairer Preis?«
Da schüttelte Ben den Kopf, und nun wirkte er nicht nur stur und bärenhaft, sondern auch gefährlich.
»Drei Dollar wäre ein fairer Preis«, sagte er. »Denn erst bei der Kansasbahn zahlt man zwischen zehn und fünfzehn Dollar für einen ausgewachsenen Longhornstier. Ist hier vielleicht die Kansasbahn?«
In seiner Stimme war ein kaum merkliches Grollen. Und dann biss er wieder vom saftigen Fleisch ab und kaute.
Die drei Reiter waren gewiss nicht dumm, wirklich nicht. Doch sie fühlten sich zu sehr auf dieser Weide als die »Hausherren«, und überdies vertrauten sie auf ihre Revolverschnelligkeit. Sie überschätzten sich und hielten uns für Sattelstrolche, weil wir so ungepflegt und mitgenommen aussahen.
Das ließ sie falsch reagieren.
Denn ihr Sprecher sagte nun barsch: »Ihr verdammten Fleischdiebe, wir werden euch gleich klarmachen, auf wessen Weide ihr seid.«
»Na, dann fangt mal an damit«, sagte Jim.
Und Art, der sich gerade ein weiteres Stück Fleisch abschnitt, kicherte wie über einen guten Witz und spornte ihn dann auch noch an.
»Ja, habt nur keine Angst vor uns bösen Onkels. Macht uns mal richtig klar, auf wessen Weide wir sind. Haut ran, Jungens!«
Jetzt wussten es die drei Grenz- oder Weidewächter dieser Ranch ganz genau: Wir hatten keine Angst vor ihnen, obwohl sie hier die Hausherren waren und gewiss mehr als ein Dutzend Reiter herbeiholen konnten.
Ich konnte ihnen ansehen, wie sie erschraken und endlich begriffen, dass wir keine vergammelten Sattelstrolche waren, sondern gefährliche Sattelwölfe.
Mir schmeckte trotz des immer noch vorhandenen Hungers das Fleisch nicht mehr. Auch der zusammengerollte Pfannkuchen, den ich in der anderen Hand hielt, kam mir wie ein feuchter Fußlappen vor.
Denn ich begriff, was aus meinen vier Brüdern geworden war.
Ja, sie waren Sattelwölfe, die sich nahmen, was sie brauchten.
Aber war ich nicht daran schuld? Hätte ich ihnen nicht in River Bend für zwei Dollar ein gutes Essen kaufen können? Für zwei Dollar wären wir alle satt geworden.
Verdammt, ich wollte vortreten und fünf Dollar für das tote Bullkalb bieten. Denn fünf Dollar zu opfern, dies erschien mir vernünftiger zu sein als das, was sonst gewiss bald kommen musste. Doch es war zu spät für mich.
Einer der drei Weide- und Grenzwächter hielt sich für schnell mit dem Colt und ließ sich dadurch täuschen, dass wir ja alle Fleisch, zusammengerollte Pfannkuchen oder Kaffeebecher in den Händen hielten und zumeist kauten, dass uns die Ohren nur so wackelten.
Sie dachten, wir fühlten uns durch unsere zahlenmäßige Überlegenheit so sicher.
Und so kam einer auf die Idee, dass er uns seinen Colt unter die Nase halten könnte.
O weia, was konnte sich selbst solch ein erfahrener Bursche doch manchmal täuschen.
Er schnappte die Waffe heraus. Ja, er war schnell, das musste man ihm lassen. Doch wir hatten Jim.
Und Jim war schon als kleiner Junge stets in allen Dingen schneller als sonst wer gewesen. Jims Reflexe waren die eines Wildkaters, der in der Wüste Mäuse fangen muss.
Jim ließ seinen Kaffeebecher fallen und schnappte ebenfalls den Colt heraus. Er war etwas schneller und schoss auch sofort.
Und wieder wusste ich etwas mehr über meine Brüder, begriff, wie sehr sie sich in den vergangenen Jahren verändert hatten.
Und dennoch – ganz verloren konnten sie noch nicht sein. Denn Jim hätte den Narren auch vom Pferd schießen können. Da war ich ganz sicher.
Er tat es jedoch nicht.
Die Kugel streifte nur den Oberarm des Mannes, sie wirkte etwa wie ein Schwerthieb, und der Mann ließ die Waffe fallen.
Zugleich kreischte mein Bruder Joe los wie ein angreifendes Pumaweibchen. Es war ein uralter Apachentrick. Damit konnte man auch das zuverlässigste Pferd verrückt machen, das bei Gewehr- und Revolverfeuer kaum die Ohren bewegte.
Auch die Gäule der drei Schießer wurden verrückt. Sie überschlugen sich fast.
Und die Reiter purzelten aus den Sätteln wie Anfänger.
Als sie am Boden lagen, wussten sie, dass sie verloren hatten. Und sie wussten auch, mit wem sie sich angelegt hatten wegen eines Bullkalbes.
Bens Stimme klang immer noch grollend und bärenhaft, als er sagte: »Und nun will ich es euch mal genau erklären, Amigos. Passt schön auf und lasst euch kein Wort entgehen. Denn der gute Onkel sagt nichts zweimal. Also, wir hatten einfach zu viel Hunger, versteht ihr? Und in River Bend nahmen uns Maggi Person und deren Girls zu sehr aus. Seid ihr vielleicht noch nie in solch einem Laden ausgenommen worden? He? Bis zu unserem nächsten Job müssen wir noch ein verdammtes Stück reiten. Ja, wir schlachteten dieses Bullkalb. Na schön, was macht das schon? Wollt ihr deshalb Streit mit uns?«
Sie sagten nichts. Doch sie wollten bestimmt keinen Streit mehr.
Jetzt hatten sie nämlich begriffen.
Art sagte: »Bleibt bei uns, bis wir weiterreiten, Amigos. Denn wenn ihr noch mehr von eurer Sorte herbeiholt, würden wir wegen eines Bullkalbes erst richtig Streit bekommen. Lohnt sich das?«
Sie fluchten nur als Antwort, aber sie wagten nichts mehr. Sie hatten begriffen, dass sie keine Chance hatten. Wir waren einige Nummern größer, als sie geglaubt hatten.
Auch ich hatte das begriffen.
Meine Brüder waren Revolvermänner.
***
Es interessierte mich natürlich, wohin wir ritten. Doch ich wollte nicht fragen. Irgendwann würde ich es schon erfahren.
Ich machte mir natürlich so meine Gedanken über meine vier Brüder.
Früher war ich stets stolz auf sie gewesen. Aber das ist wohl jeder kleine Bruder auf die Großen.
Nun machte ich mir Sorgen.
Wir ritten gegen Abend aus dem Rio Grande Valley heraus und stetig bergauf in die San-Andreas-Kette hinein.
Gesprochen wurde nicht viel – auch später im Camp nicht, in dem wir die Nacht verbrachten. Fleisch hatten wir jetzt genug. Aber kann ein Mensch nur von Fleisch leben?
Als wir am anderen Morgen mürrisch aufbrachen, da bezwang ich meinen Stolz. Ich fragte Joe, wohin wir ritten.
Joe zog erst den Sattelgurt fest an und saß dann auf. Ich schwang mich neben ihm auf meinen Red, der sich während der Nacht recht gut ausgeruht hatte und mit den Pferden meiner Brüder ganz gewiss gut Schritt halten würde.
Denn Ben, Jim, Art und Joe ritten sehr gute Pferde. Jedes Tier war seine zwei- bis dreihundert Dollar wert. Dabei konnte man in diesem Land schon für zwanzig Dollar ein recht brauchbares Tier bekommen.
Auch die Waffen meiner Brüder waren keine Durchschnittsware.
Joe, der neben mir im Sattel saß, deutete nach Nordosten.
»Wir suchen fünf staubige Wagen«, sagte er. »Bald werden wir auf einen Wagenweg stoßen, der von den San-Andreas-Bergen zu den Sacramentos führt. Auf diesem Weg fahren fünf Frachtwagen – große Dinger mit Anhängern. Jeder Wagen wird von acht starken Maultieren gezogen. Und alle sind beladen mit wertvoller Fracht, Handelsware, die man in den Goldgräbercamps fast mit Gold aufwiegt. Diese fünf Wagen wollen wir einholen.«
Ich staunte.
Und dann kam mir ein böser Verdacht.
Ich sah Joe scharf an.
»Und dann?«
Er grinste, denn er durchschaute mich.
Und er schüttelte den Kopf. »Nein, Ty, Banditen sind wir noch nicht«, sagte er.
Nun ritten wir los.
Der Pfad durch die Berge war schmal. Man
konnte nicht nebeneinander reiten und sich unterhalten.
Joe ritt als letzter Mann.
Manchmal, wenn ich über die Schulter zurückblickte, grinste er mich an.
Er freute sich, dass ich mir die verrücktesten Gedanken machte und mich immerzu fragte, warum wir zu diesem Frachtwagenzug ritten.
Ich hätte ihn noch einmal und sehr direkt fragen müssen.
Aber ich tat es nicht.
Auch meine drei anderen Brüder fragte ich nicht. Sie waren immer noch mürrisch wie Wölfe, denen ein Elch entkommen ist und die nun auf Klapperschlangenjagd gehen müssen,...
| Erscheint lt. Verlag | 20.9.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | G. F. Unger Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Bud Spencer • Clint Eastwood • Cowboy • High noon • Indianer • Italowestern • Lucky Luke • Spiel mir das Lied vom Tod • TerrenceHill • Western • Westernromane • Western Romane • Wilder Westen • Winnetou |
| ISBN-13 | 9783732536313 / 9783732536313 |
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