Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Asphaltseele (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016
Heyne (Verlag)
978-3-641-16851-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Asphaltseele - Gregor Weber
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
(CHF 11,70)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Sie müssen diesen Bullen nicht mögen - aber Ruben Rubeck ist einer von den Guten!
'Mein Name ist Ruben Rubeck. Ich bin siebenundvierzig, sehe aus wie siebenundfünfzig und fühle mich manchmal wie siebenundachtzig. Geschieden, kinderlos und Kriminalkommissar, was in meinem Alter ein lächerlich niedriger Dienstgrad ist, aber das geht mir am Arsch vorbei. Ich komme zurecht. Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist mein Revier. Viele denken, ich würde da wohnen, weil es bei mir für mehr nicht reicht, weil ich mich im Dreck wohlfühle und mit meinem Gesicht sowieso nirgends sonst in Frankfurt eine Wohnung bekäme, aber das stimmt nicht. Ich hab's einfach gerne nah zur Arbeit.'

Gregor Weber, geboren 1968 in Saarbrücken, ist Schauspieler und vor allem als Hauptkommissar Stefan Deininger im 'Tatort' bekannt. Außerdem ist er Stabsunteroffizier der Reserve. Nach dem Bestseller über das Geschehen in deutschen Profiküchen ('Kochen ist Krieg') legt er mit 'Feindberührung' seinen ersten Kriminalroman vor. Er lebt mit seiner Frau Tanja Weber und zwei Kindern in einem Doppelautorenhaushalt in der Nähe von München.

1

Manche Tage ziehen sich endlos hin. Schon auf dem Weg zur Arbeit erscheint mir dann der Asphalt wie ein Laufband am Flughafen, auf dem ich in die falsche Richtung gehe. Ich komme einfach nicht vorwärts. Der Kerl im Glaskasten findet den Summer nicht. Die Tür klemmt. In der Kantine stehe ich ewig an für einen Kaffee, der dann nur lauwarm ist, was zu der immer gleichen Frage führt, nämlich warum ich nicht wie alle anderen eine Kaffeemaschine im Büro stehen habe. Den Vormittag über schiebe ich dann Papierstapel auf meinem Schreibtisch von links nach rechts, gucke, dass sie dabei ein winziges bisschen kleiner werden, indem ich mich aufraffe, den Scheißkasten von uraltem PC anzuwerfen, um irgendwelche »Vorgänge« zu »bearbeiten«. Irgendwann mittags verziehe ich mich dann nach draußen, weil ich die Kantine nur einmal am Tag ertrage, und das eine Mal ist mit dem Morgenkaffee schon verbraucht. Ich latsche rum, gehe entweder ins »Rhodos« oder in die »Eiche« oder ziehe mir einen Imbiss rein. Burger-Döner-Rindswurst. Egal. Am Nachmittag – schon das Wort klingt nach zu engen Hosen und quietschendem Bürostuhl – setze ich die meditativen Sinnlosigkeiten des Vormittags fort, bis ich die vorgeschriebene Mindestzeit abgehockt habe und rauskann. Danach bisschen einkaufen, vielleicht ein paar Bier im »Schlabbekicker« und ab nach Hause.

Das sind die guten Tage.

An den weniger guten Tagen kriegen wir neue Kundschaft auf der Straße. Oder wir erschrecken die alte. Weil irgendein Oberhirsch findet, »dass wir mal wieder was machen müssen«. Wobei die Oberhirschen lustigerweise dabei nie was machen – was heißt hier also »wir«? Solche Tage sind dann gern Nächte. Ich ducke mich mit ein paar Kollegen an irgendeiner Straßenecke in den Schatten, muss leise keuchen, weil die Schutzweste zu eng ist, und hab die Hand an meiner SIG Sauer P6 im Hüftholster, bis jemand sagt: »Jetzt.« Dann rumpeln wir in eine schlecht beleuchtete Bude, in der illegal gezockt oder Stoff gepanscht wird oder benebelte Frauen ungewaschene Schwänze lutschen. Wir schreien rum und schubsen stinkende und verdammt schlecht gelaunte Typen an die Wand, während kreischende Frauen an unseren Jacken zerren, bevor unsere Mädels sie auf den Boden drücken. Die jungen Kollegen rennen den Vollidioten nach, die tatsächlich denken, dass sie es mit dem Zeug, das sie nicht dabeihaben dürfen, bis ins Klo oder womöglich auf den Hinterhof und dann nach Hause schaffen, und danach gibt es noch mehr Geschrei und blaue Augen und ausgekugelte Arme und den Satz »Scheißbulle, ich fick deine Mutter« in allen möglichen Sprachen. Ich bin dann froh, dass ich nur Deutsch verstehe, weil das hier kaum noch einer spricht. Zumindest nicht an diesen Tagen.

Mein Name ist Ruben Rubeck. Ich bin siebenundvierzig, sehe aus wie siebenundfünfzig und fühle mich manchmal wie siebenundachtzig. Für siebenundachtzig bin ich aber noch ziemlich fit. Geschieden, kinderlos und Kriminalkommissar, was in meinem Alter ein lächerlich niedriger Dienstgrad ist, aber das geht mir ganz ehrlich am Arsch vorbei. Ich komme zurecht. Ich wohne seit fünfzehn Jahren in Frankfurt und bin hier genauso lange Bulle.

Das Bahnhofsviertel ist mein Revier und meine Gegend. Viele denken, ich würde da wohnen, weil mein Geschmack so mies ist, weil ich mich im Dreck wohlfühle und mit meinem Gesicht sowieso nirgends sonst in Frankfurt eine Wohnung bekäme, aber das stimmt nicht.

Ich hab’s einfach gern nah zur Arbeit.

Haha.

Dieser bestimmte Tag war ein guter Tag. Er zog sich, tat aber nicht weh.

Zuerst jedenfalls nicht.

Ich hatte pünktlich mein Büro hinter mir zugemacht, in dem ich allein sitze, weil die Leute sich meine Launen ersparen wollen. Ich musste nichts einkaufen, weil ich am Tag vorher gerade einkaufen war. Ich konnte also gleich ab in den »Schlabbekicker«.

Hennes stand hinterm Tresen, wer auch sonst?

»Ei Gude, wie?«, mümmelte er und griff nach einem Bierglas, um es unter den Zapfhahn zu halten.

Das ist zu Hause.

Nix bestellen müssen. Noch nicht mal »das Übliche« sagen müssen. Einfach an die Bar schieben, und alles ist klar.

Hennes stellte das Bier vor mir ab.

»En Kurze dazu?«

»Noch nicht. Danke.«

Hennes nickte.

»Hennes, machsde uns noch ein Gedeck?«, lallröhrte es aus der Ecke. Die Rentnergang. Echte Frankforder. Früher Großmarkt. Breite Schultern, eingeschlagene Nasen, rote Gesichter. Stimmen wie grobes Schleifpapier auf Granit. Schwielige und knotige Hände.

»Ach, der Sheriff! Alles fit?« Die drei lachen sich immer kaputt, wenn sie mich sehen. Ich hob mein Bier und nickte, prostete den Jungs zu.

Über ihrem Tisch stand eine dicke Qualmwolke, und das ist fast das Beste am »Schlabbekicker«: Einraumgaststätte bis fünfundsiebzig Quadratmeter mit einfachen Speisen – die dürfen selbst entscheiden.

Ich zog meine Roth-Händle aus der Jacke und schnippte eine raus. Die ganze Rauchhysterie hat auch was Gutes. Ich quarze tagsüber viel weniger, weil mir der Weg in den Innenhof der Wache einfach zu weit ist. Und im Herbst und Winter stelle ich mich da gar nicht hin, da kann ich mich beherrschen. Finde ich unwürdig, so bibbernd da draußen zu stehen und zu süchteln. Ich will lässig aussehen beim Rauchen, das ist schließlich der Sinn der Sache. Abends hole ich dann nikotinmäßig allerdings ziemlich auf. Ist ja auch egal, mir schmeckt’s jedenfalls noch.

Hennes stellte mir kommentarlos das zweite Bier hin, wartete einen Augenblick, bis ich das erste ganz leer hatte, und nahm es mir ab.

Lief super.

Ein Bier später bestellte ich mir Rippcher mit Kraut. Danach einen Obstler, der hier richtig gut ist. Von Hennes’ Bruder, der wohnt im Taunus und hat eine Streuobstwiese.

Das Bier nach dem Obstler schmeckte dann wieder so gut wie das erste des Abends.

Dann ging die Tür auf. Das tat sie zwar öfter, weil der »Schlabbekicker« beliebt ist, aber wenn Ina reinkommt, dann unterscheidet sich das doch immer erheblich von den anderen Malen.

Ina tritt nämlich auf.

»Nabend, ihr Drecksäcke«, trällerte sie und fuchtelte dazu mit ihrer Kippe herum. Hennes ging an die Kaffeemaschine, weil Ina hier vor der Schicht immer Kaffee trinkt. Der »Schlabbekicker« ist für eine Menge Leute ein Zuhause, und Hennes kennt die Gewohnheiten seiner Stammkunden.

Ina schob den Barhocker links von meinem mit dem Fuß näher ran und drückte sich eng an mich, während sie sich draufsetzte.

»Hey, Bulle«, kitzelte mich ihre rau-samtene Stimme im Ohr, während sie ihre Hand auf meinem Oberschenkel parkte. »Kommste nachher vorbei?«

Ina schafft im »Love’s In« an. Früher hat sie nur in erstklassigen Läden gearbeitet, aber vierzig ist einfach ein scheißhartes Alter für eine Nutte. Obwohl Ina immer noch spitze aussieht. Ich hab ihr mal geholfen, Jahre her. Ich mag sie echt gern.

»Denke schon«, grinste ich, und dabei fiel mir auf, dass ich ziemlich betrunken war. Ich grinste nämlich total bescheuert.

Ina lachte laut.

»Wie es aussieht, werden wir mal wieder bloß quatschen und Piccolo nuckeln. Na, mir soll’s egal sein, ist deine Kohle.«

Ich mache mir da nichts vor: Wenn ich Ina im Puff besuche, bin ich auch bloß ein Freier. Aber wenigstens einer, den sie schon kennt.

Sie trank ihren Kaffee flott aus. Der Kaffee ist bei Hennes nie sehr heiß. Sie gab mir einen spitzen Kuss auf die Wange, und ich grinste noch dämlicher als vorher. Ich hatte ja inzwischen noch ein Bier intus.

Die nächste Stunde hielt ich mich biermäßig zurück. Ich trank sogar einen Kaffee. Wenn ich wirklich noch zu Ina gehen würde, wollte ich sie schließlich nicht enttäuschen. Oder eher mich. Ina ist es vermutlich ziemlich egal, wie fit ein Freier ist, Hauptsache, er zahlt, kotzt die Bude nicht voll und benimmt sich einigermaßen.

Gegen elf stand ich auf der Straße und beschloss, erst mal zu testen, wie breit ich wirklich war, bevor ich eine Entscheidung traf. Ich streunte kreuz und quer durchs Bahnhofsviertel. An Stripclubs und Tabledance vorbei, Peepshows, Spielhallen und Puffs. Wenn’s einer von den schlechten Tagen war, hasste ich das Viertel, dann ekelte mich der Dreck an und die Gier. Die billigen Vergnügen, für die eine Menge Frauen am Ende teuer bezahlen.

Aber an einem guten Tag und mit ein paar Bierchen im Bauch fühle ich mich echt gut hier. Die Neonlichter, die erlebnisgeilen Spießer, die Dealer und die Koberer. Dazwischen die Handyshops und Imbisse. Wenn ich dann durch die Moselstraße latsche und die Bankentürme sehe, weiß ich doch genau, wo die Verbrecher hocken.

Ich trieb an den Clubs vorbei, die Sex, Sex, Sex schrien, und kurvte schließlich in eine weniger belebte Ecke. Ich musste eine Entscheidung treffen, wie der Abend weitergehen sollte. Zwei freie Tage lagen vor mir.

Und dann hörte der Tag auf, einer von den guten zu sein. Er wurde richtig mies.

Jemand schoss auf...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2016
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte eBooks • Frankfurt • Heimatkrimi • Korruption • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mafia • Polizei • Rotlichtviertel • Thriller
ISBN-10 3-641-16851-1 / 3641168511
ISBN-13 978-3-641-16851-3 / 9783641168513
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
CHF 9,75
Zärtlich ist die Rache. Thriller

von Sash Bischoff

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 12,65