John Sinclair 1991 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732536122 (ISBN)
Suko hatte sie längst vergessen, aber plötzlich war sie wieder da. Sie hieß Amara und war einmal seine große Liebe gewesen. Das jedoch lag in der Zeit, bevor Suko mit Shao zusammen war.
Amara wollte nicht akzeptieren, dass die alten Zeiten vorbei waren, und sie wurde zu einem tödlichen Problem ...
Je mehr Zeit verging und nichts passierte, umso stärker drängte sich die Drohung aus ihrem Gedächtnis. Shao ging wieder ihrer normalen Tätigkeit nach. Sie war zwar offen nicht berufstätig, aber sie saß trotzdem nicht zu Hause herum und starrte die Wände an. Shao war eine Person, die sich mit dem Computer auskannte. Damit konnte sie die ganze Welt besuchen und erfahren, was sich dort tat. Hin und wieder bekam sie auch Informationen, mit denen sie Suko füttern konnte. Die hatten ihrem Partner schon öfter geholfen.
Zudem gab es die Freunde aus dem Computer-Klub, mit denen sie sich regelmäßig traf.
Und dann war dieser Nachmittag gekommen, der so normal wie immer begonnen hatte.
Shao hatte sich entschlossen, den Computer allein zu lassen, denn es wurde mal wieder Zeit, dass sie sich auf den Weg machte und nach Kleidung suchte, die von einigen Geschäften reduziert worden war.
Den Nachmittag wollte sie sich Zeit nehmen, um am Abend wieder zu Hause zu sein. Dann wollte sie Suko fragen, ob er nicht Lust hatte, mit ihr essen zu gehen. Das würde bestimmt alles klappen.
In London mit dem Wagen zu fahren, war einfach verrückt. Man erstickte im Verkehr. Die U-Bahn war zwar auch nicht leer, aber mit ihr kam man schneller voran. Shao fand sogar einen Sitzplatz und streckte die Beine aus. Es war der Punkt gekommen, an dem sie entspannen konnte. Sie ließ ihre Blicke in der näheren Umgebung wandern und entdeckte einen Mann, der stand. Er war nicht der Einzige, aber war derjenige, der seine Blicke auf sie richtete.
Nicht immer, aber öfter. Nur wenn Shao ihn direkt anschaute, dann sah er zu Boden.
Er war Chinese. Nicht mal groß, auch recht schmächtig. Das Haar fiel ihm bis über seine Ohren, und als Shao ihn anschaute, da kam ihr wieder die Warnung oder Drohung in den Sinn. Man wollte was von ihr. Möglicherweise sogar ihr Leben, und wenn das wirklich der Fall sein sollte, dann konnte sie nicht ausschließen, dass man sie unter Kontrolle hielt.
Jetzt ging es ihr nicht mehr so gut.
Natürlich war Shao eine Frau, die sich wehren konnte, doch es kam immer wieder darauf an, wie groß die Anzahl der Gegner war.
Der Mann war allein. Aber er musste nicht zu ihren Feinden gehören. Man konnte Shao als eine schöne Exotin ansehen, und so wurde sie von nicht wenigen Männern eingestuft. Das konnte auch bei dem Langhaarigen so sein.
Am Piccadilly wollte Shao aussteigen, danach zu Fuß in die eine oder andere Nebenstraße gehen, in denen es die Boutiquen gab, die die Kleidung führten, die Shao gefiel.
Noch zwei Station, dann musste sie aussteigen. Der Glotzer stieg eine Station vor ihr aus, und Shao atmete auf, denn die Blicke hatten ihr nicht eben gutgetan.
Sie blieb sitzen. Schaute sich aber um, ohne dass ihr etwas auffiel. Die Fahrgäste interessierten sich nicht für sie. Die waren mit sich selbst beschäftigt.
Als die Bahn an Tempo verlor, stand Shao auf. Sie bewegte sich schon auf die Tür zu und sah, dass sie bereits in die Station hineinfuhren.
Nicht nur sie wollte den Zug verlassen, andere Fahrgäste auch, und so kam es zu dem üblichen Stau an der Tür, den Taschendiebe für sich gern ausnutzten.
Diesmal ging alles glatt. Shao stieg aus, stand auf dem Bahnsteig und schaute sich um. Es herrschte der übliche Betrieb. Aber noch hielt er sich in Grenzen, die Rush Hour war noch nicht angebrochen. Shao wusste, dass sie auf dem Rückweg in sie hineingeraten würde, aber das waren die Bewohner von London gewöhnt.
Shao ließ sich auf die Treppe zutreiben, die sie hochgehen musste, um wieder den wolkigen Sommerhimmel sehen zu können. In der letzten Nacht hatte es geregnet, für den Tag hatten die Wetterleute aber keinen Regen angesagt.
Piccadilly Circus war in London ein MUSS. Es gab keine Ruhestunden an diesem Platz. Da war immer was los. Besonders Touristen bevölkerten ihn, und Shaos sah zu, dass sie die Menschen hinter sich ließ. Wo sie hinwollte, war es zwar nicht leer, aber man bekam dort Luft und wurde auch nicht von irgendwelchen Tauben belästigt.
Der nächste Weg führte Shao in Richtung Norden. Dort gab es einen regelrechten Wirrwarr aus Einbahnstraßen, und in ihnen fand Shao das, was sie suchte.
In den Schaufenstern stand groß das Wert Summer Sale zu lesen, und genau das hatte Shao gesucht.
In einem Geschäft wurden Tücher verkauft, in allen Farben und Mustern, aber auch mit Motiven bedruckt. Da konnte man vom Pferdekopf bis zum Zombieschädel alles Mögliche an Motiven erwerben.
Es war genau das richtige Geschäft für Shao. Als sie die Tür öffnete, hörte sie ein Klingeln über ihrem Kopf. Da schlug die Glocke an und sorgte dafür, dass eine Verkäuferin sich vom Fenster her wegdrehte und Shao lächelnd anschaute. Ihre beiden Kolleginnen waren mit anderen Kunden beschäftigt.
»Und womit kann ich Ihnen dienen, Madam?«
»Ach, das ist ganz einfach. Ich wollte mich nur mal nach einem Tuch umschauen.«
»Da sind Sie genau richtig bei uns. An was haben Sie denn gedacht. Soll es ein Tuch mit Motiv sein oder …?«
»Nein, nein, das nicht. Kein Motiv, sondern unifarben! Ich will damit nicht großartig auffallen.«
»Das fallen Sie mit unseren Tüchern immer, glauben Sie mir das. Sie sind einmalig.«
»Und reduziert«, sagte Shao.
Die Verkäuferin stutzte für einen Moment. Danach lachte sie kurz und schrill auf.
»Habe ich recht?«
»Ja, Sie haben recht. Die meisten Tücher haben wir reduziert. Summer Sale.«
»Genau.« Shao lächelte etwas künstlich und schloss sich der Verkäuferin an, die auf einen Platz zuging, der wie ein Tisch aussah, rechteckig und mit einer Glasplatte versehen. Darunter befand sich die erste Lage von unifarbenen Tüchern.
»Da wären wir, Madam.«
»Sehr schön. Und um wie viel ist reduziert worden?«
»Zwanzig bis fünfzig Prozent.«
»Das ist nicht wenig.«
»Sie sagen es, Madam.« Nach dieser Antwort zog die Verkäuferin die mit der Glasplatte bedeckte Schublade auf, und so lag die Kollektion zum Anfassen von Shaos Augen.
Sie nickte und lächelte, als sie eines der Tücher anfasste. »Sehr weich.«
Die Verkäuferin strahlte. Sie hatte ein sehr rundes Gesicht und einen breiten Mund. »Das ist Kaschmir.«
»Habe ich mir fast gedacht.«
»Und ist auch etwas teurer.«
»Danke, ich kenne mich aus.« Shao hob den Kopf an und schaute an der Verkäuferin vorbei. Sie sah in das Schaufenster und auch auf den Gehsteig. Menschen bewegten sich dort, doch einer war stehen geblieben und schaute in den Laden hinein.
Es war der Mann aus der U-Bahn!
***
Shao zuckte zusammen. Scharf atmete sie durch die Nase ein. Sie war sicher, sich nicht geirrt zu haben, das war tatsächlich dieser Kerl mit den halblangen Haaren. Und er spürte, dass sich ihre Blicke getroffen hatten, denn er nickte Shao zu, die das nicht wollte und deshalb zur Seite schaute. In diesem Augenblick fiel ihr auch wieder die Drohung ein, und sie hatte Mühe, sich zusammenzureißen. Die Hände stützte sie gegen den Verkaufstisch, und als sie atmete, war das deutlich zu hören.
»Bitte, Madam, ist etwas mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch. Da brauchen Sie keine Angst zu haben, wirklich nicht. Mir geht es gut. Ich habe nur für einen Moment an etwas gedacht, das ist alles.«
»Okay, dann kann ich Sie fragen, ob Sie sich schon für ein Modell entschieden haben?«
»Nun ja, da denke ich noch nach.«
»Mögen Sie lieber kräftige Farben oder etwas weichere?«
»Es kommt darauf an.«
»Dann nehmen Sie doch beide. Wir haben reduziert. Das sollten Sie nicht vergessen.«
»Habe ich auch nicht.« Shao ging etwas zur Seite, um das Schaufenster ganz im Blickfeld zu haben.
Er war nicht mehr da. Dort stand niemand mehr. Auch keine Frau, die sich für Mode interessierte. Die Straße war leer, und Shao schüttelte den Kopf. Plötzlich fragte sie sich, ob dieser Mann nur eine Einbildung war. Er war eine Haltestelle vor der ihren ausgestiegen, aber jetzt hatte er vor dem Schaufenster gestanden.
Für Shao stand fest, dass dieser Type nicht der einzige Verfolger war, der sich auf ihre Fersen gesetzt hatte. Da gab es also mehrere, denn dieser Mann musste von einem zweiten oder dritten Bescheid bekommen haben, wo das Opfer zu finden war.
»Denken Sie noch nach, Madam?«
»Ja, ja …«
»Ich kann Ihnen auch noch weitere Schals zeigen. Oder Schulterumhänge. Wir haben …«
»Nein, nein, das ist nicht nötig.« Shao lächelte. »Ich habe bereits einen Entschluss getroffen.«
»Oh, das hört sich gut an. Womit kann ich denn dienen?«
»Ich nehme den nicht so kräftigen. Diese weiche Puderfarbe gefällt mir besser.«
»Oh, da haben Sie eine gute Wahl getroffen. Den hätte ich auch genommen.«
»Schön.«
»Dann darf ich Sie jetzt zur Kasse bitten?«
»Gern.« Bevor Shao sich in Bewegung setzte, warf sie dem Schaufenster noch einen letzten und interessierten Blick zu. Dort stand wieder jemand.
Diesmal jedoch waren es zwei Frauen, die diese ausgestellten Sachen begutachteten.
Shao ging zur Kasse, beglich die Rechnung, und der Schal kam in eine kleine Tragetasche, die nicht aus Plastik war. Die Verkäuferin bedankte sich für den Kauf und würde sich freuen, Shao bald wiedersehen zu dürfen.
»Ich werde mich bemühen, keine Sorge.«
Man öffnete Shao noch die Tür, und ihr Herz schlug schon etwas schneller, als sie...
| Erscheint lt. Verlag | 6.9.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | John Sinclair |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | blutig • Clown • Gruselroman • Horror • Horror Bücher ab 18 • horror thriller • Jason Dark • Lovecraft • Paranomal • Sinclair • Slasher • Splatter • Stephen King • Steven King • Zombies |
| ISBN-13 | 9783732536122 / 9783732536122 |
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