G. F. Unger Sonder-Edition 92 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732534944 (ISBN)
Mit dem Mut der Verzweiflung kämpften die Talbewohner gegen Big John McQueeny und seine Revolvermannschaft. Aber ich wusste: Trotz anfänglicher Erfolge würden wir der Übermacht nicht standhalten. Und ich wusste auch, dass ich es war, der für den blutigen Krieg die Verantwortung trug. Denn auf meiner Fährte war McQueeny ins Red Valley gekommen, und er würde keine Ruhe geben, bis er den letzten Siedler daraus vertrieben und hier sein neues Rinderreich errichtet hatte. Ich durfte nicht länger warten. Allein musste ich dem landgierigen Weidepiraten gegenübertreten. Ich musste McQuereny niederkämpfen - oder untergehen wie ein Mann ...
In dieser vierten Nacht sah ich die Lichter von Santa Maria vor mir in der Nacht. Ich wusste genau, dass ich verloren war, wenn es mir nicht gelang, in Santa Maria ein frisches und recht gutes Pferd zu bekommen.
Denn auf einem frischen Tier konnte ich vielleicht durchbrechen und ins Mesaland entkommen. Dort im Mesaland gab es tausend Verstecke und verborgene Winkel. Im Mesaland westlich des Pecos’ lebten Geächtete. Dort in den Tälern war auch Big John McQueenys Macht zu Ende.
Indes ich noch in der Nacht verhielt und überlegte, ob ich es wagen konnte und die Stadt nicht schon längst eine Falle war für mich, weil dort Big Johns Reiter auf mich lauerten, brach mein Pferd auf die Knie. Es stöhnte erbarmungswürdig, und ich machte, dass ich aus dem Sattel kam.
Das arme Tier legte sich auf die Seite. Ich wusste, es würde sterben. Ich hatte es zuschanden geritten, verdammt noch mal! Oh, ich war kein Tierquäler oder Pferdeschinder. Ich war es wirklich nicht. Doch ich wollte nicht gehängt werden.
Ich nahm mein Gewehr aus dem Sattelschuh. Einen Gnadenschuss durfte ich dem armen Tier nicht geben. Den hätte man in der Nacht meilenweit gehört, auch in der kleinen Stadt dort vor mir.
Ich durfte mich nicht verraten.
Und so machte ich mich auf den Weg.
Ich musste ein frisches Pferd haben. Und selbst dann waren meine Chancen winzig.
Wie ein Wolf schlich ich durch die Nacht, nutzte jede Deckung und hielt immer wieder an, um zu lauschen. Zum Glück kannte ich die kleine Stadt einigermaßen. Denn ich war schon einige Male hier gewesen, um etwas Spaß zu haben und Einkäufe zu machen. Ich erinnerte mich auch sehr gut an das Mädchen Nancy, das das älteste Gewerbe der Welt ausübte und dennoch in diesem frauenarmen Land immer wieder Heiratsanträge bekam.
Nun, ich brauchte länger als eine Stunde, bis ich die kleine Stadt mit dem heiligen Namen erreichte und mich von der Seite her durch eine Gasse bis zur Hauptstraße schlich.
Vor dem Saloon, der zur Hälfte eine Bodega und Fonda war, zur anderen Hälfte ein typischer Saloon, standen einige Pferde.
Ich kauerte an der Ecke des Saloons in der dunklen Gassenmündung.
Bis zu den Pferden waren es nur zwei Dutzend Schritte oder ein Dutzend Sprünge.
Ich musste nur das beste Pferd erwischen.
Als ich noch überlegte, wie ich es machen sollte – also langsam gehen oder sehr schnell springen – da hörte ich den trommelnden Hufschlag von Reitern.
Ich atmete seufzend aus, denn ich wusste, wer dort geritten kam. Es konnte nur Big John McQueeny mit einer ganzen Anzahl von Reitern sein. Gewiss ließ er sie vor der Stadt ausschwärmen und die Stadt einschließen.
Ich wusste, sie hatten mein sterbendes Pferd gefunden und waren sicher, dass ich nach Santa Maria musste, um ein frisches Tier zu bekommen.
Es war also zu spät für mich. Ich saß in der Falle. Sobald sie wussten, wo ich war, kreisten sie mich noch enger ein.
Am Klang des Hufschlags konnte ich erkennen, dass die meisten Reiter rechts und links um die Stadt ritten, also zwei Halbkreise bildeten. Einige andere Reiter aber kamen schnurgerade in die Stadt.
Ich duckte mich tiefer zu Boden und schmiegte mich enger an die Hauswand.
Und da sah ich sie kommen.
Big John McQueeny ritt an der Spitze, ganz und gar ein grau gewordener Adler. Er war körperlich nicht groß, hatte höchstens Mittelmaß. Dass sie ihn Big John nannten, hatte nichts mit seiner Körpergröße zu tun.
Er war ein Boss, ein King – und ein unduldsamer Despot.
Hinter ihm ritten drei seiner Söhne.
Und dann kamen noch ein halbes Dutzend Reiter.
Sie ritten keine sechs Yards entfernt an der dunklen Gassenmündung vorbei. Dass sie mich nicht sahen, lag gewiss an den beiden Laternen vor dem Salooneingang. Deren Licht blendete sie wohl, sodass sie in der dunklen Gassenmündung nichts erkennen konnten.
Einen Moment war ich versucht, mein Gewehr auf Big John McQueeny zu richten und ihn vom Pferd zu schießen. Wenn sie mich hier schon erwischten, dann sollte er wenigstens vor mir zur Hölle fahren.
Für einen kurzen Moment hatte ich die Chance. Dann aber war schon wieder alles vorbei. Doch wahrscheinlich würde ich auch dann nicht geschossen haben, wenn ich länger hätte überlegen können. Denn erstens hatte ich immer noch die leise Hoffnung, heil aus der Klemme herauszukommen – und zweitens brachte ich es nicht fertig, selbst einen Feind aus dem Hinterhalt zu erschießen. Noch war ich nicht so weit, nein, noch nicht.
Aber was sollte ich tun?
Sie saßen vor dem Saloon ab. Die Pferde stampften und schnaubten, die Sättel knarrten, die Sporen klingelten. Und der Staub wirbelte.
Ich zog mich in der dunklen Gasse zurück und bog dann in den Hof des Saloons ein. Es war ein dunkler Hof mit einigen Schuppen und Anbauten, Magazinen und den Aborten, von denen her es mächtig stank. Doch so konnte man sie wenigstens in der Dunkelheit finden.
Ich hatte gehofft, hier im Saloon vielleicht ein abgestelltes Sattelpferd zu finden. Doch nur ein Betrunkener schnarchte irgendwo, wahrscheinlich hatte er den Rückweg von den Aborten bis zur Hintertür nicht mehr geschafft.
Verdammt, wenn ich eine Maus gewesen wäre, hätte ich leicht ein Loch gefunden.
Mein suchender Blick ging hoch, und da sah ich das Licht in Nancy Palmers Fenster. Ja, das war ihr Zimmer. Dort empfing sie ihre zahlenden Gäste. Man konnte hier vom Hof die Außentreppe hinauf, aber auch vom Saloon aus nach oben durch die Innentür. Ihr Etablissement war also von zwei Seiten zu betreten.
Ich ging die Außentreppe hinauf, und es war eine Handlung, die etwas vergleichbar war mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden, der nach allem griff, woran er sich klammern konnte. Vielleicht war es auch ein besonderer Instinkt, der mich leitete.
Die Tür war nicht verschlossen. Ich glitt hinein.
Nancy war bei der Arbeit. Sie verdiente sich gerade zehn Dollar.
Der riesige Bursche über ihr war offenbar ein Frachtfahrer, der es mal wieder nötig hatte. Unter seiner Achselhöhle hindurch sah Nancy auf mich. Der schwitzende Mann, der mir den Rücken und noch eine Menge mehr zukehrte, bemerkte mich nicht. Er war zu intensiv beschäftigt und voll auf sein Tun konzentriert.
Ich grinste Nancy zu und legte dann den Zeigefinger quer über die Lippen, was ja international nichts anderes als »Mundhalten« bedeutet.
Sie lächelte zurück und nickte sogar erkennbar.
Da fiel mir gewissermaßen ein riesiger Stein vom Herzen. Ich war mächtig erleichtert, wie man sich denken kann. Denn Nancy hätte ja auch ebenso gut loskreischen können.
In Santa Maria war mit Sicherheit bekannt, dass Big John McQueeny meinen Skalp haben wollte. Und jeder, der ihm dabei nicht half, den betrachtete er als seinen Feind. Deshalb war es von Nancy wirklich anständig, mich bei sich zu dulden.
Ich konnte jedoch nicht lange verharren. Binnen Sekunden musste ich mich entscheiden. Denn der riesige Bursche über ihr, der sich so schwitzend mühte, der brauchte nur einmal über die Schultern nach hinten zu blicken, da würde er mich sehen, über die Störung wütend werden und böse losbrüllen, bevor er sich daranmachte, mich aus dem Zimmer zu feuern.
Ich trat zu dem Schrank in der Ecke, öffnete ihn, schob Nancys Kleider etwas zur Seite und stieg hinein.
Es war ein großer, spanischer Schrank. Nancys Kleider rochen gut. Weil sie sich oft mit Kerlen abgeben musste, die nicht sauber waren, war sie es um so mehr. Auch mein Gewehr nahm ich mit in den Schrank. Doch ich lehnte es in die Ecke und nahm den Colt in die Hand. Die Schranktür ließ ich ein wenig offen. Durch den schmalen Spalt konnte ich die Tür zur Saloontreppe beobachten.
Ich wusste, sie suchten schon im Saloon nach mir. Hier hatten sie zuerst begonnen. Es dauerte auch nicht lange, da wurden beide Türen aufgestoßen, nämlich die, durch die ich in Nancys Zimmer trat, und die andere, zu der man vom Saloon über die Innentreppe gelangen konnte.
Ja, es waren Big John McQueenys Leute. Sie kamen mit schussbereiten Colts herein, und weil sie nicht so leise und dezent waren wie ich, bekam Nancys Gast das diesmal mit. Zuerst grollte er und wollte losbrüllen. Doch dann begriff er, dass ihm dies nur wenig helfen würde. Er sah in harte Gesichter und Revolvermündungen.
Und so sagte er: »Jungens, das ist aber nicht die feine Art, einen Gentleman bei einer intimen Handlung zu stören. Schämt ihr euch nicht?«
Sie taten Letzteres natürlich nicht. Nein, sie grinsten. Einer sagte glucksend: »Seht mal, der hat auf jeder Hinterbacke einen Schmetterling tätowiert. O du Heiliger Vater.«
Nun lachten sie prustend, und für einen Moment waren sie nicht böse, gefährlich und heiß wie Jagdhunde, die hinter einem Wolf her waren.
Sie wandten sich ab – auch jene, die ich nicht sehen konnte, weil sie vom Hof aus durch die Tür kamen, die ich vorher benutzte. Sie gingen alle, entfernten sich sporenklirrend und immer noch wiehernd vor Lachen.
Auch Nancy lachte.
Und der zahlende Gast nahm seine Beschäftigung wieder auf.
Ich bemühte mich, nicht auf die Geräusche zu hören, auch nicht auf den glücklichen Seufzer. Ich verhielt mich still wie ein Geist und war dankbar, sehr dankbar sogar. Denn vorerst war ich gerettet.
Nancys Gast hatte mich davor bewahrt, dass sie Nancys Zimmer durchsuchten und dabei auch in ihren Schrank sahen. Sie hatten sich nicht vorstellen können, dass sich hier jemand eingeschlichen hatte.
Es dauerte noch eine...
| Erscheint lt. Verlag | 23.8.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | G. F. Unger Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Bud Spencer • Clint Eastwood • Cowboy • High noon • Indianer • Italowestern • Lucky Luke • Spiel mir das Lied vom Tod • TerrenceHill • Western • Westernromane • Western Romane • Wilder Westen • Winnetou |
| ISBN-13 | 9783732534944 / 9783732534944 |
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