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Michaelmas (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016
Heyne (Verlag)
978-3-641-18699-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Michaelmas - Algis Budrys
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Die Macht der Information
Lauent Michaelmas ist der mächtigste Mann der Welt, auch wenn er seine Macht nicht offen ausübt. Der Fernsehkommentator liefert stets perfekt recherchierte Berichte ab, die dem weltweiten Medienverbund die höchsten Einschaltquoten einbringen. Ein negativer Kommentar von ihm kann Milliardenprojekte ins Wanken bringen, ein positiver Beitrag Menschen über Nacht berühmt machen. Dass seine Berichte immer perfekt recherchiert sind, besorgt sein Computer Domino. Wo auch immer eine elektrische Leitung hinführt, Domino zapft sie für den Moderator an - bis in die intimste Privatsphäre hinein ...

Algis Budrys wurde 1931 im ostpreußischen Königsberg geboren und war nach seinem Studium in Miami und New York als Lektor und Verleger tätig. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Kurzgeschichten und Sachbücher. Seine Romane wurden für den Hugo und den Nebula Award nominiert, der Roman Zwischen zwei Welten war Vorlage für den Kinofilm Der Mann aus Metall. Algis Budrys starb 2008 in Evanston, Illinois.

2


 

»Ich glaube, ich sollte mir Sorgen machen«, sagte Michaelmas, als er in der Küche sein Abendessen bereitete. Die geschnittenen Zwiebeln schmorten in ihrer Weinsauce und näherten sich einem angenehmen Grad von Zartheit, aber die Sauce selbst kochte zu stark und lief Gefahr, dick zu werden. Er nahm die Pfanne vom Herd und bewegte sie zehn Zentimeter über der Flamme hin und her. Das Rinderfilet in der anderen Pfanne begann sich recht appetitlich zu bräunen und gab saftig nach, als er mit der Gabel hineinstieß.

»Man zieht keine eingeführte Persönlichkeit wie einen Ableger aus einem Stückchen Gewebe«, meinte Michaelmas. »Einen auf diese Weise künstlich erzeugten Säugling vielleicht … warum nicht? Das traue ich Limberg zu, so etwas könnte er machen. Oder er könnte einen Klon aufziehen, der körperlich mit dem erwachsenen Norwood identisch ist. Aber er hatte nie Gelegenheit, sich Körpergewebe vom Original zu verschaffen, nicht wahr? Und es gibt keine Möglichkeit, einen erwachsenen Mann von bald vierzig Jahren zu duplizieren. Ausgeschlossen. Das schafft auch ein Limberg nicht, es sei denn, er geduldete sich weitere fünfunddreißig Jahre oder so. Und ich sage dir, er hätte mit einem kleinen Gewebefetzen anfangen müssen, weil Norwood niemals in der Nähe des Sanatoriums landete. Genaugenommen landete er überhaupt nicht – er verdampfte. Also hätte Limberg diese ganze Person allein auf der Basis vorhandenen Datenmaterials aufbauen müssen. Aber ich glaube nicht, dass es irgendein Aufzeichnungssystem gibt, das für diesen Zweck vollständig genug wäre.«

»Norwood und Limberg sind einander nie begegnet«, sagte Domino. »Es gibt keine Aufzeichnungen, dass Gewebeproben von Norwood irgendwo eingelagert worden wären. Kein gegenwärtig verfügbares System erlaubt eine auch nur annähernd vollständige biologische Rekonstruktion allein aufgrund von Daten.«

Michaelmas nickte. Er tunkte den Zeigefinger in die Sauce, prüfte ihre Beschaffenheit und kostete befriedigt. Er stellte die Pfanne auf den abgeschalteten Brenner zurück, tat einen Deckel darauf und wandte sich dem Tisch zu, wo die kleine Maschine lag. Die meisten Pilotleuchten waren ausgeschaltet, glänzten aber in der reflektierten Raumbeleuchtung.

»Wir sind uns also darin einig, dass man einen erwachsenen Astronauten nicht einfach fälschen kann«, sagte er. »Selbst in unserer Massengesellschaft sind diese Leute in dem Sinne einzigartig, dass ihre charakteristischen Verhaltensweisen genau untersucht und bekannt sind. Limberg würde mit einem Schwindel niemals durchkommen, selbst wenn er einen Doppelgänger entdeckt hätte. Nein, er hat den echten Colonel Norwood wieder zum Leben erweckt. Aber er hat es nicht mit Hilfe der Techniken und Entdeckungen getan, durch die er berühmt geworden ist. Limbergs Karriere, sein öffentliches Image – alles lässt sich auf eine nützliche Tarnung für die Art von Aktion reduzieren, die er jetzt eingeleitet hat. Es ist völlig klar, Domino, wenn man diesen Unsinn außer Acht lässt, dass Norwood die Explosion überlebt haben sollte. Denk einmal darüber nach.«

Er war geduldig und ermutigend. In der gleichen Art und Weise hatte er verlegene oder mundfaule Gesprächspartner durch Hunderte von Interviews gelenkt und vor einem riesigen Fernsehpublikum Karrieren gemacht und ruiniert.

Die Antwort der Maschine war genauso geduldig, aber frei von Emotion:

»Prof. Limberg ist ein bedeutender Wissenschaftler und ein Genie …«

Michaelmas lächelte schlau und grausam, unterbrach ihn aber nicht.

»… das kaum ein Doppelleben geführt haben kann. Selbst wenn er die übermenschliche Kraft gehabt hätte, nach außen hin seine aufsehenerregenden Forschungen zu betreiben, die ihm einen unangefochtenen Ruf gesichert haben, um im geheimen ganz andere Projekte zu verfolgen, gibt es unüberwindliche praktische Einwände.«

»Tatsächlich? Nenne ein paar davon.« Zischend ergoss sich die Sauce in die Steakpfanne. Ein paar geschickte Wendungen mit der Gabel hüllten das Filet ganz in die würzige Brühe ein, und er konnte seine Mahlzeit auf den gewärmt bereitstehenden Teller tun und auf den Tisch bringen. Er füllte ein Glas mit Wein und setzte sich zum Abendessen.

»Erstens«, sagte Domino, »ist er ein ziemlich barscher Heiliger von wenig umgänglicher Art, wie wir es seit der Revolution der Medien bei vielen bekannten Intellektuellen erlebt haben. Je heftiger er sich gegen Störungen seiner erhabenen Gedankenprozesse und Arbeitsmethoden zur Wehr setzt, desto beharrlicher versuchen die Nachrichtenmedien zu entdecken, was er derzeit tut. Eine der Standardmethoden des Sammelns von Informationen besteht darin, dass man alle an ihn adressierten Sendungen sorgfältig überwacht. Sie werden sich erinnern, dass der Wissenschaftliche Nachrichtendienst auf diese Weise aus seinem Ankauf von Oleophagen auf sein Interesse an Plasmiden schloss. Die Folge davon war, dass mehrere kluge Investoren belohnt wurden, als Limberg die Veröffentlichungen machte, die zu seinem ersten Nobelpreis führten. Seitdem hat es natürlich Dutzende von Inventarlisten gegeben, die nach den Erwerbungen, aber auch nach den Abfällen seiner Laboratorien angelegt wurden. Alles davon wird durch seine offenen Forschungsarbeiten erklärt.«

»Eine dieser Inventarlisten war dein eigenes Werk.« Michaelmas schmunzelte über seine Gabel hinweg. »Sprich weiter.«

»Zweitens zeigen alle Analysen der genialen Persönlichkeit, wie immer sie sich maskieren mag, dass ein solches Individuum über eine längere Zeitspanne hinweg nicht außengelenkt werden kann. Sie stellen die Hypothese auf, dass dieser exzellente Verstand seit Jahren an einer groben Täuschung der Weltöffentlichkeit beteiligt gewesen sei. Das kann nicht wahr sein. Wäre das sein ursprünglicher Zweck gewesen, so hätte er sich davon abgewandt, als seine Tarnkarriere echte Bedeutung und Richtung anzunehmen begann. Einen Dynamiker kann man nicht gängeln – und ich sollte nicht genötigt sein, Ihnen Ihre eigenen Grundsätze zu zitieren«, schalt Domino, um erbarmungslos fortzufahren: »Genauso hätte er sich geweigert, wenn in letzter Zeit jemand zu diesem Zweck an ihn herangetreten wäre. Er wäre lieber gestorben – oder, genauer ausgedrückt, er hätte eher jede Form von geistiger oder körperlicher Qual auf sich genommen – als sich zu unterwerfen. Das Genie ist immer egozentrisch. Jeder Versuch, in die Pläne einzugreifen, die es sich selbst zurechtgelegt hat, jeder Versuch, sich in seine zwanghafte Karriere einzumischen, würde einer Todesdrohung gleichkommen. So etwas wäre unannehmbar.«

Michaelmas lächelte beifällig und füllte sein Weinglas auf. »Ganz recht. Nun nehmen wir aber einmal an, dass Herr Prof. N. Hannes Limberg kein Genie, sondern lediglich ein sehr kluger Mann mit einer guten Bibliothek und Zugang zu Hilfsmitteln ist, die eine fortgeschrittene biochemische Technik verfügbar machen.«

Es gab eine längere Pause. Mit wohlwollendem Interesse beobachtete Michaelmas das nicht ganz zufällige Muster der blinkenden Funktionsleuchten auf der Oberfläche der vorgeblichen Maschine. In der Küche dahinter spülten die Automaten das Geschirr und verstauten es wieder in den Schränken. Den Geräuschhintergrund bildete die gewohnte Musik, von Domino in Anbetracht der stattfindenden Diskussion über das übliche Maß hinaus gedämpft. Es war ein gemütlicher, höchst angenehmer Abend. Das alte Gedicht war vergessen.

»Hm«, sagte Domino. »Angenommen, Sie sind sich der Unstimmigkeiten in Ihrer Darstellung bewusst und wollten sie lediglich überspringen … Nun, ja, ein fähiger Schauspieler mit dem geeigneten Vokabular und einer guten Nachschlagebibliothek könnte möglicherweise einen genialen Wissenschaftler imitieren. Und wenn einem solchen Mann eine voll ausgereifte Technik und das für ihren Einsatz notwendige Instrumentarium zur Verfügung gestellt wird, hat er weder Grundlagenforschung nötig, noch braucht er Material und Einzelteile einzukaufen.«

Domino ließ eine weitere Pause verstreichen, ehe er mit erkennbarem Widerwillen den Faden der Spekulation weiterspann.

»Es muss jedoch ein bereits existierendes Wissen geben, um die Bücherei, die technischen Ausrüstungen und das unentdeckte System zur Lieferung dieser Dinge bereitzustellen. In der Praxis kann ein solches Arsenal nur aus einer voll entwickelten Gesellschaft entstehen, die mindestens seit Limbergs Studententagen existieren müsste. Eine solche Gesellschaft aber besteht auf Erden nicht, und das ganze Sonnensystem ist frei von anderem, intelligentem Leben. Daraus ergibt sich, dass im Wirkungsbereich der menschlichen Spezies keine solche Gesellschaft existiert.«

»Das leuchtet ein«, sagte Michaelmas. »Nun, ich nehme an, du hast im Zusammenhang mit dem Norwood-Fall Vertragsangebote erhalten?«

»Ja, es gab Anrufe von verschiedenen Sendeanstalten und Presseagenturen. Ich habe die Rechte an den Begleittexten verkauft. Drei Angebote für gesprochene Kommentare halte ich für Ihre Entscheidung offen. Die übrigen Angebote lagen unter Ihrem Standard.«

»Schließe bei demjenigen Interessenten für mich ab, der mir für das Geld die meiste Freiheit der Berichterstattung einräumt. Ich möchte nicht, dass jemand glaubt, er habe das Recht gekauft, meine Bewegungen zu überwachen. Und schalte dich in die interne Kommunikation des UNRA ein – gib ein paar hausinterne Memos in den Verteiler. Es kommt darauf an, eine allgemeine Sorge um Papaschwilis Gesundheit und Sicherheit zu erzeugen. Wo hält er sich eigentlich auf?«

»In der Raumfahrtzentrale. Er schläft. Jedenfalls ist sein Telefon seit einiger Zeit nicht benutzt worden, und der Stromverbrauch seines Appartements ist minimal. Andererseits...

Erscheint lt. Verlag 11.7.2016
Übersetzer Walter Brumm
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Michaelmas
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Algis Budrys • Computer • diezukunft.de • eBooks • E-Only • Internet
ISBN-10 3-641-18699-4 / 3641186994
ISBN-13 978-3-641-18699-9 / 9783641186999
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