G. F. Unger Sonder-Edition 87 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732531943 (ISBN)
Als wir die Wasserstelle erreichten, sahen wir, dass sie ausgetrocknet war. Das gab meinen Begleitern den Rest. Ein mörderischer Ritt lag hinter uns. Lange hatten die Männer durchgehalten. Denn Banditen hatten die Bank ausgeraubt, und ohne das erbeutete Geld sah es schlecht aus für Opal. Doch nun war das Aufgebot am Ende. Erschöpft rutschten sie aus den Sätteln. Ich, John Maddegan, Deputy Sheriff der Stadt, zögerte. Sollte ich ebenfalls absitzen und aufgeben? Nein! Ich war das Gesetz, und das Schicksal einer ganzen Stadt hing von mir ab. Ich gab meinem Pferd die Sporen und ritt weiter. Zum Glück ahnte ich nicht, welch ein höllischer Train vor mir lag ...
Dan Morgan, der Schmied von Opal, sagte grimmig: »Das war’s wohl. Diese Langreiter haben uns geschlagen. Wir müssen umkehren, und selbst dann werden wir länger als eine Woche von daheim weg gewesen sein. Was alles kann in diesem verdammten Land in unserer kleinen Stadt geschehen sein während unserer Abwesenheit?«
Die anderen nickten und fluchten zu seinen Worten. Denn er hatte genau das ausgesprochen, was jeder von ihnen dachte.
Sie wollten heim.
Dass hier bei dieser Wasserstelle alles ausgetrocknet war, hatte ihnen den Rest an Zuversicht genommen. Dort vor uns lag ein wildes Land, ein Land mit tausend unbekannten Winkeln und vielen Verstecken. In diesem Land gab es Apachen und Banditen. Die wenigen Wasserstellen waren nur Eingeweihten bekannt. Und das war der beste Schutz vor jeder Verfolgung. Ich spürte einen Moment ein Gefühl des Mitleids mit dem Aufgebot von Opal. Es waren redliche Bürger einer kleinen Stadt.
Die Banditen hatten die Bank ausgeraubt, eine Bank, bei der sie alle verschuldet waren und deren Kredite sie noch einige Jahre benötigten. Doch nun würde die Bank alle Außenstände eintreiben müssen, um ihre eigenen Verpflichtungen einlösen zu können. Weil aber niemand etwas würde zahlen können, musste es zu Versteigerungen kommen.
So einfach war das. Und deshalb hatten sie wohl auch so lange durchgehalten.
Jetzt aber waren sie am Ende.
Sie begannen aus den Sätteln zu rutschen und sich der Länge nach auf den Boden zu legen. Die Pferde standen da mit hängenden Köpfen.
Ich zögerte noch. Sollte auch ich absitzen und aufgeben?
Es war verlockend, denn auch ich hatte genug.
Aber da waren zwei Gründe, die mich nicht einfach so aufgeben lassen konnten.
Ich war der Deputy Sheriff von Opal.
Und ich hielt mich für einen harten Burschen, der es mit jedem anderen Burschen seiner Sorte aufnehmen konnte. Deshalb hatte man mich ja auch zum Deputy gemacht.
Weil das nun mal so war, konnte ich nicht aufgeben.
Die Bürger von Opal konnten es. Sie waren schon längst an den Grenzen ihrer Zähigkeit und Fähigkeiten angelangt. Ich noch nicht. Und mit jeder Minute, die ich zögerte, vergrößerte sich der Vorsprung der Banditen. Und überdies hatten sie sich den Weg aus der Stadt freigeschossen. Wahrscheinlich hatte es Tote gegeben. Doch das wussten wir nicht genau. Denn wir waren sofort losgeritten und hatten uns um nichts anderes mehr gekümmert.
Aber wir hatten es mit echten Langreitern zu tun, die all ihre Chips darauf setzten, dass sie länger im Sattel bleiben konnten als ihre Verfolger.
Und so war es ja auch. Das Aufgebot war am Ende.
Nur ich war noch härter.
Nach einer Weile sagte ich zu ihnen: »Also, dann reitet heim. Ich versuche es noch. Bis später dann.«
»Viel Glück, Josh«, sagte Mick Baker, dem die Bank gehörte.
Ich trieb meinen mausgrauen Wallach zum Trab an. Und dann folgte ich der Fährte in die Hügel.
***
Ich war schon auf vielen Fährten geritten in den vergangenen Jahren. Vor allen Dingen hatte ich Wildpferde gejagt. Und während des Krieges hatte ich den Yanks immer wieder größere Pferdeherden gestohlen, um unsere eigene Kavallerie damit zu versorgen. Ich hatte Postkutschen gefahren und für die Armee als Scout gearbeitet, wenn es darum ging, eine mordende und plündernde Apachenhorde zu erwischen.
Ich war also ein erfahrener Bursche.
Aber als ich an diesem Spätnachmittag der Fährte in die Hügel folgte, da hatte ich ein ziemlich mulmiges Gefühl in der Magengegend. Ich kannte dieses Gefühl schon, denn es war mein untrüglicher Instinkt, der mich warnte.
Ja, ich wusste, dass ich jede Menge Verdruss bekommen würde. Übrigens, mein Name ist Maddegan, Joshua Maddegan.
Noch bevor es Abend wurde, erkannte ich an der Fährte, dass eines der Pferde der drei Banditen zu hinken begann. Und dann fand ich das verlorene Hufeisen. Ich hielt es für das linke Vorderhufeisen. Denn das war aus der Fährte klar zu erkennen. Ich fragte mich, wie sich die drei flüchtigen Banditen verhalten würden.
Blieben sie zusammen – oder ließen sie ihren durch das lahmende Pferd behinderten Partner zurück?
Es wurde Nacht. Nun musste ich anhalten, eine Pause einlegen und auf das Mond- und Sternenlicht warten. Aber die Ruhe tat meinem Pferd und mir recht gut. Bevor ich mich der Länge nach ausstreckte, massierte ich mein Pferd und rieb es mit der Satteldecke ab, so gut ich konnte. Erst dann streckte ich mich aus. Und ich schlief sofort ein.
Als ich erwachte, eine Stunde später etwa, war die Nacht strahlend hell geworden, ja, strahlend hell, wie es nun mal die Nächte hier im Arizonaterritorium sind.
Mond und Sterne leuchteten so prächtig, und dabei so unirdisch kalt und gnadenlos, dass man sich verdammt klein und unwichtig vorkam.
Aber die Nacht war immerhin fast so hell wie der Tag, und die Fährte war für einen erfahrenen Burschen wie mich wieder gut verfolgbar.
Ich war kaum eine Meile weiter, als ich die Fußspuren des Mannes sah. Er war also abgesessen, weil das Pferd nur noch auf drei Hufen lief. Wahrscheinlich hatte das Tier nicht nur einfach das Eisen verloren, sondern sich den Huf verletzt, gespalten vermutlich. Und das war für ein Pferd eine der bösesten Sachen, die man sich vorstellen konnte in einem Land wie diesem hier.
Denn ein verletztes Tier war hier der Gnadenlosigkeit aller Lebewesen ausgesetzt, denen es als Nahrung dienen konnte.
In mir war ein grimmiges Frohlocken, denn ich wusste, dass ich den Burschen bald einholen würde. Aber was würde er tun? Auch er konnte sich ausrechnen, dass es ihm an den Kragen ging. Wahrscheinlich rechnete er noch mit einem ihm vielfach überlegenen Aufgebot. Deshalb würde er sich vielleicht in einen Hinterhalt legen und abzuschießen versuchen, was er nur abschießen konnte.
Es wurde also gefährlich für mich.
Etwa eine Meile weit folgte der Bursche mit seinem hinkenden Pferd den Spuren seiner zwei Kumpane. Dann aber kreuzte ein alter Weg die Fährte. Es war ein wirklich alter Weg, den wahrscheinlich schon die alten Spanier benutzt hatten, als sie hier mit ihren eisengepanzerten Soldaten nach den sieben goldenen Städten suchten.
Und auch in den Jahrhunderten danach waren immer wieder Menschen diesen Weg gezogen. Es gab aber auch jetzt einige Spuren, die darauf hindeuteten, dass hier vor nicht langer Zeit noch Menschen irgendwelchen Zielen zugestrebt waren.
Die Fußspur des Mannes mit der Spur des hinkenden Pferdes bog auf diesen alten Weg ein. Die Fährten der beiden anderen Reiter aber verliefen weiter in der alten Richtung. Was sollte ich tun?
Das war die Frage. Sollte ich den beiden Reitern
folgen oder mir erst den einzelnen Mann vornehmen?
Ich hielt an, nahm einen Schluck aus der Wasserflasche und behielt das laue Wasser lange genug im Mund, um das trockene Gefühl darin ein wenig loszuwerden.
Ich überdachte die Sache von allen Seiten. Dann stieg ich noch einmal vom Pferd und sah mir die Fährten genau an.
Die Fußfährte war nicht alt. Ich hatte zuletzt tüchtig aufgeholt. Der Mann konnte keine drei Meilen mehr vor mir sein. Und vielleicht hatte er einen Drittelanteil der Beute bei sich, und wenn mir die beiden anderen entkamen, so konnte ich wenigstens einen Teil der geraubten Summe nach Opal zurückbringen. Ich saß also wieder auf und folgte der Fußfährte und der Hufspur des hinkenden Pferdes.
Nach etwa drei Meilen kam ich über einen Hügelsattel und blickte in ein schmales Tal nieder. Nun sah ich, wohin der Weg führte.
Es war eine alte Stadt, eigentlich kaum mehr als ein Dorf. Es gehörte offensichtlich zu einer Mine, deren Stollenmäuler in der Bergwand zu sehen waren wie die Löcher von Bisamratten in einem steilen Flussufer.
Ich brauchte jedoch keine zehn Sekunden auf diese Stadt und deren Umgebung zu blicken, um Bescheid zu wissen.
Das da unten in diesem engen Tal, war eine Geisterstadt. Und auch die Mine war längst schon aufgegeben worden, weil in ihr außer wertlosem Dreck nichts mehr gefunden wurde.
Ich wusste, es gab überall solche Geisterminen und -städte in diesem Land. Ihre Namen waren längst vergessen, und nur dann, wenn mal wieder jemand in den alten Stollen herumsuchte und zufällig noch weitere Gold- und Silbervorkommen entdeckte, wurde alles wieder zu neuem Leben erweckt.
In diese Geisterstadt also hatte sich der flüchtige Bandit hinbegeben.
Warum? Was erhoffte er sich dort?
Ein Pferd konnte er dort gewiss nicht bekommen. Oder doch? Gab es vielleicht dort unten doch ein paar Menschen?
Noch einmal witterte ich hinunter.
Aber dann hörte ich etwas.
Und zugleich sah ich auch eine kleine Rauchwolke über einem Hausdach, das mir den Blick in einen Hof versperrte.
Was ich hörte, waren die Hammerschläge eines Schmieds auf einem Amboss und einem warmen Eisen. Der Unterschied war deutlich zu hören.
Und so wusste ich: Der flüchtige Bandit war ein Mann, der sich in diesem Land auskannte. Er hatte gewusst, dass es in dieser verlassenen Stadt eine Schmiede gab, die zwar verlassen und aufgegeben wurde, aber noch einigermaßen funktionstüchtig war. Er war hingelaufen, um für sein Pferd etwas zu tun. Jetzt war er offenbar dabei, ein neues Eisen zu schmieden.
Ich ritt hinunter, und ich wusste, ich brauchte mir keine Sorgen zu machen und konnte mir Zeit nehmen, solange die Hammerschläge erklangen. Selbst wenn sie für eine Weile nicht zu hören waren, bestand für mich keine Gefahr. Denn der Mann musste dann den...
| Erscheint lt. Verlag | 14.6.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | G. F. Unger Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Bud Spencer • Clint Eastwood • Cowboy • High noon • Indianer • Italowestern • Lucky Luke • Spiel mir das Lied vom Tod • TerrenceHill • Western • Westernromane • Western Romane • Wilder Westen • Winnetou |
| ISBN-13 | 9783732531943 / 9783732531943 |
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