G. F. Unger Sonder-Edition 84 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732528851 (ISBN)
Verzweifelt sucht Sheriff McGillen nach einer Chance für seine gelähmte Frau. Nur eine Operation könnte ihr Hilfe bringen, und dazu braucht er viertausend Dollar. Aber in der Stadt, für die er immer wieder sein Leben riskiert hatte, stößt er auf taube Ohren.
In einer wilden Anwandlung von Zorn und Enttäuschung wirft McGillen den Stadtvätern den Stern vor die Füße. Von jetzt ab wird er seinen Revolver nur noch für einen Viertausend-Dollar-Job vermieten. Es ist ein folgenschwerer Entschluss. Er treibt McGillen auf einen Weg, der unaufhaltsam ins Verderben führt ...
»Sicher, man könnte ihr vielleicht helfen«, überlegte er. »Doch das kostet ein Schweinegeld. Da musst du erst mal dreitausend Dollar hinlegen und dann jeden Monat nicht weniger als zweihundert Dollar berappen. Hast du so viel Geld? Wenn ich mich nicht irre, bekommst du als Sheriff sechzig Dollar im Monat und ein paar Spesen, freie Wohnung, freien Mietstall – und eine kostenlose Beerdigung. Na?«
Patrick McGillen nickt langsam.
»Sicher«, sagt er, »ich bekomme sechzig Dollar im Monat und ein paar Vergünstigungen. Das erschien mir viel. Es gestattete mir, Nancy zu heiraten und einen Hausstand zu gründen. Als Cowboy hätte ich es nicht gekonnt. Die Zeiten nach dem Krieg sind zu schlecht. Es gibt keine Absatzmärkte für den großen Rindersegen. Ein Cowboy kann froh sein, wenn er außer Unterkunft und Verpflegung alle zwei Monate mal zehn Dollar erhält. Und ein Vormann bekommt nicht viel mehr. Ja, ich war dankbar für diesen Job. Und ich verdiente mir mein Geld redlich – oder?«
Der alte Doc betrachtet ihn traurig.
»Ohne dich«, sagt er dann, »wäre es dieser Stadt schon längst verdammt dreckig ergangen. Ohne dich … Man sollte dir ein Denkmal setzen. Fast ein halbes Dutzend unserer Bürger verdankt dir ihr Leben, die Erhaltung ihres Eigentums und … Ach, was rede ich darüber. Das ist doch alles so klar, Pat McGillen.«
»Na also«, sagt McGillen. »Ich habe eine Menge Freunde in dieser Stadt. Ich habe nie jemanden ohne Hilfe gelassen. Nun brauche ich Hilfe. Meine Freunde lassen mich nicht im Stich. Du wirst es sehen. Ich fange gleich damit an. Und wohin muss ich Nancy bringen, wenn ich das Geld zusammenbekommen habe?«
»Ich gebe dir einen Brief mit«, sagte der Doc. »Nach Boston muss sie. Dort gibt es einen berühmten Chirurgen, der Nancy helfen kann. Ich bin nur ein alter, versoffener Wald- und Wiesendoc, spezialisiert auf Schusswunden, Knochenbrüche und Geburten. Ich las durch Zufall in einer alten Zeitung von der Möglichkeit einer solchen Operation. Du musst Nancy hinbringen und zahlen. Dann bekommt ihr Hilfe. Nichts auf dieser Erde ist umsonst. Man muss nur den Preis zahlen.«
Patrick McGillen starrt den alten Doc an.
»Was mag dich nur in deinen jüngeren Jahren so verbittert und zum Säufer gemacht haben, Doc?«, fragt er. Dann greift er nach dem Glas, leert es mit einem Ruck und geht.
Es ist früher Mittag.
Die kleine Stadt Spanish Springs wirkt friedlich und freundlich. Der Tag ist schön und nicht zu warm. Von der Schmiede klingen Hammerschläge, und in der Hauslücke zwischen Store und Corbins Waffenhandlung und Büchsenmacherei spielen Kinder.
Patrick McGillen kann sich noch an eine Zeit erinnern, da man die Kinder tagelang in den Häusern hielt und die meisten Bürger aus Furcht selbst in ihren Häusern blieben.
Patrick McGillen ist groß, hager und dunkel. Seine langen Beine sind leicht gekrümmt. Er bewegt sich scheinbar lässig, aber in dieser Lässigkeit ist eine Geschmeidigkeit verborgen, die unheimlich schnell reagieren kann.
Vor sechs Jahren ritt Patrick McGillen als junger Cowboy in den Krieg.
Und als Kriegsheld des Südens kehrte er vor einem Jahr zurück.
Spanish Springs war damals ein wildes Nest, in dem sich der Abschaum der Grenze und das Strandgut des Krieges sammelten.
Jetzt können Kinder wieder arglos auf der Straße spielen.
Pat McGillen betritt die kleine Bank. Er nickt Roswells Angestelltem zu und öffnet die Schranke.
»Er ist doch drinnen?«, fragt er dabei. Der Angestellte nickt. McGillen klopft kurz an und tritt ein.
Roswell sitzt bullig hinter seinem Schreibtisch. Durch das Fenster hatte er den Sheriff schon kommen sehen.
»Hallo, Patrick!«, sagt er herzlich. »Wollen Sie eine Zigarre? Einen Drink? Als ich Sie über die Fahrbahn kommen sah, dachte ich, welch ein Glück es war, dass diese Stadt Sie damals zum Sheriff machte. Ein wirkliches Glück! Ich hörte, dass es Ihrer Frau nicht gut geht? Vielleicht sollten Sie mal mit ihr nach Santa Fé reisen. Dort gibt es gewiss bessere Ärzte. Auch die Armeeärzte konnten während des Krieges genug Erfahrungen sammeln. Wenn Sie mich fragen, ich würde es in Santa Fé bei einem Armeearzt versuchen, dem auch der Colonel seine Frau anvertraut. Oder?«
McGillen sieht ihn schweigend an und setzt sich. Dann sagt er ernst: »Roswell, ich brauche eine Menge Geld. Ich muss meine Frau zu einem Spezialisten nach Boston bringen. Und selbst nach der Operation wird sie noch einige Monate in dieser teuren Klinik bleiben müssen. Roswell, ich brauche etwa viertausend Dollar. Und ich bin sicher, dass Sie mir dieses Darlehen günstig geben werden.«
Er verstummt. Er wirkt sicher und ruhig. Der Blick seiner hellgrauen Augen ist fest auf den Bankier gerichtet.
Aber dieser hält dem Blick nicht lange stand. Er greift vielmehr in die Zigarrenkiste und beschäftigt sich umständlich damit, einer Zigarre die Spitze abzuschneiden und sich wenig später in Rauchwolken einzuhüllen. Aber McGillen wartet geduldig und schweigt.
Roswell sagt nach einer Weile: »Wenn ich selbst viertausend Dollar Bargeld besitzen würde – Patrick, ich schwöre es Ihnen –, so würden Sie diese von mir bekommen. Aber ich besitze so viel Bargeld nicht. Und die Bank kann Ihnen keine viertausend Dollar leihen. Sie haben keine Sicherheiten, Patrick. Was Sie und Ihre Frau besitzen, ist ein paar Hunderter wert – mehr nicht. Und schon ein rachsüchtiger Revolverschwinger kann Sie aus dem Hinterhalt abknallen. Ich kann Ihnen wirklich nicht viertausend Dollar Bankgelder anvertrauen. Dieses Geld gehört mir ja nicht. Es wurde mir von Kunden anvertraut, die von mir dafür Zinsen haben wollen. Es tut mir leid, McGillen.«
Nach diesen Worten pafft er wieder an seiner Zigarre. McGillen beugt sich vor.
»Diese Bank«, sagt er, »wurde zweimal überfallen und ausgeraubt. Die Banditen kamen einmal nicht aus der Stadt – und einmal keine dreißig Meilen weit. Ich musste töten und Blut vergießen. Aber ich brachte einmal siebzehntausend und ein anderes Mal dreiundzwanzigtausend Dollar zurück. Diese Bank wäre schon pleite ohne mich. Wenn es in dieser Stadt und in diesem Distrikt eine Sicherheit gibt, dann bin ich diese Sicherheit. Oder?«
Auch Roswell beugt sich vor.
»Ich kann Ihnen keine viertausend Dollar geben«, sagt er. »Sie sind ein guter Sheriff. Diese Bank, diese Stadt und fast alle Menschen hier verdanken Ihnen sehr viel. Aber Sie schufen sich Feinde. Sie müssen ständig mit einer Kugel aus dem Hinterhalt rechnen. Patrick, Sie sind einer Bank nicht sicher genug. Und halten Sie sich bitte nicht für unentbehrlich. Wir würden in dieser schlechten Situation schnell einen Ersatz für Sie finden.«
Patrick McGillen erhebt sich langsam. Er geht wortlos zur Tür und sagt nichts mehr.
Sein Weg führt zum General Store. Er ist der größte Store im Umkreis von fast hundert Meilen. Er besitzt eine eigene Frachtlinie und versorgt einige entlegene Minen, die mit Gold zahlen.
Dwight Abbot ist glatzköpfig und hager. Er steht neben seiner jungen mexikanischen Frau hinter dem Ladentisch und betrachtet die grüne Seide, die sich die Frau über Schulter und Brust geschickt zurechtlegte.
Sie lächelt ihn dabei an.
Aber dann nimmt Abbot doch seinen Blick von ihr und nickt dem Sheriff zu.
»Was kann ich für Sie tun, Sheriff?«
McGillen sieht sich um. Außer ihnen ist niemand im Laden. Da wiederholt er seine Bitte, die er schon Roswell vortrug.
Die Augen des Storehalters hinter der Nickelbrille sind fast wimpernlos und wirken starr.
»Sie waren schon bei Roswell, nicht wahr?«, fragt er.
»Ich bin ihm nicht sicher genug«, sagt McGillen. »Der Sheriff von Spanish Springs ist der Bank nicht sicher genug. Sind auch Sie dieser Meinung, Dwight? Oder …«
»Wie wollen Sie das Geld jemals zurückzahlen, selbst wenn Ihnen in den nächsten zehn Jahren nichts zustoßen sollte? Patrick, wie wollen Sie viertausend Dollar zurückzahlen?«
McGillen schweigt. Er nagt an seiner Unterlippe. Sein dunkles Gesicht wirkt hart und fast ein wenig piratenhaft. Aber der Blick seiner grauen Augen ist zuverlässig. In seinem Gesicht sind ein paar Narben. Sein Nasenbein wurde irgendwann einmal gebrochen. Der Stern an seiner Weste gibt seinem harten Aussehen eine eindeutige Bedeutung. Man glaubt ihm den ruhigen, zuverlässigen, aber auch harten und gefährlichen Gesetzesvertreter.
»Ich weiß nicht, wie ich das Geld zurückzahlen kann«, murmelt er schließlich. »Aber ich dachte mir, dass ich hier Freunde hätte. Ich habe für diese Stadt eine Menge getan. Und damals, als …«
»Schon gut, Patrick«, unterbricht ihn Abbot. »Ich weiß genau, was Sie auch für mich taten, als mich die Haggertys erschießen wollten, nur weil ich ihnen keinen Kredit mehr geben wollte. Sie waren betrunken und kamen in der Nacht zurück, um mich auszurauben. Sie wollten mich erschießen, wenn ich ihnen meinen Geldschrank nicht öffnen würde. Da kamen Sie, Sheriff. Aber das war Ihre Pflicht. Sie waren der Sheriff und sind es immer noch. Es ist ein Job, den man ausfüllen muss. Man kann ihn sich nicht mit viertausend Dollar bezahlen lassen. Es geht nicht.«
Patrick McGillen starrt ihn eine Weile an.
Dann geht er.
Hinter ihm sagt die junge Mexikanerin: »Er liebt seine Frau sehr. Seitdem sie von der Leiter fiel und gelähmt ist, will sie nicht mehr leben. Es muss für ihn schlimm sein, ihr nicht helfen zu können. Diese Stadt sollte sich zusammentun und viertausend Dollar auftreiben. Denn solch einen Sheriff bekommt...
| Erscheint lt. Verlag | 3.5.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | G. F. Unger Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • Bud Spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Clint Eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • GF • g f barner • High noon • Indianer • Italowestern • jack-slade • Jugend • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Lucky Luke • Männer • martin-wachter • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Spiel mir das Lied vom Tod • TerrenceHill • Western • Western-roman • Westernromane • Western Romane • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt-Earp |
| ISBN-13 | 9783732528851 / 9783732528851 |
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