G. F. Unger Sonder-Edition 82 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732527878 (ISBN)
In dieser Nacht erlebt Bac Chishum die Hölle. Im flammenden Inferno des gewaltigen Präriebrandes sieht er die Banditen auf sich zujagen. Es sind die Killer, die ihn schon seit vielen Tagen hetzen. Er zieht sein Gewehr aus dem Scabbard, sitzt ab und beginnt zu schießen. Er darf diese Halunken nicht schonen. Er ist gezwungen, sie zu vernichten.
Voller Bitterkeit denkt er daran, dass er sich hier zum Richter und zum Henker macht. Aber ihm bleibt keine andere Wahl. Was diese Männer getan habe, war zu schrecklich ...
Hinter Bac Chishum fährt sein Partner Ambrose Staget den zweiten Wagen. Auch er hält an – und hinter ihnen liegt Kansas City, welches sie heute vor Sonnenaufgang verließen.
»Was soll’s denn sein?« Dies fragt Bac Chishum die Reiter kühl vom Fahrersitz herüber. Er sitzt noch höher als sie, denn es handelt sich um einen großen und schweren Wagen, den man mit einer Riesenmenge Büffelhäute beladen kann.
Es sind vier Reiter, und einer, der besonders hartbeinig und gefährlich wirkt, sagt trocken, wobei seine Augen schmale Schlitze werden: »Wir werden die Wagen durchsuchen, Freund Büffelkiller.«
Bac Chishum zog indes die Bremse an und wickelte nun die Zügelenden des Vierergespanns um die Bremskurbel.
»Ach ja«, sagt er dabei fast freundlich, »ihr wollt die Wagen durchsuchen? Und warum, wenn ich fragen darf, meine lieben Freunde? – Warum? Wurde irgendwo eine goldene Uhr gestohlen? – Hat man uns in Verdacht? Seid ihr ein Sheriffs-Aufgebot, also Gesetzesmänner? – Na, Freunde, wie wär’s denn mit einer Erklärung?«
Sie starren zu ihm herüber. Denn sie halten rechts und links des Wagens. Sie reiten erstklassige Pferde, die ihnen auf Schenkeldruck gehorchen. Und sie strömen eine arrogante Überlegenheit aus, die sie ihrer Meinung nach einem Büffeljäger gegenüber besitzen.
Doch da sie ihn nun lange genug betrachten konnten und ihn auch sprechen hörten, beginnen sie zu spüren, dass er wahrscheinlich doch nicht der typische Büffelkiller ist, also einer von dieser Sorte, die jetzt dabei ist, auf der Kansas-Prärie die letzte große Büffelherde zu vernichten. Es ist eine Riesenherde, und sie zieht nun nach Norden, ist schon in Nebraska zu finden und wird im Verlaufe des Sommers bis weit nach Wyoming hinein wandern.
Es sind Hunderttausende Büffel, mehr als ein Dutzend Herden, die zusammen diese letzte große Riesenherde ergeben.
Bac Chishum ist ein hagerer, indianerhafter Bursche, dunkelhaarig, tief gebräunt und dabei aber helläugig. Er trägt seinen Colt im Hosenbund – und dies täuscht die Reiter. Sie halten ihn zwar für einen harten Burschen, doch gewiss nicht für einen Revolverkünstler.
Dennoch sagt ihnen ihr Instinkt, dass sie sich besser nicht mit ihm anlegen sollten. Überdies ist ja auch noch sein Partner vorhanden, der die Nasen seiner Führungspferde ziemlich dicht an den Vorderwagen fuhr.
Der Sprecher sagt nun: »Wir suchen nur einen Dieb. Es ist ein Junge von sechzehn oder siebzehn – ein zartes Kerlchen. Er trägt Kleidung, die ihm zu groß ist. Er hat mehr als nur eine goldene Uhr gestohlen. Wir folgten ihm von der Schiffslandestelle in die Stadt, von da aus …«
»Na gut«, unterbricht ihn Bac Chishum. »Was also hat er gestohlen?«
»Er wollte stehlen. Doch als er dabei erwischt wurde, erstach er einen Mann, den Mann nämlich, der ihn festhalten wollte und nach der Polizei brüllte. Jetzt werden wir nachsehen, ob er vielleicht in einem eurer beiden Wagen versteckt ist. Er verschwand in einem Büffeljäger-Camp, nachdem er zwischen die stinkenden Häutestapel gekrochen war, wo wir ihn jedoch aufspürten. Es kann sein, dass er in einen Wagen gekrochen ist, besonders in einen Wagen, der gerade abfuhr oder für die Abfahrt angespannt wurde. Also …«
»Freund, ich werde nachsehen«, unterbricht ihn Bac Chishum. »Ich werde selbst in unseren Wagen nachsehen. Verstanden?«
Er fragt es ruhig, sehr kühl – und dennoch begreifen sie jetzt erst richtig, an was für einen Mann sie geraten sind.
Plötzlich unterschätzen sie auch nicht mehr den Colt in seinem Hosenbund. Und weil das so ist, werfen sie auch schnelle Blicke auf den Mann, der den zweiten Wagen lenkte und fuhr. Dieser Mann ist schon äußerlich einer dieser rothaarigen und blauäugigen stets rebellisch wirkenden Iren.
Nun hat er ein Gewehr über den Knien.
Es ist kein einschüssiges Büffelgewehr, nein, es handelt sich um einen vierundvierziger Remington Revolving Carbine, ein Ding also, welches die Funktion eines Colts hat, jedoch einen Gewehrkolben und einen langen Lauf besitzt und insgesamt etwa einen Yard lang ist.
Die vier Reiter begreifen, dass ihre Überzahl keinen besonderen Eindruck auf die Büffeljäger macht – und sie spüren die absolute Konsequenz, die von diesen beiden Büffeljägern ausgeht. Nein, sie glauben nicht, dass die beiden Büffeljäger kneifen werden, wenn es wirklich hart auf hart gehen sollte.
Sie möchten das nicht hinnehmen, diesen beiden Büffeljägern eine Lektion erteilen, rau werden, sie zurechtstutzen, klein machen- aber letztlich zögern sie. Ihr Instinkt warnt sie. Denn in dieser Hinsicht sind sie mit Wölfen zu vergleichen, deren Instinkt ja auch fast jede Gefahr auf wunderbare Weise zu wittern vermag.
»Na gut, Büffelkiller«, sagt der Sprecher.
Und dann warten sie.
Bac Chishum nickt ruhig. Dann klettert er in den großen Wagen hinein, verschwindet unter der schmutzigen Plane. Es riecht drinnen im Wagen nach Büffelhäuten. Es ist schon mehr ein Gestank. Und auch die Plane stinkt. Die ist schmutzig, schmierig, ja sogar oftmals blutgetränkt da und dort.
Im Wagen ist nur wenige Ladung. Es ist nur das übliche Campgerät da, einige Werkzeuge, ein Reserverad, zwei Wasserfässer, zwei Kisten, die Deckenrolle und einige Säcke voller Holzpflöcke, mit deren Hilfe man die Büffelhäute auf dem Boden ausspannen kann zum ersten Trocknen. Im Halbdunkel des Wageninnern erkennt Bac Chishum dann auch die zusammengekrümmte Gestalt des Flüchtlings: Er hockt zwischen den Säcken dicht neben den Wasserfässern. Man könnte ihn fast ebenfalls für einen Sack halten, so gut hat er sich mit einem leeren Sack bedeckt und getarnt.
Als Bac Chishum diesen leeren Sack wegnimmt, sieht er in ein erschrockenes Gesicht mit übergroßen Augen.
Diese Augen bitten und betteln.
Und der Junge muss auch noch sehr jung sein, offenbar auch sehr zart.
Der ist ja fast so zart wie ein Mädchen, denkt Bac Chishum.
Sie betrachten sich wortlos im Halbdunkel des Wageninnerens drei Sekunden lang.
Dann klettert Bac Chishum wieder nach vorn auf den Fahrersitz. Er bleibt jedoch vor dem Sitz aufrecht stehen und blickt auf die Reiter nieder.
»In diesem Wagen ist niemand«, sagt er kühl. Dann wendet er leicht den Kopf und ruft zurück: »Hoiii, Ambrose! Sieh nach, ob in deinem Wagen ein Junge ist, der sich versteckt hat! Sieh nach und sag mir dann Bescheid!«
»Sicher, Bac, sicher«, erwidert Ambrose. Er behält das Gewehr in seiner Hand, als er in den Wagen klettert und unter der Plane unsichtbar wird.
Die Reiter starren auf Bac Chishum. Sie sind im Vorteil, weil sie zu beiden Seiten des Wagens in Höhe der Vorderräder halten. Ganz gleich, nach welcher Seite sich Chishum wendet – er hat dann stets zwei der Burschen hinter sich. Sie sind erfahren in ihrem »Geschäft«. Das Einkeilen eines eventuellen Gegners gehört zu den primitivsten Grundregeln dieses »Geschäftes«.
Ihr Anführer sagt nun: »Büffelkiller, wir werden selbst nachsehen.«
Und er macht den Ansatz zu einer Bewegung, so als wollte er absitzen.
Aber Bac Chishum sagt: »Nein, mein Freund, nein. Daraus wird nichts.«
Chishums Stimme klingt ganz ruhig, und es ist dennoch etwas in ihr, was die vier Revolverschwinger verharren und gewissermaßen »lauschen« lässt. Ja, sie lauschen in sich hinein; sie lauschen auf ihren Instinkt, versuchen die Warnsignale richtig zu deuten, die ihnen dieser Instinkt vermittelt.
Von hinten klingt Ambrose Stagets Stimme nach vorn: »Bac, es ist nichts in meinem Wagen, was nicht zu uns gehört – auch kein Junge.«
»Ihr habt es gehört, mein Freund«, spricht Bac Chishum zum Wortführer der vier Revolverschwinger. »Und jetzt verschwindet. Oder ich muss euch für Wegelagerer halten.«
»Und dann?« So fragt der Sprecher wütend. »He, was wäre dann?«
»Dann mache ich euch Beine, ihr Strolche«, erwidert Bac Chishum ganz ruhig, fast sanft. Aber er fügt sofort hinzu: »Freund, ich habe auch nach hinten Augen – man sieht sie nur nicht. Wenn diese beiden Pilger da auf der anderen Seite hinter mir auch nur eine schnelle Bewegung machen, putze ich euch aus den Sätteln, bevor sie mich treffen. Ihr seid dem Tode jetzt im Moment verdammt nahe. Habt ihr verstanden, ihr Strolche?«
Sie wollen heftig reagieren. Ja, sie sind versucht, ihn für ein bluffendes Großmaul zu halten.
Aber ihr Instinkt warnt sie plötzlich scharf.
Sie beginnen zu begreifen, dass er mehr ist als nur einer der vielen Büffeljäger. Sie lassen sich auch nicht mehr dadurch täuschen, dass er seinen Colt im Hosenbund trägt wie ein Farmer.
Überdies denken sie auch noch an den zweiten Mann auf dem anderen Wagen, der mit seinem Revolvergewehr mitmachen würde.
Ihr Sprecher und Anführer schluckt. Sein Blick wird für einen Moment stumpf, denn er schämt sich vor sich selbst, dass er kneifen wird. Er möchte nicht kneifen. Er ist heiß vor Wut, kann sich kaum beherrschen.
Doch sein Instinkt warnt ihn zu sehr, und er weiß, dass er ein Narr ist, wenn er auf diese ungute Ahnung nicht hört.
Er wendet wortlos sein Pferd und reitet davon.
Sein Nachbar folgt ihm sofort – denn er und der andere Mann sahen Bac Chishum lange genug in die hellen Augen.
Die beiden anderen Männer hinter Chishum taten das nicht. Sie konnten es nicht, weil er ihnen nur seinen Rücken zukehrte. Als er sich nun ihnen zuwendet, um auch ihnen zu sagen, dass sie verschwinden sollen, da macht einer...
| Erscheint lt. Verlag | 5.4.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | G. F. Unger Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Bud Spencer • Clint Eastwood • Cowboy • High noon • Indianer • Italowestern • Lucky Luke • Spiel mir das Lied vom Tod • TerrenceHill • Western • Westernromane • Western Romane • Wilder Westen • Winnetou |
| ISBN-13 | 9783732527878 / 9783732527878 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich