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Die Höhle (eBook)

Roman nach einer wahren Geschichte
eBook Download: EPUB
2016 | 2. Auflage
304 Seiten
SCM Hänssler im SCM-Verlag
978-3-7751-7322-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Höhle -  Damaris Kofmehl
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Als die Höhlenforscherin Léonie unter der Erde Schuhe und Knöpfe entdeckt, ahnt sie, dass sie einem historischen Geheimnis auf die Spur gekommen ist. Eine Halskette mit hebräischem Schriftzug führt sie zu einer Gruppe von Juden, die sich 1942 vor den Nazis in dieser Höhle versteckte. Es gelingt ihr, einen der Juden ausfindig zu machen: Joscha Burker, 88 Jahre alt. Er erzählt Léonie seine unglaubliche Geschichte von Verfolgung, außergewöhnlichem Mut, Hoffnung und einer zarten Liebe inmitten der Dunkelheit. Die Geschichte ist inspiriert von einem wahren Schicksal.

Damaris Kofmehl ist Bestsellerautorin und erzählt wahre Begebenheiten als True-Life-Thriller, Fantasy und Biografien. Ihre Buchrecherchen führten sie unter anderem nach Brasilien, Pakistan, Guatemala, Chile, Peru, Australien und in die USA. Sie lebte lange unter Straßenkindern in Brasilien und heute wieder in ihrem Heimatland, der Schweiz. www.damariskofmehl.ch

Damaris Kofmehl ist Bestsellerautorin und erzählt wahre Begebenheiten als True-Life-Thriller, Fantasy und Biografien. Ihre Buchrecherchen führten sie unter anderem nach Brasilien, Pakistan, Guatemala, Chile, Peru, Australien und in die USA. Sie lebte lange unter Straßenkindern in Brasilien und heute wieder in ihrem Heimatland, der Schweiz. www.damariskofmehl.ch

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

2  Die Suche


Sie traten den Rückweg an. Alle Gebrauchsgegenstände, die sie gefunden hatten, ließen sie da. Es fühlte sich nicht richtig an, etwas davon mitzunehmen. Außerdem hatte Chris ja alles penibel fotografisch festgehalten. Das Einzige, was Natalie einsteckte, war die Goldkette. Sie hatte den Eindruck, als wäre die Kette ein wichtiges Teil in dem Puzzle, das sie sich vorgenommen hatte zusammenzusetzen.

Am Abend kamen Andrej, Natalie und Chris erschöpft und verschwitzt im Basislager an. Während sie eine warme Suppe mit Brot aßen, gab es nur ein Gesprächsthema: die jüdischen Höhlenbewohner. Natalie konnte es kaum erwarten, mit der Suche nach ihnen zu beginnen.

Früh am nächsten Morgen kraxelten Natalie, Chris und der Höhlenforscher zum Ausgang zurück. Gerade mal drei Tage waren sie in der Höhle gewesen. Doch als Natalie aus der ewigen Dunkelheit herauskroch und ihren Körper durch das enge Einstiegsloch an die Erdoberfläche wuchtete, blendete sie das Sonnenlicht so stark, dass sie für einen Moment glaubte, erblinden zu müssen. Nach ein paar Minuten gewöhnten sich ihre Augen wieder an das Licht und sie hörte auf zu blinzeln. Wahnsinn, dachte sie, während sie auf das winzige Loch blickte, durch das sie in die Höhle gelangt war. Wer hätte gedacht, dass sie auf einen solch unglaublichen Fund dort unten in der Finsternis stoßen würden. Wer hätte gedacht, dass sie und ihr Freund die Ersten sein würden, die eine Geschichte zutage förderten, von der bislang kein Mensch wusste, dass sie überhaupt existierte. Und hätten sie auch nur ein Mal eine andere Abzweigung in dem verzwickten Tunnelsystem genommen, wäre das Geheimnis dieser Juden unentdeckt und vielleicht für immer verloren geblieben. Aber die Höhle hatte es ihnen offenbart, sie hatte sich ihnen anvertraut, so als wüsste sie, dass dieser kostbare Schatz bei ihnen in guten Händen war.

Die drei gingen zu Andrejs Geländewagen, den er an der nächstgelegenen Landstraße geparkt hatte. Dort zogen sie die roten, lehmverschmierten Höhlenschlaze, die Helme und dreckverklumpten Bergschuhe aus, wickelten die Seile auf und verstauten alles in den gelben PVC-Transportsäcken hinten auf der Ladefläche. Dann wuschen sie sich mit Wasser aus einer Plastikflasche die Hände und den gröbsten Dreck aus dem Gesicht, wechselten die Kleidung und setzten sich ins Auto. Natalie und Chris baten Andrej, sie in das etwa fünf Kilometer entfernte Bobrka zurückzubringen. Dort hatten sich die beiden für die Zeit ihres Aufenthaltes ein Zimmer in einer Pension genommen.

Auf der Fahrt redeten sie über nichts anderes als die Juden, die Höhle und das, was sie gefunden hatten. Plötzlich knallte es laut. Der Pick-up schlenkerte und ratterte auf der steinigen Landstraße. Staub wirbelte auf.

»So ein Mist aber auch«, brummte Andrej und brachte das Auto am rechten Straßenrand zum Stehen, unmittelbar neben einem verlotterten Haus, das einsam in der Pampa stand.

Sie stiegen alle aus, um den Schaden zu begutachten. Der vordere linke Reifen war geplatzt.

»Na toll«, sagte Andrej, und an Chris gewandt fragte er: »Kannst du mir mal helfen?«

Chris nickte, und die beiden Männer gingen hinter das Auto, holten das Ersatzrad und das Werkzeug von der Ladefläche und machten sich an die Arbeit.

Natalie vertrat sich die Beine und begutachtete dabei das Haus, neben dem sie angehalten hatten. Die Farbe blätterte bereits ab, es fehlten ein paar Fensterläden, und der Gartenzaun um das ungepflegte Grundstück herum war ziemlich verrottet. Im Hintergrund hörte sie, wie ihr Freund und Andrej mit dem Ersatzrad beschäftigt waren, als sich auf einmal die Haustür öffnete und ein altes, zittriges Männlein herauskam. Der Alte ging an einem Stock und war bestimmt weit über neunzig Jahre alt, wie Natalie seinem schütteren grauen Haar und seinem schrumpeligen Gesicht nach schätzte. Seine Mundwinkel waren nach unten gezogen wie bei einer Bulldogge. Natalie sah ihm dabei zu, wie er zum rostigen Briefkasten an der Straße wackelte, ihn öffnete, wieder schloss und ohne Post zurücktrottete. Dabei schielte er die ganze Zeit neugierig zu ihnen herüber, bis er schließlich stehen blieb und Natalie auf Ukrainisch ansprach. Natürlich verstand sie kein Wort, zuckte die Achseln und entschuldigte sich mit einem der wenigen Sätze, die sie kannte: »Ne ukrayins’ke, ya amerykanets – ich bin keine Ukrainerin, ich bin Amerikanerin.«

»Ah, amerykanets«, sagte der Greis, kam ein paar Schritte näher und deutete mit seinem Spazierstock die Straße hinauf in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Waren Sie in der Höhle?«, fragte er nun in gebrochenem Englisch.

»Ja, waren wir«, antwortete Natalie.

Der alte Mann wedelte mit der freien Hand in der Luft herum. »Alles Spinner«, sagte er. »Auf einmal kommen sie von überall her und wollen die Höhle sehen. Auf einmal. Dabei ist die Höhle schon vor über siebzig Jahren entdeckt worden. Ich hab’s immer gesagt. Aber es interessiert ja keinen, was der alte Dovzhenko zu sagen hat.«

Natalie spitzte die Ohren. »Warum denken Sie, dass die Höhle vor über siebzig Jahren entdeckt worden ist?«

Die kleinen Augen des Greises wurden ganz groß. »Weil ich sie gesehen habe, Kindchen! Habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen!«

»Die Höhle?«

Der Alte machte eine flüchtige Handbewegung, als würde er eine Fliege verscheuchen. »Nicht die Höhle«, sagte er und sah Natalie eindringlich an. »Die Juden!«

Natalie war es, als jagte ein Blitz durch ihren Körper. Entgeistert starrte sie den Greis an. »Sie haben die Juden gesehen? Wann?«

»Nach Kriegsende«, sagte der Ukrainer und deutete erneut die Straße hinauf. »Kamen aus dieser Richtung. Waren von Kopf bis Fuß voller Lehm. Die Leute sagten, ich sei verrückt. Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Habe immer gewusst, dass es eine Höhle geben muss. Hab’s immer gewusst.«

Natalies Herz hüpfte vor Begeisterung. Es stimmte also: In der Höhle hatten sich tatsächlich Juden versteckt! Und einige hatten überlebt und waren hier vorbeigekommen. »Wie viele waren es?«

Die Augen des Alten fixierten Natalie. »Mehr als ein Dutzend.«

»Mehr als ein Dutzend?!« Natalie klappte der Mund auf. Das waren mehr als zwölf Menschen! Zwölf Juden, die den Holocaust dank dieser Höhle überlebt hatten! Konnte das wirklich sein?

»Sind hier entlanggekommen«, meinte der Mann. »Wusste sofort, dass es Juden sind. Hab’s später rumerzählt, hat jedoch keinen interessiert. Also habe ich aufgehört, davon zu reden. Aber ich habe sie gesehen, so wahr ich hier stehe. Mehr als ein Dutzend Juden. Sind hier die Straße runtergekommen. Voller gelber Erde. Ich schwör’s beim Grab meiner Mutter.«

Natalie stand noch immer mit offenem Mund da.

Der Alte schmatzte, als kaute er auf etwas herum, wiederholte erneut, dass die Juden lehmverschmiert hier vorbeigekommen seien, und ging dann in Richtung Haus.

»Wissen Sie sonst noch etwas über diese Juden?«, fragte ihn Natalie. »Vielleicht, wo sie danach hingegangen sind? Ob ihre Nachkommen noch in der Gegend leben?«

Der Ukrainer schien ihre Frage nicht gehört zu haben. »Hab’s gewusst, hab’s immer gewusst, dass es eine Höhle gab«, murmelte er vor sich hin und wackelte dazu mit dem Kopf. »Aber wen interessiert’s. Ich hätt mir das nur eingebildet, sagen sie. Dumme Schwätzer. Gar nichts wissen die, einfach gar nichts …« Damit verschwand er im Innern des Hauses und zog die Tür hinter sich zu.

Noch lange nachdem er weg war, blickte Natalie auf die Haustür und dachte über die unglaublichen Neuigkeiten nach, die der Mann ihr eröffnet hatte. Die Geschichte nahm langsam mehr Gestalt an. Und sie wurde immer erstaunlicher.

Auf der anderen Seite des Autos hantierten Chris und Andrej indessen noch immer an dem Rad herum. Sie hatten von der Begegnung mit dem alten Ukrainer gar nichts mitgekriegt.

»So, fertig!«, rief Chris endlich und tauchte hinter der Kühlerhaube auf, während Andrej das platte Rad zur Ladefläche rollte.

Natalie drehte sich zu ihnen um und sagte: »Ihr werdet nicht glauben, was ich herausgefunden habe.« Eifrig erzählte sie von dem alten Mann und den mehr als zwölf Juden, die offenbar in der Höhle gelebt haben mussten. »Wenn der Alte sie gesehen hat, dann haben andere sie bestimmt auch gesehen. Ich meine, eine derart ungewöhnliche Geschichte muss sich doch herumgesprochen haben. Vielleicht finden wir ja noch mehr Hinweise, vielleicht hat sie sogar jemand gekannt! Was denkst du, Andrej? Wen könnten wir dazu befragen?«

Der Höhlenforscher hievte das Rad auf die Ladefläche. »Fragt, wen ihr wollt. Es wird euch keiner Auskunft geben, selbst wenn sie es könnten.«

»Wieso denn nicht? Der alte Mann hat ja auch mit mir geredet.«

»Weil er vermutlich ein eigensinniger, närrischer Greis ist, der nicht mehr klar denken kann.«

»Du glaubst ihm nicht?«

»Ich glaube, ihr jagt einem Gespenst nach und verschwendet bloß eure Zeit. Nichts für ungut. Ihr könnt ganz Bobrka ausquetschen, wenn ihr wollt, und werdet trotzdem nichts erfahren.«

»Wieso nicht?«

Andrej verschloss die Klappe der Ladefläche, ging zur Beifahrertür und setzte sich ans Steuer. Natalie und Chris kletterten neben ihn auf den doppelten Beifahrersitz. Andrej startete den Motor und fuhr los.

»Wieso denkst du, dass keiner mit uns reden würde?«, fragte Natalie. »Weil wir Ausländer sind?«

»Das hat nichts mit euch zu tun«, antwortete Andrej. »Die Einheimischen sind in der Regel nicht gut auf das Thema Juden und Krieg zu...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2016
Verlagsort Holzgerlingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Weltkrieg • Flucht • Höhlenforscherin • Juden • Judenverfolgung • Liebe • Nationalsozialismus • Nazis • Überleben • Verfolgung • Versteck • Zuflucht
ISBN-10 3-7751-7322-6 / 3775173226
ISBN-13 978-3-7751-7322-3 / 9783775173223
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