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Der Kinderfänger - Nebel über dem Fluss (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
720 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42937-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Kinderfänger - Nebel über dem Fluss -  John Harvey
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»Wenn es jemand verdient, Ian Rankin von seinem Thron als Großbritanniens Bestsellerautor zu stoßen, dann John Harvey.« Kirkus Review Nervenkitzel garantiert: zwei Fälle für Harveys berühmten Detective Inspector Charlie Resnick - jetzt als eBundle. Der Kinderfänger: Als die 6-jährige Emily Morrison an einem ruhigen Sonntagnachmittag aus dem Garten ihrer Eltern verschwindet, befürchtet ihr Vater Michael das Schlimmste: Erst kurz zuvor wurde die in einen Müllsack verpackte Leiche eines gleichaltrigen Mädchens in einem verlassenen Lagerhaus gefunden. Keine leichte Situation für Detective Inspector Charlie Resnick: Die Öffentlichkeit ist alarmiert und ein Kindermörder auf freiem Fuß ... Nebel über dem Fluss: »Wenn ihr mich wiedersehen wollt, dann tut, was er sagt ...« Die junge Sachbearbeiterin Nancy ist nach einer Weihnachtsfeier spurlos verschwunden. Hat Gary James etwas damit zu tun, der sie tags zuvor im Wohnungsamt bedroht hat? Detective Inspector Resnick zweifelt an Garys Täterschaft. Nicht zuletzt, weil er selbst Nancy als Letzter gesehen und beobachtet hat, dass sie von einem dunklen Wagen erwartet wurde. Er gehört Robin Hidden - den Nancy kurz zuvor verlassen hatte ...

John Harvey 1938 in London geboren, wurde durch seine Drehbücher für britische Krimiserien bekannt. Für seine Krimis, Erzählungen und Lyrik erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Diamond Dagger für sein Lebensweg. Bei dtv sind seine berühmten Serien um Frank Elder, Charlie Resnick und das Ermittlerduo Will Grayson und Helen Walter erschienen. 

John Harvey 1938 in London geboren, wurde durch seine Drehbücher für britische Krimiserien bekannt. Für seine Krimis, Erzählungen und Lyrik erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Diamond Dagger für sein Lebensweg. Bei dtv sind seine berühmten Serien um Frank Elder, Charlie Resnick und das Ermittlerduo Will Grayson und Helen Walter erschienen. 

2


Das kleine Mädchen war seit September verschwunden. Zwei Monate schon; insgesamt dreiundsechzig Tage. Seit dem Tag von Resnicks erstem Heimspiel in der neuen Spielzeit. Alle Jahre wieder nahm er bei diesem ersten Kräftemessen mit der gleichen Begeisterung seinen Platz auf der Tribüne im Meadow-Lane-Stadion ein. Ein neuer Spieler in der Abwehr, in der Sommerpause eingekauft; und von der letzten Seite der Lokalzeitung strahlten die beiden Torjäger, die versprachen, sich auf der Jagd nach Rekorden gegenseitig zu übertrumpfen; gute Leute waren aus der Jugendmannschaft und von den Amateuren gekommen – hatten nicht zwei aus dem Team schon in der Jugendnationalelf gespielt? Als er nach dem Abpfiff niedergeschmettert von einem 0:0 mit einer grölenden Gruppe gegnerischer Fans das Stadion verließ, dachte er daran, auf der Dienststelle vorbeizuschauen, aber dann ließ er es lieber. Er hatte gehört, dass Forest 4:1 gewonnen hatte, und auf die sarkastischen Bemerkungen seiner Kollegen, dass er wieder einmal aufs falsche Pferd gesetzt habe, konnte er verzichten. Als brauchte er sie, um das zu wissen; als würde es nicht genau darum gehen. Jedenfalls zum größten Teil.

So kam es, dass nicht der Inspector selbst, sondern sein Sergeant der ranghöchste Beamte im Dienstraum des CID war, als der Anruf einging.

Dabei hätte eigentlich auch Graham Millington nicht auf der Dienststelle sein sollen, sondern daheim in seinem Garten. Oder in Somerset. In Taunton, genauer gesagt. Bei der Schwester seiner Frau und ihrem langweiligen Ehemann, um sich bei widerlich schmeckendem Earl Grey und Eiersandwiches endlose Tiraden über die steigenden Verbrechenszahlen, das Ozonloch und die schwindende Unterstützung für die Konservativen anzuhören. Ach ja, und natürlich über Jesus. Als überzeugte christlich-konservative Umweltschützer, die hoch oben zur grünen Rechten Gottes saßen, hätten die beiden ihm zum Salat aus organischem Anbau wahrscheinlich viele gute Ratschläge gegeben, wie man den sauren Regen von sich fernhielt.

Aber Millingtons langes Gesicht und sein hartnäckiges Geunke über Staus auf der M5 hatten schließlich ihre Wirkung getan. »Gut«, hatte seine Frau gesagt und die Arme verschränkt, »dann fahren wir eben nirgendwohin.« Ohne weitere Diskussion hatte sie sich daraufhin mit einem illustrierten Führer durch die Tate Gallery, einer neuen Biografie von Stanley Spencer und ihren Ohrstöpseln ins Wohnzimmer verzogen: Der Kunstgeschichtekurs in diesem Semester begann mit einem neuen Blick auf die britischen Fantasten. Millington hatte ein paar Dahlien hochgebunden, die verwelkten Blüten der letzten Rosen abgeknipst und ernsthaft überlegt, ob er nicht gleich noch eine Oberflächendüngung über den Rasen gießen sollte. Er trug schwer am Unmut seiner Frau, die auf dem neu bezogenen Sofa lag und sich mit vorwurfsvoller Miene diese fürchterlichen Gemälde ansah, die sie ihm gezeigt hatte. Was war das gleich wieder gewesen? Diese blöden Kühe in Cookham. Heiliger Strohsack.

Er war keine zehn Minuten im Büro, der Tee hatte noch nicht einmal richtig gezogen, als das Telefon läutete. Gloria Summers. Zuletzt um kurz nach dreizehn Uhr auf einer der Schaukeln im Lenton-Park gesichtet. Verwandte, Nachbarn, Freunde – niemand hatte sie gesehen, seit ihre Großmutter sie allein zurückgelassen hatte, weil sie zwei Straßen weiter schnell etwas einkaufen wollte. Bleib schön hier, ja, sei brav. Gloria Summers, sechs Jahre alt.

Millington notierte die Einzelheiten, trank einen Schluck Tee und rief Resnick an. Wenn der Chef erst einmal einbezogen war, würde er wahrscheinlich selbst mit den Eltern des Kindes sprechen wollen. Denn davor graute Millington mehr als vor allem anderen: in diese zerbrechenden Gesichter zu blicken und Lügen zu erzählen.

Der Anruf enthob Resnick einer schwierigen Entscheidung: Den Samstagabend am Tresen im polnischen Klub zu verbringen, mit dem Wunsch, er wäre zu Hause geblieben, oder den Samstagabend zu Hause zu bleiben, mit dem Wunsch, er wäre in den Klub gegangen. Er sprach mit Maurice Wainright, vergewisserte sich, dass alle Suchtrupps alarmiert und Streifenwagen umgeleitet waren, und erfuhr, dass noch keine neuen Informationen eingegangen waren. Sechs Uhr. Er vermutete, der Superintendent hörte Radio. Er hatte recht.

»Na, Ihre Mannschaft hat sich ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert, Charlie«, sagte Jack Skelton.

»Sie kamen irgendwie nicht in die Gänge, Sir.«

»Und der Endspurt ist wahrscheinlich wie gewohnt zu spät gekommen.«

»Das fürchte ich auch, Sir«, sagte Resnick und berichtete ihm dann vom Verschwinden des kleinen Mädchens.

Skelton sagte nichts. Im Hintergrund war ein Nachrichtensprecher zu hören, übertönt von einer Frauenstimme, wahrscheinlich der von Skeltons Frau oder Tochter, Resnick konnte es nicht mit Sicherheit sagen.

»Fünf Stunden, Charlie. So lang ist das noch nicht her.«

Das Kind konnte von der Schaukel gesprungen sein, gemerkt haben, dass seine Großmutter nicht mehr da war, sich in Panik auf die Suche gemacht und dabei verlaufen haben. Irgendeine Mutter, irgendjemand, der eigentlich gescheiter hätte sein sollen, konnte es zusammen mit Freunden der eigenen Kinder zu Cola und Kuchen mit nach Hause genommen und die Bande vor ein Zeichentrickvideo mit vermenschlichten Tieren gesetzt haben, die die scheußlichsten Gewalttaten verübten, worüber die Kleinen Tränen lachten. Es konnte auch sein, dass es auf eine Geburtstagsfeier mitgenommen worden war und nun mit klebrigen Popcorn-Händen im »Savoy« saß. Das alles war möglich, es war natürlich alles schon vorgekommen.

Es gab aber auch noch andere Möglichkeiten … Weder Resnick noch Skelton brauchten den bedrückenden Gedanken auszusprechen.

»Sie fahren zu der Kleinen nach Hause«, sagte Skelton, und es war keine Frage.

»In Ordnung. Ich fahre jetzt gleich.«

»Halten Sie mich auf dem Laufenden.«

Resnick setzte die kleine Katze, die ihm auf den Schoß geklettert war, um sich kraulen zu lassen, auf den Boden und machte sich auf den Weg.

Draußen wurde es dunkel. Vereinzelte Lichter in den Fenstern ließen das Hochhaus wie ein unvollendetes Puzzle erscheinen. Zwischen dem Kino und dem Parkhaus, das Tag und Nacht geöffnet war, bog Resnick von der Hauptstraße ab. Er parkte hinter der Kurve der Zufahrtsstraße. Eine Gruppe gelangweilter Jugendlicher, der älteste höchstens vierzehn, löste sich auf, als er sich dem Haus näherte. Er war überrascht, dass der Aufzug funktionierte. Weniger überraschend waren der beißende Uringestank und die Schmierereien an den Wänden, Liebesschwüre und Hassparolen.

Die Tür von Nummer 37 war in einem matten Dunkelgrün lackiert, das eine Pinselbreite vor dem unteren Ende dünner wurde, als wäre dem Anstreicher entweder die Farbe oder die Lust ausgegangen.

Resnick läutete und klapperte sicherheitshalber gleich noch mit der Briefkastenklappe.

Die gedämpften Lachsalven aus einem Fernseher wurden etwas leiser.

»Wer ist da?«

Resnick trat zurück, damit man ihn durch den Spion in der Tür besser sehen konnte, und hielt seinen Dienstausweis hoch. Durch das Fischaugenobjektiv sah Edith Summers verzerrt einen Mann mit großem, wuchtigem Körper und breitem Gesicht in einem offenen Regenmantel; der Knoten seiner gestreiften Krawatte hing mehrere Zentimeter unter dem Hemdkragen, an dem ein Knopf fehlte.

»CID, Detective Inspector Resnick. Ich würde gern mit Ihnen über Gloria sprechen.«

Zwei Riegel wurden umständlich zurückgeschoben, eine Kette wurde gelöst, der Türknauf gedreht.

»Mrs Summers?«

»Haben Sie sie gefunden?«

Er schüttelte den Kopf. »Leider nicht, nein. Noch nicht.«

Edith Summers’ Schultern sanken; die Angst hatte schon fast alle Hoffnung verdrängt. Ihre Augen waren rot, wund von ihren Tränen. Zermartert von Selbstvorwürfen stand sie an der Tür ihrer Wohnung und sah Resnick an.

»Mrs Summers?«

»Edith Summers, ja.«

»Darf ich reinkommen?«

Sie trat zur Seite und führte ihn dann durch den kurzen Flur ins Wohnzimmer: ein Fernsehgerät, ein Goldfischglas, Strickzeug, Fotografien, die schief in den Rahmen klemmten. Im Fernsehen, kaum hörbar, beschwatzte ein Mann mit weißem Smoking und Perücke gerade ein älteres Ehepaar, sich für eine traumhafte Gefrierkombination noch ein bisschen lächerlicher zu machen. In einer Ecke, unter einem quadratischen Tischchen mit angeschraubten Beinen und goldlackiertem Rand, schauten aus einem grünen Plastikbeutel Arme und Köpfe mehrerer Puppen hervor.

»Sie sind Glorias Großmutter?«

»Ihre Oma, ja.«

»Und ihre Mutter?«

»Sie lebt hier bei mir.«

»Die Mutter?«

»Gloria.«

Resnick versuchte, das dumpfe Dröhnen der Bässe aus einer Anlage im Stock über ihnen auszublenden, Hip-Hop oder Rap, er war nicht sicher, ob er überhaupt den Unterschied kannte.

»Sie haben sie nicht mehr gesehen?«, fragte Resnick. »Es hat sich niemand bei Ihnen gemeldet?«

Sie sah ihn an, ohne zu antworten, und zupfte an ihren Haaren. Resnick setzte sich, sie sich auch, beide in Sessel mit geschwungenen hölzernen Armlehnen, dünnen Kissen und gepolstertem Rücken. Er wünschte, er hätte Lynn Kellogg mitgenommen, und überlegte, ob er nach der Küche fragen und eine Kanne Tee kochen sollte.

»Sie hat immer hier bei mir gelebt. Ich habe sie aufgezogen.«

Edith Summers...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2016
Übersetzer Mechtild Sandberg-Ciletti
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte 2in1-Bundle • Charlie Resnick • englische Kriminalromane • Ermittlerkrimi • Kriminalroman • Nottingham • Polizeiarbeit • Polizeikrimi
ISBN-10 3-423-42937-2 / 3423429372
ISBN-13 978-3-423-42937-5 / 9783423429375
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