Jerry Cotton Sonder-Edition 22 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732527618 (ISBN)
Es begann in Chicago. Eine Serie von Morden, für die jedes Motiv fehlte. Dann geschahen in New York ähnliche Verbrechen. Phil und ich machten uns daran, nach Spuren zu suchen, die uns zu dem Killer führen würden. Doch das, was wir fanden, führte in die unterschiedlichsten Richtungen. Nach und nach konkretisierte sich bei mir eine schier unglaubliche Vermutung ...
2
Seit mich Mr High auf die Spur des Killers gesetzt hatte, war ich 48 Stunden nicht aus den Schuhen gekommen und hatte doch keine brauchbare Spur gefunden. Ich kam zu der Überzeugung, dass die Lösung des Falls in Chicago liegen musste.
Drei Stunden später saß ich in der Maschine nach Chicago. Während die Stewardess die Passagiere mit Kaffee versorgte, blickte ich von den Akten auf, die ich mir mitgenommen hatte.
Soviel stand für mich schon fest: Der Killer musste ein Mann sein, der so durchschnittlich und normal aussah, dass er niemandem auffiel.
In Chicago nahm ich mir ein Taxi und fuhr sofort zu Lieutenant Thompson, der die Mordfälle bearbeitete. Fulham hatte ihn über mein Kommen verständigt.
»Ich bin gespannt, Agent«, sagte Thompson, als wir uns in seinem Büro gegenüberstanden, »ob ihr vom FBI mehr findet als wir. Manchmal bin ich ganz schön sauer gewesen, wenn ich einen Fall an den FBI abgeben musste. Aber diesmal bin ich für jede Unterstützung dankbar.«
»Fair von Ihnen, Lieutenant, dass Sie das sagen. Ohne Ihre Hilfe wäre ich aufgeschmissen.«
Er nickte zufrieden. »Sie werden von mir über jeden Fall alles erfahren, was Sie wissen müssen. Hier – das sind die Akten.« Er zeigte auf einen beachtlichen Papierberg, der seinen Schreibtisch zierte.
»Nicht wahr?«, sagte ich ironisch. »Das ist ja eine abendfüllende Lektüre.«
»Ich stelle Ihnen mein Büro zur Verfügung, Agent«, erklärte Thompson. »Sie können hier zu jeder Tages- und Nachtzeit arbeiten. Aber sicher werden Sie erst einmal in Ihr Hotelzimmer wollen.«
»Kommt nicht in Frage«, erwiderte ich. »Ich bleibe gleich hier. Wenn Sie mich mit ein paar Sandwiches und einer Flasche Whisky versorgen, bin ich wunschlos glücklich.«
Thompson gab seiner Sekretärin die nötigen Ausweisungen; ich zog mein Sakko aus und rückte mir den Papierstapel näher.
»Halt«, sagte ich dann. »Bevor ich die gesammelten Werke der Polizei von Chicago lese, geben Sie mir erst zu jedem Fall ein paar Stichworte!«
»Okay«, erklärte Thompson, »nichts leichter als das!«
»Fall eins: Mike Gordon, Anfang sechzig. Liegt genau sechs Wochen zurück. Der Mann war Toilettenwärter in einem Hotel. Begab sich vom Spätdienst gegen zwei Uhr nachts in seine Wohnung. Wurde im Treppenhaus erwürgt aufgefunden. Sah erst nach einem Unfall aus, aber unser Doktor entdeckte die Würgemale am Hals. Keine Spuren zu entdecken.«
»Fall zwei: Demetrios Kolona, Mitte fünfzig, verheiratet. Grieche. Lebte seit zehn Jahren in Chicago. Angestellter bei einem Buchmacher. Wurde nachts auf dem Heimweg von seiner Stammkneipe in einer Nebenstraße erstochen.«
»Mordwaffe vorhanden?«
»Nein, Agent. Der Killer nahm sie mit. Der Verdacht fiel zuerst auf einen Kollegen, mit dem Kolona häufig Streit hatte. Aber der Mann hatte ein einwandfreies Alibi.«
»Dann also Fall drei, Lieutenant«, bat ich.
Thompson holte tief Luft. »Das war eine Frau. Estelle Warner. Seit ein paar Jahren geschieden. Verkäuferin in einem Warenhaus. Mitte Dreißig. Der Killer zertrümmerte ihr mit einem Kaminhaken den Schädel. Es muss geschehen sein, als sie gerade die Wohnung betreten hatte. Der Mörder erwartete sie und schlug von hinten auf sie ein. Den Kaminhaken ließ er zurück – sonst keine Spuren.«
»Was ließ Sie jetzt daran denken, dass diese drei Morde auf den gleichen Täter zurückgingen?«
»Alle drei Taten ließen, so sehr wir auch suchten, kein anderes Motiv erkennen als das: Mord um des Mordens willen.«
»Kann es nicht sein, dass doch ein Motiv dahintersteckt, das nur noch nicht erkennbar ist?«
Thompson legte seine Stirn in Falten. »Was sollte es sein? Welche Vorteile hat der Killer dadurch gewonnen, dass er Gordon, Kolona, Mrs Warner und Lawrence tötete – von Ihrem Fall in New York abgesehen?«
»Bleiben wir bei den Fällen. Was war mit Lawrence?«
»Tja, Lawrence. Das war eigentlich der interessanteste Fall. Der Mann war Busfahrer, wie überhaupt alle Opfer des Killers ganz herkömmliche, durchschnittliche Berufe hatten. Er wohnte in einem Vorort von Chicago, und zwar allein in einem bescheidenen hölzernen Bungalow. Es begann damit, dass die Nachbarn durch eine Explosion, die den Bungalow zu einem Trümmerhaufen machte, erschreckt wurden. Lawrence wurde unter den Trümmern gefunden – tot. Aber nicht etwa als Folge der Explosion, sondern er war vorher erwürgt worden.«
»Was stellten Sie im Einzelnen fest?«
»Lawrence war nach Dienstende gegen Mitternacht nach Hause gekommen. Er hatte sich den Magen verdorben und daher zwei Stunden eher Schluss gemacht. Demgemäß kam er zwei Stunden zu früh. Der Killer hatte offenbar beabsichtigt, Lawrence mit einer Höllenmaschine hochgehen zu lassen. Der Killer stürzte sich auf Lawrence und erdrosselte ihn.«
»Wie erklären Sie sich, dass er die Höllenmaschine trotzdem noch in Gang setzte?«
»Dafür gab es nur Vermutungen. Entweder wollte er den Abbau seiner Apparatur aus Furcht vor Entdeckung vermeiden. Oder er war so in seine Idee verliebt, dass er sich einen solchen Knalleffekt nicht entgehen lassen wollte. Vielleicht hoffte er auch, den Mord durch die Explosion zu verschleiern. Das könnte ihm vielleicht ein Alibi geben. Aber das sind nur Vermutungen.«
»Fulham sprach noch von einem fünften Fall, bei dem Sie nicht sicher sind, ob er auf das Konto des Killers kommt.«
»Richtig. Er unterscheidet sich von den anderen dadurch, dass das Opfer ein Gangster war. Larry Smith hieß der Knabe. Er wurde im Hafengebiet erschossen aufgefunden. Tatwaffe aller Wahrscheinlichkeit nach ein Browning. Wir hätten gar nicht an eine Verbindung mit den Morden des Killers gedacht, wenn es nicht einen merkwürdigen Zufall dabei gäbe.«
»Da bin ich gespannt. Schießen Sie los, Lieutenant!«
»Smith galt unter den Gangstern als Experte für Höllenmaschinen und andere Spielereien mit Sprengstoff. Sein Tod erfolgte vier Tage nach dem Mord an Lawrence. Es ist natürlich möglich, dass Smith einer der üblichen Meinungsverschiedenheiten unter Gangstern zum Opfer fiel. Aber ebenso ist es denkbar, dass er mit dem Killer in Kontakt kam und dieser einen unbequemen Mitwisser, der ihm vielleicht Daumenschrauben setzen wollte, beseitigte.«
»Es wäre jedenfalls ein merkwürdiger Zufall, wenn Smith gerade vier Tage nach Lawrence daran glauben musste.«
»Richtig. Aber wir haben uns gehütet, diese Vermutung an die Presse zu geben. Uns langen vier ungeklärte Morde des Killers. Warum sollten wir uns wegen eines fünften, der nicht sicher einzuordnen war, die Presse auf den Hals laden? Die sind schon sauer genug, dass der Killer immer noch frei herumläuft.«
»Haben Sie schon an einen Zusammenhang zwischen der Ermordung von Larry Smith und dem New Yorker Auftauchen des Killers gedacht?«
Thompson starrte mich an. »Nein. Wieso, Agent?«
»Solche Einzelgänger, wie der Killer vermutlich einer ist, werden von den Gangs nicht gern gesehen. Wenn nun der Killer mit Smith sogar einen aus ihrer Zunft umgebracht hat, sind bestimmt sämtliche organisierten Gangster gegen ihn. Der Killer muss plötzlich nicht nur die Polizei fürchten, sondern auch noch die ganze Verbrecherwelt, mit der er doch wohl oder übel einmal in Kontakt gerät. Was tut er also? Er verlässt die bisherige Stätte seines Wirkens und geht nach New York.«
»Verdammt, Agent«, Thompson schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. »Ich glaube, Sie haben recht.«
»Aber da der Killer das Töten genauso wenig lassen kann wie die Katze das Mausen, setzt er seine Mordserie nun in New York fort. Vielleicht spekuliert er sogar darauf, dass er damit zunächst einmal etwas aus der Schusslinie ist.«
»Klar«, stimmte der Lieutenant zu, »das klingt logisch. Hat den Vorzug, dass wir den Kerl hier erst mal los sind.«
»Und noch einen anderen Vorzug.«
»Der wäre?«
»Dass wir vielleicht in der Unterwelt von Chicago, wenn wir es nur richtig anfangen, ein paar Hinweise bekommen. Sie haben doch bestimmt ein paar Burschen an der Hand, die Ihnen gelegentlich einen Tipp bringen?«
Während wir unser Vorgehen besprachen, läutete das Telefon. Thompson nahm den Hörer ab. »Ja«, sagte er, nachdem er sich gemeldet hatte, »ich werde ihn fragen.«
Er bedeckte die Sprechmuschel mit der Hand und blickte fragend zu mir herüber. »Das Hilton Hotel ist an der Strippe«, berichtete er. »Sie wollen wissen, ob Ihr Zimmer reserviert bleiben soll.«
Ich starrte ihn verblüfft an. »Hören Sie«, sagte ich, »ich habe kein Zimmer bestellt. Weder im Hilton noch in einem anderen Hotel. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich die Nacht durcharbeiten will.«
Thompson zog die Stirn in nachdenkliche Falten. »Vielleicht hat das FBI das Zimmer für Sie bestellt«, meinte er. Er nahm die Hand von der Muschel.
»Hören Sie«, fragte er, »wann ist das Zimmer für Mister Cotton bestellt worden und von wem?«
Während er auf die Antwort wartete, zerbrach ich mir den Kopf, wer da wohl für mich Quartier gemacht hätte. Gespannt blickte ich auf Thompson.
»Moment«, sagte er gerade, um mir dann zu berichten. »Der Anruf ist heute Nachmittag gekommen.«
Ich trat zu Thompson und nahm ihm den Hörer aus der Hand. »Hier Cotton«, sagte ich, »ich habe bei Ihnen kein Zimmer bestellt. Aber ich bin neugierig; wer mich bei Ihnen angekündigt hat.«
»Kann ich verstehen, Agent«, sagte die Stimme am anderen Ende, und ich merkte an der Anrede, dass mein unbekannter...
| Erscheint lt. Verlag | 15.3.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
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| ISBN-13 | 9783732527618 / 9783732527618 |
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