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Locked in (eBook)

Spiegel-Bestseller
Wach auf, wenn du kannst - Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-17031-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Locked in -  Holly Seddon
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Du denkst, sie hört dich nicht. Aber du täuschst dich.
Alex Dale ist eine brillante Journalistin. Doch sie hat ein Alkoholproblem. Mehr als ein paar Stunden am Tag hält sie ohne Drink nicht aus, beruflich hangelt sie sich von einem Freelance-Job zum nächsten. Bei der Recherche für einen Artikel stößt sie auf den Fall von Amy Stevenson, die seit vielen Jahren im Koma liegt. Und plötzlich erwacht Alex' untrüglicher journalistischer Spürsinn wieder. Sie ahnt, dass Amy ein Geheimnis hat. Aber wer soll einer Alkoholikerin schon glauben?

Holly Seddon wuchs im Südwesten Englands auf und lebt mittlerweile mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Amsterdam. Sie arbeitete fünfzehn Jahre lang in verschiedenen Nachrichtenredaktionen. Als freie Journalistin schreibt sie für Magazine, Tageszeitungen und Onlinemedien.

1. Kapitel

Amy, 18. Juli 1995

Musik dröhnte durch Amys Körper und hämmerte in ihrem Herzen. Musik, die so laut war, dass ihre Trommelfelle flatterten und ihre zarten Mädchenrippen vibrierten. Musik war alles. Na ja, fast alles.

Später sollten die Zeitungen die fünfzehnjährige Amy Stevenson einen »Sonnenschein« nennen, dem »die ganze Welt offenstand«. In ihren Kopfhörern wummerte Britpop, als sie mit dem schweren Rucksack den langen Weg nach Hause trottete.

Amy hatte einen Freund, Jake. Er liebte sie, und sie liebte ihn. Seit fast acht Monaten waren sie schon zusammen, liefen in den Schulpausen die Verliebtenrunde um das Fußballfeld, heiße Hand in heißer Hand, synchron pochende Herzen.

Und Amy hatte zwei beste Freundinnen: Jenny und Becky. Das Trio kreiselte in einer Dauerschleife von alten Geschichten, Konkurrenz und Lästereien. Auf verwirrende Berichte von »Dann-hat-sie-gesagt-dann-hat-er-gesagt-dann-hat-sie-gesagt« folgten reumütige, schluchzende Umarmungen am Ende jedes betrunkenen Samstagabends.

Ausgehen bedeutete Bacardi Breezers im Park oder Pfirsichlikör mit Limo im Sleeper, wo nicht mal ein Fünfjähriger nach dem Ausweis gefragt würde. Wochentage bedeuteten Anrufe um Punkt achtzehn Uhr zum billigeren Tarif. Dann telefonierte sie, bis ihr Stiefvater Bob ins Esszimmer kam und ihr diesen Blick zuwarf: Es gibt gleich Abendessen, leg jetzt gefälligst mal auf. Donnerstagabends gab es Top of the Pops und Eastenders, freitags Friends und The Word.

Amys Kickers-Rucksack zog mit jedem Schritt weiter nach unten. Umständlich hängte sie ihn sich über die andere Schulter und verhedderte sich dabei im Kopfhörerkabel, sodass ein Knopf aus dem Ohr rutschte und die Geräusche der Außenwelt auf sie einstürmten.

Sie hatte den langen Heimweg genommen. Am Vortag war sie früher nach Hause gekommen und hatte Bob in der Küche erschreckt, als er sich gerade Dosenmilch in seinen Lieblingskaffeebecher rührte. Zuerst hatte er gelächelt und die Arme ausgebreitet, bis ihm aufgefallen war, dass sie in Rekordzeit zurück war und quer übers Feld gegangen sein musste.

Eine halbe Stunde lang hatte sie sich Bobs Schimpftiraden und Ermahnungen anhören müssen, dass sie gefälligst die ungefährliche Strecke über die Straßen zu nehmen hatte: »Ich sage das, weil ich dich liebe, Ames, wir beide lieben dich, und wir wollen doch nur, dass dir nichts passiert.«

Amy hatte zugehört, auf dem Stuhl herumgezappelt und ein Gähnen unterdrückt. Als er endlich aufgehört hatte, war sie die Treppe hochgestapft, hatte sich aufs Bett geworfen und mit lautem CD-Hüllen-Geschepper eine wütende Mixkassette aufgenommen. Rage Against The Machine, Hole und Faith No More.

Da sie Bob am Tag vorher überrascht hatte, wusste Amy, dass er wahrscheinlich schon zu Hause war. Darauf wartete, sie zu erwischen und sich noch einmal vorzuknöpfen. Es war den Stress nicht wert, obwohl der längere Weg an Dienstagen besonders unangenehm war. Da war ihr Rucksack immer so schwer, weil sie Französisch und Geschichte hatte und es zu beiden Fächern blöde, dicke Bücher gab.

Amy hasste den Französischunterricht aus tiefster Seele, der Lehrer war ein Arsch, und sie fragte sich, weshalb »Fenster« auf einmal weiblich sein sollte. Aber sie hätte die Sprache gern gekonnt. Französisch war irgendwie sexy. Sie malte sich aus, jemanden, der ein bisschen erfahrener, weltmännischer als Jake war, verführen zu können, indem sie ihm etwas Französisches ins Ohr flüsterte. Sie könnte jemand Älteren verführen. Jemand viel Älteren.

Sie liebte Jake, natürlich, sie meinte es ehrlich, wenn sie es sagte. Sie hatte seinen Namen sorgsam mit Schablone auf ihren Rucksack gemalt, und wenn sie sich die Zukunft vorstellte, kam er darin vor. Aber in den letzten Wochen hatte sie immer stärker die Unterschiede zwischen ihnen beiden wahrgenommen.

Jake mit seinem breiten Lächeln und den dunkelbraunen Hundeaugen war so unkompliziert, so sanft. Aber seit sie zusammen waren, hatte er sich kaum mal getraut, die Hand unter ihre Schuluniformbluse zu stecken. Ganze Mittagspausen verbrachten sie knutschend auf dem Fußballfeld, und einmal hatte er sich auf sie gelegt, aber dann war ihr das Bein eingeschlafen, und sie hatte sich bewegen müssen, und er war so verlegen gewesen, dass er den Rest des Tages kaum noch ein Wort sagte.

Monate waren schon vergangen, und sie war immer noch Jungfrau. Es wurde langsam peinlich. Auf keinen Fall wollte sie die Letzte aus ihrer Clique sein. Sie hasste es überhaupt, bei irgendetwas zu verlieren.

Aber mal abgesehen von diesem Frust, hoffte Amy, dass Jake Judo geschwänzt hatte, damit sie sich treffen konnten. Jake und sein jüngerer Bruder Tom wurden jeden Tag mit dem Auto nach Hause gefahren, weil ihre versnobte Mama im Schulsekretariat arbeitete. Seine Familie wohnte in einem der großen, frei stehenden Häuser auf der Royal Avenue. Er war immer schon zurück, bevor Amy das Reihenhäuschen in der Warlingham Road erreichte, in dem sie mit Bob und ihrer Mutter Jo lebte.

Jakes Mutter Sue mochte Amy nicht. Sie glaubte offenbar, dass sie ihr heiß geliebtes Söhnchen verdarb. Allerdings gefiel Amy die Vorstellung, eine verruchte Frau zu sein. Ihr gefiel die Vorstellung, überhaupt eine Frau zu sein.

Amy Stevenson hatte ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das ihren Magen zum Hüpfen und ihr Herz zum Pochen brachte. Keine von Amys Freundinnen wusste von ihrem Geheimnis, und Jake erst recht nicht. Er durfte es auch nie erfahren. Selbst Jakes Mutter mit ihren missbilligenden Blicken hätte es niemals erraten.

Amys Geheimnis war ein Mann. Ein richtiger Mann. Seine Schultern waren breiter als die von Jake, seine Stimme tiefer, und wenn er unanständige Bemerkungen machte, kamen sie aus einem Mund, der sich das Recht dazu verdient hatte. Er war groß und hatte einen selbstbewussten Gang, nie hatte er es eilig.

Ihr Geheimnis trug Aftershave, keine Nivea-Creme, und er fuhr Auto, nicht Fahrrad. Im Gegensatz zu Jakes rotblonden hatte er dicke, dunkle Haare. Einen Männerschnitt. Durch seine T-Shirts hatte sie gesehen, dass in der flachen Mulde in der Mitte seines Brustkorbs schwarze Haare wuchsen. Ihr Geheimnis warf einen großen, dunklen Schatten.

Wenn Amy an ihn dachte, kribbelte schlagartig ihr ganzer Körper, und in ihrem Kopf entstand ein weißes Rauschen, das jede Vernunft ausschaltete.

Er berührte ihre Taille wie ein Mann eine Frau berührte. Er hielt ihr die Tür auf, im Gegensatz zu den Jungs in ihrer Klasse, die in die Flure rasten wie Flipperkugeln.

Ihre Mutter hätte ihn als »groß, dunkel und gut aussehend« bezeichnet. Er brauchte nicht anzugeben, hatte es nicht nötig, sich wichtigzumachen. Nicht mal das hübscheste Mädchen an der Schule hätte sich Chancen bei ihm ausgerechnet. Keiner ahnte, dass Amy mehr als nur eine Chance hatte. Viel mehr.

Amy wusste, dass er ein Geheimnis bleiben musste, und zwar eines von sehr kurzer Dauer. Ein Komma in ihrer Geschichte, mehr nicht. Sie wusste, dass sie das alles unter Verschluss halten musste, absolut, komplett vertraulich, völlig getrennt von ihrem restlichen Soundtrack. Eigentlich war es jetzt schon eine Erinnerung. In ein paar Monaten würde sie immer noch in der Mittagspause mit Jake knutschen, sich mit ihren Freundinnen streiten, sich Ausreden für nicht gemachte Hausaufgaben ausdenken, jeden Abend auf Radio One Mark & Lard hören. Das wusste sie. Sie redete sich ein, dass ihr das nichts ausmachte.

Das Gefühl, das Amy spürte, wenn er ihre Hüfte berührte oder ihr die Haare aus dem Gesicht strich, war wie ein Stromschlag. Schon seine Fingerspitzen brachten ihre Haut so zum Kribbeln, dass nichts anderes auf der Welt mehr zu ihr durchdrang. Die Vorstellung, was er mit ihr machen könnte, was er vielleicht von ihr verlangen würde, jagten ihr Schauer der Erregung über den Rücken und machten ihr gleichzeitig eine Höllenangst. Bekämen sie jemals die Gelegenheit? Wüsste sie dann, was zu tun war?

Der Kuss in der Küche, während sie die anderen direkt vor der Tür hörte. Seine Hände auf ihrem Gesicht, das Kitzeln von Bartstoppeln, das sie noch nie zuvor gespürt hatte. Dieser einzige winzige Kuss, der ihr nachts den Schlaf raubte.

Amy bog in die Warlingham Road ein, und das Ritual begann. Sie stellte den Rucksack auf der bröckeligen Betonmauer ab. Sie krempelte den Bund ihres Rocks herunter, sodass er wieder seine normale Länge hatte. Sie räumte ihren Rucksack halb aus, bis sie ihr duftendes Körperspray und den Kirsch-Lippenbalsam fand.

Nach einem kurzen Schütteln der Dose sprühte Amy eine süße Duftwolke in die Luft. Dann sah sie sich schnell verstohlen um und trat in die Parfümschwaden, wie sie es bei ihrer Mutter vor einem Abend im Nachbarschaftsverein gesehen hatte.

Den Kirschbalsam strich sie sich erst auf die Unterlippe, dann auf die Oberlippe, presste die Lippen kurz aufeinander und tupfte sie dann mit dem Ärmel ab. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Jake schon wartete, wollte sie vorbereitet sein, aber er sollte natürlich nicht merken, dass sie sich Mühe gegeben hatte.

Die Musik aus ihrem Walkman überflutete weiter Amys Kopf. »Do You Remember The First Time?« von Pulp fing an, und Amy musste lächeln. Jarvis Cocker grinste und zwinkerte in ihre Ohren, während sie ihre Sachen zurück in den Rucksack packte, ihn sich über die andere Schulter warf und ihren Weg fortsetzte.

Do you remember the first time?/I can’t remember a worse time/but you know that we’ve changed so much since then/Oh yeah, we’ve grown.

Bobs Transporter...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2016
Übersetzer Astrid Finke
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Try Not To Breathe
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • Ermittlung • Koma • Thriller • Trauma
ISBN-10 3-641-17031-1 / 3641170311
ISBN-13 978-3-641-17031-8 / 9783641170318
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