Jerry Cotton Sonder-Edition 21 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
9783732526796 (ISBN)
Im Restaurant 'Meal Point' waren gefälschte 5-Dollar-Noten aufgetaucht. Als Kellner getarnt überwachte ich das Lokal, um denjenigen zu finden, von dem die Blüten stammten. Eine Leiche brachte uns auf eine andere Spur, die in die 'Blue Moon Bar' führte, und plötzlich entwickelten sich die Dinge schneller, als wir reagieren konnten. In den Mittelpunkt rückte eine Frau, die man nur als pures Dynamit bezeichnen konnte ...
2
»Ich gehe noch mal runter zum Jay Park«, sagte Pete Evans, stülpte sich den Hut auf den Kopf und wollte den Wachraum des Reviers durchqueren, als er Lieutenant Milford neben dem Pult des diensthabenden Sergeant bemerkte.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Evans«, sagte der Lieutenant, »möchte ich rasch noch einen Augenblick mit Ihnen sprechen, bevor Sie sich auf den Weg machen.«
»Wie Sie wünschen, Sir«, erwiderte Pete Evans und nahm den Hut wieder ab.
Sie gingen zusammen den kurzen Flur hinter dem Wachraum entlang zum Zimmer des Lieutenants.
»Setzen Sie sich doch, Sergeant!«, sagte Milford und gönnte sich zum ersten Male, seit Evans ihn kannte, den Luxus, sich zwei Knöpfe an seinem straff sitzenden Uniformrock zu öffnen. Evans ließ sich auf den unbequemen Holzstuhl vor dem Schreibtisch nieder.
»Ich hörte, dass Sie runter zum Jay Park wollen«, begann Milford.
»Ja, Sir.«
»Wegen der Überfälle, vermute ich?«
»Natürlich, Sir. Vier Raubüberfälle innerhalb von sechs Wochen. Alle nach Einbruch der Dunkelheit und alle auf dem Gelände des Parks.«
»Ich würde in den nächsten Tagen gern einmal die Anzeigen durchlesen, die Sie von diesen Überfällen aufgenommen haben, Evans. Ich muss über alle wichtigen Dinge informiert sein, die in unserem Revierbereich vorgehen. Also reichen Sie mir die Akten gelegentlich rein, ja?«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Wie lange gedenken Sie sich im Park aufzuhalten?«, fragte er.
»Bis höchstens ein Uhr früh, Sir. Die vier Überfälle fanden alle vor halb eins statt.«
»Anschließend werden Sie nach Hause gehen, nehme ich an?«
»Ja, Sir.«
»Gut. Rufen sie hier an, sobald Sie sich auf dem Heimweg machen! Damit wir wissen, dass alles okay ist.«
»Ja, Sir.«
Pete Evans stülpte sich zum zweiten Male seinen verbeulten Hut auf die Glatze und ging hinaus. Als er den Wachraum durchquerte, warf er einen Blick hinauf zu der elektrischen Uhr über der Tür. Es war genau elf, als er losging.
Detective Sergeant Pete Evans hatte die Ecke der York Avenue erreicht. Auf der gegenüberliegenden Seite begann der Park, der parallel mit der York Avenue verläuft. Evans blieb stehen und kramte eine der billigen Zigarren aus einem abgeschabten Etui. Er setzte sie umständlich in Brand, bevor er die Kreuzung überquerte. Auf seiner Uhr war es 20 Minuten nach elf.
Der Park erhielt nur wenig Licht von den Straßenlaternen der York Avenue. Dichte Büsche schirmten ihn gegen die Straße ab. Evans sah sich am Eingang rasch um. Weit und breit war niemand zu sehen. Rasch wandte sich Evans der Finsternis zu und schritt auf dem Kiesweg in die nächtliche Stille des Parks hinein.
Er hatte sich tagsüber hier gründlich umgesehen und kannte jetzt jeden Weg. Als er die ersten paar Schritte auf dem weichen Grasboden getan hatte, blieb er jäh stehen.
Links von ihm war ein leises Geräusch. Evans neigte den Kopf und lauschte angestrengt. Es war ein leises Wimmern.
Evans riss die Taschenlampe aus der linken Manteltasche und den Revolver aus der rechten. Er lief in die Richtung, aus der das Wimmern kam. Vor einer Bank lag ein Mann auf der linken Seite. Evans ließ den Schein der Lampe in die Runde gleiten. Es war niemand zu sehen außer dem Mann, der vor der Bank lag. Vorsichtig ging Evans näher. Am Oberkörper waren keine Anzeichen einer Verletzung zu erkennen. Der Lichtkegel der Lampe glitt tiefer.
»Verdammt«, knurrte Evans, drehte sich auf dem Absatz um und hetzte den Kiesweg entlang. Keuchend erreichte er die Rufsäule, die vorne an der Ecke der York Avenue steht. Er zerrte ungeduldig seinen Schlüssel aus der Hosentasche, schloss die Metallklappe auf und griff nach dem Hörer.
»Hallo!«, rief er. »Hallo! Hier ist Evans! Hallo!«
Endlich kam die Stimme des diensthabenden Sergeant durch die Leitung.
»Ja, Pete? Was ist los? Brauchst du Hilfe?«
»Ich brauche einen Krankenwagen, aber Tempo! Zum Jay Park natürlich! Ich bin zu spät gekommen. Da liegt einer mit zwei Bauchschüssen! Ach so, ja: Verständige vorsichtshalber die Mordabteilung!«
»Geht okay, Pete!«
Evans hängte den Hörer zurück in den Kasten der Revierrufsäule. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er schon seit ein paar Sekunden das näher kommende Klicken hochhackiger Damenschuhe gehört hatte. Er drehte sich um. Eine schlanke weißblonde Frau in einem schwarzen Persianermantel kam die 78th Street herab.
Als sie in den Lichtkreis der nächsten Laterne geriet, erkannte Evans das mädchenhafte, apart geschnittene Gesicht mit den blassgrünen Augen. Er tippte mit den Fingern an die Hutkrempe: »Guten Abend, Miss Clane«, sagte er freundlich.
»Guten Abend, Mister Evans«, erwiderte Julia Clane und nickte. Sie wies auf den weißen Thunderbird Roadster am Straßenrand: »Habe ich zu nahe an der Ecke geparkt?«
Evans neigte den Kopf zur Seite und kniff das rechte Auge zu. »Vielleicht besser, wenn wir es nicht nachmessen«, meinte er. »Jetzt müssen Sie mich aber entschuldigen, ich habe es brandeilig. Gute Nacht!«
Er setzte sich in Trab, ohne ihre Antwort abzuwarten. Aber während er zurücklief zu dem Park und dem schwer verletzten Mann, den er gefunden hatte, dachte er: Was, zum Teufel, sucht ein Mädchen wie Julia Clane mutterseelenallein um diese Zeit in dieser Gegend?
***
Die Entfernung zwischen der Spitze des Messers und dem Gesicht von May Dillon betrug höchstens einen Inch. Die Entfernung von mir bis zu dem Burschen, der das Messer hielt, betrug wenigstens acht Yards.
»Wirf das Messer weg!«, rief ich.
Er wandte den Kopf in meine Richtung, ohne die Haltung des Messers zu verändern. Unter der linken Schläfe zog sich eine zackige Narbe zum Unterkiefer hin. Dadurch wirkte die ganze linke Gesichtshälfte verzerrt.
»Ach nein«, sagte er ruhig. »Ein Servierakrobat!«
Ich machte probeweise den ersten Schritt in seine Richtung. Er blieb reglos. Ich tat den zweiten Schritt. Er hatte einen Entschluss gefasst. Mit überraschender Schnelligkeit war er rückwärts gehend wieder bei der Eingangstür. Er drehte sich um, und ich hörte, wie der Schlüssel das Schloss bewegte. May Dillon musste also den Schlüssel schon hineingeschoben haben, bevor der Bursche hereingekommen war.
Jetzt wandte er sich uns wieder zu. Sein Blick glitt über die schlanke Gestalt des Mädchens, das noch immer an der Säule lehnte. Vielleicht saß dem Girl der Schock so in den Gliedern, dass es sich nicht bewegen konnte. Ich hatte keine Waffe bei mir.
»Du kommst gleich dran«, sagte er zu dem Mädchen. »Zuerst muss ich mich jetzt mit dem Jüngling beschäftigen.«
Er drehte den Kopf in meine Richtung. Die Entfernung zwischen uns betrug nur noch drei Yards. Ich konnte erkennen, dass sein Haar nicht schwarz, sondern dunkelbraun war und dass es an den Schläfen sogar schon ein paar silbrige Fäden gab. Das Haar war sehr kurz geschoren und offenbar sehr dicht. Der Haaransatz befand sich tief in der Stirn, und zusammen mit dem wulstigen Augenbrauenpaar verlieh er dem Gesicht etwas Affenartiges.
»Komm her!«, sagte er.
Er hielt das Messer mit der rechten Hand, die Spitze nach vorn. Die Tische im Meal Point waren für ein Lokal unzweckmäßig; sie erlaubten es nicht, den vorhandenen Raum bis auf den letzten Zoll auszunutzen, denn sie waren rund. Um zu ihm zu gelangen, hätte ich halb um einen dieser runden Tische herumgehen müssen. Ich tat, als hätte ich es vor, aber dann bückte ich mich schnell, riss ein Tischtuch mit Aschenbecher und Blumenvase herab und schleuderte es auf ihn. Er wich rasch und geschmeidig zur Seite.
»Mätzchen«, sagte er.
Die Blumenvase war zerbrochen, der schwere Kristallaschenbecher blieb ganz, war aber polternd ein Stück davongerollt. Er lag neben der Säule, an der May Dillon stand.
Ich tat einen weiteren Schritt und war jetzt auf Armlänge heran. Der Kerl hatte überraschend blaue, ungewöhnlich eng beieinander stehende Augen.
Urplötzlich schoss er vor. Ich reagierte instinktiv und wich zur Seite. Der Stich mit seinem Messer ging ins Leere. Ich wollte ihm von der Seite her einen Stoß versetzen, aber er ließ sich sofort fallen, als er mich verfehlte. Gewandt wie ein Akrobat rollte er über die linke Schulter ab und kam federnd wieder auf die Beine.
Ich sprang ihm nach. Er fuhr herum, Sein Messer ratschte über meine Hüfte und zersäbelte ein Stück von dem weißen Kellnerjackett, ohne mich zu erwischen. Ich setzte ihm einen schlecht platzierten Schlag auf den Brustkorb. Er sprang zurück.
»Du bist nicht dumm«, sagte er ruhig. »Um so mehr Spaß wird es mir machen, dich zu erwischen.«
Er kam erneut. Aber diesmal stürmte er nicht einfach heran, diesmal tänzelte er auf mich zu wie ein Boxer, der seinen Gegner noch nicht kennt. Ich stand leicht vorgebeugt da und hatte die geöffneten Hände leicht vom Körper abgewinkelt.
Sein Messer zuckte vor. Ich drehte mich schon aus der Stoßrichtung heraus, als ich merkte, dass es nur eine Finte sein konnte. Aber da hatte er mir schon die geballte Linke gegen die Stirn geschlagen.
Ich wurde zurückgeworfen. Das Lokal begann zu tanzen. Zum Glück stand ein Tisch im Weg. Ich stieß mit dem Rücken dagegen, erkannte und nutzte die Chance und ließ mich rückwärts darüber rollen.
Ich kam zwar unsanft auf, stieß mit dem Schienbein gegen die Armlehne eines herumstehenden Stuhles. Beim Aufprall ließ ich mich zusammensinken. Ich schüttelte wütend den Kopf. Jetzt konnte ich wieder klar...
| Erscheint lt. Verlag | 1.3.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dedektiv • Detektiv • Deutsch • Deutsche Krimis • eBook • E-Book • eBooks • Ermittler • erste-fälle • gman • G-Man • Hamburg • Horst-Bosetzky • international • Kindle • Komissar • Kommisar • Kommissar • Krimi • Krimiautoren • Krimi Bestseller • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Krimis • krimis&thriller • letzte fälle • martin-barkawitz • Mord • Mörder • nick-carter • Polizei • Polizeiroman • Polizist • Reihe • Roman-Heft • schwerste-fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • Spannung • Spannungsroman • stefan-wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • uksak • Verbrechen • Wegner |
| ISBN-13 | 9783732526796 / 9783732526796 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich