Jerry Cotton Sonder-Edition 20 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7325-2678-9 (ISBN)
Die Firma Hobarth Development wurde von einer Explosion erschüttert, die fast 30 Menschen das Leben kostete. Schnell stellte sich heraus, dass es ein geplanter Anschlag war, und die Spur führte zu Paul Bowman aus der Forschungsabteilung der Firma. Bevor wir ihn allerdings befragen konnten war er auch tot - ermordet. Phil und ich stießen auf ein geheimes Projekt, für das einige Leute bereit waren, über Leichen zu gehen ...
1
Der Jaguar spuckte und räusperte sich wie ein Asthmatiker im Februar. Es geschah auf der Queensboro Bridge und war mir reichlich unangenehm. Wir schafften es noch ein Stück den Vernon Boulevard hinauf, dann blieb er endgültig stehen.
Wir befanden uns mitten im Industrieviertel von Long Island City. Hinter dem schmalen Bürgersteig wuchs eine rußig braune Backsteinmauer hoch, die in mannshohen Lettern die Aufschrift Hobarth Development trug.
Plötzlich erfolgte eine heftige Detonation. Trümmerteile aller Größen stiegen in den blauen Herbsthimmel und wirbelten über das Gelände. Im Werk heulte eine Sirene auf, noch ehe ich den Hörer des Sprechfunkgeräts aus der Halterung reißen konnte.
»Schwere Explosion bei Hobarths Development!«, brüllte ich ins Mikrofon. »Alarmiert Feuerwehr, Polizei und Rettungswagen! Wir sehen inzwischen zu, ob wir helfen können. Ende!«
Phil war mir um gut zehn Yards voraus. Wir setzten über die Schranke und rannten auf den Explosionsherd zu.
Aus den Türen der Werkhallen stürzten Menschen. Einige Beherzte liefen zu dem Gebäude nahe der Einfassungsmauer, wo die Katastrophe sich ereignet hatte. Es war ein gutes Dutzend versammelt, als wir vor dem prasselnden Feuer haltmachten.
»Wie viele Menschen sind da drin?«, fragte ich einen füllig gebauten Mann im blauen Overall.
»Mindestens dreißig«, keuchte er und sah mich an. Plötzlich wurde er lebendig.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier? Sie gehören doch nicht zum Werk!«
»Stimmt«, erwiderte ich und hielt ihm meinen Ausweis hin. »Wir waren zufällig in der Nähe. Vielleicht können wir helfen.«
»Wir können nicht heran. In der Halle lagerten Nitrofarben.«
Er hatte recht. Hier konnten nur die Feuerwehrleute mit Schaumlöschern etwas ausrichten. Aus den Trümmern stiegen beißende Rauchwolken. Die ätzenden Gase reizten unsere Schleimhäute.
Auf dem breiten Band der asphaltierten Werkstraße brausten schwere Fahrzeuge heran und stoppten. Ich erkannte die Aufschrift an der Stirnseite der mächtigen Wagen. FDNY.
Im Hintergrund stand die schweigende Menge der Werksangestellten. Das Entsetzen über das fürchterliche Schicksal ihrer 30 Kollegen stand in ihren Gesichtern. Zwischen ihnen und dem Brandplatz zog sich ein Kordon von Polizisten hin.
Wortlos kehrten wir um.
Im Erdgeschoss des fünfstöckigen Verwaltungsgebäudes fand ich in einem Zimmer ein Telefon. Die Räume waren verlassen. Ich rief das FBI-Gebäude an und unterrichtete unseren Chef, Mr High.
»Bleiben Sie dort, Jerry!«, sagte er. »Möglicherweise handelt es sich um Brandstiftung, und in diesem Fall müssen wir die Nachforschungen führen. Melden Sie sich wieder, wenn Sie Hilfe brauchen!«
Ich kehrte mit Phil an den Brandplatz zurück. Eine Gruppe von erschöpften Feuerwehrleuten taumelte über die Trümmer.
»Was nun?«, fragte Phil.
»Wir suchen uns jemand von der Werksleitung. Dort erfahren wir am ehesten, wer der verantwortliche Mann für die Lagerung der Vorräte ist.«
Es stellte sich heraus, dass der Inhaber der Hobarth Development, Mr Hobarth, anwesend war. Er war an die 50 Jahre alt und hatte die Figur eines Zehnkämpfers. An seinen Schläfen zeigten sich graue Haare. Sein Gesicht verriet Intelligenz und Tatkraft.
»Gehen wir in mein Büro!«, schlug er vor, nachdem ich ihm eröffnet hatte, ich wolle mich mit ihm unterhalten. Der Weg führte an den jetzt scheibenlosen Fenstern der anderen Hallen vorbei. Trotz des Trümmerregens, der nach der Explosion auf das Werkgelände niedergegangen war, hatte niemand Verletzungen erlitten. Ob es am Explosionsherd noch Überlebende gab, schien allerdings zweifelhaft.
Hobarths Privatbüro lag im 5. Stock des Verwaltungsgebäudes. Neben dem Büro, nur durch eine Glaswand getrennt, lag ein großer Raum, in dem auf breiten Tischen Pläne ausgebreitet lagen. Durch die Fenster an den Seitenwänden pfiff der Wind, der sich in dieser Höhe schon unangenehm bemerkbar machte. Papiere wehten von den Tischen, raschelten über den Fußboden und wurden in eine Ecke getrieben.
»Tut mir leid«, sagte Hobarth mit steinernem Gesicht, »aber gemütlich ist’s hier im Augenblick nicht. Nehmen Sie bitte Platz!«
Wir fegten die Scherben von den Sitzen und fragten, ob er Brandstiftung für möglich halte.
»Möglich ist alles«, räumte Hobarth ein. »Aber ich hoffe es nicht. Das wäre ja entsetzlich!« Einen bestimmten Verdacht hatte er nicht.
»Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als den Mann zu befragen, der für die Lagerung verantwortlich ist, Mister Hobarth. Halten Sie es für möglich, dass die Sicherheitsvorschriften nicht beachtet wurden? Ich glaube nicht, dass nach den Bestimmungen explosive Stoffe und brennbare Flüssigkeiten zusammen gelagert werden dürfen.«
»Das ist eine Frage, die ich mir auch schon gestellt habe, Agent Cotton. Aber wenn es so war, ist es ohne mein Wissen geschehen. Sollte Ihre Vermutung zutreffen, ist damit noch immer nicht geklärt, wie es zu der Explosion kommen konnte.«
»Lassen wir uns doch den Verantwortlichen kommen!«, schlug ich vor. Hobarth griff zum Telefon, es funktionierte noch, aber der Personalchef war verständlicherweise nicht in seinem Büro.
Wir mussten uns also wieder auf die Beine machen. Im Hof gab Hobarth einigen Männern die Anweisung, die Vorarbeiter beim Pförtnerhaus zusammenzurufen.
»Sie sollen die Leute für die Aufräumungsarbeiten einteilen«, sagte er. »Wir müssen so schnell wie möglich die Arbeit wieder aufnehmen.«
»Waren Sie versichert?«, erkundigte sich Phil.
»Selbstverständlich, aber unsere Entwicklung bleibt stehen, und dafür kommt keine Versicherung auf. In Halle IV arbeitete ein kleines Team an einem äußerst wichtigen Projekt. Und nun … Er zögerte. »Bis sich neue Leute eingearbeitet haben, vergeht vielleicht ein Jahr.«
Den Personalchef fanden wir bei den leitenden Männern des Werks.
»Wer war für die Lagerung der Vorräte in Halle IV verantwortlich?«, fragte Hobarth einen breitschultrigen Mann in gut sitzendem Maßanzug.
»Frank Leary. Ich habe ihn schon gesucht, konnte ihn aber nirgends finden.«
»Schicken Sie ein paar Leute herum, die ihn herbringen, Clusky! Ich muss jetzt mit den Vorarbeitern reden.«
Clusky schickte ein paar Arbeiter los, um Leary zu suchen. Nach einer Viertelstunde war er noch nicht da.
»Wir brauchen die Anschrift dieses Leary, Mister Clusky«, sagte ich.
»In meinem Büro befindet sich die Kartei. Kommen Sie!«
Wieder marschierten wir zum Verwaltungsgebäude. Clusky reichte mir eine gelbe Karte. Ich warf einen flüchtigen Blick darauf und griff zum Telefon. Leary wohnte in Greenpoint, in der Humboldt Avenue.
Ein Mann stürzte ins Zimmer. »Wir haben Leary gefunden«, stieß er hervor.
Ich sprang auf. »Wo?
»Im Waschraum von Halle II. Er hat sich erhängt.«
Ich knallte den Hörer auf die Gabel, noch ehe die Verbindung zustande gekommen war. Die anderen rannten hinter mir her.
Vor dem Waschraum standen zwei Cops. Ich ging an ihnen vorbei. Die Leitungsrohre im Waschraum führten an der Wand hoch, bogen dann im rechten Winkel ab.
An einem von ihnen hing der Körper eines Mannes. Das eine Ende eines Nylonseils war um das Rohr geschlungen, das andere um seinen Hals.
»Leary?«, fragte ich den Personalchef. Er nickte und schluckte dabei.
Im Waschbecken lag ein zusammengerolltes Bündel Banknoten. Ich beugte mich darüber, ohne den Beckenrand zu berühren. Sie waren von Wasser durchtränkt.
»50-Dollar-Scheine«, sagte ich langsam. »An die tausend Bucks, schätze ich.«
Als ich mich wieder aufrichtete, begegnete ich Phils Blick. Ich drehte mich um und richtete meine Frage an Clusky.
»Wieviel verdiente Leary in der Woche?«
»Hundertfünfzig, Agent Cotton. Aber dann …«
»… dann trug er den Lohn von mindestens sechs Wochen in der Tasche herum«, ergänzte ich. »Aber ich glaube nicht, dass es sich bei diesem Geld um Lohn für ehrliche Arbeit handelt. Es war der Judaslohn, den er wegwarf, als er sah, was er angerichtet hatte.«
***
Phil und ich führten Vernehmungen durch. Wir suchten nach Leuten, die an diesem Tag mit Frank Leary gearbeitet oder mit ihm gesprochen hatten. Danton Leferre, einer der Vorarbeiter, war kurz nach der Explosion auf den Werkhof gestürmt und dort mit Leary zusammengeprallt.
Nach Leferres Schilderung habe Leary ihn überhaupt nicht gesehen, er sei bleich gewesen wie ein Laken und habe immer wieder gemurmelt: »Er hat mich angelogen!«
Wir konnten uns keinen Vers darauf machen. Wir fuhren fort, Leute auszufragen und den Arbeitstag Learys zu rekonstruieren. Unser Kollege Richard Gibson unterbrach unsere Unterhaltung mit einer verstörten Sekretärin.
»Ihr müsst unbedingt mitkommen«, sagte er aufgeregt. »Wir haben den Zündmechanismus gefunden!«
Wir stiegen ihm über verbogene Stahlträger und Schuttberge nach bis zur einer Grube, um die die drei anderen Experten auf den Knien hockten. Peter Frey deutete auf die Überreste eines altmodischen Weckers. Die Zeiger auf dem emaillierten Zifferblatt standen auf halb eins. Ein Drahtstück hing noch an einem Kontakt, den man mit dem Läutwerk verbunden hatte.
»Primitiver geht’s nicht mehr«, erläuterte Peter. »Ein Zeitzünder, wie ihn jeder einigermaßen geschickte Schuljunge zusammenbasteln könnte. Über die Art des verwendeten Sprengstoffs...
| Erscheint lt. Verlag | 16.2.2016 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dedektiv • Detektiv • Deutsch • Deutsche Krimis • eBook • E-Book • eBooks • Ermittler • erste-fälle • gman • G-Man • Hamburg • Horst-Bosetzky • international • Kindle • Komissar • Kommisar • Kommissar • Krimi • Krimiautoren • Krimi Bestseller • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Krimis • krimis&thriller • letzte fälle • martin-barkawitz • Mord • Mörder • nick-carter • Polizei • Polizeiroman • Polizist • Reihe • Roman-Heft • schwerste-fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • Spannung • Spannungsroman • stefan-wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • uksak • Verbrechen • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7325-2678-X / 373252678X |
| ISBN-13 | 978-3-7325-2678-9 / 9783732526789 |
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