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Mandelstam, Heidelberg (eBook)

Gedichte und Briefe 1909-1910. Russisch-Deutsch

(Autor)

eBook Download: PDF
2016 | 1. Auflage
192 Seiten
Wallstein Verlag
978-3-8353-2957-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mandelstam, Heidelberg -  Ralph Dutli
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125. Geburtstag von Ossip Mandelstam am 15. Januar 2016. 40 bisher nicht übersetzte Gedichte des jungen Dichters Ossip Mandelstam - übertragen und mit einem umfangreichen Essay versehen von Ralph Dutli. Der 1891 in Warschau geborene, 1938 im Gulag bei Wladiwostok ums Leben gekommene russisch-jüdische Jahrhundertdichter Ossip Mandelstam, »ein moderner Orpheus' (Joseph Brodsky), hielt sich von Oktober 1909 bis März 1910 in Heidelberg auf. Dessen berühmte Universität war das Anlaufziel vieler Russen, die im Zarenreich vom Studium ausgeschlossen waren. Die in der Stadt am Neckar entstandenen Jugendgedichte nahm Mandelstam später nicht in seine Gedichtsammlungen auf, doch zeigen sie bereits viele Motive, die für sein Werk bedeutsam werden sollten. Der noch nicht einmal zwanzigjährige Dichter war auf der Suche nach seinem dichterischen Weg, seiner Beziehung zur Welt, zur Natur, zur Liebe. Mandelstams Jugendgedichte sind zarte sprachliche Gebilde von zuweilen erstaunlicher Reife und Tiefgründigkeit. Der Band enthält die sieben an die russischen Dichter Wjatscheslaw Iwanow und Maximilian Woloschin adressierten Briefe aus Heidelberg sowie erstmals sämtliche in Heidelberg und im Umkreis des Deutschlandaufenthaltes entstandenen vierzig Gedichte im russischen Original und in deutscher Übertragung. In seinem Essay »Ich war das Buch, das Euch im Traum erscheint' spricht Ralph Dutli auf faszinierende Weise über die deutschen Reminiszenzen in Ossip Mandelstams Werk.

Ralph Dutli, geb. 1954, studierte in Zürich und Paris Romanistik und Russistik und lebt heute als freier Autor, Lyriker und Übersetzer in Heidelberg. Er ist Herausgeber u.a. der zehnbändigen Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den Johann-Heinrich-Voss-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Von Ralph Dutli sind bislang mehr als 30 Bücher und Editionen erschienen. Ralph Dutli wurde 2013 und 2015 für den deutschen Buchpreis und den Schweizer Buchpreis nominiert und erhielt den Rheingau Literaturpreis, den Preis der LiteraTour Nord und den Düsseldorfer Literaturpreis.

Ralph Dutli, geb. 1954, studierte in Zürich und Paris Romanistik und Russistik und lebt heute als freier Autor, Lyriker und Übersetzer in Heidelberg. Er ist Herausgeber u.a. der zehnbändigen Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den Johann-Heinrich-Voss-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Von Ralph Dutli sind bislang mehr als 30 Bücher und Editionen erschienen. Ralph Dutli wurde 2013 und 2015 für den deutschen Buchpreis und den Schweizer Buchpreis nominiert und erhielt den Rheingau Literaturpreis, den Preis der LiteraTour Nord und den Düsseldorfer Literaturpreis.

Umschlag 1
Titel 4
Impressum 5
Ralph Dutli: Magie des Anfangs. Fru?hwerk und Laboratorium: Ossip Mandelstams Jugendgedichte 6
Ossip Mandelstam: Gedichte aus Heidelberg 1909-1910 42
? ????????? ???? ?????. Windstille meiner Gärten 43
? ???????? ????????? ???. Kalt strömen Lyren, u?berviel 45
???? ??????? ????????. Deine fröhliche Zärtlichkeit 47
?? ???????? ??? ? ????????. Nur sprecht mir nicht von Ewigkeit 49
?? ??????? ?????? ???????????. Vom feuchten Stein herunterschauend 51
??????? ????? ???????. Vom Mond erhellt die Nachtreviere 53
????????? ????????. Wie lautlos diese Spindel fliegt 55
???? ???? ?????? ?????. Wenn der Wintermorgen dunkelt still 57
??????? ?????. ????? ??????. Der Ort wird leer. Der Abend dauert 59
? ?????????????? ???????. Demu?tige Höhen, hell und weit 61
??????? ????? ? ?????? ????. Prophetisch ist der Atem meiner Verse 63
???? ????? ????. Nein, keinen anderen Pfad 65
??? ?????? ??????. Musik meiner zärtlichen 67
?? ?????? ????, ??? ????. Auf dunklen Himmel hingestickt 69
?? ? ??? ?? ????? ????????. Nichts, woru?ber sich zu sprechen lohnt 71
Ossip Mandelstam: Sieben Briefe aus Heidelberg 74
Wer sind die beiden Adressaten der Briefe aus Heidelberg? 76
Maximilian Woloschin 76
Wjatscheslaw Iwanow 77
1. An Maximilian Woloschin. Heidelberg, Ende September/Oktober 1909 79
2. An Maximilian Woloschin. Heidelberg, Oktober 1909 80
3. An Wjatscheslaw Iwanow. Heidelberg, 26. Oktober 1909 80
4. An Wjatscheslaw Iwanow. Heidelberg, 4. November 1909 81
5. An Wjatscheslaw Iwanow. Im Zug Frankfurt – Karlsruhe – Basel, 24. November 1909 81
6. An Wjatscheslaw Iwanow. Heidelberg, 26. Dezember 1909 82
7. An Wjatscheslaw Iwanow. Heidelberg, 30. Dezember 1909 82
Aus dem Umkreis der Heidelberger Gedichte 84
? ???????????????? ????????? ??????. In ungezwungenem Austausch schöpferisch und frei 85
????? ?????????????? ????. Hier springen ekelhafte Kröten 87
? ???????? ??????? ??????? ?????? ???. In dieser Frostluft taut ein leichter weißer Rauch 89
????????. DER PILGER 91
?????? ????? ?????. Deine Schritte – Musik, die hallt 93
?????? ???????? ????????. Durchs wächsern-helle Vorhangsblatt 95
??????????? ?????? ????. Feiner Moder, ausgedu?nnt 97
?? ?????????? ????. Wem lächelst du nur immer zu 99
? ????????? ?????????? ????. In dämmrigen Tiefen eines Saales 101
????? ?????? ?????? ?????. Wenn Mosaiken-Gräser welken 103
??????? ????????????? ?????. Von Blättern das mitfu?hlende Rascheln 105
??? ??????? ????????? ?????. Auf dem Altar der Du?nung, die hell dampft 107
????????????? ??? ?????. Notwendigkeit oder Verstand 109
??? ????????? ????????. Unter schweren Gewitterwolken 111
???????????? ???????. Die einzig wahre Freude 113
????? ???? ?????????. Wenn Vorwurf aus den Glocken dringt 115
??? ????? ??????? ????? ??????. Dies Leben abzuleben – meine Angst 117
? ???? ???????? ????. Ich seh ihn steinern, diesen Himmel 119
????? ??????. ?????? ??????. Zarter Abend. Dämmer, leuchtend 121
????? ????? ????????. Erschlagen vom Kupfer des Abends 123
??? ??????? ?????? ?????. Das Herz wie von Wolken umschichtet 125
??? ?????????? ?? ?????. Wo sich aus seinen Fesseln losreißt 127
? ????? ????, ??? ????, ?????. In mir verborgen schlangengleich 129
?????????? ?????. Die Worte unerbittlich streng 131
? ????????? ?????? ????????. Am Kopfende die schwarze Kreuzigung 133
Ralph Dutli: »Ich war das Buch,das euch im Traum erscheint«: Deutsche Echos in Ossip Mandelstams Werk 136
Anhang 176
Ausgaben 176
Ausgewählte Literatur 178
Notiz und Dank 182
Inhalt 186

Ossip Mandelstam


Gedichte aus Heidelberg


1909-1910


 

 

В безветрии моих садов

Искусственная никнет роза;

Над ней не тяготит угроза

Неизрекаемых часов.

 

В юдоли дольней бытия

Она участвует невольно;

Над нею небо безглагольно

И ясно, – и вокруг нея

 

Немногое, на чем печать

Моих пугливых вдохновений,

И, трепетных прикосновений,

Привыкших только отмечать.

1909

 

Windstille meiner Gärten – Ort

Der Rose, künstlich, unbetastet;

Und keinerlei Bedrohung lastet

Von unsagbaren Stunden dort.

 

Am Jammertal, irdischem Leben

Hat unfreiwillig sie doch teil;

Und über ihr der Himmel steil

Und wortlos klar – sie ist umgeben

 

Vom Wenigen, das doch geprägt

Von meinen scheuen Eingebungen

Sie furchtsam nur berührt, besungen

Einzig von Zeichen, sanft gehegt.

 

Selbstreflexiv sind bereits die frühen Gedichte Mandelstams, sie kreisen um die Entstehung des Gedichtes und das Wesen der Poesie. Letztere ist die »künstliche Rose«, die in einem »windstillen«, scheinbar unwirklichen, zeitlosen Garten-Raum steht, wo es keinerlei »Bedrohung« gibt. Doch im russischen Wort für »Bedrohung« (ugróza) steckt das Wort für »Rose« (róza), der Reim enthüllt eine Verwandtschaft …

Später, wenn die geschichtlichen Katastrophen in seine Dichtung eingebrochen sind, wird Mandelstam im Gedicht An die deutsche Sprache (August 1932) bekennen: »Du Poesie! Du brauchst Gewittertoben!« [48] Doch schon im frühen Gedicht herrscht das Bewusstsein, dass die Rose nicht ausgeschlossen ist vom tragischen Weltgeschehen: »Am Jammertal, irdischem Leben/Hat unfreiwillig sie doch teil.«

Der junge Mandelstam charakterisiert (3. Str.) seine Dichtung als das bescheidene »Wenige«, das von seinen »scheuen Eingebungen« und »furchtsamen Berührungen« geprägt wird. Ein noch unsicheres, seine Bestimmung suchendes Ich ist hier am Werk, aber es weiß bereits um die Beschwörungskraft der Poesie, mag sie sich auch auf »Andeutungen« und »Zeichen« beschränken. Stéphane Mallarmé schreibt in Verskrise (Crise de vers, 1892): »Ich sage: eine Blume! und aus dem Vergessen, wohin meine Stimme jeden Umriss verbannt, erhebt sich musikalisch, als etwas Anderes als die gewussten Kelche, Idee selbst und lieblich, die aus allen Sträußen Abwesende.« [49]

»Sie furchtsam nur berührt« – die Beteiligung des Tastsinns bei der Entstehung des Gedichtes weist voraus auf Mandelstams poetologischen Essay Das Wort und die Kultur (1921): »Das Gedicht ist lebendig durch das innere Bild, durch jenen klingenden Abguss der Form, der dem geschriebenen Gedicht vorausgeht. Noch kein einziges Wort ist da, doch das Gedicht klingt bereits. Es klingt das innere Bild, das vom Gehör des Dichters betastet wird.« [50]

В холодных переливах лир

Какая замирает осень!

Как сладостен и как несносен

Ее золотострунный клир!

 

Она поет в церковных хорах

И в монастырских вечерах

И, рассыпая в урны прах,

Печатает вино в амфорах.

 

Как успокоенный сосуд

С уже отстоенным раствором,

Духовное – доступно взорам,

И очертания живут.

 

Колосья, так недавно сжаты,

Рядами ровными лежат;

И, пальцы тонкие дрожат,

К таким же, как они, прижаты.

1909

 

Kalt strömen Lyren, überviel –

Was für ein Herbst, der nun verklingt!

Wie süß und unaushaltbar singt

Sein Klerus, goldnes Saitenspiel!

 

Er singt in Kirchen, auf Emporen

Und klösterlichem Spätgeläut,

Der Asche in die Urnen streut

Versiegelt Wein in den Amphoren.

Zur Ruhe kommt jetzt das Gefäß,

Schon ausgefällt liegt nun die Neige,

Das Geistige, dem Blick sich zeigend,

Macht Linien leben lichtgemäß.

 

Schon frisch gebunden sind die Ähren,

Sie liegen eng in gleichen Reihn;

Und schmale Finger zittern fein,

Als ob auch sie gepresst bald wären.

 

Noch nie hat ein Herbst so viel Musik gemacht. Kirche, Kloster und sakrale Musik bilden hier den Vorrat an Bildern und Vergleichen. Durch die Präsenz der Lyra, oder im Plural: der Lyren, wird die Verwandtschaftsbeziehung von Musik und Poesie schon im ersten Vers unterstrichen. Goldene Saiten, Gesang von Chören, stille Pracht – und doch liegt ein Vorgefühl des Endes in den Strophen. Der Herbst verklingt, streut Asche in die Urnen und verschließt den abgefüllten Wein.

In einem Gedicht des Bandes »Tristia« von April 1916 (»O diese Luft, berauscht von Wirren«) auf die Kirchen des Moskauer Kreml – aus dem Umkreis der Marina Zwetajewa gewidmeten Gedichte, die dem jungen Dichter die Schönheit der orthodoxen Kirchenformen offenbart hatte – wird noch einmal der Vergleich einer Kirche mit einer Weinamphore auftauchen: »In tief verschlossenen Kathedralen/Wo Kühle herrscht und Dunkelheit/Wie in Amphoren, tönern-zarten,/Prickelt herb der Russenwein.« [51]

Als Kontrast zu den Bildern von Kirchenmusik und herbstlicher Natur erscheinen am Schluss einmal mehr menschliche Finger, deren Sprache den jungen Mandelstam in mehreren Gedichten beschäftigt. Ein beunruhigendes Bild: Geschnittene und gebundene Ähren liegen auf dem Feld – wie die Finger einer Hand. Ernte und Tod greifen ineinander, Ascheurnen und Weinamphoren bezeichnen verwandte Gefäße.

Твоя веселая нежность

Смутила меня.

К чему печальные речи,

Когда глаза

Горят, как свечи

Среди белого дня?

 

Среди белого дня …

И та – далече –

Одна слеза,

Воспоминание встречи;

И, плечи клоня,

Приподымает их нежность.

1909

 

Deine fröhliche Zärtlichkeit

Verwirrte mich – sag,

Wozu die traurigen Reden,

Wenn die Augen so nah

Wie Kerzen brennen

Am helllichten Tag?

 

Am helllichten Tag …

Und jene – entlegen –

Einzige Träne nagt

An der erinnerten Begegnung;

Die Schultern neigend, wagt

Leicht sie zu heben – Zärtlichkeit.

 

Auch eine scheue Liebe ist Thema in den Gedichten des Heidelberger Studenten, behutsame Körperlichkeit, verhaltene Erregung. Mandelstam klagte 1914 Anna Achmatowa gegenüber, dass er keine Liebesgedichte schaffen könne. Erst die kurze Beziehung zu Marina Zwetajewa von Januar bis Juni 1916 wird ihn für dieses Thema öffnen. [52] Die Scheu, von der Liebe zu reden, oder gar: die Angst vor der Liebe, zeigt sich im Gedicht »Ich hasse Sternenlicht« (1912) des Bandes »Der Stein«: »Erschöpft die Bahn, komm ich/Vielleicht zurück ins...

Erscheint lt. Verlag 21.1.2016
Nachwort Ralph Dutli
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte 20. Jahrhundert • Briefe • Deutschlandaufenthalt • Dichter • Edition • Essay • Gedichte • Heidelberg • jüdische Literatur • Jugendgedichte • Lyrik • Maximilian Woloschin • Ossip Mandelstam • Russische Literatur • russisch-jüdische Literatur • Übersetzung • Wjatscheslaw Iwanow
ISBN-10 3-8353-2957-X / 383532957X
ISBN-13 978-3-8353-2957-7 / 9783835329577
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