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Schillers Schreibtisch in Buchenwald (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403435-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schillers Schreibtisch in Buchenwald -  Dieter Kühn
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Von Schillers berühmtem Schreibtisch stehen in Weimar zwei Exemplare: das Original im Museum, mit Globus, zwei Kerzenhaltern, Schreibfeder - und eine maßgetreue Kopie in einem Lagerraum. Die Nachbildung entstand zwischen 1942 und 1943 auf Anordnung der Nationalsozialisten im Konzentrationslager Buchenwald, in Werkstätten, die der SS unterstanden. Ein Häftling hat dort die Kopie angefertigt. Dieter Kühn hat die genauen Umstände des Nachbaus recherchiert und führt eindrucksvoll vor Augen, welch absonderliche Verbindung das Dritte Reich hier mit der Weimarer Klassik eingeht. Er zeichnet einerseits Schillers Weg zum Schriftsteller nach und beleuchtet andererseits den Schillerkult der Nationalsozialisten. Eindrucksvoll schildert er, wie der Tisch, an dem Schiller seine Ideen der Freiheit und Menschenwürde formulierte, dort kopiert wurde, wo diese nichts mehr galten.

Dieter Kühn, geboren 1935 in Köln, starb 2015 in Brühl. Für seine Biographien, Romane, Erzählungen, Hörspiele und hoch gerühmten Übertragungen aus dem Mittelhochdeutschen (das ?Mittelalter-Quartett?) erhielt er den Hermann-Hesse-Preis, den Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und zuletzt die Carl-Zuckmayer-Medaille. Zu seinen Werken gehören große Biographien (über Clara Schumann, Maria Sibylla Merian, Gertrud Kolmar sowie sein berühmtes Buch über Oswald von Wolkenstein), Romane (?Geheimagent Marlowe?), historisch-biographische Studien (?Schillers Schreibtisch in Buchenwald?) und Erzählungsbände (?Ich war Hitlers Schutzengel?). Zuletzt erschienen die beiden autobiographischen Bände ?Das Magische Auge? und ?Die siebte Woge? sowie sein Theaterbuch ?Spätvorstellung?.Literaturpreise (Auswahl):Hermann-Hesse-PreisGroßer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen KünsteNominiert für den Deutschen Bücherpreis 2002Carl-Zuckmayer-Medaille 2014

Dieter Kühn, geboren 1935 in Köln, starb 2015 in Brühl. Für seine Biographien, Romane, Erzählungen, Hörspiele und hoch gerühmten Übertragungen aus dem Mittelhochdeutschen (das ›Mittelalter-Quartett‹) erhielt er den Hermann-Hesse-Preis, den Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und zuletzt die Carl-Zuckmayer-Medaille. Zu seinen Werken gehören große Biographien (über Clara Schumann, Maria Sibylla Merian, Gertrud Kolmar sowie sein berühmtes Buch über Oswald von Wolkenstein), Romane (›Geheimagent Marlowe‹), historisch-biographische Studien (›Schillers Schreibtisch in Buchenwald‹) und Erzählungsbände (›Ich war Hitlers Schutzengel‹). Zuletzt erschienen die beiden autobiographischen Bände ›Das Magische Auge‹ und ›Die siebte Woge‹ sowie sein Theaterbuch ›Spätvorstellung‹. Literaturpreise (Auswahl): Hermann-Hesse-Preis Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Nominiert für den Deutschen Bücherpreis 2002 Carl-Zuckmayer-Medaille 2014

Schillers Schreibtisch wird kopiert


LESUNG IN WEIMAR, im neu gestalteten Goethe-Nationalmuseum, zwei Tage vor den Festlichkeiten zu Goethes 250. Geburtstag: Auszüge aus meiner biographischen Skizze eines Goethe, der (mit einem Pistolenhalfter am Sattelknauf) 1792 nach Frankreich in den Krieg gezogen war. Während des Vorgesprächs zuweilen ein Seitenblick zum Dach des Hinterhauses, in dem Goethe (auch) den Bericht über diesen Feldzug diktiert hatte: »Campagne in Frankreich«.

Im Anschluß an die Lesung eine Vernissage unter dem Titel »Verlagerung«. Im Haupttreppenhaus vier (von insgesamt 40) Kisten, die 1942 im Konzentrationslager Weimar-Buchenwald angefertigt wurden zur »Bergung von Gegenständen« aus dem Schillerhaus und dem »Museum für Urgeschichte«.

Zusätzlich, so lese ich in einem Begleitblatt, wurden im Konzentrationslager »Zweitstücke« von Möbeln des Schillerhauses hergestellt. Vorrang hatte dabei die Kopie von Schillers Schreibtisch.

 

ERNEUTER BESUCH DES SCHILLERHAUSES: gleich hinauf zur Mansarde, in das Arbeitszimmer. Im Eckwinkel links: der »Schreibtisch, Apfelbaumholz, furniert. Klassizismus.«

Dieser Schreibtisch hat seine Geschichte, aber die kann ich nicht lückenlos erzählen. Hatte Schiller an diesem Schreibtisch bereits in Jena gearbeitet? Oder war dies der Schreibtisch, den er in Weimar gekauft hatte, kurz nach dem Umzug in das Haus an der Esplanade? Jedenfalls hat Schiller dort an Neuerwerbungen notiert: »1 Spiegel, 1 Schreibtisch, 1 Kommode.« Da kam nur weniges hinzu. »Mein notwendiger Hausrat besteht aus guter Kommode, dem Schreibtisch, dem Bett und dem Sopha, dann dem Tisch und einigen Sesseln. Hab ich dieses, so brauche ich zu meiner Bequemlichkeit nichts mehr.«

Nun hinterließ er allerdings zwei Schreibtische. Welcher war zusätzlich gekauft (oder eher: bei einem Tischler in Auftrag gegeben) worden? Ein Schreibtisch befindet sich heute im Schiller-Nationalmuseum zu Marbach. Für den zweiten Schreibtisch, heute wieder im Weimarer Wohnhaus, gibt es ein Zertifikat, ausgestellt von Schillers Enkel Friedrich, dem Kürassiermajor a.D.: »Bestätige ich, daß der im Schillerhaus zu Weimar aufgestellte Schreibtisch derselbe ist, welcher beim Tode des Dichters in seinem Wohn- und Sterbezimmer stand.«

Das »Wohn- und Sterbezimmer«: es wird heute als »Arbeits- und Sterbezimmer« bezeichnet. Dort steht auch das »Bett. Fichte. Um 1780.« Dieses Bett war allerdings erst wenige Tage vor Schillers Tod ins Zimmer gestellt worden. Geschlafen hat Schiller sonst im winzigen Schlafzimmer nebenan – eher das stumpfe Ende eines Flurs mit Schrägdach. Ein (weiteres) Zitat aus dem Katalog zu Schillers Wohnhaus: »Hier soll er zeitweise ein flaches Lager – eine Bettstatt ohne Beine – benutzt haben.« Eine Kammer Richtung Norden. Zum Fenster hinaufwachsend: Efeu, wilder Wein. Und: »Im Garten stand ein weißer Fliederbaum, der bis zum Fenster des Schlafzimmers hinaufreichte. Der Duft der Fliederblüten soll Schillers Nerven gestärkt haben.« Eine der zahlreich überlieferten Erinnerungen.

Das Bett im Arbeitszimmer: hier also ist Schiller gestorben. Nach dem Tod der Witwe ließ es Großherzog Carl Alexander ins Schloß überführen, gab es 1847 jedoch zurück. »Mit wahrer Freude habe ich vernommen, daß der wohllöbliche Rat dieser Stadt das Schillerhaus gekauft hat und seines ehemaligen Besitzers würdig einzurichten gedenkt. Da ich mich im Besitz der Bettstelle Schillers, in welcher er gestorben ist, befinde, so gereicht es mir zum besonderen Vergnügen, dieselbe dem hiesigen wohllöblichen Stadtrate mit der Bitte zu übergeben, ihr in dem ehemaligen Wohnhause des Besitzers einen würdigen Platz einzuräumen.« Was denn auch geschehen ist. Von diesem Bett wurde im Konzentrationslager Weimar-Buchenwald ebenfalls ein »Zweitstück« angefertigt.

Doch primär geht es um den Schreibtisch. Acht Jahre nach Schillers Tod berichtet Charlotte ihrem Sohn Ernst, dem jüngeren Bruder von Karl: Der Schreibtisch »ist neu gebeizt und steht unter Karls Bild. Gebraucht soll er nicht werden, nur von Euch, wenn Ihr wollt. Es ist mir jetzt tröstlich, diesen Schreibtisch zu sehen, sonst war es mir schmerzlich.«

Heute sind auf den Schreibtisch einige Objekte gestellt und gelegt, die sich hier meist schon zu Schillers Zeit befanden. Sich durch Größe und Eleganz der Form betonend die »Tischuhr. Zylinderförmiges Gehäuse in lyraförmigem Gestell. Um 1800.« Sodann zwei Kerzenleuchter: »Holz, mit vergoldeten Verzierungen.« Es sind freilich Kopien – die Originale sind ausgestellt im Goethe-Nationalmuseum. Vom Arbeitsgerät des Schriftstellers blieben Papierschere, Tintenfaß und Briefbeschwerer erhalten; sie liegen scheinbar griffbereit. Gleichsam in Reichweite auch eine »Tabakdose. Holz, auf dem Deckel Perlmuttscheibe in vergoldetem Ring.« Tabak zum Schnupfen und Tabak zum Rauchen – Schiller mit langstieliger Pfeife. Bei der Arbeit hat er wohl geschnupft. Goethe, notorischer Nichtraucher, fand Tabakschnupfen und Pfeiferauchen abscheulich, ließ es beim hochgeschätzten Freund aber (kommentarlos?) durchgehen.

Schiller über seinen Schreibtisch: »Mein wichtigstes Meuble.« Der Schreibtisch diente – gelegentlich – auch einem Nebenzweck: Trat Erschöpfung ein bei der intensiven und extensiven Arbeit, so verschränkte Schiller die Arme auf der Tischfläche, legte den Kopf auf einen Unterarm, machte ein Nickerchen. Nach dem Aufwachen ein Kaffee und gleich weiter im Text!

 

AUCH GOETHE hat einmal an Schillers Schreibtisch gesessen. 1827 berichtet er Eckermann: »Ich besuchte ihn eines Tages, und da ich ihn nicht zu Hause fand und seine Frau mir sagte, daß er bald zurückkommen würde, so setzte ich mich an seinen Schreibtisch, um mir dieses und jenes zu notieren. Ich hatte aber nicht lange gesessen, als ich von einem heimlichen Übelbefinden mich überschlichen fühlte, welches sich nach und nach steigerte, so daß ich endlich einer Ohnmacht nahe war. Ich wußte anfänglich nicht, welcher Ursache ich diesen elenden, mir ganz ungewöhnlichen Zustand zuschreiben sollte, bis ich endlich bemerkte, daß aus einer Schublade neben mir ein sehr fataler Geruch strömte. Als ich sie öffnete, fand ich zu meinem Erstaunen, daß sie voll fauler Äpfel war. Ich trat sogleich an ein Fenster und schöpfte frische Luft, worauf ich mich denn augenblicklich wiederhergestellt fühlte. Indes war seine Frau wieder hereingetreten, die mir sagte, daß die Schublade immer mit faulen Äpfeln gefüllt sein müsse, indem dieser Geruch Schillern wohltue und er ohne ihn nicht leben und arbeiten könne.«

Dies dürfte der Schreibtisch gewesen sein, der in das Konzentrationslager Weimar-Buchenwald transportiert wurde und dort lange Zeit deponiert blieb als Vorlage für die Herstellung einer Kopie.

 

MEINE TISCHPLATTE, AUFGEBOCKT. Fotokopien von Dokumenten zurechtgelegt. Vornean ein Schreiben des Weimarer Polizeipräsidenten Hennicke (zugleich »örtlicher Luftschutzleiter« und SS-Gruppenführer) an den »Herrn Reichsstatthalter in Thüringen«, ebenfalls in Weimar. »Betr.: Schutz der Kulturgüter, Kulturstätten usw.« Am 18. Dezember 1941 wurde hier eine Besprechung protokolliert, die im Anschluß an eine »nochmalige Überprüfung der Weimarer Kulturgüter und Kulturstätten in luftschutzmäßiger Hinsicht« stattfand.

Unter den sieben Punkten der Tagesordnung interessiert mich vorrangig der vierte: »Schillerhaus«. Als (vorläufiges) Ergebnis des Lokaltermins: »Die im Schillerhaus befindlichen Originalmöbel Schillers können nicht von Ort und Stelle entfernt werden, da sie sonst zerfallen würden. Sie stehen im I. und II. Geschoß. Die Fenster sind gegen Splitterwirkung durch behelfsmäßige Holzläden gesichert. Die Brandwache übernimmt die Witwe des gefallenen Hausmeisters. Bei Fliegeralarm wird zusätzlich ein aktiver Feuerwehrmann nach dort entsandt.«

Aufschlußreich auch, was zum nächsten Punkt protokolliert wurde: »Goethe-National-Museum«. Hier wird begründet, weshalb Schillerhaus wie Goethehaus trotz eventueller Bombenangriffe geöffnet bleiben sollten. »Die unersetzlichen Werte dieses Hauses, bis auf die Möbel des Arbeits- und Sterbezimmers Goethes, sind in den Kellerräumen des Landesmuseums und des Neubaues des Goethe-National-Museums untergebracht. Vom luftschutzmäßigen Standpunkt gesehen, müßten auch die Möbel aus Goethes Arbeits- und Sterbezimmer sorgfältig verpackt und anderweitig untergebracht werden. Dies widerspricht aber einer Anordnung des Reichspropaganda-Ministeriums, die vorschreibt, daß diese und andere unersetzliche Werte an Ort und Stelle stehen bleiben und auch während des Krieges der Bevölkerung zugänglich sein sollen.«

Die Bürger von Weimar sollten also nicht alarmiert werden durch frühzeitige Auslagerung von Unikaten aus dem Arbeitszimmer und der Sterbekammer des Goethehauses. Geschlossen werden sollte es schon gar nicht! Vielmehr wurde suggeriert: Solange die Häuser der Dichter geöffnet bleiben, ist noch nicht alles verloren, ja der »Endsieg« könnte noch möglich sein. Ein Propagandasignal: der »Durchhaltewille« sollte gestärkt werden.

So setzte man (auch) die Original-Möbel aus Goethes Arbeitszimmer und Schlafkammer aufs Spiel. Schon einer der häufigen Brandbomben-Angriffe hätte all dies vernichten können … Selbst in Friedenszeiten sind die vielfach zundertrockenen historischen Objekte von Feuer bedroht – während ich diesen Text...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adolf Hitler • Buchenwald • Charlotte Schiller • Ernst Wiechert • Friedrich Schiller • Gedenkstätte • Historischer Roman • Konzentrationslager • Nachbau • Nationalsozialismus • NSDAP • Roman • Schillerkult • Schreibtisch • Stuttgart • Weimar
ISBN-10 3-10-403435-4 / 3104034354
ISBN-13 978-3-10-403435-5 / 9783104034355
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