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Blühender Lavendel (eBook)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
240 Seiten
Riverfield Verlag
978-3-9524463-6-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blühender Lavendel -  Barbara Hagmann
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Herbert Kull ist Buchhalter in einer Privatbank. Einzig seiner Mutter, mit der er den Duft von Lavendel verbindet, trauert er nach. Die Assistentin Simone Allemann arbeitet Tür an Tür mit Kull. Die beiden verbindet nichts, sie leben in verschiedenen Welten - bis es zu jener fatalen Begegnung kommt.

1


Drei Monate zuvor

 

Herbert Kull war ein kleiner Mann Mitte fünfzig und alles andere als attraktiv. Er war es auch noch nie gewesen. Selbst dann nicht, als sein Haar noch fülliger war. Sein gut genährter Bauch ragte über seinen zu eng geschnallten Gürtel. Er bildete sich ein, immer noch in Größe 48 zu passen, wie vor zwanzig Jahren.

Herbert war alleinstehend. Nicht, dass ihn keine Frau haben wollte. Er war einfach nicht für die Zweisamkeit und schon gar nicht für die Ehe gemacht. Viel zu kompliziert. Anpassungsfähigkeit war nicht seine Stärke. Denn er war ein Kontrollfreak, was in einer Partnerschaft zum Desaster wurde. Mehrere Male hatte er das schon erlebt. Seine penible Art hatte alle Frauen in die Flucht geschlagen. Also blieb er allein und ging seinem geregelten Tagesablauf nach.

Herbert liebte die Ordnung in seiner Wohnung. Alles hatte seinen festen Platz und durfte nicht umgestellt werden. Erst recht nicht von einer Putzfrau. Zwölf hatte er verschlissen und es dann aufgegeben. Er konnte nicht verstehen, wie unverschämt manche Leute waren und die Dinge nach dem Staubwischen nicht ganz genau an den Platz zurückstellten, an den sie gehörten.

Für die zwei letzten Haushaltshilfen hatte er Fotos von seiner Wohnung gemacht und diese sortiert in einem Ordner abgelegt. Als Orientierungshilfe. Die Damen zeigten wenig Verständnis. Herbert konnte ihre negativen Reaktionen nicht nachvollziehen und kündigte ihnen.

Sein Beruf – passionierter Buchhalter – passte zu ihm. Er konnte seiner Liebe zu Struktur, Ordnung und Genauigkeit nachgehen. Nichts übersah er, alle Berechnungen und Aufstellungen waren perfekt. An seinem Arbeitsplatz in der Bank Fischlin wurde er für seine korrekte Arbeitsweise sehr geschätzt. Vor allem sein Vorgesetzter hatte lobende Worte für ihn. Mit seinen Kollegen hingegen hatte Herbert wenig zu tun. Er blieb die meiste Zeit in seinem Büro.

Er kam morgens in die Bank, machte sich einen Kaffee und ging an seinen Arbeitsplatz. Die Bürotür hielt er geschlossen. Auf dem Gang war er nur anzutreffen, wenn er Kopien machte oder auf dem Weg ins Archiv war. Sogar seine Akten verwahrte er in seinem Büro, obschon es die Platzverhältnisse kaum zuließen. Er bevorzugte es, auf engem Raum zu arbeiten, damit er die Kontrolle hatte. Zum Leidwesen seiner Kollegen. Wollten sie eine Akte einsehen, mussten sie zuerst Herbert anfragen, ob er nicht so freundlich wäre und die Dokumente herausgeben könne, was ständig für Unruhe sorgte. Selbstbedienung war für ihn ein Fremdwort und würde nur Unordnung in seine strukturierte Ablage bringen. Herbert hasste Unordnung.

Der Austausch mit den Kollegen reduzierte sich auf geschäftliche Angelegenheiten. Dass man in der Kaffeepause über ihn lästerte, störte ihn wenig. Er brauchte die Anerkennung seiner Kollegen nicht. Einige seiner Marotten blieben im Verborgenen; über die offensichtlichen lachte die halbe Belegschaft.

Ab und zu schwatzte er mit Jolanda Brand, der Empfangsdame der Bank Fischlin. Sie unterhielten sich über das Wetter oder über den zunehmenden Straßenverkehr. Es war ihm bewusst, dass sie einfach nur freundlich sein wollte. Als Rezeptionistin war sie das Aushängeschild der Bank und verhielt sich gegenüber ihren Kollegen freundlich und korrekt. Manchmal übertrieb sie es mit ihrer Nettigkeit, doch für einen kurzen Wortwechsel war sie für Herbert die ideale Gesprächspartnerin.

Herbert erschien immer pünktlich um acht Uhr an seinem Arbeitsplatz. Weil er sich auf keinen Fall verspäten wollte, ging er schon eine halbe Stunde früher aus dem Haus. Jeden Tag trug er die gleichen, penibel geputzten Schuhe. Dazu ein sauberes, gebügeltes Hemd mit Krawatte und einen beigen Hosenanzug, der viel zu eng war.

Seit über zwanzig Jahren saß Herbert auf demselben Stuhl. Eigentlich wäre längst ein neuer fällig. Doch Herbert fand den abgewetzten Lederstuhl mit den quietschenden Rollen sehr bequem. Er gab ihm das Gefühl von Sicherheit. Auf einem neuen Stuhl könnte er niemals so gut sitzen wie auf dem alten. Das Gleiche galt für die Büroeinrichtung. Während sich seine Kollegen ab und zu etwas Neues gönnten, schob Herbert seine Akten seit zwei Jahrzehnten in dieselben Schränke und Schubladen. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich bei einem neuen Inventar ein neues Ordnungssystem hätte aneignen müssen. Das wollte er nicht. Wie in seiner Wohnung hatte auch im Büro alles seinen festen Platz.

Auf der Fensterbank stand eine weiße Orchidee, die er hingebungsvoll pflegte. Auch sie war ein fester Bestandteil seines beschaulichen Lebens. Ansonsten wirkte sein Büro puristisch. Die Wände waren kahl, kein Nippes stand auf dem Schreibtisch. Weil der Raum ziemlich klein geraten war, gab es keinen Platz für einen Kleiderständer. Deshalb hatte Herbert einen Haken an der Tür befestigt, an den er morgens sein Jackett hängte. Er ärgerte sich, wenn Lukas Brügger, sein Chef, die Tür schwungvoll aufstieß und sein Jackett gegen die Wand flog. Der Wandabrieb hinterließ jedes Mal hässliche weiße Spuren auf seiner Jacke, die nur mühsam zu entfernen waren.

Zu Herberts geregeltem Tagesablauf gehörte auch das Mittagessen. Jeden Tag holte er sich bei Pedro, einem spanischen Imbissstand, ein Thunfischsandwich zum Mitnehmen. Zurück im Büro packte er das Brot sorgfältig aus und legte es auf einen der Pappteller, die er sich von zu Hause mitgebracht hatte und in seiner Schublade hortete. Das Gleiche galt für die Servietten. Die Papiertücher, die Pedro in die Tüte packte, landeten im Papierkorb. Mit ihnen mochte sich Herbert den Mund nicht abwischen, man wusste ja nie, durch wessen Händen sie schon gegangen waren.

Nachdem Herbert seine Hände mit einem Desinfektionsmittel gereinigt hatte, machte er sich an sein Mittagessen. Im Grunde hätte er es bevorzugt, das Sandwich mit Besteck zu verspeisen. Er störte sich an der Thunfischmasse, die bei jedem Bissen an den Seiten herausquoll und auf seinen Teller kleckerte. Das belegte Brot mit Messer und Gabel in mundgerechte Happen zu schneiden, kam ihm indes übertrieben vor. Mit einem weiteren Papiertuch wischte sich Herbert nach jedem Stück, das er abbiss, den Mund ab.

Der eigentliche Grund, weshalb er sein Essen bei Pedro holte, war, dass Pedro der einzige Imbissbetreiber in der Nähe der Bank war, der für die Zubereitung der Speisen Handschuhe trug und die Brote frisch belegte. Auf Hygiene legte Herbert großen Wert. Den Fischgeruch, der sich jeden Tag nach dem Mittagessen in seinem Büro ausbreitete, beseitigte er mit einem Raumerfrischer, der nach Lavendel duftete. Ein Odeur, das ihn an seine Mutter erinnerte. Sie hatte Lavendel geliebt.

Herbert hatte seiner Mutter viel zu verdanken. Sie hatte ihn zu einem disziplinierten, ordentlichen Mann erzogen. Eigenschaften, die jeder Mensch besitzen sollte, wie sie immer zu sagen pflegte.

Bernadette Kull war eine stolze Frau und wusste, worauf es im Leben ankam. Sie hatte Herbert und seine zwei Schwestern fest im Griff. Wenn sie aus dem Haus ging, zog sie ein steif gebügeltes Deuxpièces an, kämmte ihr schwarzes Haar streng zurück und knotete es im Nacken zu einem kleinen Dutt. Seit dem Tod ihres Mannes trug sie nur noch Schwarz. Das gehörte sich so.

Herberts Vater war kurz vor seinem 40. Geburtstag verstorben. Es hieß, er sei für einen Kuraufenthalt in die Berge gefahren und dort tot zusammengebrochen. Lungenembolie. Seit diesem Tag musste sich Bernadette allein um die Familie kümmern. Finanziell war sie abgesichert. Geld war genug vorhanden. Karl Kull war der Alleinerbe eines Schweizer Hutmachers.

Herberts Großvater, Karl Kull senior, hatte aus dem Nichts eine angesehene Hutfabrik hochgezogen, deren Hüte sogar ins Ausland exportiert wurden. Karl junior indes interessierte sich nicht für das Familienunternehmen und verkaufte die Hutfabrik gleich nach dem Tod des Vaters. Der Verkauf warf eine beachtliche Summe ab. Seine Familie konnte gut davon leben, er selbst gab sich voll und ganz seiner Kunst hin. Er schnitzte Holzfiguren. Ab und zu verkaufte er eine seiner Marienstatuen an eine Kirche. Ein seltener Fall, denn die meisten seiner Kunstwerke hatten das Atelier nie verlassen und stapelten sich in den Kellerregalen. Mit der Zeit wurde die Werkstatt zu einer überfüllten Kammer, die mehr an ein Lager als an ein Kunstatelier erinnerte.

Herberts Vater war ein kleiner Mann mit Schnauzbart gewesen. Von ihm hatte er offensichtlich seine Statur geerbt, nicht aber das dicht gewellte Haar. Er war ein ruhiger, zurückgezogener Mann gewesen. Die Ehe mit Bernadette war mehr oder weniger arrangiert, sie war seine Cousine zweiten Grades.

Karl Kull war mit 30 Jahren immer noch nicht verheiratet gewesen. Also hatte seine Mutter eine kleine Familienfeier organisiert. Bernadette und ihre Schwester Margrit waren zum Fest eingeladen in der Hoffnung, Karl junior würde sich für eine der beiden entscheiden. Denn auch die Schwestern galten mit ihren 27 und 29 Jahren als unvermittelbar. Emotionslos entschied sich Karl junior für Bernadette. Sie war die Jüngere und Hübschere der beiden. Drei Monate später waren sie verheiratet und Bernadette sichtlich verliebt in ihren Mann. Karl junior brauchte etwas länger, um sich an seine Frau und an die Ehe zu gewöhnen. Die erste Zeit schliefen sie in getrennten Schlafzimmern; er tat sich schwer, die Ehe zu vollziehen. Bernadette versuchte mit allen Mitteln, das Interesse ihres Mannes zu wecken. Für lange Zeit ignorierte er sie, bis zu einem gemeinsamen Wochenende in den Bergen. Neun Monate später kam ihre Tochter Evelyne zur Welt. Ein Jahr später folgte Henrietta.

Karl vergötterte seine zwei...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte abgründig • Krimi • Spannungsliteratur
ISBN-10 3-9524463-6-X / 395244636X
ISBN-13 978-3-9524463-6-2 / 9783952446362
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