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Grüner Mars (eBook)

Die Mars-Trilogie
eBook Download: EPUB
2015
Heyne (Verlag)
978-3-641-11639-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Grüner Mars - Kim Stanley Robinson
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Revolution auf dem Mars
Es ist die größte Herausforderung, der sich die Menschheit je gegenübersah: die Besiedlung unseres Nachbarplaneten Mars. Die Verwandlung einer lebensfeindlichen Wüstenwelt in einen blauen Planeten wie die Erde. Von der ersten bemannten Landung auf dem Mars über die frühen Kolonien und ihre Auseinandersetzungen, welche Form von Gesellschaft sie erbauen sollen, bis zum riskanten Versuch, das Klima einer ganzen Welt zu verändern - Kim Stanley Robinson erzählt in seiner Mars-Trilogie die Geschichte der Zukunft wie ein großes historisches Epos.

Kim Stanley Robinson wurde 1952 in Illinois geboren, studierte Literatur an der University of California in San Diego und promovierte über die Romane von Philip K. Dick. Mitte der Siebzigerjahre veröffentlichte er seine ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, 1984 seinen ersten Roman. 1992 erschien mit 'Roter Mars' der Auftakt der Mars-Trilogie, die ihn weltberühmt machte und für die er mit dem Hugo, dem Nebula und dem Locus Award ausgezeichnet wurde. In seinem Roman '2312' erkundet er die verschiedenen Gesellschaftsformen, die die Menschheit nach ihrem Aufbruch ins Sonnensystem erschafft. Zuletzt sind bei Heyne seine Romane 'New York 2140', der in einem vom Klimawandel gezeichneten New York der nahen Zukunft spielt, und sein Bestseller 'Das Ministerium für die Zukunft' erschienen. Kim Stanley Robinson lebt mit seiner Familie in Davis, Kalifornien.

Eines Tages stürzte der Himmel ein. Eisplatten krachten in den Teich und auf den Strand. Die Kinder stoben auseinander wie erschrockene Schnepfen. Nirgal lief über die Dünen ins Dorf, platzte in das Gewächshaus und rief: »Der Himmel stürzt ein, der Himmel stürzt ein!« Peter sprintete durch die Türen und über die Dünen, schneller, als Nirgal ihm folgen konnte.

Zurück am Strand schlugen große Eisschollen in den Sand, und einige Brocken Trockeneis zischten im Wasser des Teiches. Als die Kinder sich alle um ihn gedrängt hatten, stand Peter mit zurückgeworfenem Kopf da und starrte auf die Kuppel hoch über ihnen. »Zurück ins Dorf!«, schrie er in seinem strengen Ton. Auf dem Wege dorthin lachte er. Er krächzte: »Der Himmel stürzt ein!«, und zauste Nirgals Haar. Nirgal errötete, und Dao und Jackie lachten. Ihr gefrorener Atem schoss in raschen weißen Schwaden aus den Mündern.

Peter gehörte zu denen, die an der Seite der Kuppel hochkletterten, um sie zu reparieren. Er, Kasei und Michel krabbelten vor aller Augen über das Dorf, den Strand und dann den Teich, bis sie kleiner als Kinder wirkten. Sie hingen in Seilschlingen, die an Eishaken befestigt waren. Sie besprühten das Loch in der Kuppel mit Wasser, das sofort gefror, bis eine neue klare Schicht das weiße Trockeneis umhüllte.

Als sie wieder herunterkamen, sprachen sie von der sich erwärmenden Außenwelt. Hiroko war aus ihrer kleinen Bambushütte am Teich herausgekommen, um zuzusehen; und Nirgal fragte sie: »Werden wir fortgehen müssen?«

»Wir werden immer fortgehen müssen«, erwiderte Hiroko. »Auf dem Mars ist nichts von Dauer.«

Aber Nirgal gefiel es unter der Kuppel. Am Morgen erwachte er in seinem runden Bambuszimmer hoch in Creche Crescent und lief mit Jackie, Rachel, Frantz und den anderen Frühaufstehern über die eisigen Dünen. Er sah Hiroko am gegenüberliegenden Ufer entlanggehen, mit Bewegungen wie eine Tänzerin. Sie schien über ihrem nassen Spiegelbild zu schweben. Er wollte zu ihr gehen; aber es war Zeit für die Schule.

Sie gingen ins Dorf zurück und drängten sich in die Schulgarderobe. Sie hängten ihre Jacken auf und standen da, ihre blau gefrorenen Hände über das Heizgitter gestreckt, und warteten auf den Lehrer des Tages. Das könnte Dr. Robot sein, der sie zu Tode langweilen würde, während sie sein Augenzwinkern zählen würden wie die Sekunden auf der Uhr. Es könnte die alte, hässliche Gute Hexe sein; und dann würden sie den ganzen Tag wieder im Freien sein und mit Werkzeugen arbeiten. Oder es könnte die Böse Hexe sein, alt und schön; und sie würden den ganzen Morgen an ihren Pulten sitzen müssen und versuchen, auf Russisch zu denken auf die Gefahr hin, einen Klaps zu bekommen, wenn sie kicherten oder einschliefen. Die Böse Hexe hatte silbernes Haar und eine krumme Nase, mit der sie aussah wie die Fischadler, die auf den Kiefern am Teich lebten. Nirgal fürchtete sich vor ihr.

Darum verbarg er wie die anderen seinen Missmut, als sich die Tür öffnete und die Böse Hexe hereinkam. Aber an diesem Tag wirkte sie müde und ließ sie pünktlich gehen, obwohl sie in Arithmetik nicht gut gewesen waren. Nirgal folgte Jackie und Dao aus dem Schulgebäude und um die Ecke zu der Gasse zwischen Creche Crescent und der Rückseite der Küche. Dao pinkelte gegen die Wand, und Jackie zog sich die Hosen herunter, um zu zeigen, dass sie das auch konnte. Gerade in diesem Moment kam die Böse Hexe um die Ecke. Sie zog sie alle am Arm aus der Gasse heraus, Nirgal und Jackie zusammen in einer ihrer Klauen, und draußen auf der Plaza versohlte sie Jackie den Hintern und schrie die Jungen wütend an. »Ihr beide haltet euch von ihr fern! Sie ist eure Schwester!« Jackie weinte und krümmte sich, um ihre Hosen hochzuziehen. Sie sah, wie Nirgal sie anschaute, und versuchte, ihn und Maya mit einem einzigen wütenden Hieb zu treffen. Doch sie fiel auf ihren nackten Hintern und heulte.

Es stimmte nicht, dass Jackie ihre Schwester war. Es gab in Zygote zwölf Sansei oder Kinder der dritten Generation, die sich wie Brüder oder Schwestern kannten, und viele von ihnen waren das auch, aber nicht alle. Das war verwirrend und wurde selten erwähnt. Jackie und Dao waren die ältesten, Nirgal ein Jahr jünger, und der Rest wiederum ein Jahr später geboren: Rachel, Emily, Reull, Steve, Simud, Nanedi, Tiu, Frantz und Huo Hsing. Hiroko war allen in Zygote eine Mutter, aber nicht in Wirklichkeit – nur von Nirgal und Dao und sechs weiteren Sansei sowie der etlichen erwachsenen Nisei. Kinder der Muttergöttin.

Aber Jackie war Esthers Tochter. Esther war nach einem Streit mit Kasei, Jackies Vater, weggegangen. Nicht viele von ihnen wussten, wer ihr Vater war. Nirgal war einmal hinter einer Krabbe her über eine Düne gekrochen, als Esther und Kasei über ihm auftauchten. Esther weinte, und Kasei brüllte: »Wenn du mich verlassen willst, dann hau doch ab!« Auch er hatte geweint. Er hatte einen rosa Eckzahn. Auch er war ein Kind Hirokos, also war Jackie Hirokos Enkelin. So lief das hier. Jackie hatte langes schwarzes Haar und war die schnellste Läuferin in Zygote, außer Peter. Nirgal konnte am längsten rennen und lief manchmal drei oder vier Mal hintereinander um den Teich, nur so. Aber Jackie war schneller im Sprint. Sie lachte die ganze Zeit. Wenn Nirgal mit ihr stritt, sagte sie immer: »In Ordnung, Onkel Nirgie!«, und lachte ihn an. Sie war seine Nichte, obwohl um ein Jahr älter. Aber nicht seine Schwester.

Die Schultür wurde aufgerissen, und Cojote, der Lehrer des Tages, trat ein. Cojote reiste über die ganze Welt und verbrachte nur sehr wenig Zeit in Zygote. Es war ein besonderer Tag, wenn er sie unterrichtete. Er führte sie im Dorf herum und gab ihnen merkwürdige Dinge zu tun; aber während der ganzen Zeit ließ er einen von ihnen laut aus Büchern vorlesen, die sie nicht verstanden, geschrieben von Philosophen, also toten Leuten: Bakunin, Nietzsche, Mao, Bookchin. Die einleuchtenden Gedanken dieser Philosophen lagen wie einzelne Kiesel auf einem langen Strand aus Geschwafel. Die Geschichten, die Cojote sie aus der Odyssee oder der Bibel vorlesen ließ, waren leichter zu verstehen, wenn auch beunruhigend, da die Personen darin einander massenhaft töteten und Hiroko ihnen erklärte, das sei falsch. Cojote lachte über Hiroko und heulte oft ohne ersichtlichen Grund auf, wenn sie diese schauerlichen Geschichten lasen, und fragte sie über das, was sie gerade gehört hatten, aus. Er sprach mit ihnen, als ob sie wüssten, worüber sie redeten. Das war verwirrend. »Was würdet ihr tun? Warum würdet ihr das tun?« Und währenddessen brachte er ihnen bei, wie die Treibstoffwiederaufbereitung des Rickover-Reaktors funktionierte, oder er ließ sie die Druckkolbenhydraulik der Wellenmaschine des Teichs durchprüfen, bis ihre Hände sich von Blau zu Weiß verfärbten und ihre Zähne so klapperten, dass sie nicht mehr deutlich sprechen konnten. »Ihr Kleinen friert wirklich leicht«, sagte er. »Alle außer Nirgal.«

Nirgal kam mit Kälte gut zurecht. Er kannte sie genau, in allen ihren Stufen, und verabscheute ihr Gefühl nicht. Leute, die Kälte nicht mochten, verstanden nicht, dass man sich ihr anpassen konnte. Dass man mit all ihren schlechten Wirkungen durch genügend Kraft von innen heraus fertigwerden konnte. Nirgal war auch mit Wärme gut vertraut. Wenn man Wärme stark genug ausstieß, wurde Kälte nur zu einer Art unsichtbarer Hülle, in der man sich bewegte. Und so wirkte Kälte letztlich als ein Stimulans, das zum Laufen anregte.

»He, Nirgal, wie ist die Lufttemperatur?«

»Minus zwei Komma eins fünf.«

Cojotes Lachen war gruselig, ein animalisches Gackern, das alle Geräusche enthielt, die man machen konnte. Und es klang jedes Mal anders. »Okay, halten wir die Wellenmaschine an und sehen mal, wie der Teich ausschaut, wenn er flach ist!«

Das Wasser des Teichs war immer flüssig, während das die Unterseite der Kuppel bedeckende Wassereis gefroren bleiben musste. Dies erklärte sehr viel von ihrem mesokosmischen Wetter, wie Sax es nannte, das Nebel und plötzliche Winde sowie Regen und Dunst und gelegentlichen Schnee erzeugte. An diesem Tag lief die Wettermaschine fast nicht, und der große halbkugelförmige Raum unter der Kuppel war beinahe windstill. Bei abgestellter Wellenmaschine beruhigte sich der Teich bald zu einer runden flachen Platte. Die Oberfläche des Wassers nahm die gleiche weiße Farbe an wie die Kuppel darüber; aber der von Grünalgen bedeckte Seegrund war durch den weißen Schimmer noch zu erkennen. Der Teich war gleichzeitig weiß und dunkelgrün. Am gegenüberliegenden Ufer wurden die Dünen und Krüppelkiefern in diesem zweifarbigen Wasser perfekt gespiegelt. Nirgal starrte dieses Bild benommen an. Er nahm nichts anderes mehr wahr bis auf diesen pulsierenden grünweißen Anblick. Er erkannte, dass es zwei Welten gab, nicht eine – zwei Welten an der gleichen Stelle, beide sichtbar, getrennt und verschieden, aber zusammengefallen, sodass man sie nur aus bestimmten Blickwinkeln als zwei wahrnehmen konnte. Man konnte sich gegen die Hülle des Sehens stemmen, wie man gegen die Hülle der Kälte drückte. Drücken! Diese Farben!

»Mars an Nirgal, Mars an Nirgal!«

Sie lachten gutmütig über ihn. Er täte das immer, sagten sie ihm. Ging geistig fort. Seine Freunde mochten ihn, das sah er in...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2015
Reihe/Serie Die Mars-Trilogie
Die Mars-Trilogie
Übersetzer Winfried Petri
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Green Mars
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Besiedlung • eBooks • Erde • Galaxie • Gesellschaft • Herausforderung • Klima • Kolonie • Landung • Mars • Menschheit • Planet • Revolution • Science-fiction • Serien • Trilogie • Universum • Veränderung • Weltall • Weltraum • Wüstenwelt • Zukunft
ISBN-10 3-641-11639-2 / 3641116392
ISBN-13 978-3-641-11639-2 / 9783641116392
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