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Schule des Schweigens (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
608 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-17650-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schule des Schweigens -  Jeffery Deaver
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24 Stunden Nervenkitzel vom Großmeister der unvorhersehbaren Spannung!
In Kansas entführen drei entflohene Schwerverbrecher einen Schulbus mit zwei Lehrerinnen und acht taubstummen Mädchen. Sie flüchten mit ihnen in einen abgelegenen ehemaligen Schlachthof und stellen ein Ultimatum: Im Austausch gegen ihre Geiseln wollen sie einen Hubschrauber - sonst stirbt jede Stunde ein Mädchen. Arthur Potter, psychologisch geschulter FBI-Spezialist, ist fest entschlossen, die Täter zur Strecke zu bringen. Während die Geiseln im Schlachthof durch die Hölle gehen, nimmt ein nervenaufreibendes Feilschen um ihre Leben seinen Lauf.

Jeffery Deaver gilt als einer der weltweit besten Autoren intelligenter psychologischer Thriller. Seit seinem ersten großen Erfolg als Schriftsteller hat Jeffery Deaver sich aus seinem Beruf als Rechtsanwalt zurückgezogen und lebt nun abwechselnd in Virginia und Kalifornien. Seine Bücher, die in 25 Sprachen übersetzt werden und in 150 Ländern erscheinen, haben ihm zahlreiche renommierte Auszeichnungen eingebracht. Nach der weltweit erfolgreichen Kinoverfilmung begeisterte auch die TV-Serie um das faszinierende Ermittler- und Liebespaar Lincoln Rhyme und Amelia Sachs die Zuschauer. Neben Lincoln Rhyme hat Deaver mit Colter Shaw einen weiteren außergewöhnlichen Serienhelden geschaffen.

8.30 Uhr

»Acht graue Vögel sitzen im Dunkeln.

Kalter Wind weht, er ist nicht freundlich.«

Der kleine gelbe Schulbus rollte über die Kuppe eines steilen Hügels, und einen Augenblick lang sah sie nur einen riesigen Teppich aus hellem Weizen, tausend Meilen breit, der unter dem grauen Himmel wogte. Dann tauchten sie wieder darin ein, und der Horizont verschwand.

»Sie sitzen auf Drähten, schlagen mit den Flügeln

und segeln davon in weiße Wolkenberge.«

Sie machte eine Pause und sah die Mädchen an, die beifällig nickten. Sie merkte, dass sie den dichten Weizenteppich angestarrt und ihr Publikum ignoriert hatte.

»Bist du nervös?«, fragte Shannon.

»Das darfst du nicht fragen«, warnte Beverly. »Bringt Unglück.«

Nein, erklärte Melanie ihnen, sie sei nicht nervös.

Sie sah wieder aus dem Fenster und beobachtete die draußen vorbeiziehenden Felder.

Drei der Mädchen dösten, aber die anderen fünf waren hellwach und warteten darauf, dass Melanie fortfuhr. Sie begann wieder, wurde aber unterbrochen, bevor sie die nächste Zeile rezitiert hatte.

»Warte, was für Vögel sind das eigentlich?« Kielle runzelte die Stirn.

»Nicht unterbrechen.« Das kam von der siebzehnjährigen Susan. »Leute, die andere unterbrechen, sind Philister.«

»Bin ich nicht!«, wehrte Kielle ab. »Was ist das?«

»Krass ist es, du Dummkopf«, erklärte Susan ihr.

»Was ist krass?«, wollte Kielle wissen.

»Lass sie weitermachen!«

Melanie fuhr fort:

»Acht kleine Vögel, hoch am Himmel,

Fliegen die ganze Nacht, bis sie die Sonne finden.«

»Auszeit!« Susan lachte. »Gestern waren es fünf Vögel.«

»Jetzt unterbrichst du sie«, stellte der magere Wildfang Shannon fest. »Philadelphier!«

»Philister«, verbesserte Susan sie.

Die pummelige Jocylyn nickte nachdrücklich, als hätte sie den Ausrutscher ebenfalls bemerkt, wäre aber zu schüchtern gewesen, um darauf hinzuweisen. Jocylyn war zu schüchtern, um überhaupt viel zu tun.

»Aber ihr seid acht, darum habe ich die Zahl geändert.«

»Darfst du das einfach?«, wollte Beverly wissen. Mit vierzehn war sie die zweitälteste Schülerin.

»Es ist mein Gedicht«, antwortete Melanie. »Ich kann so viele Vögel erfinden, wie ich will.«

»Wie viele Leute sind dort? Im Theater?«

»Hunderttausend.« Melanie wirkte völlig ernsthaft.

»Nein! Wirklich?«, fragte die achtjährige Shannon ganz begeistert, während die nicht so leicht zu beeindruckende gleichaltrige Kielle die Augen verdrehte.

Das eintönige Landschaftsbild des südlichen Mittelkansas zog Melanies Blick erneut an. Die blauen Harvestore-Fertigsilos waren die einzigen Farbtupfer. Es war Juli, aber der Tag war kühl und wolkenverhangen; Regen drohte. Sie kamen an gigantischen Mähdreschern und Bussen voller Wanderarbeiter vorbei, die ihre Porta-Potti-Toilettenhäuschen auf Anhängern mitführten. Sie sahen Grundbesitzer und Landpächter, die ihre riesigen Traktoren steuerten. Melanie bildete sich ein, sie nervös zum Himmel aufblicken zu sehen; es war Erntezeit für den Winterweizen, und wenn es jetzt einen Sturm gäbe, könnte das acht Monate Arbeit zunichtemachen.

Die junge Frau wandte sich vom Fenster ab und betrachtete leicht verlegen ihre Fingernägel, die sie jeden Abend gewissenhaft pflegte und feilte. Mit ihrem unauffälligen Nagellack sahen sie wie makellose Perlmuttmuscheln aus. Sie hob die Hände und rezitierte nochmals mehrere Gedichte, wobei ihre Finger elegant die Worte bildeten. Jetzt waren die Mädchen alle wach – vier sahen aus dem Fenster, drei beobachteten Melanies Finger, und die pummelige Jocylyn Weiderman ließ ihre Lehrerin nicht aus den Augen.

Diese Felder gehen endlos weiter, dachte Melanie. Susans Blick folgte Melanies. »Das sind Rabenvögel«, sagte der Teenager mit den Fingern. »Krähen.«

Ja, das waren sie. Nicht fünf oder zehn, sondern tausend, ein ganzer Schwarm. Die Krähen beobachteten die Felder, den gelben Bus und den wolkenverhangenen Himmel, grau und purpurrot.

Melanie sah auf die Uhr. Sie waren noch nicht einmal auf dem Highway. Topeka würden sie in frühestens drei Stunden erreichen.

Der Schulbus fuhr in den nächsten Cañon aus Weizen hinunter.

Melanie spürte, dass irgendetwas nicht stimmte, bevor sie auch nur einen einzigen Hinweis bewusst wahrnahm. Später würde sie zu dem Schluss gelangen, der Auslöser dafür sei keine übersinnliche Botschaft oder Vorahnung, sondern allein die Tatsache gewesen, dass Mrs. Harstrawns kräftige, rote Finger das Lenkrad nervös umklammerten.

Hände, in Bewegung.

Dann verengten sich die Augen der Älteren. Sie bewegte ihre Schultern. Ihre Kopfhaltung veränderte sich kaum wahrnehmbar. Die kleinen Dinge, durch die der Körper verrät, was das Gehirn denkt.

»Schlafen die Mädchen?« Die Frage war knapp, und die Finger kehrten sofort ans Lenkrad zurück. Melanie hastete nach vorn und signalisierte, dass sie nicht schliefen.

Die Zwillingsschwestern Anna und Suzie, zart wie Federn, setzten sich nun auf und beugten sich nach vorn, sodass ihr Atem die breiten Schultern der älteren Lehrerin traf. Mrs. Harstrawn scheuchte sie zurück. »Nein, nicht rausschauen! Setzt euch hin und seht aus dem anderen Fenster. Los, sofort! Aus dem linken Fenster.«

Dann sah Melanie den Wagen. Und das Blut. Grässlich viel Blut. Sie sorgte dafür, dass die Mädchen auf ihre Plätze zurückkehrten.

»Nicht hinsehen«, wies Melanie sie an. Ihr Herz raste wie wild, ihre Arme wogen plötzlich tausend Pfund. »Und schnallt euch an.« Sie hatte Mühe, die Worte zu bilden.

Jocylyn, Beverly und die zehnjährige Emily befolgten ihre Anweisung sofort. Shannon schnitt eine Grimasse und riskierte mehrere Blicke, Kielle ignorierte Melanie einfach. Susan dürfe hinsehen, stellte sie fest. Warum nicht auch sie?

Eine der Zwillinge, Anna, saß unbeweglich da, hatte die Hände in den Schoß gelegt und war blasser als sonst – in auffälligem Gegensatz zum nussbraunen Teint ihrer Schwester. Melanie strich ihr tröstend übers Haar. Sie deutete aus dem linken Seitenfenster. »Sieh dir den Weizen an«, forderte sie die Kleine auf.

»Total interessant«, antwortete Shannon sarkastisch.

»Die armen Leute.« Die zwölfjährige Jocylyn wischte sich die reichlich fließenden Tränen von den dicken Backen.

Der burgunderrote Cadillac war ins Schleudern geraten und gegen den eisernen Absperrschieber einer Bewässerungsanlage geknallt. Von der Motorhaube stieg eine Dampfwolke auf. Der Fahrer, ein älterer Mann, hing halb aus dem Wagen, sodass sein Kopf auf dem Asphalt lag. Melanie sah jetzt auch einen zweiten Wagen, einen grauen Chevy. Der Zusammenstoß war auf einer Kreuzung passiert. Der Cadillac hatte anscheinend Vorfahrt gehabt und den grauen Wagen gerammt, der ein Stoppschild überfahren haben musste. Der Chevy war von der Straße abgekommen und im hohen Weizen gelandet. In diesem Wagen schien niemand zu sitzen, aber die Motorhaube war demoliert, und der Kühler dampfte ebenfalls.

Mrs. Harstrawn brachte den Bus zum Stehen und legte ihre Hand auf den abgewetzten verchromten Türgriff.

Nein!, dachte Melanie. Fahr weiter! Zu einem Laden, einem 7-Eleven, einem Haus. Sie waren seit vielen Meilen an nichts mehr vorbeigekommen; aber vor ihnen lag bestimmt irgendetwas. Nicht halten. Weiterfahren. Das hatte sie gedacht. Aber ihre Hände mussten sich dabei bewegt haben, denn Susan antwortete: »Nein, wir müssen halten. Er ist verletzt.«

Aber das Blut!, dachte Melanie. Sie sollten nicht mit seinem Blut in Berührung kommen. Es gab Aids, es gab andere Dinge, mit denen man sich anstecken konnte.

Diese Leute brauchten Hilfe, aber sie brauchten offizielle Hilfe.

Acht graue Vögel sitzen im Dunkeln …

Susan, acht Jahre jünger als Melanie, sprang als Erste aus dem Schulbus und rannte auf den Verletzten zu. Ihr langes schwarzes Haar wehte im böigen Wind.

Dann Mrs. Harstrawn.

Melanie blieb noch sitzen, starrte nach draußen. Der Fahrer lag mit einem grässlich verdrehten Bein wie eine mit Sägemehl gefüllte Puppe da. Sein Kopf hing schlaff herunter, seine Hände waren dick und blass.

Sie hatte noch nie eine Leiche gesehen.

Aber er ist natürlich nicht tot. Nein, nein, nur Schnittwunden. Nichts Ernstes. Er ist nur ohnmächtig.

Die kleinen Mädchen drehten sich nacheinander um und betrachteten die Unfallstelle. Kielle und Shannon natürlich als Erste – das dynamische Duo, die Power Rangers, die X-Men. Dann die zerbrechliche Emily, die inbrünstig betend die Hände faltete. (Ihre Eltern bestanden darauf, dass sie Gott allabendlich bat, ihr das Gehör wiederzugeben. Das hatte sie außer Melanie noch niemandem anvertraut.) Beverly griff sich an die Brust: eine instinktive Geste, denn ihr nächster Anfall stand keineswegs unmittelbar bevor.

Melanie stieg aus und ging auf den Cadillac zu. Auf halber Strecke verlangsamte sie ihren Schritt. Vor dem grauen Himmel, dem grauen Weizen, der hellgrauen Straße war das Blut schrecklich rot. Und es war überall: auf der Glatze des Mannes, auf seiner Brust, an der Autotür, auf dem gelben Lederpolster.

Auf der Achterbahn der Angst stürzte ihr Herz dem Erdboden entgegen.

Mrs. Harstrawn, Mutter zweier halbwüchsiger Jungen, war eine humorlose Frau, intelligent,...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2015
Übersetzer Wulf Bergner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel A Maiden's Grave
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • Entführung • FBI • Geiselnahme • Kansas • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Psychothriller • Schlachthof • Schülerinnen • Schulklasse • Schwerverbrecher • Taubstumm • Thriller • Ultimatum
ISBN-10 3-641-17650-6 / 3641176506
ISBN-13 978-3-641-17650-1 / 9783641176501
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