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Die Sprache der Knochen (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
400 Seiten
Blessing (Verlag)
978-3-641-16590-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Sprache der Knochen -  Kathy Reichs
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Nur wer ihre Sprache versteht, kann die Geheimnisse der Knochen lüften.
In 'Die Sprache der Knochen' sieht sich die forensische Anthropologin Tempe Brennan vor einige Rätsel gestellt - darunter auch, was sie auf den Heiratsantrag von Detective Andrew Ryan antworten soll. Doch die Fragen zu ihrem Familienstand treten in den Hintergrund, als eine Hobbydetektivin behauptet, menschliche Überreste in Brennans Labor einer vermissten jugnen Frau zuordnen zu können. Tempe beschließt, die Hinweise ernst zu nehmen und die Spur weiter zu verfolgen, die auf einen Mord hinzudeuten scheint. Doch kaum in die Ermittlungen eingestiegen, zieht es Brennan in die düstere Welt einer fanatischen religösen Gemeinschaft. Deren streng gehütete Geheimnisse muss Brennan schnellstens aufdecken, will sie weitere Todesfälle verhindern.

Mit dem neuesten Fall für Tempe Brennan knüpft Kathy Reichs nahtlos an ihren letzten Erfolg, den SPIEGEL-Bestseller 'Knochen lügen nie', an und hilft ihrer weltweit millionenstarken Fangemeinde, die 'Sprache der Knochen' noch besser zu verstehen.

Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES - Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

2

Die Knöchel der Frau wölbten sich bleich unter rissiger, spröder Haut. Mit knotigem Finger drückte sie einen Knopf auf dem Gerät in dem Ziploc-Beutel.

Es wurde still im Zimmer.

Ich saß reglos da, die Nackenhaare aufgestellt.

Die Augen der Frau starrten in meine. Sie waren grün mit gelben Einsprengseln, was mich an eine Katze denken ließ. Eine Katze, die den richtigen Augenblick abwarten und dann mit tödlicher Genauigkeit zuschlagen konnte.

Ich ließ das Schweigen gewähren. Nicht zuletzt, um meine Nerven zu beruhigen. Vor allem aber, um die Frau zu ermutigen, den Grund ihres Besuchs zu erläutern. In ein paar Stunden musste ich in einem Flugzeug sitzen. Und ich hatte noch so viel zu tun, bevor ich mich zum Flughafen aufmachte. Nach Montreal und zu Ryan. Ich brauchte das hier nicht. Aber ich wollte unbedingt wissen, was die entsetzlichen Geräusche bedeuteten, die ich eben gehört hatte.

Die Frau saß vornübergebeugt auf ihrem Stuhl. Angespannt. Voller Erwartung. Sie war groß, mindestens einsachtzig, und trug Stiefel, Jeans und ein Jeanshemd, das bis zu den Ellbogen aufgekrempelt war. Ihre Haare waren gefärbt und so rot wie der Aschebelag in Roland Garros. Sie hatte sie zu einem Dutt oben auf dem Kopf zusammengefasst.

Mein Blick löste sich von den Katzenaugen und wanderte zu der Wand hinter der Frau. Zu einer gerahmten Urkunde, die Temperance Brennan vom American Board of Forensic Anthropology auszeichnete. Die Prüfung war eine harte Nuss gewesen.

Ich war mit meiner Besucherin allein in den knapp elf Quadratmetern, die man der beratenden forensischen Anthropologin des Mecklenburg County Medical Examiner zugestand. Ich hatte die Tür offen gelassen. Wusste nicht so recht, warum. Normalerweise mache ich sie zu. Irgendetwas an der Frau bereitete mir Unbehagen.

Vertraute Arbeitsgeräusche drangen vom Gang herein. Das Klingeln eines Telefons. Die Kühlraumtür, die zischend auf- und mit einem Klicken wieder zuging. Eine Rolltrage mit Gummirädern, die zu einem Autopsiesaal geschoben wurde.

»Es tut mir leid.« Ich war erleichtert, dass meine Stimme so ruhig klang. »Die Empfangsdame hat mir Ihren Namen genannt, aber ich habe meine Notiz verlegt.«

»Strike. Hazel Strike.«

Das ließ in meinem Hirn ein Glöckchen klingen. Was?

»Man nennt mich auch Lucky.«

Ich sagte nichts.

»Aber ich verlasse mich nicht auf mein Glück. Ich arbeite hart.« Obwohl ich Strike auf Anfang bis Mitte sechzig schätzte, war ihre Stimme noch kräftig wie die einer Mittzwanzigerin. Der Akzent ließ darauf schließen, dass sie aus der Gegend kam.

»Und was tun Sie genau, Ms. Strike?«

»Mrs. Mein Mann verstarb vor sechs Jahren.«

»Mein Beileid.«

»Er musste ja unbedingt rauchen.« Sie hob leicht eine Schulter. »Und dann bezahlt man eben den Preis.«

»Was tun Sie genau?«, wiederholte ich, weil ich wollte, dass Strike zum Punkt kam.

»Die Toten nach Hause schicken.«

»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«

»Ich ordne Leichen vermissten Personen zu.«

»Das ist die Aufgabe der Ermittlungsbehörden in Zusammenarbeit mit Coroners und Medical Examiners«, sagte ich.

»Und ihr Profis schafft es jedes Mal.«

Ich verkniff mir eine schnippische Erwiderung. Strike hatte nicht ganz unrecht. Statistiken, die ich gelesen hatte, gaben die Anzahl der Vermissten in den Vereinigten Staaten mit etwa 90 000 an, und die Anzahl der nicht identifizierten Überreste der letzten fünfzig Jahre mit über 40 000. Die letzte Zählung, die ich las, nannte 115 nicht identifizierte Tote in North Carolina.

»Wie kann ich Ihnen helfen, Mrs. Strike?«

»Lucky.«

»Lucky.«

Strike legte den Ziploc-Beutel neben eine leuchtend gelbe Fallakte auf meiner Schreibunterlage. Darin steckte ein graues Plastikrechteck, ungefähr fünf Zentimeter breit, zehn Zentimeter lang und einen guten Zentimeter dick. Ein Metallring an einem Ende deutete auf eine Doppelfunktion als Rekorder und Schlüsselanhänger hin. Ein Band aus verblasstem Jeansstoff ließ vermuten, dass das Ding am Bund einer Jeans gehangen hatte.

»Beeindruckendes kleines Spielzeug«, sagte Strike. »Mit Stimmaktivierung. Zwei Gigabyte interner Flash-Speicher. Kriegt man für weniger als hundert Dollar.«

Der gelbe Aktendeckel rief mich. Vorwurfsvoll. Vor zwei Monaten war ein Mann in seinem Fernsehsessel gestorben, die Fernbedienung noch in der Hand. Am vergangenen Wochenende war seine mumifizierte Leiche von einem sehr unglücklichen Hausbesitzer gefunden worden. Ich musste dieses Gespräch hier abschließen und mich wieder an meine Untersuchung machen. Dann nach Hause, um zu packen und meine Katze bei meinem Nachbarn abzugeben.

Aber diese Stimmen. Mein Puls war immer noch höher als normal. Ich wartete.

»Die Aufnahme dauert fast zwanzig Minuten. Aber die fünf, die Sie gehört haben, reichen völlig, damit Sie verstehen, worum es geht.« Strike schüttelte kurz den Kopf. Was den Dutt auf ihrem Kopf leicht seitlich verschob. »Jagt einem eine Heidenangst ein, was?«

»Die Aufnahme ist verstörend, zugegeben.« Das war reichlich untertrieben.

»Finden Sie?«

»Vielleicht sollten Sie sie der Polizei vorspielen.«

»Ich spiele sie Ihnen vor, Doc.«

»Ich glaube, ich habe drei Stimmen gehört.« Meine Neugier rang jetzt meine Zurückhaltung nieder. Zusammen mit einer unguten Vorahnung.

»Das denke ich auch. Zwei Männer und das Mädchen.«

»Was passiert da?«

»Keine Ahnung.«

»Wer hat gesprochen?«

»Eine Theorie habe ich nur zu einer Person.«

»Und die lautet?«

»Darf ich ein bisschen ausholen?«

Ich warf einen schnellen Blick auf meine Armbanduhr. Nicht so verstohlen, wie ich geglaubt hatte.

»Oder ist es gar nicht Ihre ›Aufgabe‹, Leichen Namen zu geben.« Strikes Finger versahen den Begriff, den ich Augenblicke zuvor verwendet hatte, mit sarkastischen Anführungszeichen.

Ich lehnte mich zurück und setzte mein Zuhörergesicht auf.

»Wissen Sie, was ein Websleuth ist?«

Darum ging es also. Ich schwor mir, meine Stimme sachlich, aber meine Antwort kurz zu halten.

»Websleuths sind Internetdetektive, Amateure, die online versuchen, alte Fälle zu lösen.« Möchtegernforensiker und -polizisten. Übereifrige Fans von NCIS, Cold Case, CSI und Bones. Das behielt ich für mich.

Strikes Brauen wanderten über der Nase zusammen. Sie waren dunkel und passten nicht so recht zu der blassen Haut und den rot gefärbten Haaren. Sie musterte mich lang, bevor sie etwas erwiderte.

»Wenn Leute sterben, bekommen sie meistens ein Begräbnis, eine Totenwache, einen Gedenkgottesdienst. Eine Trauerrede, einen Nachruf in der Zeitung. Manche kriegen Sterbebilder mit ihrem Foto und einer Abbildung von Engeln oder Heiligen oder sonst was drauf. Wenn man eine große Nummer war, wird eine Schule oder eine Brücke nach einem benannt. So sollte es eigentlich sein. So sollten wir mit dem Tod umgehen. Indem man die Lebensleistung eines Menschen anerkennt.

Aber was passiert, wenn jemand einfach verschwindet? Puff.« Strike brachte die Finger zusammen und ließ sie wieder auseinanderschnellen. »Ein Mann geht zur Arbeit und verschwindet? Eine Frau steigt in einen Bus ein und nirgends wieder aus?«

Ich wollte etwas sagen, aber Strike redete weiter.

»Und was passiert, wenn eine nicht identifizierte Leiche auftaucht? An einem Straßenrand, in einem Teich, in einen Teppich gewickelt und in einem Schuppen versteckt?«

»Wie schon gesagt, das ist die Aufgabe von Polizei und Medical Examiner. Hier in dieser Einrichtung tun wir alles uns Mögliche, um dafür zu sorgen, dass alle menschlichen Überreste identifiziert werden, unabhängig von den Umständen und ihrem Zustand.«

»Das mag vielleicht hier so sein. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass es woanders reine Glückssache ist. Eine Leiche hat vielleicht Glück, sie wird nach Narben, Piercings, Tattoos, alten Verletzungen untersucht, man nimmt ihr die Fingerabdrücke ab und sammelt eine Gewebeprobe für eine DNS-Untersuchung. Eine verweste Leiche oder ein Skelett landet vielleicht bei einem Experten wie Ihnen, dann wird der Zahnstatus dokumentiert, Geschlecht, Alter, Abstammung und Größe werden in eine Datenbank eingegeben. In einem anderen Zuständigkeitsbereich werden ähnliche Überreste vielleicht einmal flüchtig untersucht, dann landen sie in einem Kühlraum, einem Hinterzimmer, einem Keller. Eine namenlose Leiche wird vielleicht ein paar Wochen oder ein paar Tage aufbewahrt, dann wird sie verbrannt und anonym bestattet.«

»Mrs. Strike –«

»Verloren. Ermordet. Weggeworfen. Von niemandem beansprucht. Dieses Land quillt über von vergessenen Toten. Und irgendwo fragt irgendwer nach jeder einzelnen dieser Seelen.«

»Und Websleuthing ist eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen.«

»Verdammt richtig.« Strike schob sich energisch die Ärmel weiter hoch, als wären sie ihr plötzlich am Ellbogen zu eng geworden.

»Verstehe.«

»Wirklich? Haben Sie je eine Websleuthing-Seite besucht?«

»Nein.«

»Wissen Sie, was in diesen Foren abgeht?«

Da ich die Frage als rhetorische verstand, antwortete ich nicht.

»Nicht identifizierte Leichen werden mit neckischen, kleinen Spitznamen versehen. Princess Doe. Die Lady of the Dunes. Das Tent Girl. Little Miss Panasoffkee. Baby Hope.«

Aus dem...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2016
Reihe/Serie Die Tempe-Brennan-Romane
Übersetzer Klaus Berr
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Speaking in Bones
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bones • Die Knochenjägerin • eBooks • Forensik • Gerichtsmedizin • Tatort • Tempe Brennan • Thriller
ISBN-10 3-641-16590-3 / 3641165903
ISBN-13 978-3-641-16590-1 / 9783641165901
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