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Die Henkerstochter und das Spiel des Todes (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
624 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1199-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Henkerstochter und das Spiel des Todes -  Oliver Pötzsch
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In Oberammergau herrscht kurz vor Pfingsten 1670 helle Aufregung. Bei den Proben zum berühmten Passionsspiel wird der Christus-Darsteller tot aufgefunden. Er wurde gekreuzigt. Jeder verdächtigt jeden. Der Schongauer Henker Jakob Kuisl und der Bader Simon Fronwieser werden um die Aufklärung des Todesfalls gebeten, doch sie stoßen auf eine Wand des Schweigens. Als ein weiterer Darsteller den Märtyrertod stirbt, glauben die Dorfbewohner an eine Strafe Gottes und wollen erst recht nicht mit den beiden Fremden reden. Erst als Kuisls Tochter Magdalena in Oberammergau eintrifft, stoßen der Henker und seine Familie auf eine Spur des Mörders, die sie tief ins Gebirge führt.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der Henkerstochter-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, war jahrelang Filmautor beim Bayerischen Rundfunk und lebt heute als Autor in München. Seine historischen Romane um den Schongauer Henker Jakob Kuisl haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht.

Kapitel 2

Schongau, in der Nacht des 4. Mai,
Anno Domini 1670

Geduckt und im Schatten der Häuser eilte Barbara durch die Gassen Schongaus zum Gerberviertel jenseits der Stadtmauern. Die sogenannte Bierglocke, die um neun Uhr abends den Torschluss ankündigte, hatte schon längst geläutet. Wie so oft würde sie das Einmanntor am alten Einlass passieren müssen. Der versoffene Wächter Johannes hatte bei ihr schon ein paarmal die Augen zugedrückt. Sie konnte nur hoffen, dass er es auch diesmal tat. Vermutlich würde sie ihm dafür ein wenig um den Bart gehen müssen.

Kalter Schweiß klebte ihr auf der Haut, trotz der späten Stunde fühlte sie sich hellwach. Sie hatte so wild getanzt, dass sie am Ende sogar einen Tisch umstieß. Der Wirt wollte sie schon hinauswerfen, doch Karl, ihr Begleiter, hatte sich dazwischengeworfen. Daraufhin war es zu einer wilden Rauferei gekommen, bei der Stühle zertrümmert und Bierhumpen zerschlagen wurden. Am Ende hatte man ihr, der liederlichen Henkerstochter, mal wieder die Schuld an allem gegeben. Im letzten Moment, bevor die Nachtwächter kamen, war sie geflohen. Barbara grinste.

Nun, wenigstens hatte sie ihren Spaß gehabt.

Jemand pfiff ihr von irgendwo hinterher, und sie zog ihr Tuch enger um den Kopf in der Hoffnung, in der Dunkelheit nicht erkannt zu werden. Ihre wilden Locken schauten trotzdem hervor. Das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte, war eine Begegnung mit ihrem Vater. Karl, der Gerbergeselle, hatte ihn noch am Abend im Gasthaus ›Zur Sonne‹ gesehen, wo die einfachen Handwerker und Bauern verkehrten. Gut möglich, dass auch ihr Vater noch nach der Sperrstunde unterwegs war. Jakob Kuisl kannte die meisten Torwächter, vielen hatte er schon geholfen, wenn sie krank oder verletzt waren. Vor allem bei den kleinen Leuten war der Henker als Heiler beliebt, und so trank Kuisl mit den Bütteln oft noch ein letztes Glas Branntwein, bevor er sich auf den Heimweg machte.

In Gedanken versunken, eilte Barbara auf den Alten Einlass zu. Immer noch tat es ihr leid, dass sie ihren Vater vorher so angefahren hatte. Vermutlich war es vor allem ihre Angst gewesen, er könnte ihr kleines Geheimnis erraten. Im Grunde liebte sie ihn doch! Seine bärbeißige Art, sein knurriges Temperament, unter dem sich ein sensibles, für einen Scharfrichter ganz untypisches Wesen verbarg. Ihr Vater war nicht nur stark, er war auch äußerst scharfsinnig und belesen, mehr als die meisten der tumben Schongauer jedenfalls. Höchstens der Schreiber Johann Lechner nahm es an Klugheit mit ihm auf. Umso trauriger machte es Barbara, dass der Vater so viel trank. Der Alkohol veränderte seinen Charakter, und was noch schlimmer war: Sie konnte dann nicht mehr stolz auf ihn sein.

Sie schämte sich für ihn.

Ihre Schwester Magdalena hatte ihr einmal erzählt, dass auch der Großvater als Säufer gestorben war. Barbara konnte nur beten, dass dies kein Familienschicksal war.

Doch vielleicht sieht unser Schicksal ganz anders aus, dachte sie. Und ich komme ihm gerade auf die Spur. Diese Bücher …

Ein zischender Laut ließ sie innehalten. Zunächst vermutete sie einen weiteren Verehrer, der auf sich aufmerksam machen wollte, doch dann wurde sie stutzig. Das Zischen kam eindeutig vom ehemaligen Friedhof hinter der Kirche, der seit längerem nicht mehr benutzt wurde. Eine Mauer mit einem rostigen Eisengatter trennte ihn von der Gasse, dahinter waren einige behauene Felsbrocken, Mörtelsäcke und ein paar schiefe Grabsteine zu sehen. Neugierig blieb Barbara stehen und erblickte hinter dem Gatter zwei Gestalten, die sich leise unterhielten. Das Klimpern von Münzen war zu hören, dann ertönte Gelächter.

Barbara presste die Stirn gegen das Eisengatter, um mehr erkennen zu können. In der Dunkelheit waren die Männer nicht sonderlich gut zu sehen, doch zumindest einer von ihnen wirkte auffallend gut gekleidet, mit einem weiten, dunklen Mantel und einem Hut mit breiter Krempe. Der andere trug einen seltsam geformten Stopselhut, der für die Schongauer Gegend ungewöhnlich war. Barbara war sich sicher: Das waren keine Herumtreiber oder Bettler, wie man sie an einem solchen Ort hätte vermuten können, und auch keine betrunkenen Handwerksgesellen.

Was also hatten die Männer dort verloren?

Mit einem Kopfnicken verabschiedete sich nun der Mann mit dem Stopselhut und näherte sich dem Gatter. Barbara duckte sich hinter die Mauer und spähte immer noch neugierig durch eine Ritze. Der Fremde hatte eine sehr kräftige Statur und den wiegenden Schritt eines erfahrenen Schlägers. Die Krempe des Huts hatte er so tief gezogen, dass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Eine stumme Bedrohung ging von ihm aus. Noch einmal wandte er sich zu dem anderen Mann um und zischte ihm einen Abschiedsgruß zu.

»Haltet Euch bereit!«, befahl er. »Ihr werdet bald wieder von uns hören.«

Seine Stimme hatte einen seltsamen, harten Klang. Barbara brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, dass es sich um Tiroler Dialekt handelte, ein Zungenschlag, den man im Pfaffenwinkel nicht so oft vernahm.

Ein klammes Gefühl machte sich in ihr breit. Sie eilte davon, die Gasse entlang, damit der zweite Mann sie nicht erspähte. Als sie bereits ein gutes Stück weit gelaufen war, hörte sie hinter sich Schritte, die schnell näher kamen. Ob der Bursche sie etwa verfolgte? Hatte sie vielleicht etwas mitbekommen, was nicht für ihre Augen bestimmt war?

Barbara drehte sich um und stieß einen leisen Schrei aus. Tatsächlich stand da jemand in der Gasse. Ob es einer der beiden Männer vom Friedhof war, ließ sich nicht genau sagen. Doch auch er trug einen dunklen Mantel. Seinen Hut hatte er abgenommen, und er lächelte breit.

»Die liebe Barbara!«, rief der Mann, als hätte er sie in der Dämmerung erst jetzt erkannt, und breitete die Arme aus. »Was für eine Freude, dich hier zu sehen. Dein Anblick lässt diesen mühsamen, arbeitsreichen Tag angenehm ausklingen!«

Babara atmete erleichtert aus. »Ach, Ihr seid es nur, Doktor Ransmayer. Ihr habt mir einen gehörigen Schrecken eingejagt. Ich dachte schon …«

»Was dachtest du?«, wollte der gutgekleidete Herr wissen und kam auf sie zu.

Barbara winkte ab. »Vergesst es. Ich habe Euch wohl mit jemandem verwechselt.« Dann fügte sie spöttisch hinzu: »Oder treibt Ihr Euch etwa in dunklen Gassen mit zwielichtigem Gesindel herum?«

»Zwielichtiges Gesindel? O Gott, nein!« Der Arzt lachte, doch es klang ein wenig künstlich. »Also gut, ich gebe zu, ich habe dich vorher noch mit den anderen Burschen oben beim ›Stern‹ gesehen und hatte die Hoffnung, hier wieder auf dich zu stoßen.« Er hob die Arme in einer Geste des Aufgebens. »Touché.«

»Nun, wenn Ihr es unbedingt auf ein Treffen mit mir abgesehen habt, Herr Doktor, dann wäre das Baderhaus wohl der passendere Ort gewesen«, entgegnete Barbara schnippisch.

»Ich fürchte, deine ältere Schwester und vor allem ihr Mann wären nicht besonders erfreut, mich dort zu sehen.« Ransmayer hielt ihr galant den Arm hin. »Darf ich?«

»Danke, ich komme gut alleine zurecht.«

Ransmayer seufzte. »Dann lass dich wenigstens zum Einmanntor bringen. Der Wächter ist einer meiner Patienten. Ein Wort von mir, und er lässt dich ohne großes Gemurre passieren.«

Widerwillig nahm Barbara das Angebot an. Sie wollte keinen Ärger am Tor. Dafür würde sie die Anwesenheit des so sehr von sich selbst überzeugten Doktors schon eine Weile aushalten. Melchior Ransmayer war etwa Mitte vierzig, wobei er sich alle Mühe gab, jünger zu wirken. Sein Filzhut, geschmückt mit bunten Federn, bedeckte eine pechschwarze Allongeperücke – eine Mode, die sich, von Frankreich kommend, nun auch in Bayern immer mehr ausbreitete. Ransmayers Knebelbart war gezwirbelt und mit Bienenwachs eingerieben, ein weißer Spitzenkragen bedeckte seine Schultern.

Immer noch wurde Barbara nicht so recht schlau aus dem Arzt, der nun seit gut drei Jahren in Schongau lebte und ihrem Schwager Simon gehörig Konkurrenz machte. Ransmayer schien tatsächlich Gefallen an ihr gefunden zu haben und machte ihr gelegentlich den Hof. Bislang hatte Barbara darauf verzichtet, Magdalena und Simon von diesen Begegnungen zu erzählen, denn sie wusste, vor allem Simon konnte Ransmayer nicht ausstehen und hielt ihn für einen Quacksalber. Doch vermutlich rührte die Abneigung ihres Schwagers auch daher, dass der Doktor äußerst kostspielige und exquisite Kleidung trug und auch sonst einen Lebensstil pflegte, wie ihn sich Simon gerne selbst geleistet hätte. Auch jetzt trug Ransmayer weite Rheingrafenhosen und unter dem Mantel ein Wams aus rotem Samt.

»Wie ich höre, ist der werte Herr Schwager für ein paar Tage verreist, hm?«, fragte Melchior Ransmayer, während sie nebeneinander durch die Gasse schritten. »Nach Oberammergau, sagt man.«

Barbara nickte zögerlich. »Simon bringt den Peter dort in die Schule, weil er doch hier nicht auf die Lateinschule gehen darf.«

»Was du nicht sagst.« Ransmayer machte ein betrübtes Gesicht. »Wirklich schade, dass ein so talentiertes Kind nicht auf einer höheren Schule zugelassen wird. Man erzählt sich ja wahre Wundergeschichten von eurem kleinen Peter.« Er tätschelte Barbaras Hand. An seinem Atem roch Barbara, dass der Doktor wohl schon einiges getrunken hatte. »Glaub mir, meine Liebe, hätte ich Einfluss im Rat, würde ich daran etwas ändern.«

»Aber Ihr habt doch Einfluss«, entgegnete Barbara. »Immerhin seid Ihr ein gelehrter Doktor.«

»Meinst du?« Ransmayer wiegte den Kopf, so als würde ihm gerade eben ein interessanter Gedanke kommen....

Erscheint lt. Verlag 15.1.2016
Reihe/Serie Die Henkerstochter-Saga
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Allgäu • Alpen • Buch 2016 • Henker • Historischer Kriminalroman • Historischer Roman • Kofel • Mittelalter • Neu 2016 • Neuerscheinung 2016 • Neuerscheinungen 2016 • Oberammergau • Passionsspiele • Schauspiel
ISBN-10 3-8437-1199-2 / 3843711992
ISBN-13 978-3-8437-1199-9 / 9783843711999
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