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Dr. Siri und der explodierende Drache (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
368 Seiten
Manhattan (Verlag)
978-3-641-15677-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dr. Siri und der explodierende Drache -  Colin Cotterill
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Sieht aus, als könnte Dr. Siri endlich in Rente gehen. Obwohl er seine Arbeit als Pathologe liebt, ermüdet den bald 80-jährigen der Job zunehmend. Außerdem würde er vor seinem baldigen, vom örtlichen Medium prophezeiten Tod gerne mehr Zeit mit seiner Gattin verbringen. Pech für Siri, dass die laotische Regierung andere Pläne mit ihm hat: Er soll die internationale Suche nach einem amerikanischen Piloten überwachen, dessen Hubschrauber ein Jahrzehnt zuvor über dem thailändischen Dschungel abstürzte. Ein plötzlicher Todesfall überschattet das Suchprojekt - gefolgt von ein paar Unfällen, die dem scharfsinnigen Siri nicht ganz zufällig erscheinen. Kann er weiteres Unglück abwenden, bevor sich die Prophezeiung des Mediums erfüllt?



Colin Cotterill, in London geboren, begab sich nach einer Ausbildung zum Englischlehrer auf eine lange Weltreise. Mittlerweile lebt er in Chumphon, Thailand. Seine in Laos angesiedelte Krimireihe um Dr. Siri wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.

3

PEACH

Die Regenzeit, die in Nordlaos normalerweise zwischen April und August fiel, hatte dieses Jahr schon Mitte März begonnen, und im Juni war ihr der Saft ausgegangen. Obgleich Flutwasser aus China den Mekong hatte anschwellen lassen und im Süden schwere Unwetter wüteten, hatte es in Vientiane seit einem Monat nicht geregnet. Die – in der DDR ausgebildeten – laotischen Meteorologen waren der Ansicht, dass die Industrialisierung im Westen, vor allem aber in den USA, die Umwelt nachhaltig veränderte. Sie forderten ein Symposium kommunistischer Staaten zu den Auswirkungen des Kapitalismus auf den Klimawandel. In der Demokratischen Volksrepublik Laos gab es wenig, was sich nicht den Amerikanern in die Schuhe schieben ließ, und um ehrlich zu sein, waren die meisten Vorwürfe berechtigt.

Vientiane bestand aus unbefestigten Seiten- und gepflasterten Hauptstraßen, angelegt von denselben Amerikanern, die nun das Wetter durcheinanderbrachten. Der ebenso anhaltende wie frühzeitige Regen des Jahres 1978 hatte die rote Erde aus den Gassen auf die Hauptstraßen geschwemmt. Gärten, Reisfelder und Brachen erstreckten sich in alle Himmelsrichtungen. Die Stadt war ein einziger großer Morast. Die Rinnsteine waren verstopft, die Schlaglöcher unter einer Schlammschicht verschwunden. Die Gehsteige, sofern vorhanden, befanden sich auf einer Höhe mit der Fahrbahn. Dieser riesige Matschkuchen buk in der brennend heißen Julisonne und zerfiel unweigerlich zu Staub. Eine vorbeihuschende Katze wirbelte mehr Staub auf als eine Herde Gnus, die durch die Kalahari galoppiert. Mit dem Besen war dem schwerlich beizukommen. Trotz der Hitze schlossen die Leute Türen und Fenster. Wer einen Gartenschlauch und einen Anschluss ans Versorgungsnetz besaß, spritzte jeden Morgen bei Sonnenaufgang die Straße ab. Doch schon gegen Mittag war der rote Dunst zurück. Bis zum offiziellen Beginn der Trockenzeit waren es noch gut vier Monate, und wenn es so weiterging, war Vientiane bis dahin von der Landkarte verschwunden, auf Satellitenbildern als Stadt nicht mehr zu erkennen.

Siri hatte sich seinen Reservesarong um den Kopf geschlungen, damit ihm der Staub nicht in den Mund flog. Er trug seine alte Motorradbrille mit den dunklen Gläsern und eine Castro-Mütze und sah ziemlich zwielichtig aus, als er vor dem Justizministerium hielt. Er hätte sich natürlich auch anders entscheiden und die Nachricht, mit der sein Intimfeind Richter Haeng ihn um eins in sein Büro bestellte, einfach zerreißen können. Er stand kurz vor der Pensionierung. Was konnten sie ihm da schon anhaben? Aber Siri hatte eine boshafte Ader, und nichts bereitete ihm größeres Vergnügen, als seinem Vorgesetzten auf den sprichwörtlichen Schlips zu treten. Sehr viel Gelegenheit würde er dazu nicht mehr haben. Die Wache am Tor entbot ihm einen militärischen Gruß. Der Junge war unbewaffnet und steckte in einer Uniform, die gleich drei grundverschiedene Grüntöne in sich vereinte. Siri, der immer noch als Terrorist verkleidet war, stieg von seinem Motorrad und ging zum Wachhäuschen.

»Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte er den Jungen.

»Nein, Genosse«, lautete die Antwort, gefolgt von einem weiteren Gruß.

»Ich könnte also durchaus ein Attentäter sein, der den Richter und den Minister ermorden will. Ich könnte einen Sprengstoffgürtel unter der Jacke tragen.«

Der Junge machte ein zweifelndes Gesicht.

»Na ja, möglich wär’s.«

»Und trotzdem grüßen Sie mich?«

»So lautet mein Befehl, Onkel.«

»Das ist alles?«

»Ja.«

»Himmel, hilf«, murmelte Siri, ließ den Wachsoldaten stehen und stieg die Vortreppe des Ministeriums hinauf. »Welch ein System«, sagte er laut vor sich hin. »Schnöder Schein und nichts dahinter. Das Land versinkt in Schutt und Asche, aber Hauptsache, es wird ordentlich gegrüßt.«

Oben angekommen schüttelte er den Staub aus seinen Sandalen und trat an den Empfang. Dort herrschte gähnende Leere: acht Schreibmaschinen ohne Schreibkräfte und ein großer Verwaltungsschreibtisch ohne Manivone, die Sekretärin des Richters. Wäre zufällig ein geschäftstüchtiger Dieb des Weges gekommen, hätte er die Maschinen, womöglich mit tatkräftiger Unterstützung des hilfsbereiten Wachsoldaten, ohne Weiteres zur Tür hinausbefördern und in einem wartenden samlor-Fahrradtaxi verstauen können. Der Laden ging vor die Hunde. Ein Glück, dass Siri ihm bald den Rücken kehren konnte.

Noch immer missgelaunt, stakste er über den offenen Korridor zu Richter Haengs Büro und stieß die Tür auf, ohne anzuklopfen. Die Tür knallte gegen etwas Großes, Weiches und öffnete sich dann. Siri betrat den kleinen Raum, der von nur einem Fenster mit kaputter Jalousie erhellt wurde. Unter Siris verbotenen Büchern befand sich auch ein prächtiger Bildband über die Wunder dieser Welt, und die Sonne, die sich durch das winzige Fenster quetschte, überzog die Wände mit einem Schattenmuster, das ihn an Stonehenge gemahnte. Im Zimmer drängte sich eine Horde ungemein beleibter Westler. Manche saßen, andere standen, die meisten trugen Uniform, und alle schwitzten, da der einsame Deckenventilator gegen die stickige Juliluft nur wenig auszurichten vermochte. Lauter ölig-weiße Männer und zwei Frauen. Eine der beiden Letzteren erinnerte Siri an einen beperückten Sumo-Ringer im Sommerkleid.

Trotz dieses Gedankens besann er sich seiner guten Kinderstube. Er ging von einem zum anderen, schüttelte Hände und sagte artig sabai dee – Wohlsein. Alle schlugen bereitwillig ein – bei diesen Temperaturen blieb kein Pfötchen trocken. Einige erwiderten den Gruß. Andere antworteten ihm auf Englisch, eine der vielen Sprachen, die er nicht beherrschte. Als er so die Runde machte, kam er sich vor wie ein Tourist zwischen den Steinriesen der Osterinsel. Im hintersten Winkel des Zimmers stieß er auf Richter Haeng, der an seinem Schreibtisch saß und sich an ein mattes Lächeln klammerte. Sein fettiges Haar fiel ihm in das pickelige, aufgedunsene Gesicht. Hitze und Stress waren Gift für seine Haut. Der kleine Richter litt wahrscheinlich unter beidem.

»Siri? Sind Sie’s?«, erkundigte er sich.

Im ersten Moment erschien Siri die Frage reichlich absurd, als habe der Mann quasi über Nacht das Augenlicht verloren. Doch dann fiel dem Doktor ein, dass er noch immer seine Verkleidung trug. Das Zimmer wurde etwas heller, als er seine getönte Brille absetzte, und kühler, als er Schal und Kopfbedeckung auszog. Kaum hatte er abgelegt, wirkten auch die Gäste um einiges entspannter.

»Was ist denn hier los?«, fragte Siri den Richter.

»Amerikaner.«

»Wieso? Haben sie etwas vergessen?«

»Es handelt sich um eine Delegation, Siri.«

»Und was wollen sie?«

»Ich … Ich bin … Ich …«

»Sie wissen es nicht.«

»Doch, natürlich. Aber …«

»Sie sprechen kein Englisch, stimmt’s?«

»Das kann man so nicht sagen. Es ist nur ein wenig eingerostet, weiter nichts. Und Sie?«

»Ein paar Brocken, aber die dürften uns kaum weiterhelfen.«

»Ich dachte, Sie waren in Westeuropa?«

»Frankreich. Eine völlig andere Sprache. Das bisschen Englisch, das ich kann, habe ich von Seeleuten in Hafenkneipen aufgeschnappt. Rule Britannia«, rief er laut und reckte den Daumen in die Höhe. Alle starrten ihn entgeistert an. »Sehen Sie? Völlig nutzlos. Spricht denn keiner von ihnen Laotisch?«

»Nein.«

»Seit wann reisen ausländische Delegationen ohne Dolmetscher?«

»Es scheint etwas dazwischengekommen zu sein. Der Minister hat sie hierhergebracht und mich gebeten, sie bei Laune zu halten, bis die Dolmetscher eintreffen.«

»Haben Sie ihnen schon Ihre Richard-Nixon-Parodie vorgeführt?«

Aber solche Scherze waren verlorene Liebesmüh bei einem Mann bar jeglichen Humors.

»Ich weiß nicht, wovon …«

»Und wie haben Sie sie dann bei Laune gehalten, Richter?«

»Wir hatten keine Limonade mehr. Ich habe Manivone losgeschickt, um welche zu besorgen. Ich hatte ja nicht mit ihnen gerechnet. Das übrige Personal bereitet das Mittagessen zu. Sie stehen jetzt seit einer Viertelstunde hier herum.«

Siri lachte.

»Aber Sie, Siri«, sagte Haeng in gestrengem Ton, »Sie kommen wie immer zu spät. Ich habe Ihnen aufgetragen, um ein Uhr hier zu sein. Jetzt ist es Viertel nach eins.«

»Man hat mir die Uhr geklaut. Ich musste mich nach dem Stand der Sonne richten, und die war vor lauter Staub nirgends zu sehen. Richter Haeng, hier schmoren alle im eigenen Saft, und es riecht ein wenig streng. Was halten sie davon, wenn wir die Klimaanlage einschalten?«

»Die ist seit letzten Mittwoch defekt.«

»Und wenn wir die Leute draußen unter einen Baum stellen?«

»Das sind doch keine Schafe, Siri.«

Siri bedachte die dürstenden Gäste mit einem Lächeln.

»Sie wären sicher dankbar für ein wenig frische Luft.«

»Der Minister hat gesagt …«

In diesem Augenblick wurde die Bürotür aufgestoßen und kollidierte mit dem Hinterteil desselben Mannes, den auch Siri bei seinem Eintreffen gerammt hatte. Da er noch immer an derselben Stelle stand, schien er es nachgerade zu genießen, eine Tür ins Kreuz geschmettert zu bekommen. Eine blonde junge Frau stürzte nervös lachend ins Zimmer. Plötzlich redeten alle in ihrer Sprache durcheinander; Grußformeln, Bemerkungen und kollektives Aufatmen gaben Anlass zu der Hoffnung, dass die Delegation endlich ins Freie...

Erscheint lt. Verlag 29.6.2015
Reihe/Serie Dr. Siri ermittelt
Übersetzer Thomas Mohr
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Slash and Burn
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1970er • Cosy Crime • Dr. Siri • Dr. Siri, Thailand, Laos, 1970er, Kriminalfall, Leichenbeschauer, Cosy Crime • eBooks • Krimi • Kriminalfall • Kriminalromane • Krimis • Laos • Leichenbeschauer • Thailand
ISBN-10 3-641-15677-7 / 3641156777
ISBN-13 978-3-641-15677-0 / 9783641156770
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