The Walking Dead 5 (eBook)
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-15344-1 (ISBN)
Nachdem der Governor in einem blutigen Aufstand zu Fall gebracht wurde, herrscht nun endlich Frieden in Woodbury, der letzten Stadt der Lebenden in einer Welt der Toten. Zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Zombie- Plage können die Bewohner Woodburys sich wieder sicher fühlen. Doch dann taucht eines Tages der geheimnisvolle Sektenführer Jeremiah mit seinen Anhängern auf, und zunächst werden die Neuankömmlinge auch mit offenen Armen empfangen, denn die Menschen in der Stadt ahnen nicht, dass Jeremiah ein Geheimnis hat, so dunkel und abgründig wie die Seelen der Untoten selbst ...
Jay Bonansinga studierte Filmwissenschaften am Columbia College in Chicago und zählt heute zu den vielseitigsten Thriller- und Horrorautoren der Gegenwart. Gemeinsam mit The Walking Dead-Erfinder Robert Kirkman arbeitet er an den Romanen zur Erfolgsserie. Jay Bonansinga lebt mit seiner Familie in Evanston, Illinois.
Eins
An jenem Morgen brauen sich zwei voneinander unabhängige und durchaus besorgniserregende Ereignisse unter der Oberfläche des alltäglichen Lebens in der abgebrannten Ortschaft zusammen – beides Probleme, die zumindest anfangs von den Einwohnern völlig unbeachtet bleiben.
Anhaltendes Hämmern und das Rattern von Motorsägen erfüllen die Luft. Stimmen erheben sich in einem geschäftigen Hin und Her über dem Wind. Die vertrauten Gerüche von brennendem Holz, Teerpech und Kompost werden auf der warmen Brise durch die Gassen getragen. Ein Gefühl der Erneuerung – vielleicht sogar der Hoffnung – klingt bei jeder Tätigkeit, bei jeder Handlung mit. Die drückende Sommerhitze wird erst in ein oder zwei Monaten über sie hereinbrechen, und die wilden Cherokee-Rosen stehen in voller Blüte in dichten Reihen entlang der stillgelegten Bahngleise. Der Himmel besitzt die ungeheuer klare HD-Qualität, die so typisch für die letzten Wochen des Frühlings hierzulande ist.
Ausgelöst durch den turbulenten Regimewechsel und der damit verbundenen Möglichkeit, eine demokratische Lebensweise inmitten dieser Trümmer zu führen, die die Seuche hinterlassen hat, haben sich die Überlebenden aus Woodbury, Georgia neu strukturiert – wie DNA, die sich zu einem robusteren, gesünderen Organismus vereint. Das kleine Städtchen, eine ehemalige Eisenbahnerstadt achtzig Kilometer südlich von Atlanta, wurde erst vor Kurzem zu ausgebrannten Häusern und heruntergekommenen, mit Müll übersäten Straßen reduziert. Lilly Caul ist einer der Hauptgründe dieser Renaissance. Die dünne, des Kämpfens müde, aber dennoch anmutige junge Frau mit ihren goldbraunen Haaren, deren Look an den eines Straßenköters erinnerte, und einem Gesicht in Form eines Herzens ist widerwillig zur Anführerin von Woodbury geworden.
Jetzt ist ihre Stimme in jedem Winkel des kleinen Städtchens zu hören, ihre Autorität wird vom Wind durch die Straßen und über die Wipfel von Eichen und Pappeln getragen, die die Promenade westlich der Rennbahn säumen. An jedem offenen Fenster, in jeder Gasse und in jeder Ecke der Arena ertönt sie. Lilly preist Woodbury mit dem Eifer einer Immobilienmaklerin an, die ein Haus in Florida mit eigenem Strandabschnitt an den Mann bringen will.
»Noch ist unsere sichere Zone klein, das will ich gar nicht abstreiten«, gibt sie gegenüber einem unbekannten Zuhörer zu. »Aber wir werden die Barrikade einen Häuserblock weiter nach Norden erweitern. Und die hier vielleicht zwei oder drei Häuserblöcke nach Süden, sodass wir irgendwann mit einer Stadt in einer Stadt enden, einem sicheren Ort, an dem die Kinder auf der Straße spielen können – einem Ort, der, wenn alles gut geht, eines Tages völlig autark ist und nachhaltig bewirtschaftet wird.«
Während Lillys Monolog durch sämtliche Winkel der Arena hallt – der Ort, an dem früher noch Wahnsinn in Form von blutigen Kämpfen auf Leben und Tod vorgeherrscht hat –, zuckt das verbrannte Gesicht einer dunklen Gestalt, die unter einem Gulli steckt, unkontrolliert vor sich hin. Es bewegt sich ruckartig in Richtung der Stimme – wie eine Satellitenschüssel, die sich auf ein Signal aus dem All ausrichtet.
Früher einmal war er ein schlaksiger Tagelöhner auf einem Bauernhof gewesen, durchtrainiert und schlank, mit strohblondem Schopf. Vor Kurzem aber, als Woodbury noch im Chaos versunken war und Feuer das Städtchen verwüsteten, fiel dieser verbrannte, reanimierte Leichnam durch einen kaputten Gulli, wo er unbemerkt eine ganze Woche verbracht und sich in der sauerstoffarmen, stinkenden Finsternis gesuhlt hat. Hundertfüßer, Käfer und Asseln krabbeln hektisch über sein fahles, totes Gesicht und seine zerfetzte, von der Sonne gebleichte Jeans – der Stoff ist schon so alt und abgewetzt, dass man ihn kaum von dem toten Fleisch der Kreatur unterscheiden kann.
Dieser verirrte Beißer, früher ein eingekerkerter unmenschlicher Gladiator, der sein Unwesen in der Arena trieb, wird die erste von zwei Entwicklungen sein, die Anlass zu ernsthafter Sorge geben sollten, von jedem Bewohner des Städtchens aber übersehen wurden – auch von Lilly, deren Stimme jetzt mit jedem Schritt, mit dem sie sich der Rennbahn nähert, lauter wird. Eine Gruppe Menschen schlurft ihr hinterher.
»Jetzt könnte man sich natürlich fragen: ›Stelle ich mir das nur vor, oder ist ein gigantisches UFO mitten in Woodbury gelandet, als niemand aufgepasst hat?‹ Aber nein, das ist die Arena des Woodbury Veterans Speedway – ich nehme an, man könnte es ein Überbleibsel aus besseren Zeiten nennen. Aus Zeiten, in denen die Menschen nichts weiter wollten, als sich Freitagabend ein Hähnchen zu holen und Männern in tollkühnen Kisten zuzuschauen, die einander über den Haufen fuhren und die Luft verpesteten. Wir wissen immer noch nicht, wozu wir sie jetzt benutzen können … Aber auch wenn uns nichts anderes einfällt, einen tollen Park können wir immer noch aus ihr machen.«
Inmitten der Enge des faulenden Abwasserkanals läuft dem toten Landarbeiter bereits bei dem Gedanken an das sich nähernde Frischfleisch das Wasser im Mund zusammen. Sein Kiefer beginnt zu arbeiten, knirscht und knarzt, als er auf die Wand zukrabbelt und blindlings nach oben an den Gulli greift, durch den das Tageslicht in seine Welt einfällt. Durch die schmalen Eisenstäbe kann er die Schatten von sieben Lebenden sehen, die sich ihm nähern.
Durch Zufall findet die Kreatur mit einem Fuß Halt im maroden Mauerwerk.
Beißer können nicht klettern. Ihre einzige Fähigkeit besteht darin zu fressen. Sie besitzen kein Bewusstsein, verspüren nichts außer Hunger. Jetzt aber dient der unerwartete Halt dazu, dass die Kreatur sich beinahe unfreiwillig aufrichtet und den Gullideckel erreicht, durch dessen Schacht sie vor einer Woche gefallen ist. Als ihre weißen Knopfaugen den Rand des Kanalschachts erreichen, fokussiert sie ihren animalischen Blick auf das erste Stück Menschenfleisch in der Nähe. Es ist ein kleines Mädchen von acht oder neun Jahren, das mit ernster Miene in ihrem dreckigen Gesicht neben Lilly herstapft.
Für einen Augenblick duckt sich der Beißer im Kanalschacht wie eine metallene Feder und stößt dann ein Knurren wie ein Motor im Leerlauf aus. Seine toten Muskeln werden durch angeborene Signale zum Zucken gebracht, die von einem reanimierten Nervensystem geschickt werden. Sein schwarzer lippenloser Schlund entblößt jetzt seine moosgrünen Zähne, seine milchig weißen Augen öffnen sich und verschlingen seine Beute förmlich mit einem stechenden und gleichzeitig unheimlich anmutenden, diffusen Blick.
»Ihnen werden früher oder später sicherlich die Gerüchte zu Ohren kommen«, vertraut Lilly ihren unterernährten Zuhörern an, als sie nur wenige Zentimeter am Kanaldeckel vorbeigeht. Die Gruppe setzt sich aus einer einzigen Familie zusammen, den Duprees, bestehend aus einem ausgemergelten Vater um die vierzig, der auf den Namen Calvin hört, seiner heruntergekommenen Frau Meredith und ihren drei Schmuddelkindern Tommy, Bethany und Lucas, die zwölf, neun und fünf Jahre alt sind. Die Duprees sind vorige Nacht in ihrem abgewrackten Ford-LTD-Kombi in Woodbury angekommen. Nicht nur ihr Wagen, auch sie selbst befanden sich in einem völlig desolaten Zustand. Man könnte beinahe sagen, sie waren fast psychotisch vor Hunger. Lilly hat sie unter ihre Fittiche genommen. Woodbury braucht neue Leute – neue Bewohner, frische Geister, die der Stadt helfen, sich selbst neu zu erfinden, und die die schwere Arbeit der Gemeinschaftsbildung nicht scheuen. »Insofern hören Sie es am besten von uns«, fährt Lilly fort. Sie hält in ihrem Georgia-Tech-Kapuzenpullover und ihrer kaputten Jeans inne und legt die Hand auf ihren Sam-Browne-Waffengürtel. Sie ist noch Anfang dreißig, aber ihre Miene verrät, dass sie bereits viel zu viel für ein solch zartes Alter mitgemacht hat. Sie trägt ihr rotbraunes Haar in einem Pferdeschwanz, und ihre haselnussbraunen Augen leuchten auf – der Funke in ihren Pupillen ist teils ihrer Intelligenz, teils aber auch dem durchdringenden Starren eines erfahrenen Kriegers geschuldet. Sie wirft einen Blick über die Schulter und sieht den Siebten in der Runde fragend an. »Möchtest du ihnen nicht vom Governor erzählen, Bob?«
»Mach du ruhig«, erwidert der ältere Mann, während ein Lächeln sein wettergegerbtes, ledriges Gesicht umspielt, das ahnen lässt, wie müde er der Seuche ist. Seine dunklen Haare sind mit Pomade über seine mit tiefen Furchen versehene Stirn geklebt, und er trägt einen Patronengurt über einem mit Schweißflecken übersäten Chambray-T-Shirt. Bob Stookey misst mitsamt Socken einen Meter achtzig, ist aber von der immerwährenden Erschöpfung, die sich bei trockenen Alkoholikern wie ihm oft findet, vornübergebeugt. »Nein, Lilly, Kleines, du bist gerade in Fahrt.«
»Okay … Also … Beinahe ein ganzes Jahr lang«, fängt Lilly an und starrt jedem einzelnen Familienmitglied der Duprees in die Augen, um den Ernst ihrer Worte zu unterstreichen, »stand Woodbury unter dem Joch eines sehr gefährlichen Mannes namens Philip Blake – auch bekannt als der Governor.« Sie atmet halb glucksend, halb vor Abscheu stöhnend aus. »Ich weiß … Die Ironie haben sogar wir begriffen.« Sie holt Luft. »Wie auch immer … Er war nichts weiter als ein Soziopath. Paranoid. Wahnhaft. Aber er war ein Mann der Tat, hat die Sachen angepackt. Ich gebe es zwar ungern zu, aber … für die meisten von uns, zumindest für eine Weile, schien er ein notwendiges...
Erscheint lt. Verlag | 10.8.2015 |
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Reihe/Serie | The Walking Dead-Romane | The Walking Dead-Romane |
Übersetzer | Wally Anker |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Robert Kirkman's The Walking Dead 5 - Descent |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | Apokalypse • eBooks • Horror • Robert Kirkman • The Walking Dead • The Walking Dead, Zombies, Apokalypse, Robert Kirkman • Zombies |
ISBN-10 | 3-641-15344-1 / 3641153441 |
ISBN-13 | 978-3-641-15344-1 / 9783641153441 |
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