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Die Buchhandlung (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
153 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-73854-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Buchhandlung - Penelope Fitzgerald
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Florence Green erwirbt in Hardborough, einem verschlafenen Dorf an der Küste Ostenglands, das Old House als zukünftiges Domizil für ihre Buchhandlung. Dass das Gebäude anscheinend von einem Poltergeist besessen und bis auf die Grundmauern feucht ist, bringt sie von ihrem Vorhaben ebensowenig ab wie die Tatsache, dass sie von finanziellen Dingen keine Ahnung hat. Voller Schwung stürzt sie sich in die Vorbereitungen und stattet ihre Buchhandlung liebevoll aus. Die Einwohner des kleinen Städtchens begegnen dem Unternehmen zunächst mit Skepsis, bald stellen sich jedoch erste Stammkunden ein. Als Florence Green aber dann ein gerade erschienenes Buch eines bis dahin unbekannten Autors, Vladimir Nabokov, verkauft, ist die Aufregung groß und weitet sich zu einem Skandal aus ...

<p>Penelope Fitzgerald (1916-2000) studierte in Oxford und war während des Zweiten Weltkrieges Mitarbeiterin bei der BBC. Sie war Dozentin an der Italia Conti Academy und an der Queen's Gate School in London, außerdem arbeitete sie einige Jahre in einer Buchhandlung in Southwold, Suffolk. Sie gehört laut <em>Times </em>zu den wichtigsten englischen Autoren nach 1945. 1979 wurde sie mit dem renommierten Booker Prize und 1998 als erste nichtamerikanische Autorin mit dem amerikanischen National Book Critics Circle Award for Fiction ausgezeichnet.</p>

1


1959 wußte Florence Green am Ende mancher Nächte nicht genau, ob sie überhaupt geschlafen hatte. Sie plagte sich nämlich mit der schwierigen Entscheidung über den Kauf eines kleinen Anwesens, des Old House, samt dazugehörigem Lagerschuppen unten am Wasser. Sollte sie die einzige Buchhandlung in Hardborough aufmachen? Wahrscheinlich hielt die Unentschlossenheit sie wach. Einmal hatte sie gesehen, wie ein Fischreiher über die Flußmündung flog und im Flug versuchte, seine Beute, einen Aal, herunterzuschlingen. Der Aal dagegen kämpfte sich ab, dem Schlund des Reihers zu entkommen, und wand sich zu einem Viertel, zur Hälfte oder gelegentlich sogar zu drei Vierteln heraus. Keines der beiden Geschöpfe konnte den Kampf für sich entscheiden, ihr Anblick war zum Erbarmen. Sie hatten sich zuviel vorgenommen. Florence hatte das Gefühl, falls sie wirklich kein Auge zugetan hätte – und oft sagt man das so, meint es aber gar nicht –, müsse wohl der Gedanke an den Reiher sie wach gehalten haben.

Sie hatte ein gutes Herz, obwohl das nicht viel hilft, wenn es um Selbsterhaltung geht. Gut acht Jahre ihrer zweiten Lebenshälfte hatte sie nun schon in Hardborough verbracht und von dem sehr kleinen Kapital gezehrt, das ihr verstorbener Ehemann ihr hinterlassen hatte, und seit kurzem überlegte sie, ob es nicht ihre Pflicht sei, sich selbst und womöglich auch anderen klarzumachen, daß sie aus eigenem Recht existiere. Überleben – so meinten viele am Ort – sei das einzige, was man in der kalten, klaren Luft East Anglias verlangen könne. Was mich nicht umbringt, macht mich stark, dachten die Einwohner: entweder ein hohes Alter oder sofort in der salzigen Erde des Friedhofs begraben sein.

Sie war klein, schmal und drahtig, von vorn wirkte sie unscheinbar und von hinten erst recht. Man redete nicht viel über sie, nicht einmal in Hardborough, wo man jeden schon von weitem kommen sah und alles besprach, was man gesehen hatte. Ihre Kleidung zeigte kleine Anpassungen an die Jahreszeiten. Ihren Wintermantel kannte man, er war von der soliden Art, die immer noch ein Jahr lang hält.

1959 gab es in Hardborough weder eine Imbißstube für Fish-and-Chips noch eine Wäscherei, und Filme wurden nur jeden zweiten Samstagabend vorgeführt; alle diese Dinge entbehrte man, aber niemand hätte daran gedacht, eine Buchhandlung aufzumachen, und niemand hätte Mrs. Green so etwas zugetraut.

»Selbstverständlich kann ich im Augenblick keine bindende Zusage seitens der Bank geben – ich habe keine Entscheidungsbefugnis –, aber ich glaube sagen zu können, daß keine prinzipiellen Bedenken gegen ein Darlehen bestehen. Wir hatten Weisung von der Regierung, zurückhaltend mit Privatkrediten zu sein, aber inzwischen gibt es deutliche Anzeichen für eine Entspannung – damit verrate ich kein Staatsgeheimnis. Natürlich werden Sie wenig oder keine Konkurrenz haben – wie ich höre, soll der Strickladen Fleißiges Bienchen Romane verleihen, aber das fällt nicht ins Gewicht. Sie versichern mir, Sie hätten allerhand Erfahrung mit dem Geschäft.«

Florence setzte an, um zum drittenmal zu erklären, was sie damit gemeint habe; dabei hatte sie sich und ihre Freundin vor Augen, das Haar in Dauerwellen gelegt, Bleistifte an Kettchen um den Hals, junge Verkäuferinnen bei Müller in der Wigmore Street – vor fünfundzwanzig Jahren war das gewesen. Am besten erinnerte sie sich an die Bestandsaufnahme: Mr. Müller bat immer erst um Ruhe, bevor er mit wohlberechneter Verzögerung die Liste der jungen Damen und ihrer Partner verlas, die durch Los bestimmt waren, die tägliche Inventur durchzuführen. Die weiblichen Angestellten waren in der Überzahl, und sie hatte Glück, daß sie 1934 mit Charlie Green, dem Einkäufer für Lyrik, ein Paar bildete.

»Als junges Mädchen habe ich das Geschäft gründlich gelernt«, sagte sie. »Ich kann mir nicht denken, daß es sich seitdem wesentlich verändert hat.«

»Aber Sie waren nie in leitender Stellung. Nun, dazu ließe sich das eine oder andere Sinnvolle sagen. Nennen Sie es Beratung, wenn Sie so wollen.«

In Hardborough gab es nur sehr neue Unternehmen, und sobald sich eines abzeichnete, geriet die stehende Luft in der Bank in leichte Unruhe, so wie eine Brise vom Meer noch tief im Binnenland etwas Bewegung bringt.

»Ich darf Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen, Mr. Keble.«

»Oh, das überlassen Sie nur mir. Vielleicht kann ich es so sagen: Wenn Sie sich mit dem Vorhaben tragen, eine Buchhandlung aufzumachen, müssen Sie sich fragen, was Sie sich davon eigentlich versprechen. Dies ist die erste Frage, die man sich bei einem Geschäft, gleich welcher Art, stellen muß. Hoffen Sie, Ihrer kleinen Stadt damit einen brauchbaren Dienst zu erweisen? Hoffen Sie auf merklichen Profit? Oder laufen Sie, Mrs. Green, vielleicht nur immer so mit, ohne recht zu verstehen, daß uns mit den sechziger Jahren womöglich eine gewaltig veränderte Welt bevorsteht? Ich habe mir oft gesagt: Jammerschade, daß es keinen allgemein anerkannten Lehrgang für Kleinunternehmer …«

Offenkundig gab es einen anerkannten Lehrgang für Filialleiter einer Bank. Mr. Keble war jetzt in vertrautem Fahrwasser, und seine Stimme gewann mit der Strömung Fahrt. Er sprach von der Notwendigkeit einer professionellen Buchführung, von Tilgungsplänen für Darlehen und Opportunitätskosten.

»… Ich möchte Sie auf einen Punkt hinweisen, Mrs. Green, der Ihrer Aufmerksamkeit höchstwahrscheinlich entgangen ist, uns dagegen, die wir aufgrund unserer Position einen größeren Überblick haben, ganz klar vor Augen steht. Mein Punkt ist folgender: Wenn zu einer beliebigen Zeit der Kapitalzufluß den Kapitalabfluß nicht ausgleichen kann, läßt sich mit Sicherheit vorhersagen, daß finanzielle Schwierigkeiten vor der Tür stehen

Das wußte Florence längst, seit ihrem ersten Zahltag, als sie mit sechzehn Jahren Selbstversorgerin geworden war. Mit Mühe hielt sie eine scharfe Erwiderung zurück. Was war aus ihrem Vorsatz geworden? Beim Überqueren des Marktplatzes, mit Blick auf das Bankhaus, dessen solide rote Backsteine dem ewigen Wind die Stirn boten, hatte sie sich fest vorgenommen, Verstand und Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen.

»Zur Frage der Ware, Mr. Keble. Sie wissen, daß man mir angeboten hat, den größten Teil dessen, was ich brauche, von Müller zu kaufen, da die Firma ja jetzt aufgelöst wird.« Sie brachte es fertig, dies resolut vorzubringen, obwohl sie die Schließung als einen persönlichen Angriff auf ihre Erinnerungen empfunden hatte. »Darüber habe ich noch keinen Überblick. Was das Gebäude betrifft, so stimmten Sie mir zu, daß £ 3500 ein angemessener Preis für das Grundeigentum am Old House und dem Austernschuppen sei.«

Zu ihrer Überraschung zögerte der Filialleiter.

»Die Immobilie steht jetzt schon lange leer. Das ist natürlich Sache Ihres Maklers und Ihres Anwaltes – Thornton, richtig?« Das war ein übertriebener Schnörkel, eine gewisse Schwäche, denn in Hardborough gab es nur zwei Anwälte. »Aber ich würde doch meinen, daß der Preis sich noch etwas drücken ließe … Das Haus läuft Ihnen nicht davon, wenn Sie beschließen, noch etwas zuzuwarten … der Verfall, … die Feuchtigkeit …«

»Die Bank ist das einzige Gebäude in Hardborough, das nicht feucht ist«, antwortete Florence. »Vielleicht sind Sie zu anspruchsvoll geworden, weil Sie alle Tage hier arbeiten.«

»… Und dann ist mir zu Ohren gekommen – ich in meiner Position darf Ihnen sagen, so wie ich es verstehe, ist wohl der Vorschlag geäußert worden –, daß das Haus auch anderen Zwecken dienen könne – obwohl selbstverständlich immer die Möglichkeit zum Wiederverkauf besteht.«

»Natürlich möchte ich die Kosten auf ein Minimum beschränken.« Der Filialleiter wollte schon ein verständnisvolles Lächeln aufsetzen, sparte sich jedoch die Mühe, als Florence schneidend hinzufügte: »Aber ich habe nicht die Absicht, wieder zu verkaufen. Es ist so eine Sache, in mittlerem Alter noch einen Schritt voran zu tun, aber da ich es nun einmal gewagt habe, steht mir nicht der Sinn danach, einen Rückzieher zu machen. Welchem Zweck könnte das Old House sonst dienen, was meinen die Leute? Warum haben sie in den letzten sieben Jahren nichts unternommen? Die Dohlen haben darin genistet, die Hälfte der Ziegel waren fort, nach Ratten hat es gestunken. Eignet es sich da nicht besser zum Aufenthaltsort für Bücherfreunde?«

»Sprechen Sie von Kultur?« sagte der Filialleiter, und in seiner Stimme hielten Mitleid und Respekt sich die Waage.

»Kultur ist etwas für Amateure. Ich kann mir kein Verlustgeschäft leisten. Shakespeare war ein Fachmann.«

Florence ließ sich zu leicht aus der Fassung bringen, aber wenigstens hatte sie das große Glück, daß ihr etwas sehr am Herzen lag. Der Filialleiter antwortete beruhigend, zum Lesen brauche man viel Zeit: »Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit zur Verfügung. Wissen Sie, die Leute machen sich ganz falsche Vorstellungen vom Dienstschluß in der Bank. Unter uns gesagt, ich habe selten Feierabend. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, ein gutes Buch auf dem Nachttisch ist von unschätzbarem Wert für mich. Wenn ich endlich zur Ruhe komme, übermannt mich der Schlaf, kaum daß ich ein paar Seiten gelesen habe.«

Sie überschlug, daß der Filialleiter bei diesem Lesetempo länger als ein Jahr mit einem Buch auskomme. Ein Buch kostete durchschnittlich zwölf Shilling und Sixpence. Sie seufzte.

Sie kannte Mr. Keble kaum. So ging es fast allen Leuten in Hardborough. Obwohl Presse und Rundfunk ihnen ständig versicherten, Großbritannien...

Erscheint lt. Verlag 10.12.2014
Übersetzer Christa Krüger
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50plus • Adaption • Best Ager • Buchhandel • Buchhändler • Buchhändlerin • Buchladen • Buch zum Film • C.H. Beck Übersetzerpreis 2009 • Der Buchladen der Florence Green • England • Film • Florence Green • Generation Gold • Golden Ager • insel taschenbuch 4346 • IT 4346 • IT4346 • Kino • Kinofilm • Literaturverfilmung • Man Booker Prize 1979 • National Book Critics Circle Award for Fiction 1997 • Rentner • Rentnerdasein • Romane • Ruhestand • Senioren • The Bookshop 1978 deutsch • Vereinigtes Königreich Großbritannien • Westeuropa
ISBN-10 3-458-73854-1 / 3458738541
ISBN-13 978-3-458-73854-1 / 9783458738541
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