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Eine Zeit ohne Tod (eBook)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
256 Seiten
Hoffmann und Campe Verlag
978-3-455-81279-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eine Zeit ohne Tod -  José Saramago
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'Am darauffolgenden Tag starb niemand.' So beginnt der Roman, in dem das Unvorstellbare wahr wird, denn von diesem Moment an kommt kein einziger Mensch mehr zu Tode -- weder gewaltsam noch friedlich. Die Bevölkerung ist verstört, die Politiker sind ratlos. Steuert das Land auf eine Katastrophe zu? In seinem bizarr-philosophischen Roman stellt sich José Saramago den existenziellen Fragen unserer Zeit.

José Saramago (1922-2010) wurde in Azinhaga in der portugiesischen Provinz Ribatejo geboren. Er entstammt einer Landarbeiterfamilie und arbeitete als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist, bevor er Schriftsteller wurde. Während der Salazar-Diktatur gehörte er zur Opposition.1998 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

José Saramago (1922-2010) wurde in Azinhaga in der portugiesischen Provinz Ribatejo geboren. Er entstammt einer Landarbeiterfamilie und arbeitete als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist, bevor er Schriftsteller wurde. Während der Salazar-Diktatur gehörte er zur Opposition.1998 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Cover
Titelseite
Für Pilar, mein Zuhause [...]
Wir werden bald immer [...]
Denk z.B. mehr an [...]
Am darauffolgenden Tag starb [...]
Obgleich die bereits erwähnte [...]
Über die erste Sitzung [...]
Die Akteure dieses dramatischen [...]
Man könnte meinen, nach [...]
Nicht alles war so [...]
Der Brief lag auf [...]
Schlimmer als eine Hekatombe. [...]
Nur eine besonders gute, [...]
Die Volksweisheit behauptet, es [...]
Außer in jenen seltenen [...]
Augenblicke der Schwäche haben [...]
tod hat einen Plan. [...]
Ich muss dich um [...]
In ihrem neuen, gestern [...]
Über José Saramago
Impressum

Obgleich die bereits erwähnte Schlagzeile Neues Jahr, neues Leben von der Konkurrenz sofort ins Lächerliche gezogen wurde, welche ihrerseits der Inspiration der eigenen Redakteure die verschiedenartigsten und gehaltvollsten Schlagzeilen abtrotzte, dramatische und lyrische, nicht selten auch philosophische oder mystische, wenn nicht gar rührend naive wie jene der Volkszeitung, die sich mit der Frage, Und was wird jetzt aus uns, abgeschlossen mit einem riesigen, prahlerischen Fragezeichen, begnügte, so traf sie trotz ihrer peinlichen Banalität doch bei jenen Menschen ins Schwarze, die von ihrem Temperament oder ihrer Erziehung her stets der Beständigkeit eines mehr oder weniger pragmatischen Optimismus den Vorzug gaben, selbst wenn zu befürchten war, dass es sich dabei lediglich um eine Illusion handelte. Da sie bis zum Ausbruch dieses Chaos stets der Überzeugung gewesen waren, in der besten aller möglichen und erdenklichen Welten zu leben, erkannten sie nun voll Entzücken, dass das Beste, das Allerbeste gerade erst passierte, dass es nämlich bereits vor ihrer Haustür lag, ein einzigartiges, wunderbares Leben ohne die tägliche Angst vor der quietschenden Schere der Schicksalsgöttin, Unsterblichkeit in der ureigenen Heimat ohne jegliche metaphysische Unannehmlichkeiten, gratis für alle, ohne eine versiegelte, in der Stunde des Todes zu öffnende Order, du ins Paradies, du ins Fegefeuer, du in die Hölle, an diesem Kreuzweg entschied sich nämlich in früheren Zeiten, oh geliebte Kameraden aus diesem Tal der Tränen, genannt Erde, unser Schicksal in der anderen Welt. Nach dieser Schlagzeile blieb den kritischen oder problembewussten Zeitungen wie auch den entsprechenden Rundfunk- und Fernsehanstalten keine andere Wahl, als sich dieser Welle kollektiver Freude anzuschließen, die das Land von Nord nach Süd und von Ost nach West überschwemmte, die bangen Geister beruhigte und den langen Schatten des Todes aus dem Gesichtsfeld räumte. Als nach und nach deutlich wurde, dass wirklich niemand mehr starb, begaben sich allmählich selbst die Pessimisten und Skeptiker, anfangs noch vereinzelt, später jedoch zuhauf, in dieses mare magnum von Bürgern, die jede Gelegenheit nutzten, um auf die Straße zu gehen und zu verkünden, das Leben sei jetzt so richtig schön.

Eines Tages hisste eine unlängst verwitwete Dame, die keine andere Möglichkeit sah, ihrem neuen Glück Ausdruck zu verleihen, wenngleich dieses durch den leisen Schmerz getrübt wurde, dass sie den betrauerten Verstorbenen nie wiedersähe, wenn sie selbst nicht stürbe, auf dem blühenden Balkon ihres auf die Straße gehenden Esszimmers die Nationalflagge. Es war eine sogenannte Spontanaktion. Doch in weniger als achtundvierzig Stunden breitete sich die Beflaggung im ganzen Land aus, Farben und Symbole der Fahne eroberten die Landschaft, deutlicher sichtbar in den Städten, aus dem naheliegenden Grund, dass es dort mehr Balkone und Fenster gab als auf dem Land. Man konnte sich diesem patriotischen Eifer unmöglich entziehen, zumal bereits einige besorgniserregende, um nicht zu sagen eindeutig bedrohliche Erklärungen kursierten, woher sie kamen, wusste keiner, zum Beispiel, Wer nicht die unsterbliche Flagge der Heimat ins Fenster hängt, verdient es nicht zu leben, Wer nicht deutlich sichtbar die Nationalflagge drapiert, hat sich dem Tod verschrieben, Schließen Sie sich an, seien Sie Patriot, Kaufen Sie eine Flagge, Kaufen Sie eine zweite, Kaufen Sie noch eine, Nieder mit den Feinden des Lebens, ihr Glück ist nur, dass es keinen Tod mehr gibt. Die Straßen waren ein einziges Volksfest flatternder Insignien, hin und her geschüttelt vom Wind, wenn er blies, andernfalls von einem geschickt aufgestellten Ventilator, und wenn der auch nicht stark genug war, um dieses kraftvolle Flattern der Standarte und das kleine, knallende Geräusch hervorzubringen, das die kriegerischen Geister so entzückt, so bewirkte er doch zumindest ein ehrwürdiges Aufwallen der heimatlichen Farben. Nur wenige Menschen bemerkten hinter vorgehaltener Hand, das sei doch wohl übertrieben, ausgemachter Blödsinn, früher oder später müsse man diese ganzen Fahnen sowieso abnehmen, und je früher, desto besser, denn wie zu viel Zucker den Geschmack des Puddings zerstört und den Verdauungsprozess beeinträchtigt, wird sich schließlich auch der normale und berechtigte Respekt vor patriotischen Emblemen in Hohn wandeln, wenn wir zulassen, dass sie zu einem öffentlichen Ärgernis werden wie diese Exhibitionisten in ihren Trenchcoats, an die wir uns nur ungern erinnern. Sie meinten ferner, man solle die Fahnen, die ja feierten, dass der Tod aufgehört hatte zu töten, entweder abnehmen, bevor durch ihr Übermaß Aversionen gegen die Symbole der Heimat geweckt würden, oder aber bis ans Lebensende, sprich, bis in alle Ewigkeit, ja, das ist richtig, bis in alle Ewigkeit, immer wieder erneuern, sobald der Regen sie aufgeweicht, der Wind sie zerrissen oder die Sonne sie ausgebleicht hatte. Es waren sehr wenige, die den Mut hatten, offen den Finger in diese Wunde zu legen, darunter auch ein armer Mann, der sich für seine antipatriotischen Äußerungen gar eine Tracht Prügel zuzog, die nur deshalb nicht sein trauriges Leben beendete, weil der Tod in diesem Land seit Jahresbeginn sein Wirken eingestellt hatte.

Es herrschte jedoch nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit, neben Menschen, die lachen, gibt es immer Menschen, die weinen, und manchmal, wie in vorliegendem Fall, sogar aus denselben Gründen. Wichtige Berufsgruppen äußerten, ernsthaft besorgt über die Lage, gegenüber den zuständigen Stellen bereits ihre Unzufriedenheit. Die ersten formellen Beschwerden kamen erwartungsgemäß von den Bestattungsunternehmen. Die auf brutale Weise ihres Rohstoffs beraubten Bestatter fassten sich zunächst in klassischer Manier an den Kopf und stimmten ihr Klagelied an, Was soll nur aus uns werden, riefen dann jedoch, angesichts des drohenden Konkurses, der keinen einzigen aus ihrem Kreis verschonen würde, die Generalversammlung der Zunft ein, an deren Ende sie nach hitzigen, durchweg unproduktiven Debatten, die ausnahmslos an der unverwüstlichen Mauer der mangelnden Kooperation des Todes zerschellten, einer Kooperation, an die sie sich, Väter wie Söhne, doch so gewöhnt hatten, als stünde sie ihnen naturgemäß zu, eine Erklärung verabschiedeten, die sie der Regierung des Landes vorlegen wollten, und diese Erklärung griff den einzigen konstruktiven, ja konstruktiven, wenngleich erheiternden Vorschlag auf, der zur Diskussion gestanden hatte, Die werden uns auslachen, warnte der Vorsitzende, aber ich muss zugeben, wir haben keine andere Wahl, entweder es klappt, oder es kommt zum Zusammenbruch der gesamten Branche. In der Erklärung stand, die Vertreter der Bestattungsunternehmen, welche wegen der überaus schwerwiegenden Krise, die aus Mangel an Todesfällen im Land über sie hereingebrochen war, zu einer außerordentlichen Generalversammlung zusammengekommen waren, seien nach gründlicher gemeinschaftlicher, stets von respektvoller Beachtung der obersten Interessen der Nation geprägter Analyse zu dem Schluss gekommen, dass die dramatischen Auswirkungen dieser Krise, welche ohne Zweifel als schwerste kollektive Notlage seit Gründung des Nationalstaats in die Geschichte eingehen werde, noch immer abzuwenden seien, wenn die Regierung beschlösse, die obligatorische Bestattung oder Einäscherung sämtlicher eines natürlichen oder gewaltsamen Todes verstorbener Haustiere einzuführen und die Durchführung besagter Bestattung oder Einäscherung, sobald sie verordnet und verabschiedet sei, ausschließlich der Bestattungsindustrie zu gewähren, da sich diese in der Vergangenheit als echte öffentliche Dienstleisterin erwiesen habe, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, und das seit Generationen. Ferner hieß es in der Erklärung, Wir bitten die Regierung außerdem, ihr Augenmerk auf die Tatsache zu richten, dass die erforderliche Umgestaltung dieser Industriebranche nur mit Hilfe umfangreicher Investitionen zu bewerkstelligen ist, denn schließlich ist es nicht dasselbe, ob man einen Menschen bestattet oder eine Katze, einem Kanarienvogel eine letzte Heimstatt verschafft oder gar einem Zirkuselefanten oder Badewannenkrokodil, deshalb muss nun das traditionelle Know-how von Grund auf neu definiert werden, wobei die seit der offiziellen Öffnung der Friedhöfe für Tiere gewonnene Erfahrung eine willkommene Grundlage bilden wird, mit anderen Worten, das, was bisher lediglich eine Nebentätigkeit unserer Branche war, wenngleich eine recht lukrative, das wollen wir gar nicht leugnen, wird nun zur Hauptaufgabe, wodurch die Entlassung Hunderter, wenn nicht gar Tausender aufopfernder, tapferer Arbeiter, die ihr Leben lang dem Schrecknis des Todes beherzt ins Auge geblickt haben und denen derselbe Tod nun unverdientermaßen den Rücken kehrt, weitestgehend verhindert werden kann, nach Vorbringung unseres Anliegens möchten wir Sie, Herr Premierminister, nun bitten, in der Angelegenheit des verdienten Schutzes einer seit Jahrtausenden als gemeinnützig geltenden Berufsgruppe freundlicherweise nicht nur baldmöglichst zu einer positiven Entscheidung zu finden, sondern parallel dazu ebenfalls eine günstige Kreditlinie einzurichten oder, und das wäre für uns das goldene i-Tüpfelchen auf schwarzem oder blauem Grund, denn das sind unsere Farben, um nicht zu sagen die der grundlegenden Gerechtigkeit, Gratisdarlehen zur schnellen Wiederbelebung dieses Sektors zu gewähren, dessen Existenz erstmalig in der Geschichte bedroht ist und der nicht einmal früher, in vorgeschichtlichen Epochen, bedroht war, hat doch der menschliche Kadaver stets jemanden gefunden, der ihn irgendwann beerdigte, und sei es nur, dass die barmherzige Erde sich auftat. Hochachtungsvoll, mit der Bitte um Bewilligung.

Auch die Leiter und Verwalter der Krankenhäuser,...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2014
Übersetzer Marianne Gareis
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Katastrophe • philosophisch • Sterben
ISBN-10 3-455-81279-1 / 3455812791
ISBN-13 978-3-455-81279-4 / 9783455812794
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