Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Schneeriese (eBook)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
208 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-92646-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schneeriese -  Susan Kreller
Systemvoraussetzungen
6,99 inkl. MwSt
(CHF 6,80)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises! Ein Mädchen, das fast gar nicht lispelt. Ein Junge, der wächst und wächst. Stella und Adrian sind zusammen aufgewachsen, mit Märchen in der Hollywoodschaukel und heißem Kakao, und sind die allerbesten Freunde. Bis zu diesem verflixten Tag, an dem Dato in das geheimnisvolle Dreitotenhaus nebenan einzieht: Denn zwischen Dato und Stella entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte. Adrian muss den ersten furchtbaren Liebeskummer überleben - und vielleicht trotzdem schaffen, Stellas Freund zu bleiben. Eine zurecht preisgekrönte Autorin! »Ein kleines Juwel.« Eselsohr   »Bleibt noch lange im Gedächtnis.« Süddeutsche Zeitung

Susan Kreller, 1977 in Plauen geboren, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte über deutsche Übersetzungen englischsprachiger Kinderlyrik. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Susan Kreller ist Gewinnerin des Kranichsteiner Literaturstipendiums, wurde bereits vier Mal für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und hat ihn 2015 für ihren Roman »Schneeriese« gewonnen.

Susan Kreller, 1977 in Plauen geboren, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte über deutsche Übersetzungen englischsprachiger Kinderlyrik. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Susan Kreller ist Gewinnerin des Kranichsteiner Literaturstipendiums, wurde bereits vier Mal für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und hat ihn 2015 für ihren Roman »Schneeriese« gewonnen.

KAPITEL


2

Einsneunzig, sagte die Stimme am Telefon.

Einsneunzig, du musst jetzt ganz wach sein.

Und Adrian dachte ausgerechnet an Stellas unbeholfene Art, einen Stift zu halten, es war das Erste, was ihm einfiel, und seltsam war das: dass ihm Stellas Finger in den Sinn kamen, die beim Schreiben den Stift umgarnten wie zum allerersten Mal. Weiß Gott, Adrian hätte allen Grund gehabt, etwas weniger Freundliches zu denken, immerhin war er aus dem tiefsten Schlaf gerissen worden.

Stella.

Was gibt’s?

Es geht los, Einsneunzig, sagte Stella. Und du gehst jetzt auch los, zieh dir was drüber, schöne Grüße und bloß keine Widerrede!

Alles in Ordnung bei dir?, fragte Adrian, stieg aus dem Bett und wankte zum Fenster, kalt, so kalt war es hier, mitternachtschwarz, und auf den Straßen lag der reinste Schnee und hatte keinen blassen Schimmer.

Jemand zieht vor meinen Augen ins Dreitotenhaus, sagte Stella vergnügt und fast lispellos. Komm auf der Stelle her, hier stimmt was nicht, da stinkt was gewaltig!

Stella Maraun hätte aus Uruguay anrufen können oder von einem neuerdings bewohnten Planeten, sie hätte sich von jedem beliebigen Flecken Erde oder Weltall bei ihm melden können, vollkommen gleich, Adrian wäre losgerannt, hätte im Gehen eine Jacke vom Haken gerissen, wäre sich mit der Rechten einmal wild durchs Haar gefahren und dann ins nächstbeste Flugzeug oder Raumschiff gesprungen und in weniger als fünf Minuten bei Stella gewesen.

Dass Stella seine Nachbarin war und nur ein paar Atemzüge von ihm entfernt wohnte, machte die Angelegenheit allerdings deutlich komplizierter. Adrian sah an sich herunter und begriff augenblicklich, dass er so auf keinen Fall zu Stella gehen konnte, nicht mal dann, wenn er sich etwas drüberzog. Er trug einen auffallend jämmerlichen Schlafanzug, der aus Baumwolle und dunkelblau und an sich nicht schlecht war, auch wenn vorn auf der Brust Bugs Bunny angetrunken grinste. Kein Problem, wirklich, Bugs Bunny hätte er mit Leichtigkeit verdecken können.

Ein gerichtstauglicher Beweis für die Jämmerlichkeit von Adrians Schlafanzug war hingegen, dass die Hosenbeine knöchellang gemeint waren, ihrem Träger aber höchstens bis zur halben Wade reichten und sich von Tag zu Tag weiter nach oben arbeiteten. Jämmerlich waren auch die Ärmel, die den größten Teil von Adrians Unterarmen preisgaben, alles, die insgesamt sieben Leberflecke, die Härchen und die langen freien Flächen, auf die er sich einen Namen seiner Wahl hätte tätowieren lassen können, wenn er lebensmüde gewesen wäre.

Das Schlimme war, dass Adrian nichts gegen diese Schlafanzüge tun konnte, und das Gute, dass er auch gar nichts tun wollte. Denn jeder Schlafanzug, der nicht nach fünf Monaten entsorgt werden musste, war ein Triumph für Adrians Mutter. Dass der Sohn noch seine alten Schlafanzüge trug, hieß ja, dass er in letzter Zeit nicht gewachsen und vorläufig nicht großwüchsig war, kein Stück.

Es war wirklich eine gute Sache. Die immer noch getragenen Schlafanzüge beruhigten Adrians Mutter, wenn auch immer nur für kurze Zeit. Sie lenkten sie manchmal sogar von geschwänzten Arztterminen ab und von Waldlands großen Größen und ganz besonders von dem besorgniserregenden Tatbestand, dass ihr Sohn zwei oder sieben Etagen höher als der Rest seiner Altersgenossen war.

Einsneunzig!, hörte Adrian die Stimme mit dem fast nicht vorhandenen Lispeln drohen. Bist du noch dran, kommst du jetzt gefälligst auf der Stelle rüber?

Stella?

Zu spät, sie hatte aufgelegt, und Adrian ging zum Spiegel, der seit Jahren neben dem Kleiderschrank hing und längst zu niedrig für ihn war, im Spiegel sein aalglattes Kinn, ein paar aalglatte Zentimeter Bauch und dazwischen Bugs Bunny, der viel zu hastig atmete.

Adrian zog den Schlafanzug aus, warf ihn aufs Bett und brauchte keine fünf Minuten, um in Jeans und Kapuzenpullover – beides fast neu – passgenau in die Küche zu schleichen, in seine Turnschuhe zu schlüpfen und auf die zugeschneite Terrasse zu treten.

Es war so. Wenn man von ein paar unbedeutenden Unterbrechungen absah, konnte man getrost behaupten, dass Adrian und Stella hier draußen aufgewachsen waren, genau an diesem Ort, auf dieser Terrasse, die die Häuser von Adrians und Stellas Familie im ersten Stock miteinander verband wie eine vollkommen lebensnotwendige Brücke.

Und eigentlich konnte man sogar noch genauer werden und sagen, dass es die rostige Hollywoodschaukel in der Mitte der Terrasse war, auf der Adrian und Stella groß geworden waren, oder mittelgroß, je nachdem. Sie hatten dort Jahr für Jahr überwintert, in muffige Wolldecken gehüllt, und sie hatten dort Jahr für Jahr mit froh schwitzenden Gesichtern übersommert, in den Bäuchen die eisgekühlte Monatsproduktion einer weit entfernten Colafabrik.

Misses Elderly, die Stellas Großmutter war und in Wahrheit einen leicht anderen Namen trug, Misses Elderly hatte den beiden früher immer wieder die Schneekönigin vorgelesen und jedes Mal befunden, dass Adrian und Stella tausendmal besser dran seien als Kay und Gerda, denn die hätten schließlich nur eine große Dachrinne gehabt, um sich zu treffen, keine gemeinsame Terrasse und schon gar keine uralte quietschende Schaukel mit äußerst geschmackvollen Decken darauf.

Adrian rutschte jetzt langsam mit den Turnschuhen über die Bodenleisten, immer weiter und weiter, zog Nachtspuren über das glitschige Terrassenholz. Von irgendwoher hörte er Stimmen, nein, man hörte nie Stimmen hier, nie in der Nacht, aber da waren sie, Stimmen, das Knallen einer Autotür, weit weg oder ganz in der Nähe, und wer weiß, am Ende kamen sie wirklich vom Dreitotenhaus, das düster hinter Stellas Haus lauerte.

Adrian lauschte noch eine Weile, aber es war wieder still geworden, die Nacht, sie war das leiseste Geräusch von allen. Er spürte, dass seine eiskalten Füße nur noch wenige Sekunden zu leben hatten, und schlüpfte endlich in die dunkle Küche der Marauns, deren Glastür ebenfalls unverriegelt war, man wusste ja nie. Adrian kannte diese Küche in- und auswendig und bewegte sich sogar im Dunkeln gekonnt an den Möbeln vorbei, tastete sich zur Tür und ging von dort aus ins Treppenhaus.

Vanille.

Es roch nach zwei Arten von Vanille, nämlich nach dem Frauentabak von Misses Elderly und nach der gewagten Körpercreme von Stellas Mutter, die sie mehrmals täglich großzügig auf ihren Armen verteilte. Adrian bewegte sich leise über die Dielen, aber überall knackte und knarrte es, weil das Holz alt war und sich längst aufgegeben hatte. Und obwohl Adrian vorsichtig und fast ohne Knöchelkraft an eine ganz bestimmte Tür klopfte, schien das Geräusch durchs ganze Haus zu hallen, kroch womöglich durch die Schlüssellöcher, quetschte sich unter allen Türen hindurch. Adrian wartete, ob sich etwas im Haus rührte, aber nicht mal Stella gab irgendeinen Laut von sich, und das, obwohl Adrian ein Geräusch, das vage an Herein! erinnerte, ausgesprochen gelegen gekommen wäre.

Als Stella auch bei Adrians zweitem Versuch nicht auf das Klopfen reagierte, öffnete er einfach die Tür und sah sofort, dass es im Zimmer stockfinster war, nur von der Straße kam ein wenig Licht hoch. Adrian erkannte Stellas Umrisse vorm Fenster. Sie kniete feierlich auf einer Fußbank und stützte die Ellenbogen auf dem Fensterbrett ab, als würde sie gerade beten. In Wahrheit blickte sie aber nur mit einem Fernglas nach unten und sagte, ohne sich auch nur für einen winzigen Augenblick umzudrehen: World Financial Center, verstummte dann und konzentrierte sich wieder auf das Dreitotenhaus, das sich auf der anderen Straßenseite angeblich verdächtig benahm.

Stella?, fragte Adrian, weil ihm leider nichts Originelleres einfiel, aber die Angesprochene machte ungerührt weiter und sagte, den Blick immer noch auf die Straße gerichtet:

Höchste Aussichtsplattform der Welt, in Shanghai ist die, unglaubliche vierhundertvierundsiebzig Meter hoch. Und jetzt hol dir ein Kissen und komm endlich, das Dreitotenhaus hat nicht ewig Zeit!

Adrian nahm sich ein Kissen, kniete sich neben Stella und hatte jetzt, auf dem flachen Polster, die besten Voraussetzungen, um nur wenig größer als Stella zu sein und um aus dem Nasenlochwinkel ihre Haare zu riechen, die sie wahrscheinlich erst vor wenigen Stunden gewaschen hatte und die nach Kinderkaugummi rochen.

Da müssten wir mal hin, sagte Adrian. Nach Shanghai.

Müssten wir nicht, die Aussicht ist hundertprozentig nichts Neues für dich, die hast du jeden Tag. Nur falls du’s vergessen hast, du bist der weltweit höchste Junge, Einsneunzig.

Adrian kniff Stella in den Arm, und Stella, die seit ein paar Jahren die größten und längsten Sachen aller Zeiten für ihn auswendig lernte, die großwüchsigen Dinge, Stella kniff zurück und knurrte: Dumm wie Wurstbrot! Dann kniff Adrian wieder, sagte: Zwerg!, worauf Stella höflich Großkotz! keifte, und mit einem kleinen warmen Ruck wurde Adrian klar, dass das die guten Momente waren, die Augenblicke, in denen man eins siebzig groß war und lauter Freunde hatte, die Zeiten, in denen man über seine eigenen Witze lachen konnte und keinen Grund hatte, an den Fingernägeln zu kauen. Vielleicht war man glücklich in solchen Momenten, mit fünfmal ü wie in den alten Schallplattenliedern, die sich Misses Elderly so gerne anhörte, glüüüüücklich, und vielleicht war das alles so, weil einen soeben ein Anderer dazu gebracht hatte, dass man sich selber mochte.

Adrian sah Stella an, die wieder reglos und mit leicht zitterndem Fernglas zum Dreitotenhaus blickte, dann wandte er sich ab und schaute...

Erscheint lt. Verlag 26.9.2014
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Ausgezeichnet • beste Freunde • Bücher ab 12 • Buchpreis • Carlsen • Christian Andersen • Deutscher Jugendliteraturpreis • Deutscher Jugendliteraturpreis 2015 • DJPL • Eifersucht • Erste Liebe • Erwachsen werden • Freundschaft • Großwuchs • Jugendbuch • Jugendbuchpreis • Kranichsteiner Literaturstipendium • Lektüreempfehlung • Liebe • Liebeskummer • Preisgekrönt • Schneekönigin • Schullektüre • Unerwiderte Liebe • Winter
ISBN-10 3-646-92646-5 / 3646926465
ISBN-13 978-3-646-92646-0 / 9783646926460
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich