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Die Erzählungen der Chassidim (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
784 Seiten
Manesse (Verlag)
978-3-641-14782-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Erzählungen der Chassidim -  Martin Buber
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Ein Buch zur religiösen und spirituellen Inspiration
Die von Martin Buber gesammelten Geschichten aus der Welt des osteuropäischen Judentums begeistern durch ihre Lebensweisheit, durch Humor und gelebte Religiosität. Zum fünfzigsten Todestag des bedeutenden Religionsforschers erscheint Bubers populärstes Werk in einer liebevoll edierten Jubiläumsausgabe.

Der Chassidismus, die im 18. Jahrhundert entstandene religiöse Bewegung der Juden Osteuropas, hat eine Fülle legendenhafter Erzählungen hervorgebracht. Teils mündlich, teils schriftlich niedergelegt, hatten diese Geschichten lange Zeit keinerlei Anspruch auf literarische Gültigkeit. Es ist das Verdienst Bubers, sie nicht nur gesammelt, sondern auch sprachlich geformt und philosophisch eingeordnet zu haben. Den Band «Die Erzählungen der Chassidim» hat er 1949 persönlich für den Manesse Verlag zusammengestellt. Zum Jubiläum veröffentlichen wir eine um Register, Anmerkungen und Glossar erweiterte Ausgabe. Michael Brocke, einer der renommiertesten deutschen Judaisten, beleuchtet mit einem neuen Nachwort Bubers epochales Werk aus heutiger Sicht.

  • Großformatige Geschenkausgabe, gebunden in bedrucktes Leinen, mit Rundum-Farbschnitt
  • Mit neuem Nachwort und erstmals mit Register und Glossar


Martin Buber (1878-1965), Religionsforscher, Religionsphilosoph und Schriftsteller, war eine der führenden Persönlichkeiten des Judentums im 20. Jahrhundert und ein Vorreiter des jüdisch-christlichen Dialogs.

EINLEITUNG

1

Dieses Buch will seinen Leser in eine legendäre Wirklichkeit einführen.

Ich muss sie legendär nennen, denn die Überlieferungen, denen es die ihnen angemessene Form zu geben unternommen hat, sind nicht chronistisch zuverlässig. Sie gehen auf begeisterte Menschen zurück, die in Erinnerungen und in Aufzeichnungen festgehalten haben, was ihre Begeisterung wahrnahm oder wahrzunehmen glaubte, also sowohl manches, was sich zwar begeben hat, aber nur von dem Blick des Begeisterten zu erfassen war, wie auch manches, was sich so, wie es erzählt worden ist, nicht begeben hat und nicht begeben haben kann, was die begeisterte Seele aber als etwas, was sich sinnfällig so begeben hat, empfand und daher als solches berichtete.

Darum muss ich es eine Wirklichkeit nennen: die Wirklichkeit der Erfahrung begeisterter Seelen, eine in aller Unschuld entstandene Wirklichkeit, ohne Raum für Erfindung und Willkür.

Die Seelen berichteten aber eben nicht von sich, sondern von dem, was auf sie gewirkt hat. Was wir ihrem Bericht zu entnehmen vermögen, ist somit nicht eine Tatsache der Psychologie allein, sondern eine des Lebens. Begeisterndes geschah, und es wirkte, wie es wirkte: Indem die Überlieferung die Wirkung mitteilt, bekundet sie doch auch, was so gewirkt hat – sie bekundet Begegnungen zwischen begeisternden und begeisterten Menschen, den Umgang zwischen jenen und diesen. Das ist echte Legende, und das ist ihre Wirklichkeit.

Die Menschen, von denen hier erzählt wird, die Begeisternden, sind die «Zaddikim», was gewöhnlich mit «die Gerechten» übersetzt wird, aber die in ihrem Rechtsein Erwiesenen, die Bewährten bedeutet; es sind die Führer der chassidischen Gemeinden. Die Menschen, die hier erzählen,2 aus deren Erzählungen sich die legendäre Überlieferung zusammensetzt, die Begeisterten, sind die «Chassidim», die Frommen, richtiger die Bundestreuen, die jene Gemeinden bilden. Dieses Buch will somit als Ausdruck und Dokumentation des Umgangs zwischen Zaddikim und Chassidim, als Ausdruck und Dokumentation des Lebens der Zaddikim mit ihren Chassidim verstanden sein.

2

Die chassidische Lehre ist wesentlich ein Hinweis auf ein Leben in Begeisterung, in begeisterter Freude. Aber diese Lehre ist nicht eine Theorie, die unabhängig davon besteht, ob sie verwirklicht wird. Vielmehr ist sie nur die theoretische Ergänzung eines Lebens, das wirklich von Zaddikim und Chassidim gelebt worden ist, insbesondre in den ersten sechs Generationen der Bewegung, von denen dieses Buch erzählt.

Im Grunde gehen alle großen Religionen und religiösen Bewegungen darauf aus, ein Leben in Begeisterung zu erzeugen, und zwar in einer Begeisterung, die durch kein Erlebnis zu ersticken ist, die somit ihre Quelle in einer allen einzelnen Erlebnissen schlechthin überlegenen Beziehung zum Unbedingten haben muss. Da aber die Erfahrungen, die der Mensch mit der Welt und mit sich selbst macht, vielfach nicht geeignet sind, Begeisterung in ihm zu erzeugen, verweisen die religiösen Konzeptionen ihn auf ein anderes Sein, das Sein einer vollkommenen Welt, in der auch seine Seele vollkommen ist. Diesem Sein der Vollkommenheit gegenüber wird das irdische Leben entweder nur als ein Vorhof oder gar nur als Schein angesehen, und dem Ausblick von diesem auf jenes wird die Aufgabe übertragen, über alle Enttäuschungen der äußeren und inneren Erfahrungen hinweg die Begeisterung hervorzubringen, dass jenes besteht und der Menschenseele unter bestimmten Voraussetzungen jenseits des irdischen Lebens zugänglich ist oder doch allmählich zugänglich werden kann. Im Judentum war, unbeschadet des Glaubens an ein ewiges Leben, stets die Tendenz mächtig, der Vollkommenheit eine irdische Stätte zu schaffen. Die große messianische Konzeption einer kommenden Vollendung auf Erden, an deren Bereitung jedermann tätigen Anteil nehmen kann, vermochte trotz ihrer Macht über die Seelen doch dem persönlichen Leben nicht jene stete und unüberwindliche begeisterte Freude am Dasein zu schenken, die eben nur aus einer in sich erfüllten Gegenwart, nicht aus der Hoffnung auf eine künftige Erfüllung, quellen kann. Das änderte sich auch dann nicht, als die kabbalistische Lehre von der Seelenwanderung jedem ermöglichte, sich der Seele nach mit einem Menschen der messianischen Generation zu identifizieren und so auch das persönliche Gefühl vorwegnehmend an ihr zu beteiligen. Nur in den messianischen Bewegungen selber, die jeweils auf dem Glauben gründeten, die Vollendung beginne eben jetzt, brach die Begeisterung aus und durchdrang das ganze Leben. Als die letzte dieser Bewegungen, der sabbatianische Taumel samt seinen Nachwirkungen,3 in Abfall und Verzweiflung endete, war für die lebendige Kraft der Religion die Probe gekommen; denn hier konnte nicht eine bloße Sänftigung des Leidens, sondern nur ein Leben in begeisterter Freude Abhilfe schaffen und den jüdischen Menschen erhalten. Die Entstehung des Chassidismus bedeutet das Bestehen dieser Probe.

Ohne die messianische Hoffnung abzuschwächen, erregte die chassidische Bewegung sowohl in den geistigen wie in den «einfachen» Menschen, die ihr anhingen, eine Freude an der Welt, wie sie ist, am Leben, wie es ist, an jeder Stunde des Lebens in der Welt, wie diese Stunde ist. Ohne den Stachel des Gewissens abzustumpfen und das Gefühl des Abstands zwischen der Menschengestalt, als die dieser Einzelne in der Schöpfung gemeint ist, und seiner gegenwärtigen Tatsächlichkeit zu betäuben, zeigte sie dem Einzelnen von jeder Versuchung, ja auch noch von jeder Sünde aus den Weg zu dem Gott, «der mit ihnen inmitten ihrer Unreinheiten wohnt». Ohne die verpflichtende Macht der Thora zu mindern, ließ sie nicht bloß in allen überlieferten Geboten einen unmittelbar beglückenden Sinn aufleuchten, sondern sie beseitigte faktisch die Trennungsmauer zwischen dem Heiligen und dem Profanen, indem sie auch jede profane Handlung heilig vollziehen lehrte. Ohne in einen Pantheismus abzugleiten, der den Wert der Werte, die Gegenseitigkeit der Beziehung zwischen Menschlichem und Göttlichem, die auch am Rand der Ewigkeit nicht innehaltende Realität von Ich und Du vernichtet oder verkümmert, machte sie göttliche Strahlungen, glimmende göttliche Funken in allen Wesen und Dingen erkennbar und unterwies, wie man ihnen nahen, mit ihnen umgehen, ja sie «heben», sie erlösen, sie mit ihrer Urwurzel wieder verbinden könne. Die talmudische, von der Kabbala ausgebaute Lehre von der Schechina, der «einwohnenden Gegenwart» Gottes in der Welt, bekam einen neuen, intim-praktischen Gehalt: Wenn du die unverkürzte Kraft deiner Leidenschaft auf Gottes Weltschicksal richtest, wenn du das, was du in diesem Augenblick zu tun hast, was es auch sei, zugleich mit deiner ganzen Kraft und mit solcher heiligen Intention, Kawwana, tust, einst du Gott und Schechina, Ewigkeit und Zeit. Dazu brauchst du kein Lehrkundiger, kein Weiser zu sein: Nichts ist not als eine in sich einige, ungeteilt auf ihr göttliches Ziel gerichtete Menschenseele. Die Welt, in der du lebst, so wie sie ist, und nichts anderes, gewährt dir den Umgang mit Gott, ihn, der dich und das in der Welt weilende Göttliche, soweit es dir anvertraut ist, zugleich erlöst. Und deine eigene Beschaffenheit, dies eben, wie du bist, ist dein besonderer Zugang zu Gott, deine besondere Möglichkeit für ihn. Lass dich deiner Lust an Wesen und Dingen nicht verdrießen, lass sie sich nur in den Wesen und Dingen nicht verkapseln, sondern durch sie zu Gott vordringen; empöre dich nicht wider deine Begierden, sondern fasse sie und binde sie an Gott; nicht ertöten sollst du deine Leidenschaft, sondern sie heilig wirken und heilig ruhen lassen in Gott. Aller Widersinn, mit dem die Welt dich kränkt, tritt dich an, damit du den Sinn in ihm entdeckst, und aller Widerspruch, der in dir selbst dich peinigt, wartet auf deinen Spruch, ihn zu bannen. Alles Urleid will Eingang in deine begeisterte Freude. Diese deine Freude aber ist es nicht, wonach du strebst. Sie wird dir zuteil, wenn du danach strebst, «Gott zu erfreuen». Deine Freude erhebt sich, wenn du nichts mehr willst als die göttliche Freude – nichts mehr als die Freude selber.

3

Wie nun aber sollte der Mensch, wie insbesondre der «einfache Mensch», um den es doch vor allem der chassidischen Bewegung zu tun war, dazu gelangen, sein Leben in begeisterter Freude zu leben? Wie sollte er im Feuer der Versuchungen den «bösen Trieb» zum guten umschmieden? Wie in der gewohnten Erfüllung der Gebote die beglückende Bindung an die oberen Welten erschließen? Wie in seinen Begegnungen mit Wesen und Dingen der göttlichen Funken innewerden, die sich in ihnen bergen? Wie durch heilige Kawwana das Leben des Alltags verklären? Wohl, nichts ist not als eine in sich einige, ungeteilt auf ihr göttliches Ziel gerichtete Menschenseele; aber wie in diesem Irrbau unseres Daseins auf Erden das Ziel im Auge bewahren? Wie inmitten der tausenderlei Fährlichkeiten und Bedrängnisse, Täuschungen und Blendungen die Einheit nicht verlieren? Und wenn man sie verloren hat, wie findet man sie wieder? Der Mensch bedarf des Rats, des Beistands, der Aufrichtung, der Rettung. Aber all dessen bedarf er ja nicht in den Belangen der Seele allein; sie sind ja alle in irgendeiner Weise mit den kleinen und großen Sorgen, Trübsalen und Verzweiflungen des Lebens selber verknüpft, und wenn man diesen nicht beikommt, wie soll man jene bewältigen? Es bedarf eines Helfers für Leib und Seele zugleich, für Irdisches und Himmlisches in einem. Dieser Helfer wird Zaddik genannt. Er ist ein Heiler auf körperlichem und geistigem Gebiet in einem, denn er eben kennt beider Verbindung und vermag von da aus auf beide...

Erscheint lt. Verlag 10.11.2014
Nachwort Michael Brocke
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Märchen / Sagen
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Buber • Chassidim • Chassidim, Buber, Erzählungen, Judentum, Chassidismus • Chassidismus • eBooks • Erzählungen • Geschichten • Juden • Judentum • Osteuropa • Religion • Religionsphilosoph • Religiosität • Weisheit
ISBN-10 3-641-14782-4 / 3641147824
ISBN-13 978-3-641-14782-2 / 9783641147822
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