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Aimée und Jaguar (eBook)

Ein Liebesgeschichte, Berlin 1943
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
368 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30763-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aimée und Jaguar -  Erica Fischer
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Ein Welterfolg - Die Liebesgeschichte von Aimée & Jaguar»Wer anfängt zu lesen, hört nicht mehr auf. So fesselnd liest sich die ungewöhnliche Liebesgeschichte von Lilly und Felice.«Der Tagesspiegel In der Verfilmung von Max Färberböck - die auf diesem Buch basiert - mit Juliane Köhler und Maria Schrader in den Hauptrollen wurde die Geschichte von Aimée und Jaguar weltweit bekannt. Berlin 1942. Lilly Wust, 29, verheiratet, vier Kinder, führt das Leben von Millionen deutscher Frauen. Doch dann lernt sie die 21-jährige Felice Schragenheim kennen.Es ist Liebe fast auf den ersten Blick. Aimée & Jaguar schmieden Zukunftspläne, schreiben einander Gedichte, Liebesbriefe, schließen einen Ehevertrag. Als Jaguar-Felice ihrer Geliebten gesteht, dass sie Jüdin ist, bindet dieses gefährliche Geheimnis die beiden Frauen noch enger aneinander. Doch ihr Glück währt nur kurz. Am 21. August 1944 wird die Jüdin Felice verhaftet und deportiert. Erica Fischer ließ sich von der 80-jährigen Lilly Wust die Geschichte erzählen und verarbeitete sie zu einem eindringlichen Zeugnis. Nach Erscheinen des Buches 1994 meldeten sich weitere Zeitzeuginnen, und so konnte in der vorliegenden Ausgabe neues Material hinzugefügt werden.

Erica Fischer, geboren 1943 in der englischen Emigration der Eltern, 1948 Rückkehr nach Österreich, Studium am Dolmetsch-Institut der Universität Wien, Feministin der ersten Stunde in Wien, seit Mitte der 70er Jahre publizistisch tätig, lebt seit 1988 als freie Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin in Deutschland, seit 1994 in Berlin.  

Erica Fischer, geboren 1943 in der englischen Emigration der Eltern, 1948 Rückkehr nach Österreich, Studium am Dolmetsch-Institut der Universität Wien, Feministin der ersten Stunde in Wien, seit Mitte der 70er Jahre publizistisch tätig, lebt seit 1988 als freie Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin in Deutschland, seit 1994 in Berlin.  

Inhaltsverzeichnis

2


Am 27. November sind Elisabeth Wust und Inge Wolf um drei Uhr nachmittags im Café Berlin neben dem Ufa-Palast am Bahnhof Zoo mit einer von Inges Freundinnen verabredet. Seit einiger Zeit schon erzählt Inge in einem fort von ihren Freundinnen. Elisabeth Wusts Verdacht, daß diese Mädchen anders sind, erhärtete sich, als Inge eines Tags beim Bettenmachen anfing, ihr den Arm zu streicheln, und sie fragte, was sie dabei empfände. Auch mit Frauen könne es sehr schön sein, flötete sie und schaute der Gnädigen mit ihren leuchtenden schwarzen Augen schamlos ins Gesicht. Oh ja, das könne sie sich schon vorstellen, antwortete Elisabeth Wust verlegen und senkte den Blick. Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm sie von da an zur Kenntnis, daß Inge andersrum sei. Eine von Inge hochgeschätzte Eigenschaft der Wust ist ihre Diskretion. Sie stellt einfach keine Fragen, was andererseits wieder den Nachteil hat, daß ihr Mitteilenswertes aufgedrängt werden muß.

Die sehr gepflegte brünette junge Frau im rostroten Kostüm aus feinem englischen Tuch, der Elisabeth Wust im Café Berlin vorgestellt wird, nennt sich Felice Schrader. Elisabeth Wust ist überrascht, hat sie doch eine Elenai erwartet, von der Inge öfter mal gesprochen hat. Mit ihren langen Beinen in glänzenden Seidenstrümpfen ist Felice Schrader etwas größer als Inge. Sie scheint es darauf abgesehen zu haben, Elisabeth Wust zu imponieren. Was sie sagt, ist unerheblich, aber wie sie es sagt, ist bezaubernd. Immer wieder strahlt sie Elisabeth Wust mit einem breiten Lächeln an und zeigt dabei ihre makellosen Zähne.

Inge murmelt irgendwas von einem möblierten Zimmer, in dem ihre Freundin wohnt. Elisabeth Wust schweigt, wie es ihre Art ist. Sie schaut nur fasziniert auf Felice Schraders feingliedrige Hände mit den dezent lackierten Fingernägeln und atmet den Duft ihres Parfums. Es entgeht ihr nicht, daß Inge und Felice einander gar nicht so verstohlene schelmische Blicke zuwerfen. Elisabeth Wust fühlt sich in einen magischen Kreis hineingezogen und spürt, wie alle ihre Sinne wie aus einem Tiefschlaf erwacht eine ungewöhnliche Schärfe annehmen. Neben Felice Schrader kommt sie sich in ihrem für die Jahreszeit zu dünnen dunkelblauen Kunstseidenkleid, bestickt mit weißen und hellblauen Röschen, peinlich hausbacken vor.

An der Tramhaltestelle vor dem Ufa-Palast, zu der sie die beiden Freundinnen nach einer allzu schnell vergangenen Stunde begleiten, fröstelt sie. Da öffnet Felice Schrader ihre Mappe – es ist Elisabeth Wust gar nicht aufgefallen, daß sie eine dabeihatte – und schenkt ihr mit einem kleinen verlegenen Lächeln einen Apfel, den Elisabeth Wust zitternd umklammert.

»Auf Wiedersehn«, sagt Felice Schrader, und Elisabeth Wust ist, als hätte sie ihr zugeblinzelt.

 

Einige Tage darauf merkt Elisabeth Wust, daß Inge gegen Ende ihrer Arbeitszeit unruhig wird und immer wieder zum Wohnzimmerfenster läuft. Unten auf dem Kopfsteinpflaster der Friedrichshaller Straße steht Felice Schrader und traut sich nicht hinauf.

»Kommen Sie herauf, Sie können doch nicht unten in der Kälte stehenbleiben!« ruft die Wust hinunter in ihrem unnachahmlichen Ton, der keine Widerrede duldet.

»Inge, holen Sie Felice sofort herauf. Das kommt doch überhaupt nicht in Frage, daß sie unten auf der Straße auf Sie wartet.«

Immer häufiger steigt Felice nun um fünf Uhr nachmittags zur gnädigen Frau in die vierte Etage und wird nicht selten gemeinsam mit Inge zum Abendbrot eingeladen.

»Sagen Sie doch Lilly zu mir, da komm ich mir weniger alt vor«, kokettiert die Wust mit dem achtjährigen Altersunterschied.

Manchmal wird die Abendbrotrunde durch diesen oder jenen Herrn komplettiert. Obwohl die Berliner Hausfrauen zunehmend über Lebensmittelknappheit klagen und die Schlangen gereizter Menschen vor den Geschäften immer länger werden, ist Lilly dank der vier Kinderzuteilungen stets reichlich mit Essen versorgt. Zu Weihnachten gibt es überdies eine Sonderzuteilung: 50 Gramm Bohnenkaffee und 0,7 Liter Spirituosen für Erwachsene, ebenso wie Fleisch, Butter, Weizenmehl, Zucker, Hülsenfrüchte, Käse und Süßwaren.

Immer noch in der Rolle der Gnädigen beobachtet Lilly mit Vergnügen, wie sich ihre Wohnung allmählich füllt. An ein gastliches Haus ist sie gewöhnt. Bei den Gesellschaften ihrer Eltern ging es immer hoch her. Dann bestellte die Mutter die Zugehfrau, die bei Tisch servierte und den Abwasch besorgte, der Vater holte den Koblenzer Weißwein aus dem Keller, öffnete die Flügeltür zwischen Wohnzimmer und Herrenzimmer und stimmte das Klavier, um seine Gäste zu vorgerückter Stunde mit Improvisationen zu ergötzen. Zum Vergnügen der eingeladenen jungen Herren legte Lilly manchmal zu des Vaters Begleitung einen improvisierten Tanz aufs Parkett. Auch sonst wurde im Hause Kappler viel musiziert. Wenn der Vater im Sommer bei offenem Fenster auf dem Klavier Schubertlieder spielte, Lillys Bruder Bob dazu auf der Geige kratzte und die Mutter mit Lilly im Duett sang, klatschten die Leute draußen auf der Straße Applaus.

Richtig bunte Vögel sind diese scheinbar unbeschwerten jungen Frauen, die sich bald mehrmals wöchentlich bei Lilly einfinden. Die Schönste ist Elenai Pollak. Mit ihren tiefblauen Augen und dem dichten, langen, schwarzen Kraushaar sieht sie verstörend exotisch aus. Wenn Lilly aufgekratzt vor sich hin plappert, entzückt von der interessanten Wendung, die ihr Leben genommen hat, verfällt Elenai in brütendes Schweigen. Nur wenn sie im Gespräch jemand von ihrer Meinung überzeugen will, wird sie plötzlich überraschend laut und heftig, ihre Wangen röten sich, und die Augen blitzen angriffslustig.

Wer mit wem ein Verhältnis hat, vermag Lilly nur unklar zu erkennen. Inge und Felice bestimmt, Inge und Elenai ebenso. Die farblose blonde Nora scheint in Elenai verschossen zu sein. Diese wiederum spricht auch Männern zu. In den Gesprächen taucht bisweilen eine Christine auf. Und wenn Inge tagsüber nicht rechtzeitig zum Telefon stürzt, um Felices Anruf abzufangen, kommt Lilly in den Genuß einer Dame, die am anderen Ende der Leitung Süßholz raspelt, was das Zeug hält. Lilly lächelt dann derartig versonnen, daß Inge ein gewisses Unbehagen nicht unterdrücken kann. Von der Wust soll Felice lieber die Finger lassen. Neulich kam sie mit einem Riesenstrauß roter Rosen angetanzt.

 

Sylvester 1942 wird ein ausgelassenes Fest. Felice hat einen Kofferplattenspieler, Lilly einen altmodischen Apparat mit Kurbelantrieb. Nach und nach hat Felice alle ihre Grammophonplatten angeschleppt und so Lillys Schlagersammlung von Zarah Leander über Marika Rökk und Hans Albers zurück zu Zarah Leander verbotenes französisches Liedgut hinzugefügt, La mer und Germaine zum Beispiel. »Kann denn Liebe Sünde sein?« und »Auf dem Dach der Welt, da ist ein Storchennest«, grölen die Mädchen im Chor, und Lilly serviert beglückt belegte Brötchen mit Ei und Schnittlauch.

Ebenso beglückt ist der Wehrmachtsangehörige Günther Wust. Bei seinen Familienbesuchen fühlt er sich geschmeichelt durch die Anwesenheit der charmanten Damen in seinem Haus und freut sich, seine Lilly aufgeräumt wie schon lange nicht zu sehen. Seit der unglücklichen Geschichte mit der Käthe Herrmann hat es häufig Streit gegeben, und seit er mit der Liesl geht, ist die Entfremdung perfekt. Wenn es diese Freundinnen schon früher gegeben hätte, wäre vielleicht auch die dumme Sache mit dem Erwin nicht passiert.

 

Am 30. Januar 1943, dem 10. Jahrestag der Machtergreifung, muß die Berliner Bevölkerung über zwei Stunden auf den Beginn von Hermann Görings Rede warten, weil englische Aufklärer zum ersten Mal am hellichten Tag über der Stadt kreisen. Vier Tage nachdem Göring seiner unerschütterlichen Siegesgewißheit Ausdruck verliehen hat, kapitulieren die Reste der in Stalingrad eingeschlossenen deutschen Truppen. Unter Trauermusik wird die Niederlage im Radio bekanntgegeben.

Am 18. Februar spornt Reichspropagandaminister Goebbels das deutsche Volk zu noch größeren Anstrengungen an. In einer »Kundgebung des fanatischen Willens« im Berliner Sportpalast kündigt er zur »Rettung Deutschlands und der Zivilisation« den »totalen Krieg« an. Um der Opfer des Rußlandfeldzugs zu gedenken, wird eine dreiminütige Verkehrsstille angeordnet. Am Zoo stehen die Menschen wie versteinert da, ohne einander anzusehen. Obwohl den meisten klar ist, daß der Krieg nunmehr endgültig verloren ist, wagt keiner, es auszusprechen.

Die Propaganda stürzt sich verstärkt auf den »inneren Feind«. Gauleiter Goebbels gelobt, Hitler zu seinem 54. Geburtstag am 20. April Berlin »judenfrei« zu übergeben. Die Gestapo stürmt Häuser, knackt Türschlösser, durchsägt Stahlriegel, zertrümmert Türen mit Äxten, steigt durch die Fenster der Nebenwohnungen ein. Viele Juden tauchen unter. Furchtbare Gerüchte über das Schicksal der »Evakuierten« machen die Runde.

Am 20. Februar gibt das Reichssicherheitshauptamt Richtlinien für die »technische Durchführung« der Deportationen nach Auschwitz aus. Mitzunehmen sind: Marschverpflegung für etwa 5 Tage, 1 Koffer oder Rucksack, 1 Paar derbe Arbeitsstiefel, 2 Paar Socken, 2 Hemden, 2 Unterhosen, 1 Arbeitsanzug, 2 Wolldecken, 2 Garnituren Bettzeug, 1 Eßnapf, 1 Trinkbecher, 1 Löffel, 1 Pullover.

 

Ende Februar erweitert sich Lillys Freundeskreis um zwei Personen: Die dunkelhaarige und leicht gehbehinderte Ilse Ploog mit den traurigen schwarzen Augen im breitflächigen Gesicht hat Felice das Fotografieren beigebracht. Felice besitzt eine...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2013
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristik • Berlin • Beziehung • Deutschland-Geschichte • Erinnerungen • Film • Frauen • Jüdin • Kiepenheuer & Witsch • Liebe • Liebesgeschichte • Nationalsozialismus • Roman • Welterfolg • Zeit-Zeugen
ISBN-10 3-462-30763-0 / 3462307630
ISBN-13 978-3-462-30763-4 / 9783462307634
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