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Hörig (eBook)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-49001-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hörig -  Petra Hammesfahr
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Eine Kusshand hatte er ihr zugeworfen. Und ein wehmütig sehnsüchtiges Lächeln. Im August vor sieben Jahren. Ehe ein Gerichtsdiener die Tür hinter ihm und den beiden Polizisten schloss. Und jetzt stand er hier vor der Tür. Sie fühlte ihr Herz flattern und gleichzeitig den stählernen Ring um die Brust, der es zusammenpresste. «Hallo», stammelte sie endlich und machte den ersten, winzigen, unsicheren Schritt auf ihn zu. Für die Presse war er ein Dämon. Für Patrizia die große Liebe. Als Heiko Schramm zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, brach für sie die Welt zusammen. Erst viel später akzeptierte sie, was alle zu wissen glauben: dass er sie nie geliebt und nur benutzt hat. Diese Erkenntnis hat sie vor allem Ed zu verdanken, ihrem früheren Psychotherapeuten und jetzigen Ehemann. Sieben Jahre später steht Heiko vor ihr. Und Patrizia kann nicht anders, als mit ihm zu gehen. Zurück bleibt eine Nachricht von ihr: «Es tut mir leid, Ed.» Während Ed alle Hebel in Bewegung setzt, um sie zu finden, erkennt Patrizia nach und nach die entsetzliche Wahrheit ...

Petra Hammesfahr schrieb mit 17 ihren ersten Roman. Mit ihrem Buch 'Der stille Herr Genardy' kam der große Erfolg. Seitdem schreibt sie einen Bestseller nach dem anderen, u.a. 'Die Sünderin', 'Die Mutter' und 'Erinnerungen an einen Mörder'. Die Autorin lebt in der Nähe von Köln.

Petra Hammesfahr schrieb mit 17 ihren ersten Roman. Mit ihrem Buch "Der stille Herr Genardy" kam der große Erfolg. Seitdem schreibt sie einen Bestseller nach dem anderen, u.a. "Die Sünderin", "Die Mutter" und "Erinnerungen an einen Mörder". Die Autorin lebt in der Nähe von Köln.

Teil 2


Um elf hatte Edmund einen Lehrer mit Burn-out empfangen und sich kaum auf den Mann konzentrieren können. Immer wieder waren seine Gedanken abgeschweift, hatte sich das Bündel Haut und Knochen auf der Sesselkante vor sein geistiges Auge geschoben. Er ärgerte sich, dass er nicht doch daheim angerufen hatte in den zehn Minuten zwischen den beiden Terminen. Nur kurz Patrizias Stimme hören, sie dabei vor sich sehen, wie sie heute war, eine attraktive, junge und vor allem gesunde Frau.

Der Lehrer erzählte ihm nichts, was er nicht schon drei Dutzend Mal gehört hatte. Trotzdem ließ er zur Vorsicht das Bandgerät mitlaufen und überspielte seine geistige Abwesenheit mit dem Standard-Prozedere für Situationen, in denen ihm sonst nichts einfiel. Dabei wiederholte er einen Satz aus dem Mund des Patienten und fragte anschließend: «Haben Sie eine Erklärung, warum das so ist?» Das zwang die Leute, selbst nach einer Antwort zu suchen. Manchmal traten bei der Methode neue Aspekte zutage. Diesmal nicht.

Um zehn vor zwölf verabschiedete Edmund den Lehrer und musste im Vorraum noch zwei Termine für die nächste Woche bestätigen. Dann ging Sybille Grandes in die Mittagspause. Der Kaffee für ihn stand schon auf dem Schreibtisch. Aber diesmal griff er zuerst nach dem Telefonhörer. Dabei wusste er nicht einmal, was er sagen sollte.

Patrizia würde ihn garantiert fragen, ob es einen besonderen Grund für seinen Anruf gab, weil er eigentlich nie Zeit für private Telefongespräche hatte, normalerweise auch keine Veranlassung. Er erinnerte sich nur an zwei Anrufe in den vergangenen drei Jahren. Beide Male hatte er ihr mitgeteilt, dass er später als morgens angekündigt heimkäme, weil er noch einen nicht angemeldeten Patienten angenommen hatte – Notfälle, so etwas kam hin und wieder vor, zum Glück nur selten.

Patrizia ihrerseits hatte ihn im vergangenen Jahr mehrfach angerufen. Sie kannte schließlich die Zeiten, zu denen er Kaffeepause machte. Jedes Mal war es um Handwerker gegangen, die nach einem Wasserrohrbruch auf sich warten und sich von ihr nicht aufscheuchen ließen. Darum hatte er sich dann in der nächsten Pause kümmern müssen.

Dass ihn eine Patientin an die ersten Therapiestunden mit ihr erinnert hatte, damit wollte er sie keinesfalls behelligen. Sie noch einmal daran zu erinnern, dass er am Nachmittag mit ihr die Einkäufe fürs Wochenende machen wollte, war überflüssig. Das würde sie garantiert nicht vergessen, weil sie seine versteckte Ankündigung einer langen Liebesnacht herausgehört hatte, da war er sicher. Und behaupten, er wolle nur kurz ihre Stimme hören, weil ihm der vergangene Abend nicht aus dem Sinn ginge … Dann glaubte sie vielleicht, er wolle sich seine Fähigkeiten als Liebhaber bestätigen lassen. Das hatte er nicht nötig.

Es klingelte sechs- oder siebenmal, ehe er stutzig wurde. Er kannte den Tagesablauf seiner Frau, was nicht bedeutete, dass er sie kontrollierte. Das war gar nicht notwendig. Sie hatte feste Gewohnheiten. Um diese Zeit hätte sie eigentlich in der Küche sein müssen, um sich einen kleinen Imbiss anzurichten, weil sie sich beim Frühstück wochentags mit einem Kaffee begnügte. Morgens um acht brachte sie noch keinen Bissen herunter.

Wenn sie noch nicht telefoniert hatte und das Mobilteil noch auf der Basisstation stand – bis in der Diele waren es nur wenige Schritte. Sie hätte schon nach dem dritten Klingeln abgehoben. Vielleicht war sie in den Keller gegangen, um sich etwas aus dem Vorratsraum zu holen. Dann hetzte sie jetzt wohl die Kellertreppe hoch. Er rechnete damit, in der nächsten Sekunde ihr atemloses «Bracht» zu hören. Aber es tutete nur weiter.

Nach dem zwölften Klingeln legte er den Hörer zurück, strich sich einmal flüchtig mit den Fingerspitzen über die Lippen und überlegte, ob sie irgendetwas angekündigt hatte.

Sie ging nicht oft aus dem Haus und machte deshalb aus jedem Schritt vor die Tür ein Thema, vor allem, wenn dieser Schritt zum Bahnhof führte. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln hatte sie ein kleines Problem, aber das war nicht der Rede wert. Sie hatte auch nichts gesagt, weder heute Morgen noch gestern Abend.

Wahrscheinlich war sie im Garten. Dort konnte sie sich stundenlang beschäftigen und vergaß darüber oft die Zeit. Und bei dem bewölkten Himmel, aus dem es jeden Moment zu tröpfeln beginnen konnte, gab es garantiert noch etwas zu tun, was bei durchnässter Erde nicht mehr so viel Spaß machte.

Draußen hörte sie das Klingeln nicht. Auf die Idee, das Telefon mit ins Freie zu nehmen, kam sie nie. Darüber hatten sich sowohl ihre Schwester als auch ihr Vater schon mehr als einmal beschwert. Wobei Edmund den Verdacht hatte, dass sie bei gewissen Anrufen später nur behauptete, im Garten gewesen zu sein. Sie sah ja, welche Nummer angezeigt wurde. Dass er sie einmal dringend erreichen müsste, erwartete sie offenbar nicht.

Aber wirklich dringend war es ja auch gar nicht. Er beschloss, es später noch einmal zu versuchen. Bis dahin war ihm wohl auch eine unverfängliche Frage eingefallen.

Er hörte noch kurz in die Sitzung mit dem Lehrer hinein, machte sich ein paar Notizen und trank dabei seinen Kaffee. Wenig später verließ er die Praxis, um in einer nahegelegenen Sushi-Bar ein paar Happen zu essen. Über Mittag fuhr er nie nach Hause, die Zeit reichte nicht. Er brauchte eine halbe Stunde vom Rudolfplatz bis Pulheim, da hätte er gleich wieder kehrtmachen können, weil er nur eine Stunde Mittagspause machte.

Als er zurückkam, probierte er noch einmal, Patrizia zu erreichen. Übers Sushi war ihm eine unverfängliche Frage eingefallen: «Was hältst du davon, wenn ich uns auf dem Heimweg Zanderfilets für heute Abend besorge?»

Sie nahm wieder nicht ab, obwohl er es diesmal endlos lange klingeln ließ und es zu nieseln begonnen hatte, womit ein Aufenthalt im Garten auszuschließen war. Dann hatte sie das Haus wohl doch verlassen. Möglicherweise war ihre Schwester wieder mal überraschend hereingeschneit und hatte sie zu einem Essen in Köln und einem Stadtbummel überredet.

Dorothea arbeitete freiberuflich als Graphikerin und konnte sich ihre Zeit einteilen. Um ihre Tochter musste sie sich keine Gedanken machen, die wurde, wenn sie aus der Schule kam, von einer älteren Nachbarin beaufsichtigt. Aus der Wohngemeinschaft lediger Mütter war Dorothea vor einigen Jahren ausgezogen, weil sich zuletzt alle darauf verlassen hatten, dass sie daheim war. Zum Arbeiten war sie unter diesen Umständen nicht mehr gekommen.

Ob Patrizia mit ihrer Schwester unterwegs war, ließ sich leicht herausfinden. Die Handynummer seiner Schwägerin kannte Edmund nicht auswendig, aber sie war in seinem Handy gespeichert, das in seiner Jacke steckte. Er holte es, wählte und hatte schon zwei Sekunden später Dorotheas erstaunte Stimme im Ohr.

«Eddi, was liegt an? Ein Erdbeben in der mittelrheinischen Tiefebene oder ein Vulkanausbruch in der Eifel?» Sie wunderte sich, weil er sie bis dahin noch nie angerufen hatte.

«Ich kann Patrizia daheim nicht erreichen», begann er und wurde sofort unterbrochen.

«Ups, dann hat der Klempner sie wahrscheinlich entführt.»

«Ich wollte fragen, ob sie den Klempner überhaupt schon angerufen hat oder ob ich das machen soll», sagte er.

«Das kann ich dir leider nicht beantworten», erwiderte Dorothea. «Versuch dein Glück doch mal bei Paulchen. Wahrscheinlich hat der sie an seine Seite zitiert. Er hatte heute Morgen wieder Stiche und so ein komisches Ziehen in der Brust. Und mir fehlte die Zeit, einem Sterbenden den Angstschweiß von der Stirn zu tupfen.»

Edmund bedankte sich für die Auskunft und legte auf. Bei seinem Schwiegervater rief er nicht an.

Seit dem Tod seiner Frau vor acht Monaten litt Paul alle naselang unter Herzbeschwerden, für die noch kein Kardiologe eine körperliche Ursache entdeckt hatte. Weil er bisher nur von Stümpern untersucht worden war, behauptete Paul. Dass seine Beschwerden rein psychischer Natur seien, wovon auch Edmund überzeugt war, wollte der Tyrann nicht hören.

Paul wurde nicht fertig mit dem Alleinsein. Wen sollte ein Kommandeur befehligen, wenn niemand mehr da war? In jede kleinere Abweichung vom Normalen steigerte er sich regelrecht hinein, schrie immer gleich nach Notärzten und den Töchtern. Und da Dorothea jeden Anruf mit «Paulchen, du kannst keinen Herzinfarkt haben, du hattest nie ein Herz» kommentierte, musste eben Patrizia springen und die Pflichten einer guten Tochter erfüllen, obwohl sie entschieden mehr unter ihrem Vater gelitten hatte als ihre Schwester.

Darüber durfte Edmund gar nicht nachdenken, sonst empfand er unweigerlich noch einmal diese Wut, die ihn damals in seinen vermeintlich so sicheren Grundfesten erschüttert hatte, nachdem er über Schramms hirnrissiges Verhalten nach dem Überfall gestolpert war und sich dessen vollständige Aussage noch ein zweites Mal zu Gemüte führte.

Und damit hatte Paul Patrizia konfrontiert, ihr seitenweise und immer wieder aufs Neue Schramms Ergüsse vorgelesen! Ebenso gut hätte Paul sie mit eigener Hand massakrieren können, fand Edmund.

 

Da war in der Hauptsache natürlich der Raubüberfall mit schwerer Körperverletzung. Eine große Erschütterung für die sensible Psyche eines jungen Mädchens. Der Mann, den sie liebte, stahl ihr zwei Schlüssel aus der Tasche, überfiel einen Mann, den sie verehrte und in ihren Tagebüchern wiederholt als «feinen Menschen» bezeichnet hatte, raubte ihn aus und schlug ihn fast tot.

Edmund fragte sich, wann sie davon erfahren hatte. Bestimmt nicht erst als ihr Vater berichtete. Es war anzunehmen, dass sie schon kurz nach dem Überfall durch die Polizei befragt worden war. Tagebucheintragungen...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2013
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Freiheitsstrafe • Gefängnis • Hörigkeit • Warten
ISBN-10 3-644-49001-5 / 3644490015
ISBN-13 978-3-644-49001-7 / 9783644490017
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