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Vom anderen Ende der Welt (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
448 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-41835-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vom anderen Ende der Welt -  Liv Winterberg
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Inspiriert vom Leben der französischen Botanikerin Jeanne Baret  England, spätes 18. Jahrhundert: Von ihrem Vater, einem Arzt und Wissenschaftler, zur Botanikerin ausgebildet, träumt die junge Mary Linley davon, die Welt zu bereisen. Doch als sie nach dem Tod des Vaters verheiratet werden soll, sieht sie nur eine Möglichkeit, ihrer Berufung zu folgen. Sie gibt sich als Mann aus, um an Bord der Sailing Queen im Stab des Botanikers Sir Carl Belham auf Expeditionsfahrt zu gehen. Die Lebensbedingungen auf See erschüttern sie, denn Entbehrungen, Krankheiten und Tod prägen den Alltag. Dennoch glaubt sie, ihr Ziel erreicht zu haben: Sie erkundet fremde, faszinierende Länder. Erst durch die Liebe zu Sir Carl Belham erkennt sie, dass sie sich für ihre Ideale selbst verleugnet ...   

Liv Winterberg wurde 1971 geboren und studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet als freie Autorin und Rechercheurin fu¨r Film und Fernsehen und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr erster Roman >Vom anderen Ende der Welt< wurde gleich ein Bestseller. Mit ihren insgesamt vier Romanen hat sich Liv Winterberg als starke Stimme im historischen Genre etabliert.

Liv Winterberg wurde 1971 geboren und studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet als freie Autorin und Rechercheurin fu¨r Film und Fernsehen und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr erster Roman ›Vom anderen Ende der Welt‹ wurde gleich ein Bestseller. Mit ihren insgesamt vier Romanen hat sich Liv Winterberg als starke Stimme im historischen Genre etabliert.

Plymouth, 13. Juli 1785


Die Wellen rollten in die Bucht, dass man hätte glauben können, der Hafen sei über Nacht zu klein geworden. Achtlos rissen sie die Schiffe in die Höhe, ließen sie wieder in die Tiefe sinken und suchten ihren Weg zur Kaimauer, an der sie sich weißschäumend brachen.

Am Horizont erhoben sich dunkelgraue Wolkenberge, deren Ausläufer bereits die Küste erreicht hatten. Schwer trugen sie am Regen und ließen vereinzelte Tropfen fallen. Böen jagten über das Wasser und wölbten die Segel der Schiffe, dass die Masten unter dem Druck bedrohlich knackten. Die schwarze Wand, die über das Meer auf Plymouth zukam, kündete nicht nur von Regen, sie kündete von Sturm.

Mary wandte den Kopf und blickte zu einem der Schiffe hinüber, das noch zur rechten Zeit im Hafen eingelaufen war. Der Wind zerrte an den Kleidern der Passagiere, als sie die Pier betraten. Die Erleichterung, wieder festen Grund unter den Füßen zu spüren, war ihren Gesichtern anzusehen. Mit ausholenden Schritten eilten sie davon und bestiegen die Droschken. Eisenbeschlagene Wagenräder rollten über das Straßenpflaster hinweg, Peitschen zuckten und Zungen schnalzten, bis der Wind die leiser werdenden Geräusche gänzlich verschluckte.

Bald würde er erscheinen. Es war spät, und die Stadt hüllte sich bereits ins fade Licht der Dämmerung. Mary fröstelte und hob die Kapuze ihres Umhanges über die Haube. Kurz darauf trat er neben sie. William, dieser erschöpfte, alte Mann, der Tag um Tag ausgeschickt wurde, sie zu suchen, und der Abend für Abend nach der Rückkehr Geschichten erfand, wo er sie aufgelesen hatte. Im Rosengarten, auf dem Markt, in der Kirche. Nur den Hafen, wo er sie ein ums andere Mal abholte, den erwähnte er nie.

»Mary, Eure Tante ist kurz davor, Euch Ausgangsverbot zu erteilen. Sie bezweifelt, dass Eure Spaziergänge der körperlichen Ertüchtigung dienen.« Williams Stimme war sanft, fast zärtlich.

»Sie sind noch keine sieben Monate unterwegs.« Unsicher, ob er sie gehört hatte, musterte Mary Williams vertrautes Profil. Seine dunklen Augen, die gebogene Nase und den schmallippigen Mund.

»Ja«, sagte er und sein Kehlkopf machte einen Sprung, »es sind heute hundertsiebenundachtzig Tage.«

Er zählt also auch die Tage, dachte Mary und setzte erneut an: »Vielleicht sind sie umgekehrt und auf dem Heimweg. Nur weil das Schiff havariert ist, heißt das nicht, dass sie es nicht wieder flottmachen konnten.«

»Ihr habt die Meldung des Town Magazine gelesen. Das Schiff ist bei Kap Hoorn zerschellt. Die Strömungen dort sind unberechenbar, das Wetter ist oft schlecht. Umhertreibende Eisberge und im Wasser verborgene Felsen machen die Umrundung zum Wagnis. Und Ihr wisst das.« Er zögerte und atmete tief ein. »Wir haben keinen Grund mehr zu hoffen.«

»Ich kann die Hoffnung nicht aufgeben.« Mary hörte, dass ihre Antwort flehentlich klang, fast als würde sie William bitten, er möge sie noch einen Augenblick schonen und die Wahrheit für sich behalten. Doch der tat nichts dergleichen.

»Niemand hat überlebt«, sagte er leise. »Auch Euer Vater nicht. Er ist tot.«

Wie kann er eine Handvoll gedruckter Zeilen zur Gewissheit machen? Quälen ihn nicht die gleichen Bilder wie mich?, fragte sie sich. Die Woge, die Vater unter Wasser drückt. Wie er Salz schmeckt und spürt, dass Wasser in seine Lungen dringt. Das Würgen und Husten, als er wieder auftaucht, die Krämpfe in seiner Brust, die zur ehernen Zwinge werden. Eine weitere Woge, die ihn mit sich reißt. Er gleitet ins Bodenlose und sieht das gleißend helle Licht an der Wasseroberfläche über sich brechen. Es entfernt sich immer weiter, wird milchig , dann gräulich, bis ihn Dunkelheit umgibt. Mary ließ die Arme zu beiden Seiten des Körpers schlaff herabfallen und trat einen Schritt vor. Von Neuem konzentrierte sie sich auf den Horizont: auf das Wasser, die Wolken, die Leere. Ausschau halten. Dieses Ritual, das Trost gab und das William inzwischen mit ihr teilte. Sie wusste, er würde seufzen und an ihrer Seite ausharren, wenn es sein musste auch den ganzen Abend.

Eine Welle übersprang die Kaimauer, langte mit nassen Fingern nach Marys Rock und hinterließ eine Spur wässriger Perlen auf dem Wollstoff. Vor ihr erstreckte sich nur noch eine Handbreit schwarzglänzender Steine, die, mit Tang und Miesmuscheln besetzt, steil ins Wasser abfielen. Keine Brüstung, kein Geländer. Nur die offene See.

William fasste sie am Arm und zog sie zurück. »Lasst uns gehen. Dies ist kein Ort für Euch. Und Ihr werdet bereits erwartet.«

Mary wandte sich um. Die Dämmerung hatte der Stadt ihre Farben genommen. Plymouths Dächer drängten sich düster aneinander, die sonst sattgrünen Hügel des Hinterlandes duckten sich in der Farbe von Holzruß unter den tiefhängenden Wolken. Die Wälder, in Schwarz gehüllt, begrenzten die tags goldgelben Felder, die nur noch als gräuliche Flecken auszumachen waren. Hier, hinter der Kaimauer, konnte sie alles abschreiten. Die Stadt mit ihren engen Gassen, sogar die gesamte Insel, wenn sie es wollte. Doch das Leben jenseits dieser Mauer konnte sie nicht erreichen. Die unebene, steinige Kante, an der sich beide Welten berührten, war die Grenze. Nein, schien sie zu sagen, auf ein Schiff, dort hinaus in die Weite der Weltmeere und den Spuren deines Vaters folgen, um sein Werk fortzuführen, das darfst du nicht! Für heute hast du genug geträumt. Ein Forscher kannst du nicht sein. Denn du bist eine Frau.

***

Die silberne Klinge des Messers senkte sich ins Fleisch und trennte es in zwei Hälften, die weich und rosig auseinanderfielen. Sollte ich nichts erreicht haben, bis ich gehe, so werde ich wenigstens gut gegessen haben, dachte Landon Reed, als er die Gabel zum Mund führte.

James Canaughy, ein Mann mit sonorer Stimme, saß neben der Gastgeberin Henriette Fincher und sprach in einer Lautstärke, die jede weitere Konversation am Tisch unterband. Mit Messer und Gabel in den Händen gestikulierte er in der Luft herum und bebilderte eine Venedig-Reise, indem er italienische Begriffe in seine Rede einfügte, als wäre ihm die englische Sprache auf dem Weg zwischen Plymouth und der Adria abhandengekommen.

Die Frau an seiner Seite schien von dem Vortrag verzückt. Immer wieder lachte sie auf, immer wieder legte sie die Hand auf seinen Arm und beugte sich vor, um etwas zu erwidern. Monatelang hatte sie, erzählte man sich, ihren Mann, der gut zwanzig Jahre älter gewesen war, gepflegt. Kaum ein halbes Jahr, nachdem sie Witwe geworden war, hatte das Schicksal ihr nun den Bruder genommen. Und die Verantwortung für die Nichte aufgebürdet. Mrs. Fincher konnte nicht älter als dreißig Jahre sein, schätzte Landon, doch die Schattenseiten des Lebens begannen, sich in ihrem Gesicht in ersten feinen Linien abzuzeichnen. Alles in ihrem Gesicht war schmal, selbst die Augen, denen nichts zu entgehen schien. Wie konnte sie diesen Mann für ihre Nichte in die engere Wahl ziehen?

Canaughy hatte bekanntermaßen ein beachtliches Vermögen hinter sich, denn die Bank seines Vaters florierte. Landon hatte angenommen, es sei stadtbekannt, dass Canaughy seinem alten Herrn noch im Ruhestand die Arbeit überließ, während er allenthalben den schönsten und vor allem jüngsten Frauen der Gegend nachstellte. Offensichtlich hatte Mrs. Fincher den Nachhall seiner amourösen Abenteuer bisher nicht vernommen. Der Platz links neben ihr, ihm direkt gegenüber, war frei geblieben. Dort hätte Mrs. Finchers Nichte sitzen sollen, die Arme auf die gedrechselten Lehnen gelegt, den Rücken entspannt ans gelb gestreifte Rückenpolster gelehnt.

Mary Linley.

Ihretwegen war er erschienen. Nun musste er auf den leeren Stuhl starren, der, dicht an den Tisch geschoben, die Lücke in der Runde betonte, und war gezwungen, dem Schwätzer Canaughy zu lauschen.

»Mr. Reed, wie läuft der Handel?«

Landon schaute zu Peter Wallis hinüber, einem Anwalt, der mit seiner Frau geladen worden war.

»Wenn ich recht informiert bin, importiert Ihr tropische Hölzer? Oder war es der Teehandel?«

Canaughy, der sein Lammfleisch noch immer nicht angerührt hatte, überprüfte, während er von einer Jagd erzählte, sein Konterfei in der glänzenden Gabel. Mit einem gezielten Griff schob er den Kragen seines Hemdes zurecht und beschrieb wortreich, wie er zwei Füchse erlegt hatte.

Landon verspürte kein Bedürfnis, sich über geschäftliche Dinge auszulassen, doch kam er nicht umhin, kurz auf Peter Wallis’ Frage einzugehen. Als er zu einer Antwort ansetzen wollte, öffnete sich die Tür. Mary! Endlich! Da bist du, dachte er, ließ das Besteck sinken und erhob sich.

Der Rock ihres bodenlangen Kleides wippte auffordernd bei jedem Schritt. »Gott zum Gruße«, sagte sie und nickte in die Runde. »Ich hoffe, die werten Gäste sehen mir mein spätes Erscheinen nach, aber ich fühle mich derzeit nicht wohl. Doch ich möchte nicht die Gelegenheit verpassen, einen kleinen Moment gemeinsam zu genießen.« Mit einer Handbewegung bat sie darum, dass die Gäste wieder Platz nahmen, und ließ sich nieder.

Zuletzt hatte Landon Mary im Theater getroffen, damals war sie noch in Begleitung ihres Vaters gekommen. Von jeher war sie selten bei gesellschaftlichen Anlässen erschienen, und nach dem Tod des Vaters hatte sie sich vollkommen zurückgezogen. Aufgeweckt und unbekümmert hatte er sie in Erinnerung, doch heute lag auf ihrem ovalen Gesicht etwas Kränkliches. Auch der Puder und das Cochenille auf ihren Wangen...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2013
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Abenteuerroman • Botanik • eBook • Expeditionsreise • Feuerland • Forschungsreise • Frau-in-Hose-Roman • Historische Romane • Hosenrolle • Jeanne Baret • Liebesroman • Madeira • Mary Linley • mutige Frauen • Naturforscherin • Reisebeschreibung • Sailing Queen • Seefahrerroman • Südsee • Tahiti • Unterhaltung • Weltumseglung
ISBN-10 3-423-41835-4 / 3423418354
ISBN-13 978-3-423-41835-5 / 9783423418355
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