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Terror (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
992 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-11361-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Terror -  Dan Simmons
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Das große historische Epos - ein einzigartiger Roman
England im Jahr 1845: Unter dem Kommando von Sir John Franklin brechen die modernsten Schiffe ihrer Zeit - die 'Terror' und die 'Erebus' - auf, um die legendäre Nord-West-Passage zu finden: den Weg durch das ewige Eis der Arktis in den Pazifik. 130 Männer nehmen an der Expedition teil. Keiner von ihnen wird je zurückkehren. Dies ist ihre Geschichte.

Mit 'Terror' lässt Bestsellerautor Dan Simmons eine der geheimnisumwobensten Entdeckerfahrten der Menschheitsgeschichte lebendig werden: John Franklins Suche nach der Nord-West-Passage. Warum ist diese Expedition gescheitert? Wie konnten 130 Männer und zwei Schiffe verschwinden, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen? Welchem Schrecken, welchem Terror sind sie im ewigen Eis begegnet? Aus diesen bis heute ungeklärten Fragen formt Dan Simmons eine atemberaubend spannende Geschichte, einen Roman, der Sie auf eines der größten Abenteuer mitnimmt, das es je gegeben hat ...

Dan Simmons wurde 1948 in Illinois geboren. Nach dem Studium arbeitete er einige Jahre als Englischlehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Simmons ist heute einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. Seine Romane »Terror«, »Die Hyperion-Gesänge« und »Endymion« wurden zu internationalen Bestsellern, die Verfilmung von »Terror« ist eine der erfolgreichsten TV-Serien unserer Zeit. Der Autor lebt mit seiner Familie in Colorado.

1


Crozier


70°05′ NÖRDLICHE BREITE | 98°23′ WESTLICHE LÄNGE
OKTOBER 1847

 

 

 

Die Himmelsgeister greifen an, gerade als Kapitän Crozier an Deck seines Schiffes kommt. Schimmernde Lichtbögen zucken nach unten auf die Terror und weichen rasch zurück wie die schillernden Arme zorniger, aber unentschlossener Dämonen. Durchsichtige Knochenfinger strecken sich nach dem Schiff – und werden wieder eingezogen.

Die Temperatur beträgt minus fünfundvierzig Grad und fällt noch immer. Vor einer Weile ist Nebel aufgekommen, und in der einen Stunde schwachen Zwielichts, die ihnen noch als Tag geblieben ist, ragen die gekürzten Masten wie grob gestutzte, wipfellose Bäume empor und spiegeln das Polarlicht wider, das von einem kaum erkennbaren Horizont zum anderen tanzt. Marsstengen, Bramstengen, oberes Tauwerk und die höchsten Spieren haben sie gestrichen und eingelagert, um der Gefahr herabstürzender Eisbrocken vorzubeugen und zu verhindern, dass oben festfrierendes Eis das Schiff durch sein Gewicht zum Kentern bringt. Crozier beobachtet, wie die zerklüfteten Eisfelder um ihn herum blau aufleuchten, dann blutrot zerlaufen und schließlich grün erglühen, wie die Berge seiner Kindheit in Nordirland. Fast eine Meile vom Steuerbordbug entfernt, scheint der riesige schwimmende Eisberg, der die Erebus – das Schwesterschiff der Terror – den Blicken entzieht, aus einem frostigen inneren Feuer Farbe abzustrahlen.

Als er sich den Kragen hochzieht und in einer vierzig Jahre alten Gewohnheit den Kopf zurücklegt, um Masten und Tauwerk zu prüfen, bemerkt Crozier, wie kalt und starr die Sterne über ihm brennen, während diejenigen in der Nähe des Horizonts unstet flackern und sich verschieben, wenn man sie fixiert. In kurzen Sätzen rucken sie hin und her, auf und ab. Crozier hat dieses Schauspiel schon öfter erlebt – sowohl im fernen Süden zusammen mit Ross als auch bei früheren Expeditionen in arktischen Gewässern. Ein Wissenschaftler, der seinen ersten Winter im Eis mit dem Schleifen und Polieren der Linsen für sein Sehrohr zubrachte, erzählte Crozier damals auf der Reise zum Südpol, dass die Perturbation der Sterne wahrscheinlich auf die stark schwankende Brechungskraft der kalten Luft zurückzuführen sei, die schwer und unruhig über dem eisbedeckten Meer und den unsichtbaren gefrorenen Landmassen liegt. Mit anderen Worten: über neuen Kontinenten, die noch kein Mensch erblickt hat. Oder was die Arktis angeht, verbessert sich Crozier, zumindest noch kein Weißer.

Knapp fünf Jahre zuvor haben Crozier und sein Freund James Ross, der damalige Expeditionskommandant, solch einen unentdeckten Kontinent gefunden: die Antarktis. Meer, Eis und Land wurden nach Ross benannt. Berge wurden nach ihren Geldgebern und Freunden benannt. Den zwei Vulkanen, die sie am Horizont erkennen konnten, gaben sie die Namen ihrer zwei Schiffe – derselben zwei Schiffe –, und seitdem heißen die rauchenden Berge Erebus und Terror. Im Nachhinein wundert es Crozier, dass nicht noch irgendein Prachtstück der dortigen Geographie nach der Schiffskatze heißt.

Nach ihm selbst wurde nichts benannt. An diesem winterlich düsteren Oktobertag des Jahres 1847 gibt es auf Gottes weiter Flur keinen arktischen oder antarktischen Kontinent, keine Insel, Bucht oder Bergkette, keinen Meeresarm, Vulkan oder Eisschelf und noch nicht einmal eine gottverlassene Eisscholle, die Francis Rawdon Moira Croziers Namen trägt.

Doch das ist Crozier völlig schnurz. Tatsächlich fällt ihm erst beim Formulieren dieses Gedankens auf, dass er ein wenig betrunken ist. Na und, sagt er sich, als er ganz selbstverständlich sein Gewicht verlagert, um auf dem eisigen, zwölf Grad nach steuerbord und acht Grad zum Bug hin krängenden Deck Halt zu finden, schließlich bin ich schon seit über drei Jahren die meiste Zeit betrunken. Seit Sophia. Trotzdem bin ich selbst in besoffenem Zustand noch ein besserer Seemann und Kapitän, als es dieser armselige Unglücksrabe Franklin je war. Oder sein rosenwangiges, lispelndes Schoßhündchen Fitzjames.

Crozier schüttelt den Kopf und steuert über das vereiste Deck auf den Bug und den einzigen Wachposten zu, den er im Flackerschein des Polarlichts erkennen kann.

Es ist der kleine Kalfaterersmaat Cornelius Hickey mit dem verschlagenen Rattengesicht. Hier draußen auf Wache und ausnahmslos in die gleichen Kaltwetterplünnen gekleidet, ähneln sich die Männer alle: mehrere Schichten Flanell und Wolle, bedeckt mit einem schweren wasserdichten Überrock, bauschige, aus weiten Ärmeln ragende Fäustlinge, die dicke Welsh Wig mit Ohrenklappen tief ins Gesicht gezogen, und dazu oft noch ein langer, mehrfach um den Kopf gewickelter Wollschal, so dass nur noch die Spitze der frostgeplagten Nase zu sehen ist. Allerdings trägt jeder Mann seine Wetterplünnen ein wenig anders – etwa mit einem zusätzlichen Halstuch von zu Hause, einer zweiten, über die erste gestülpten Mütze oder vielleicht einem Paar bunter, von der besorgten Mutter, Frau oder Liebsten gestrickter Handschuhe, die unter den Marinefäustlingen herauslugen. Crozier hat gelernt, jeden einzelnen seiner sechsundfünfzig überlebenden Offiziere und Matrosen selbst aus der Ferne und im Dunkeln zu erkennen.

Hickey starrt wie gebannt über den von Eiszapfen bedeckten Bugspriet hinaus, dessen Spitze zehn Fuß tief in einem Kamm aus gefrorenem Seewasser steckt, da der Druck des Eises das Heck der Terror nach oben und den Bug nach unten geschoben hat. Der Kalfaterersmaat ist so in Gedanken oder in die Kälte versunken, dass er seinen Kapitän erst bemerkt, als der sich neben ihn an das Schanzkleid stellt, das sich längst in einen Altar aus Eis und Schnee verwandelt hat. An diesem Altar lehnt die Flinte des Wachpostens. Hier draußen bei dieser Kälte will niemand etwas aus Metall anfassen, auch nicht mit dicken Fäustlingen.

Hickey fährt leicht zusammen, als sich Crozier zu ihm beugt. Der Kapitän der Terror kann das Gesicht des sechsundzwanzigjährigen Unteroffiziers nicht erkennen. Er sieht nur den dampfenden Atem, der durch die vielen Wollschichten um den Kopf des kleinen Mannes dringt und sich sofort in eine Wolke aus Eiskristallen verwandelt, in denen sich das Polarlicht spiegelt.

Im Winter wird auf dem Eis nicht salutiert, es gibt nicht einmal das beiläufige Tippen mit den Fingerknöcheln an die Stirn, mit dem ein Offizier auf See gegrüßt wird. Stattdessen bezeigt Hickey seinem Kapitän den schuldigen Respekt wie alle anderen mit einem schlurfenden Seitenschritt und einem Senken des Kopfs. Wegen der Kälte sind die Wachen von vier auf zwei Stunden verkürzt worden – und weiß Gott, denkt Crozier, auf diesem überfüllten Schiff haben wir dafür wirklich genügend Leute, selbst bei verdoppelten Posten –, doch Hickeys zögerliche Bewegungen machen klar, dass er halb erfroren ist. Wie oft hat Crozier den Wachposten schon eingeschärft, dass sie in Bewegung bleiben müssen – herumgehen, auf der Stelle treten, auf und ab hüpfen, wenn nötig, natürlich stets, ohne den Blick vom Eis zu nehmen. Und trotzdem lungern sie die meiste Zeit so reglos herum, als würden sie in der Südsee leichtbekleidet nach Meerjungfrauen Ausschau halten.

»Sir.«

»Mr. Hickey. Irgendwas zu melden?«

»Nichts seit diesen Schüssen … diesem einen Schuss … vor fast zwei Stunden, Sir. Und vorher, ist noch nicht lange her, da hab ich was gehört, glaub ich zumindest … vielleicht einen Schrei, irgendwas … von hinterhalb des Eisbergs. Ich hab’s Leutnant Irving gemeldet, aber er war der Meinung, dass es wahrscheinlich bloß wieder im Eis rumort hat.«

Crozier hat vor zwei Stunden von dem schussartigen Knall aus der Richtung der Erebus erfahren und ist schnell an Deck gekommen. Doch da sich das Geräusch nicht wiederholte, hat er niemand zu dem anderen Schiff oder überhaupt aufs Eis geschickt, um der Sache nachzugehen. Sich auf die gefrorene See hinauszuwagen, wo in dem Gewirr von Pressrücken und Rinnen dieses … Wesen … lauert, ist der sichere Tod. Botschaften tauschen die Schiffe nur noch in den immer kürzer werdenden Zeiten des trüben mittäglichen Lichts aus. In wenigen Tagen schon wird es überhaupt kein echtes Tageslicht mehr geben, nur noch arktische Nacht. Ununterbrochene Nacht. Hundert Tage lang.

»Vielleicht war es wirklich nur das Eis.« Crozier wundert sich, dass ihm Irving nichts von dem möglichen Schrei berichtet hat. »Auch der Schuss. Nur das Eis.«

»Ja, Sir. Bestimmt war’s das Eis.«

Tatsächlich gibt sich natürlich keiner von beiden mit dieser Erklärung zufrieden, selbst wenn es zutrifft, dass das immer stärker gegen die Terror drängende Packeis ständig poltert, stöhnt, kracht, reißt, dröhnt und kreischt. Ein Schuss aus einer Büchse oder Flinte hat auch aus einer Meile Entfernung einen unverkennbaren Klang, und hier im hohen Norden pflanzt sich der Schall über schier unermessliche Strecken klar und deutlich fort.

Vor allem das Kreischen macht Crozier zu schaffen und reißt ihn manchmal aus dem tiefen Schlaf, von dem er ohnehin jede Nacht höchstens eine Stunde bekommt. Es klingt so sehr nach den Schreien seiner Mutter in ihren letzten Tagen … und es erinnert ihn an die Geschichten seiner alten Großmutter über die Banshees, die mit ihrem heulenden Wehklagen den Tod eines Menschen im Haus ankündigen. Beides hat ihm schon als Junge den Schlaf geraubt.

Langsam dreht sich Crozier um. Seine Wimpern sind bereits mit Eis bedeckt, und seine Oberlippe ist verkrustet...

Erscheint lt. Verlag 23.5.2013
Übersetzer Friedrich Mader
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Terror
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 1845 • 19. Jahrhundert • 19. Jahrhundert, Expedition • Abenteuer • Abenteuerroman • Antarktis • eBooks • England • Epos • Erebus • Expedition • Historische Romane • HistorischerRoman • Michael Palin • Mystery • Nord-West-Passage • Pazifik • Roman • Schifffahrt • Spannung • Verschwinden
ISBN-10 3-641-11361-X / 364111361X
ISBN-13 978-3-641-11361-2 / 9783641113612
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