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Das Dorf der Mörder (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
512 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-09287-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Dorf der Mörder -  Elisabeth Herrmann
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Ein grandioser psychologischer Spannungsroman.
Ein grausamer Mord ereignet sich im Berliner Tierpark. Eine der Ersten, die am Tatort eintrifft, ist die junge Streifenpolizistin Sanela Beara: ehrgeizig, voller Tatendrang und entschlossen, dem Fall auch gegen den Willen ihres Vorgesetzten auf den Grund zu gehen. Denn die Schuldige ist schnell gefasst - zu schnell, wie Sanela glaubt. Während der Öffentlichkeit die geständige Mörderin Charlie Rubin präsentiert wird, hat Beara Zweifel. Zweifel, die auch den Psychologen Jeremy Saaler plagen, der ein Gutachten über Charlies Zurechnungsfähigkeit erstellen soll. Unabhängig voneinander haben beide den gleichen Verdacht: Der Mord im Tierpark hängt mit Charlies Kindheit in einem kleinen Dorf in Brandenburg zusammen. Ein dunkles, mörderisches Rätsel lockt sie nach Wendisch Bruch - direkt ins Visier eines Gegners, der die Totenruhe im Dorf um jeden Preis bewahren will ...

Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin arbeitete sie beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman »Das Kindermädchen« ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder werden derzeit verfilmt: Die Reihe um den Berliner Anwalt Joachim Vernau sehr erfolgreich vom ZDF mit Jan Josef Liefers. Elisabeth Herrmann erhielt den Radio-Bremen-Krimipreis, den Deutschen Krimipreis und den Glauser für den besten Jugendkrimi 2022. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin und im Spreewald.

2

Der Pekari-Eber, ein gedrungenes Paket aus Muskeln, mit breitem Kopf und kleinen dunklen Augen, scharrte mit den Klauen. Er schob etwas vor sich her, schnüffelte, ließ es liegen und trampelte es beim Abwenden in den Mulch. Es war hell, blutverschmiert und hatte fünf Finger.

Die Frau, die den Notruf abgesetzt hatte, hieß Katharina Spengler. Sie war Erzieherin und verlor offenbar gerade die Kontrolle über ein Dutzend Kinder im Vorschulalter. Sanela hatte sie in der Menge bei dem verzweifelten Versuch entdeckt, ihre Schützlinge zusammenzutreiben und irgendwo ein Stück weiter weg zu versammeln.

»Machen Sie den Weg frei!«, rief Sanela. Ein paar Leute reagierten, der Rest rottete sich noch dichter vor dem Gehege zusammen. Einige hielten Handys hoch und fotografierten. Für wen? Für was? Sanela wusste, dass die Bilder Sekunden später auf ewig im Internet herumgeistern würden.

Sie schnappte dem Nächstbesten, einem jungen, dicklichen Mann mit teigiger Gesichtsfarbe, der um diese Tageszeit entweder in der Schule oder am Ausbildungsplatz zu sein hatte, sein Handy weg.

»Hallo?«, fuhr er sie an. Er trug die Uniform des Ostberliner Prekariats: Baseballkappe, Turnschuhe mit offenen, verdreckten Schnürsenkeln und eine weite, auf den Knöcheln schleifende Jeans. Moonwashed. Das war im Westen schon wieder out.

»Sie können es sich auf der Wache abholen, nachdem wir es gecheckt haben.«

»Ey, Alte …«

»Ey, Junge«, pfiff Sanela ihn an. »Ich kann auch anders. Papiere?«

Sie konnte gar nicht so schnell Hallo rufen, wie der Mann in der Menge untertauchte. Einige der Leute, die die Szene mitbekommen hatten, steckten ihre Apparate weg und suchten ebenfalls das Weite. Unschlüssig hielt sie das Handy in der Hand. Ein iPhone der neusten Generation, erst seit ein paar Wochen auf dem Markt. Wahrscheinlich hatte er es irgendwo in der U-Bahn einer verschüchterten Vierzehnjährigen weggenommen. Sie sah Sven in der Menge auftauchen.

»Auseinander bitte! Hier gibt es nichts zu sehen!«, rief er.

Sie steckte das Handy ein und wandte sich an Katharina Spengler. Eine große, kräftige Frau – zumindest in Sanelas Augen, denn sie wurde von der Erzieherin um eine Haupteslänge überragt.

»Kommen Sie. Wir suchen uns einen Platz, wo wir uns in Ruhe unterhalten können, bis die Kollegen kommen«, sagte Sanela.

Ein schnelles Protokoll, ein kurzer Blick in den Ausweis, dann wäre die Frau erlöst und könnte sich darum kümmern, ihre Schar einzusammeln und zurück in den Hort zu bringen.

»Ich hab’s gesehen!«

Ein Mädchen, fünf oder sechs Jahre alt, drängte sich zu ihnen durch. Eine kleine orientalische Märchenprinzessin. Ungestüm warf sie sich in Katharina Spenglers Arme, die das Kind an sich drückte und ihm einen schnellen Kuss auf den Scheitel gab.

»Nichts hast du gesehen, Dilshad. Wo ist Frau Kramer? Sie war doch mit der anderen Gruppe unterwegs! – Frau Kramer ist meine Kollegin, wir sind zu zweit hier. – Sind Peer und Luise bei ihr?«

»Luise ist noch bei den Schweinen.«

»Oh mein Gott!«

»Gehen Sie«, sagte Sanela. »Ich bleibe bei den Kindern.«

Aus den Augenwinkeln bemerkte Sanela, dass eine zweite Streifenwagenbesatzung angekommen war und begann, den Platz vor dem Gehege abzusperren. Die Frau rannte davon und schrie dabei immer wieder laut die Namen der vermissten Jungen. Sanela spürte die verschwitzte kleine Hand in der ihren.

So ein schöner Tag. Siebzehn Kinder, zwei Erzieherinnen. Ein Ausflug in den Tierpark bei einem Wetter, wie es besser nicht sein konnte. Frisch und kühl der Morgen, doch wenig später schon heiß genug, um am Eisstand Halt zu machen. Dilshads kleiner rosiger Mund trug noch die Spuren von Schokolade. Sanela war versucht, ihn ihr mit einem Taschentuch abzuwischen. Dann fiel ihr ein, dass sie keines bei sich hatte.

»Was hast du gesehen?«, fragte sie.

»Die Schweine haben die Hand gefressen.«

Sanela stand mit dem Kind auf der linken Seite der hölzernen Absperrung. Hinter ihr schlängelte sich ein Wassergraben. Tief genug, dass die Schweine nicht ans andere Ufer kamen. Ein paar Meter weiter, halb verborgen vom Gebüsch, führte eine kleine Brücke über den Kanal. Immer mehr Schaulustige und Gaffer kamen. Sie folgten dem Herdentrieb. Wo viele Menschen waren, gab es etwas umsonst. Ihr Blick suchte Sven, sie fand ihn nicht. In den Rufen und dem Geschrei um sie herum ging auch seine Stimme unter.

»Wer war das?«, fragte das kleine Mädchen.

»Wer?«

»Der Mann, den sie gefressen haben.«

Sanela schaute auf das Geschöpf herab, das man ihr so plötzlich anvertraut hatte und das unfassbare Fragen stellte.

»Woher weißt du, dass es ein Mann war?«

Dilshad zuckte unsicher mit den mageren Schultern. »Ich weiß nicht. Er sah so aus. Vielleicht fressen die Schweine ja auch Kinder.«

»Nein, nein, sie fressen keine Kinder. Und auch keine Menschen. Das war etwas anderes, was du gesehen hast. Ein Spielzeug.«

Moment, blinkte es in ihrem Kopf. Du kannst doch nicht anfangen, die Erinnerung von Zeugen zu manipulieren. Auch wenn sie noch in den Kindergarten gehen. Sie bückte sich ein wenig, um auf Augenhöhe mit dem Mädchen zu sprechen.

»Gleich wird jemand da sein, der mit dir redet. Dann sagst du nur, was du gesehen hast. Okay?«

»Eine Hand. Und die Schweine haben dran rumgefressen. Und den Clown.«

»Den Clown?«

Wie eine Welle drückte die Menschenmenge sie nun an das Geländer. Nur mit Mühe gelang es Sanela, das Mädchen zu schützen. Es wurden immer mehr. Sie verlor den Überblick. Die Kindergartengruppe schien sich von alleine auf der anderen Seite des Weges zu sammeln. Wo zum Teufel blieb die Spurensicherung? Wo die Kollegen?

»Dahinten!«, schrie einer. Alle Köpfe ruckten herum. Sanela kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Lag da ein Torso? Ein Bein? Was um Gottes willen war das? Verkrustetes Blut auf bleicher Haut, ein Fleischklumpen, verklebt mit trockenem Gras und Mulch. Eine Woge des Entsetzens packte die Zuschauer. Sanela hätte am liebsten einen Warnschuss abgegeben.

»Zurück!«, brüllte sie.

»Ich hab’s gesehen!« Dilshads Stimme, schrill wie Kreide auf einer Schiefertafel. »Ich weiß, wer’s war!«

Die Köpfe wendeten sich ihnen zu. Alles kam erneut in Bewegung. Mit letzter Kraft versuchte sie, Dilshad zu schützen. Herr im Himmel, dachte sie. Wo ist diese Erzieherin, die mich einfach mit einem völlig hysterischen Kind alleine lässt? Was machen all die Leute hier? Was rufen sie? Ist das Panik?

»Polizei! Lassen Sie uns durch! Räumen Sie den Weg!«

Endlich. Sanela konnte die Beamten nicht sehen, aber sie spürte, wie der Druck nachließ. Erst als sich zwei Uniformierte und ein Tierpfleger, zu erkennen an den grünen Gummistiefeln und der Wasserschutzhose, durch die Menge gekeilt hatten und das Feld quasi von hinten aufrollten, bekam sie wieder mehr Luft. Der Tierpfleger war klatschnass, wahrscheinlich hatte er gerade das Pinguinbecken gekärchert.

»Los jetzt.« Sie riss Dilshads Hand vom Geländer los.

»Ich hab’s gesehen!«, schrie das Kind. »Es lag auf der Schubkarre, und das Schwein hat sie umgestoßen und gefressen, und der Clown …«

Keuchend erreichte Sanela den breiten Weg mit den Bänken. Langsam, ganz langsam zerstreute sich die Menge. Sie sah weitere Kinder, die hilflos herumirrten und dann, als Dilshad sie rief, schnell zu ihnen gelaufen kamen.

»Das ist Luise!« Dilshad deutete auf ein blondes Mädchen mit Tränenspuren in dem kleinen Gesicht. »Sie hat’s auch gesehen!«

Hinter Luise tauchte Katharina Spengler auf. Ihr Haar hatte sich gelöst, von ihrer Bluse fehlte ein Knopf. Zwei Jungen folgten ihr und versuchten, nicht allzu begeistert auszusehen. Es gelang ihnen nur schlecht. Der Unterhaltungswert eines Tierparkbesuchs hatte sich mit diesem Vormittag offensichtlich immens gesteigert. Verzweifelt zählte Frau Spengler die Schar der Kinder, um sich dann mit einem Aufseufzen der Erleichterung auf die Bank fallen zu lassen. Luise stürzte auf sie zu, vergrub den kleinen Lockenkopf im Schoß der Erzieherin und schluchzte.

»Alle da?«, fragte Sanela. Die Frau nickte und strich dem Kind begütigend über den Kopf. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment das Weite suchen.

»Bitte bleiben Sie noch. Wir brauchen Ihre Aussage.«

»Sie haben doch alles, was Sie brauchen.« Katharina Spengler stand auf und begann, ihren Schützlingen die derangierten Kleider und Rucksäcke zu richten. »Ich muss die Kinder jetzt zurückbringen. Das war ein Schock. Und dann all diese Menschen …«

Dilshad setzte sich zu ihrer kleinen Freundin.

»Wir haben alles gesehen«, wiederholte das Kind. »Der Clown war’s.«

»Unsinn«, widersprach die Erzieherin. »Seid ihr alle so weit? Lukas? Wo ist Lukas?«

»Dahinten!«, schrien die Kinder durcheinander.

»Musst du immer wieder eine Extraeinladung haben?«

Die Erzieherin stürzte auf den Jungen zu, der schon wieder auf halbem Weg zur Absperrung gewesen war.

Sanela ging zur Bank und setzte sich neben die beiden Mädchen. »Warum glaubst du, dass es der Clown war?«

»Weil er mit der Schubkarre kam, und da lag was drauf.«

»Was denn?«

Dilshad starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Sanela unterdrückte einen Fluch. Was sie hier...

Erscheint lt. Verlag 25.2.2013
Reihe/Serie Sanela Beara
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Autorin mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet • Berlin • Brandenburg • Dorf • eBooks • Ermittlung • Gesellschaft • Geständnis • Heimatkrimi • Krimi • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • Mord • Mord im Tierpark • Nachforschung • Polizei • psychologischer Kriminalroman • Psychologischer Kriminalroman, Mord im Tierpark, Autorin ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis 2012 • Psychothriller • Roman • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • Thriller • Verbrechen • Zurechnungsfähigkeit • Zweifel
ISBN-10 3-641-09287-6 / 3641092876
ISBN-13 978-3-641-09287-0 / 9783641092870
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