Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Tote lügen nicht (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
592 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-10665-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tote lügen nicht -  Kathy Reichs
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
(CHF 8,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein Knochenjob für die bekannteste Forensikerin der Welt
Tempe Brennan ist forensische Anthropologin in Montreal. Skelette und verweste Körperteile gehören zu ihrem Alltag. Als die 23-jährige Isabelle missbraucht, erdrosselt und zerstückelt in Müllsäcken aufgefunden wird, erinnert sich Tempe an einen Fall ein Jahr zuvor. Sie versucht, die beiden Verbrechen mit drei weiteren Leichen in Verbindung zu bringen. Doch Detective Luc Claudel nimmt sie nicht ernst. Sie recherchiert auf eigene Faust und lenkt so die Wut des Serienkillers zunächst auf ihre Freundin Gabby, dann auf ihre Tochter Katy und schließlich auf sich selbst.

Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES - Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

2


Der nächste Tag begann wieder warm und sonnig. Normalerweise hätte mich dieser Umstand in gute Laune versetzt. Ich bin eine Frau, deren Stimmung stark vom Wetter abhängt und sich mit dem Barometer hebt und senkt. An diesem Tag aber war mir das Wetter egal. Um neun Uhr früh war ich im Autopsieraum Nummer vier, dem kleinsten, den es im Laboratoire de Médicine Légale gibt. Dieser Arbeitsraum ist mit einer speziellen Entlüftungsanlage ausgestattet, und weil ich häufig an Leichen arbeite, die sich in einem miserablen Erhaltungszustand befinden, habe ich hier öfter zu tun. Natürlich ist diese Entlüftungsanlage nicht hundertprozentig effektiv. Auch die besten Ventilatoren und Desinfektionsmittel der Welt kommen nicht gegen den Gestank verwesender Leichen an, ebenso wenig wie der antiseptische Glanz des Edelstahls gegen die Bilder gequälten Fleisches auf dem Autopsietisch.

Die Überreste aus dem Grand Séminaire waren ganz eindeutig ein Fall für Raum Nummer vier. Am vergangenen Abend war ich nach einem raschen Abendessen noch einmal an den Fundort zurückgekehrt und hatte den Leuten von der Spurensicherung beim Bergen der Leichenteile geholfen, die jetzt in einem Leichensack auf der Rollbahre rechts neben mir lagen. Bei der allmorgendlichen Besprechung, während der die Arbeit des Tages auf die fünf Pathologen verteilt wird, hatte LaManche mich mit der Autopsie des Falles betraut, der inzwischen die Nummer 26704 erhalten hatte. Angesichts des nahezu skelettierten Zustands der Leiche war meine Expertise als forensische Anthropologin gefragt.

Weil sich einer der Autopsieassistenten krankgemeldet hatte, waren wir ausgerechnet heute unterbesetzt. Dabei hatte uns die vergangene Nacht reichlich Arbeit beschert: Ein Teenager hatte sich das Leben genommen, ein älteres Ehepaar war tot in seinem Haus aufgefunden worden, und in einem verbrannten Auto hatte man eine vollkommen verkohlte Leiche gefunden. Weil auf fünf Obduktionen nur vier Assistenten kamen, hatte ich angeboten, alleine zu arbeiten.

Ich trug grüne Chirurgenkleidung, eine Schutzbrille aus Plastik und Latexhandschuhe  – ein entzückendes Outfit. Als Erstes reinigte und fotografierte ich den Kopf, damit er noch diesen Morgen geröntgt werden konnte. Danach würden wir ihn kochen, um das verweste Fleisch und die Reste des Gehirns zu entfernen, was mir wiederum eine genaue Untersuchung des Schädels ermöglichte.

Zuvor aber prüfte ich noch die Haare auf Fasern oder andere Spuren. Als ich die feuchten Strähnen in den Händen hielt, musste ich daran denken, wann die tote Frau dieses Haar wohl zum letzten Mal gekämmt hatte. Hatte sie zufrieden, frustriert oder gleichgültig in den Spiegel geblickt? War ihr letzter Tag ein guter oder schlechter Tag für ihre Haare gewesen?

Ich brach diese Überlegungen ab, steckte eine Probe des Haares in einen Plastikbeutel und schickte ihn für eine mikroskopische Untersuchung ans biologische Labor. Der Gummisauger und die Müllsäcke befanden sich schon dort, wo sie auf Fingerabdrücke, Rückstände von Körperflüssigkeiten und andere mikroskopische Spuren untersucht wurden, die möglicherweise Rückschlüsse auf die Identität von Täter oder Opfer zuließen.

Obwohl ich am vergangenen Abend noch drei Stunden lang auf Händen und Knien in Erde, Schlamm, Gras und Laub herumgesucht hatte, war ich am Fundort der Leichenteile auf keine weiteren Hinweise gestoßen. Bei Einbruch der Dunkelheit musste ich die Suche aufgeben und stand mit leeren Händen da. Keine Kleidung. Keine Schuhe. Kein Schmuck. Keinerlei persönliche Dinge. Heute wollten die Leute von der Spurensicherung weitersuchen, aber ich bezweifelte, dass sie noch etwas finden würden. Ich hatte also wieder einmal weder Schnallen noch Reißverschlüsse und auch keine Kleidungsstücke mit Herstelleretiketten oder Schuss- beziehungsweise Einstichlöchern, von Waffen oder Fesseln ganz zu schweigen, die einen Hinweis auf die Todesart hätten geben können. Die zerstückelte Leiche war splitternackt und  – wenn man von dem Gummisauger einmal absah  – ohne den geringsten Gegenstand, der irgendwelche Rückschlüsse auf ihre Identität zugelassen hätte, in die Plastiksäcke gesteckt worden. Der Mörder war beim Zerlegen der Leiche ganz systematisch vorgegangen. Ebenso wie den Torso und den Kopf hatte er  – oder sie  – Arme und Beine fein säuberlich in jeweils einem Müllsack verpackt. Zusammen ergab der Inhalt der vier Säcke, die wir nach und nach in dem Gehölz gefunden hatten, ein komplettes Skelett. Dass er die Tote einfach weggeworfen hatte wie ganz normalen Hausmüll, ließ in mir eine Wut hochsteigen, die ich aber sogleich wieder zurückdrängte. Ich musste mich auf meine Arbeit konzentrieren.

Obwohl sie alle oben zugeknotet gewesen waren, hatten die Säcke mit dem Torso und den Gliedmaßen nicht so gut dicht gehalten wie der, in dem der Kopf gesteckt hatte. So sah ich mich bei einer ersten Untersuchung der Leichenteile mit unterschiedlichen Erhaltungszuständen konfrontiert. Diese musste ich zunächst auf dem großen Autopsietisch aus Edelstahl anatomisch richtig einander zuordnen. Eine gründliche Untersuchung am Skelett würde ich erst später vornehmen, wenn die Knochen gereinigt waren.

Zuerst legte ich den Torso mit der Brust nach oben in die Mitte des Autopsietisches. Er war von allen Körperteilen am schlechtesten erhalten, so dass die einzelnen Knochen nur noch durch vertrocknete Muskeln und Sehnen zusammengehalten wurden. Die obersten Halswirbel fehlten, weshalb ich vermutete, dass diese sich noch am Kopf befinden mussten. Von den inneren Organen war bis auf ein paar eingetrocknete Reste nichts übrig geblieben.

Als Nächstes legte ich Arme und Beine neben den Torso. Die Gliedmaßen waren nicht so ausgetrocknet wie der Brustkorb und das Becken, daher fand ich an ihnen noch große Teile von halbverwestem weichem Gewebe. Als ich die Glieder aus dem Leichensack nahm, setzte ein fahlgelbes Gewimmel ein, dessen Anblick mir Übelkeit verursachte. Es waren unzählige Maden, die sich wie eine lebende Decke in einer schlaffen, wellenförmigen Bewegung von den Leichenteilen entfernten, sobald diese dem Licht ausgesetzt wurden. Wie ein leichter, aber beständiger Regen fielen sie auf den Autopsietisch und von dort auf den Boden, wo sie wie gelbe, sich windende Reiskörner vor meinen Füßen lagen. Ich versuchte, nicht auf sie zu treten. An die Maden würde ich mich wohl nie gewöhnen.

Ich nahm mein Klemmbrett zur Hand und füllte das entsprechende Formular aus. Name: Inconnue. Unbekannt. Datum der Autopsie: 3. Juni 1994. Untersuchende Beamte: Luc Claudel, Michel Carbonneau von der Séction des homicides, dem Morddezernat der Polizei in Montreal.

Ich trug noch die Nummer des Polizeiberichts, die Leichennummer und die Untersuchungsnummer des Laboratoire de Médicine Légale, abgekürzt LML-Nummer, ein. Wie jedes Mal angesichts solch nüchterner Zahlen packte mich die Wut über die arrogante Gleichgültigkeit unserer Bürokratie. Tote, die einem Gewaltverbrechen zum Opfer fallen, haben keinen Intimbereich mehr. Nach dem Leben wird ihnen auch noch ihre Würde genommen. Ihre Leiche wird herumgetragen, untersucht, fotografiert, mit einem Zettel am großen Zeh versehen und zur Entnahme von Proben aus dem Kühlfach geholt. Auf diese Weise wird das Opfer zu einem Beweis- und Ausstellungsstück, das von Kriminalbeamten, Pathologen und forensischen Spezialisten begutachtet und schließlich den Geschworenen präsentiert wird. Obwohl ich selbst ein Teil dieser Untersuchungsmaschinerie bin, kann ich die Gefühllosigkeit, mit der sie den Toten ihre persönlichsten Geheimnisse entreißt, oft nur schwer ertragen. Ich rechtfertige meine Arbeit damit, dass ich unbekannten Toten ihren Namen wiedergebe. Wenn sie schon einen gewaltsamen Tod erleiden mussten, so sollen sie wenigstens nicht anonym beerdigt werden.

Ich wich von meiner normalen Untersuchungsroutine ab und suchte mir ein bestimmtes Formblatt heraus. Die Aufnahme des vollständigen Skelettbildes musste warten, denn die Detectives der Mordkommission wollten so schnell wie möglich Geschlecht, Alter und Rasse der Leiche wissen.

Letztere war noch das Offensichtlichste, denn die roten Haare und die Hautreste deuteten auf eine weiße Person hin. Natürlich wusste ich, dass der Verwesungsprozess bisweilen für die seltsamsten Verfärbungen an einer Leiche sorgen kann, und deshalb würde die Rasse des Opfers mit hundertprozentiger Sicherheit erst anhand der gesäuberten Knochen bestimmt werden können.

Was das Geschlecht anbelangte, so tippte ich auf weiblich. Nicht wegen der langen Haare, denn die könnte auch ein Mann haben, sondern wegen der zarten Gesichtszüge und des zierlichen Körperbaus.

Ich drehte das Becken ein wenig zur Seite und besah mir die Einkerbung unterhalb der Beckenschaufel. Sie war breit und flach. Ich brachte das Becken wieder in seine Ausgangslage und untersuchte die Schambeine im vorderen unteren Teil des Beckens. Auf den beiden bogenförmigen Knochen konnte ich feine, leicht erhöhte Linien erkennen, die nach hinten in ausgeprägte Dreiecke zusammenliefen  – typische weibliche Merkmale. Selbstverständlich würde ich die Knochen später noch genau vermessen und ihre Daten vom Computer überprüfen lassen, aber auch so bestand schon jetzt für mich kein Zweifel mehr, dass ich es mit den sterblichen Überresten einer Frau zu tun hatte.

Als ich die Schambeine mit einem feuchten Lappen abdeckte, ließ mich das laute Klingeln des Telefons aufschrecken. Vor Anspannung hatte ich gar nicht bemerkt, wie still es im Autopsieraum war. Auf meinem Weg zum Telefon stieg ich über die Maden am Boden und erinnerte mich dabei an ein Spiel aus meiner...

Erscheint lt. Verlag 30.1.2013
Reihe/Serie Die Tempe-Brennan-Romane
Übersetzer Thomas A. Merk
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Déjà Dead
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anthropologin • Bones • brennan • eBooks • Forensik • Kanada • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Montreal • Mord • Reihe • Roman • Serienkiller • Spannung • Tempe Brennan • Temperance • Thriller • Verbindung
ISBN-10 3-641-10665-6 / 3641106656
ISBN-13 978-3-641-10665-2 / 9783641106652
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
CHF 9,75
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
CHF 9,75