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Venezianische Scharade (eBook)

Commissario Brunettis dritter Fall

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
384 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60062-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Venezianische Scharade -  Donna Leon
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Eigentlich wollte Brunetti mit seiner Familie in die Berge fahren. Doch dann wird vor Mestre die Leiche eines Mannes in Frauenkleidern gefunden. Ein Transvestit? Wird Streitigkeiten mit seinen Freiern gehabt haben ­ so die allgemeine Meinung, auch bei der Polizei. Brunetti schaut genauer hin und lernt bei seinen Ermittlungen, weniger schnell zu urteilen als die ach so ehrenwerten Normalbürger. '

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ?Brunetti?-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ›Brunetti‹-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

[12] 2

Die Polizei rückte zwanzig Minuten später in zwei blau-weißen Limousinen der Squadra Mobile aus Mestre an. Inzwischen hatten sich hinter dem Schlachthof viele der Männer versammelt, in die Sonne gelockt von diesem Blutvergießen anderer Art. Cola war völlig entnervt zurückgelaufen, nachdem er den Fuß und das dazugehörige Bein gesehen hatte, war ins Büro des Meisters gestürzt und hatte ihm berichtet, hinter dem Zaun liege eine tote Frau.

Cola war ein guter Arbeiter, ein ernsthafter Mensch, darum hatte der Meister ihm geglaubt und unverzüglich die Polizei verständigt, ohne nachzusehen, ob sein Untergebener die Wahrheit sagte. Aber andere hatten Cola hereinstürzen sehen und liefen herbei, um zu erfahren, was los war. Der Meister raunzte sie an, sie sollten an ihre Arbeit gehen; die Kühlwagen warteten an den Laderampen, und sie hätten keine Zeit, den ganzen Tag hier herumzustehen und sich das Maul über eine Hure zu zerreißen, der man die Kehle durchgeschnitten habe.

Er meinte das natürlich nicht wörtlich, denn Cola hatte ihm nur von dem Schuh und dem Fuß erzählt, aber die Wiesen zwischen den Fabriken waren für die Arbeiter ein bekanntes Revier – ebenso wie für die Frauen, die in diesen Wiesen ihrem Gewerbe nachgingen. Wenn die sich dort hatte umbringen lassen, dann gehörte sie wahrscheinlich zu diesen grell geschminkten Wracks, die sich spätnachmittags an die Straße zwischen dem Industriegebiet und [13] Mestre stellten. Schichtwechsel, Zeit für die Arbeiter, nach Hause zu gehen, aber warum nicht ein kurzer Halt an der Straße und ein paar Schritte zu einer im Gras ausgebreiteten Decke? Es ging schnell, sie erwarteten nichts von einem, außer zehntausend Lire, und es waren inzwischen immer häufiger Blondinen aus Osteuropa, die so arm waren, daß sie einem nicht irgendwelchen Schutz vorschreiben konnten wie die italienischen Mädchen an der Via Cappuccina. Und überhaupt, seit wann schrieb die Hure denn dem Mann vor, was er zu tun hatte und was zu lassen? Genau das hatte sie wahrscheinlich versucht, sie war handgreiflich geworden, und der Mann eben auch. Nun, es gab genug andere, und jeden Monat kamen neue über die Grenze.

Die Streifenwagen hielten, und aus jedem stieg ein Uniformierter. Sie wollten zum Vordereingang des Gebäudes gehen, doch der Meister kam ihnen schon entgegen. Hinter ihm stand Cola, der sich als Mittelpunkt der ganzen Aufregung zwar wichtig vorkam, dem aber vom Anblick dieses Fußes noch ganz flau war.

»Haben Sie uns gerufen?« fragte der erste Polizist. Sein rundes Gesicht glänzte vor Schweiß, und er starrte den Meister durch dunkle Brillengläser an.

»Ja«, antwortete der. »Da hinten auf der Wiese liegt eine Tote.«

»Haben Sie sie entdeckt?«

»Nein«, sagte der Meister, »ich nicht.« Damit trat er zur Seite und bedeutete Cola vorzutreten. »Er hier.«

Auf ein Nicken des ersten Polizisten hin zog der Kollege aus dem zweiten Streifenwagen ein blaues Notizbuch [14] aus der Jackentasche, schlug es auf, schraubte die Kappe von seinem Stift und hielt ihn über dem Blatt zum Schreiben bereit.

»Name?« fragte der erste, den Blick hinter den dunklen Gläsern jetzt auf den Fleischer gerichtet.

»Cola, Bettino.«

»Anschrift?«

»Wozu soll das gut sein?« unterbrach der Meister. »Da drüben liegt eine Tote.«

Der erste Uniformierte wandte sich von Cola ab, senkte den Kopf und fixierte über den Rand seiner Sonnenbrille den Meister. »Die läuft uns nicht weg.« Dann wiederholte er, zu Cola gewandt: »Anschrift?«

»Castello 3453.«

»Wie lange arbeiten Sie schon hier?« fragte er mit einer Kopfbewegung zu dem Gebäude hinter Cola.

»Fünfzehn Jahre.«

»Wann haben Sie heute angefangen?«

»Um halb acht. Wie immer.«

»Was hatten Sie auf der Wiese zu suchen?« Die Art, wie der eine die Fragen stellte und der andere die Antworten notierte, gab Cola das Gefühl, sie verdächtigten ihn.

»Ich bin rausgegangen, um eine Zigarette zu rauchen.«

»Mitten im Hochsommer stellen Sie sich in die Sonne, um eine Zigarette zu rauchen?« fragte der erste Polizist, und es klang, als sei das Irrsinn. Oder eine Lüge.

»Ich hatte Pause«, antwortete Cola, der langsam ärgerlich wurde. »Da gehe ich immer raus. Wegen dem Gestank.« Das Wort holte die Polizisten in die Wirklichkeit [15] zurück. Sie sahen zu dem Gebäude hinüber, wobei der mit dem Notizbuch nicht verhindern konnte, daß seine Nasenflügel angeekelt bebten bei dem, was er roch.

»Wo liegt sie?«

»Gleich hinter dem Zaun. Unter ein paar Büschen, darum habe ich sie zuerst nicht gesehen.«

»Warum sind Sie dorthin gegangen?«

»Ich habe einen Schuh gesehen.«

»Wie bitte?«

»Ich sah einen Schuh, auf der Wiese, und dann den zweiten. Ich dachte, vielleicht sind sie noch gut, da bin ich durch den Zaun gekrochen. Ich dachte, meine Frau könnte sie vielleicht gebrauchen.« Das war eine Lüge; er hatte gedacht, er könnte sie verkaufen, aber das wollte er der Polizei nicht erzählen. Es war eine kleine Lüge und ganz harmlos, aber es war die erste von vielen Lügen, die der Polizei im Zusammenhang mit dem Schuh und der Person, die ihn trug, aufgetischt wurden.

»Und dann?« bohrte der erste Polizist nach, als Cola nichts weiter sagte.

»Dann bin ich hierher zurückgelaufen.«

»Nein, davor«, sagte der erste Polizist mit einem unmutigen Kopfschütteln. »Als Sie den Schuh gesehen haben. Als Sie die Frau gesehen haben. Was haben Sie da gemacht?«

Cola sprach rasch, in der Hoffnung, es dann bald hinter sich zu haben. »Ich habe den einen Schuh aufgehoben und sah den zweiten dort liegen. Er war unter dem Busch. Ich habe daran gezogen. Ich dachte, er hängt irgendwie fest. Da habe ich noch mal gezogen, und er ging ab.« Er schluckte [16] einmal, zweimal. »Er war an ihrem Fuß. Deshalb ist er erst nicht abgegangen.«

»Sind Sie lange dortgeblieben?«

Diesmal war es Cola, der hinter der Frage Irrsinn vermutete. »Nein, nein. Nein, ich bin zurückgelaufen und habe es Banditelli erzählt. Der hat dann bei Ihnen angerufen.«

Der Meister nickte bestätigend.

»Sind Sie da drüben herumgelaufen?« fragte der erste Polizist.

»Herumgelaufen?«

»Oder noch stehengeblieben? Haben Sie geraucht? Haben Sie in der Nähe etwas weggeworfen?«

Cola schüttelte energisch den Kopf.

Der zweite Uniformierte blätterte in seinem Notizbuch, der erste sagte: »Ich habe Sie etwas gefragt.«

»Nein. Nichts. Ich habe die Frau gesehen und den Schuh fallen lassen, und dann bin ich ins Schlachthaus gelaufen.«

»Haben Sie sie angefaßt?« wollte der erste wissen.

Cola sah ihn mit großen, erstaunten Augen an. »Sie ist doch tot. Natürlich habe ich sie nicht angefaßt.«

»Sie haben ihren Fuß angefaßt«, sagte der zweite Polizist mit einem Blick auf seine Notizen.

»Ich habe ihren Fuß nicht angefaßt«, entgegnete Cola, obwohl er nicht mehr sicher war. »Ich habe den Schuh angefaßt, und der ist dann vom Fuß abgegangen.« Er konnte sich nicht enthalten zu fragen: »Warum sollte ich sie anfassen?«

Keiner der beiden Polizisten anwortete. Der erste drehte sich um und nickte dem zweiten zu, der sein Notizbuch zuklappte. »Also gut, zeigen Sie uns, wo sie liegt.«

[17] Cola stand wie angewurzelt und schüttelte langsam den Kopf. Die Sonne hatte das Blut auf seiner Schürze getrocknet, und Fliegen umsurrten ihn. Er sah die Polizisten nicht an. »Da hinten, gleich hinter dem großen Loch im Zaun.«

»Ich möchte, daß Sie uns zeigen, wo sie liegt«, sagte der erste Polizist.

»Das habe ich gerade getan«, blaffte Cola, und seine Stimme bekam dabei einen scharfen Unterton.

Die beiden Uniformierten wechselten einen Blick, dem zu entnehmen war, daß sie Colas Widerstreben bemerkenswert fanden und im Gedächtnis behalten würden. Aber sie sagten nichts, wandten sich von ihm und dem Meister ab und gingen um das Gebäude herum auf den Zaun zu.

Die Mittagssonne brannte auf die flachen Uniformmützen der beiden Polizisten, ihre Haare darunter waren naß, der Schweiß rann ihnen über den Nacken. Während sie das Loch im Zaun ansteuerten, hörten sie neben den Todesschreien, die noch immer aus dem Gebäude drangen, hinter sich menschliche Stimmen und drehten sich um. Am Hintereingang standen dicht zusammengedrängt fünf oder sechs Männer mit blutbefleckten Schürzen wie die von Cola. An solche Neugier gewöhnt, wandten sich die Polizisten wieder dem Zaun zu, bückten sich und krochen nacheinander durch das Loch, dann gingen sie weiter nach links, zu dem stacheligen Gebüsch hinter dem Zaun.

Ein paar Meter davor blieben die beiden stehen. Da sie wußten, was sie suchten, entdeckten sie rasch den Fuß [18] unter den tiefhängenden Zweigen. Beide Schuhe lagen direkt davor.

Vorsichtig auftretend näherten sie sich ihm, um die bösartigen Öllachen zu vermeiden und eventuell vorhandene Fußabdrücke nicht zu zertrampeln. Neben den Schuhen ging der eine Polizist in die Hocke und bog das hüfthohe Gras zur Seite.

Die Leiche lag auf dem Rücken, die Außenseiten der Knöchel drückten in die Erde. Der Polizist beugte sich vor, teilte das Gras mit der Hand, und eine haarlose Wade kam zum Vorschein. Er nahm die Sonnenbrille ab, spähte angestrengt in den Schatten und verfolgte mit seinem Blick die langen, muskulösen Beine über knochige Knie bis zu dem spitzenbesetzten roten Schlüpfer unter dem knallroten Kleid, das übers...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2012
Reihe/Serie Commissario Brunetti
Übersetzer Monika Elwenspoek
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Brunetti • Brunetti, Guido • Commissario • Doppelmoral • Drag Queen • Guido • Italien • Korruption • Krimi • Mestre • Prostituierte • Prostitution • Transvestie • Venedig
ISBN-10 3-257-60062-3 / 3257600623
ISBN-13 978-3-257-60062-9 / 9783257600629
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