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Ich bin kein Serienkiller -  Dan Wells

Ich bin kein Serienkiller (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
384 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-95010-7 (ISBN)
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Du spürst, da ist etwas Böses in dir. Deine Freunde behaupten, es sei bloß Einbildung. Aber du weißt es besser. Du versuchst es mit allen Mitteln zurückzuhalten. Verbietest dir selbst den Kontakt zu Mädchen, besuchst den Psychotherapeuten, hältst dich stets unter Kontrolle. Doch niemand kann dir helfen. Denn diese dunkle Gewissheit ist da. Eines Tages wird es ausbrechen. Du wirst zum Serienkiller werden. Die Frage ist nur - wann?

Dan Wells studierte Englisch an der Brigham Young University in Provo, Utah, und war Redakteur beim Science-Fiction-Magazin »The Leading Edge«. Mit »Ich bin kein Serienkiller« erschuf er das kontroverseste und ungewöhnlichste Thrillerdebüt der letzten Jahre. Ihm folgten weitere John-Cleaver-Romane, Thriller um die »Partials«, die »Mirador«-Saga und ein weiterer Science-Fiction-Roman.

Mrs Anderson war tot.

Nichts Spektakuläres, es war das Alter – sie ging eines Abends zu Bett und stand am nächsten Morgen nicht mehr auf. In den Nachrichten hieß es, sie sei friedlich eingeschlafen und würdevoll gestorben, was im Prinzip wohl sogar zutrifft, aber die drei Tage, die vergingen, bis jemand merkte, dass sie schon eine Weile nicht mehr aufgetaucht war, nahmen ihren sterblichen Überresten jegliche Würde. Schließlich schaute Mrs Andersons Tochter vorbei und fand die Leiche, die mittlerweile stank wie ein überfahrenes Tier. Das Schlimmste war dabei nicht einmal die Verwesung, sondern die Tatsache, dass es volle drei Tage dauerte, bis jemand fragte: »Sag mal, wo steckt eigentlich die alte Dame, die da unten am Kanal wohnt?« Das ist nicht besonders würdevoll.

Aber friedlich? Ganz sicher. Wie der Gerichtsmediziner erklärte, starb sie am 30. August im Schlaf, also zwei Tage, bevor der Dämon Jeb Jolley die Eingeweide herausriss und ihn in einer Pfütze hinter dem Waschsalon liegen ließ. Damals wussten wir es noch nicht, aber Mrs Anderson sollte für sechs Monate der letzte Mensch im Clayton County bleiben, der auf natürliche Weise gestorben war. Die anderen holte der Dämon.

Na ja, die meisten jedenfalls. Alle bis auf einen.

Am Sonnabend, dem 2. September, bekamen wir Mrs Andersons Leiche herein, nachdem der Gerichtsmediziner mit ihr fertig war – das heißt, ich sollte wohl besser sagen, dass meine Mutter und Tante Margaret die Leiche bekamen, nicht ich. Den beiden gehört das Bestattungsunternehmen. Ich bin erst fünfzehn. Den Tag über hatte ich mich in der Stadt herumgetrieben und der Polizei zugesehen, während sie das Chaos bei Jebs Leiche aufgeräumt hatte. Kurz vor Sonnenuntergang kehrte ich zurück und schlüpfte durch den Hintereingang ins Haus, denn ich befürchtete, dass meine Mutter vorn im Büro saß. Ich wollte ihr wirklich nicht begegnen.

Hinten in der Leichenhalle war niemand außer mir und Mrs Andersons Leiche. Sie lag, in Tücher gehüllt, ganz still auf dem Tisch und roch nach verfaultem Fleisch und Insektenspray. Der große Ventilator, der sich klappernd über mir drehte, half nicht viel. Ich wusch mir im Waschbecken leise die Hände und fragte mich, wie viel Zeit mir noch blieb. Dann berührte ich vorsichtig die Tote. Alte Haut hatte ich am liebsten – sie war trocken und runzlig und fühlte sich an wie Pergament. Der Gerichtsmediziner hatte sich keine große Mühe gegeben, Mrs Anderson zu säubern, was wahrscheinlich daran lag, dass er mit Jeb so viel Arbeit hatte, aber der Geruch verriet mir, dass er wenigstens daran gedacht hatte, die Insekten zu vernichten. Nach drei Tagen spätsommerlicher Hitze hatte es wahrscheinlich eine ganze Menge von dem Viehzeug gegeben.

Jemand öffnete die Eingangstür der Leichenhalle und trat ein, grün gekleidet wie ein Chirurg mit Mundschutz. Ich zuckte zusammen, weil ich dachte, es sei meine Mutter, doch die Frau warf mir nur einen kurzen Blick zu und ging zu einem Vorratsschrank.

»Hallo, John«, sagte sie, während sie ein paar sterile Tücher zusammensuchte. Es war nicht meine Mutter, sondern ihre Schwester Margaret. Sie waren Zwillinge, und wenn sie Masken trugen, konnte ich sie kaum auseinanderhalten. Margarets Stimme klang ein wenig lebhafter und energischer. Vielleicht lag es daran, dass sie nie geheiratet hatte.

»Hallo, Margaret.« Ich zog mich einen Schritt zurück.

»Ron wird immer fauler.« Sie nahm eine Sprühflasche mit einem Desinfektionsmittel in die Hand. »Er hat sie nicht einmal gesäubert, sondern einfach nur auf natürlichen Tod befunden und sie hierherbefördert. Mrs Anderson verdient wirklich etwas Besseres.« Dann wandte sie sich an mich. »Willst du einfach nur herumstehen, oder hilfst du mir?«

»Entschuldige.«

»Wasch dich vorher.«

Bereitwillig krempelte ich mir die Ärmel hoch und kehrte zum Waschbecken zurück.

»Ehrlich«, fuhr sie fort, »ich weiß gar nicht, was sie da drüben im Büro des Gerichtsmediziners überhaupt machen. Die haben ja nicht gerade viel zu tun – wir halten uns mit dem Bestattungsinstitut gerade eben über Wasser.«

»Jeb Jolley ist tot«, berichtete ich, während ich mir die Hände abtrocknete. »Sie haben ihn heute Morgen hinter dem Waschsalon gefunden.«

»Den Automechaniker?«, fragte Margaret nicht mehr ganz so munter. »Das ist ja furchtbar. Er war jünger als ich. Was ist passiert?«

»Ermordet.« Ich nahm mir einen Mundschutz und eine Schürze vom Wandhaken. Der Dämon hatte ihn erwischt, aber das wusste ich noch nicht. Erst drei Monate später erfuhr ich, dass es überhaupt einen Dämon gab. Damals im August – es kommt mir jetzt vor, als sei das eine Ewigkeit her – hatte noch niemand eine Vorstellung von den Schrecken, die uns bevorstanden. »Sie dachten, es sei vielleicht ein streunender Hund gewesen«, erzählte ich Margaret. »Aber die Därme lagen neben ihm auf einem Haufen.«

»Das ist ja furchtbar«, wiederholte Margaret.

»Da brauchst du dir keine Sorgen um das Geschäft zu machen. Zwei Leichen an einem Wochenende, das ist doch ein guter Schnitt.«

»Mach darüber keine Witze, John.« Sie sah mich streng an. »Der Tod ist eine traurige Angelegenheit, auch wenn er uns hilft, die Hypothek abzutragen. Bist du so weit?«

»Ja.«

»Streck mal ihren Arm aus.«

Ich zog den rechten Arm der Toten gerade und hielt ihn fest. Die Totenstarre macht eine Leiche so steif, dass man die Gliedmaßen kaum noch bewegen kann, hält jedoch nur etwa anderthalb Tage an. Die Frau war allerdings schon lange tot, und die Muskeln hatten sich wieder entspannt. Ihre Haut war wächsern und das Fleisch darunter weich wie Kuchenteig. Margaret sprühte den Arm mit Desinfektionsmittel ein und wischte ihn sacht mit einem Tuch ab.

Selbst wenn der Gerichtsmediziner seine Arbeit ordentlich macht und die Leichen säubert, waschen wir sie noch einmal gründlich ab, bevor wir anfangen. Das Einbalsamieren ist ein langwieriger Prozess und erfordert große Genauigkeit. Außerdem braucht man dazu eine saubere Grundlage.

»Es stinkt ganz schön«, sagte ich.

»Sie.«

»Sie stinkt ganz schön«, korrigierte ich mich. Mutter und Margaret beharrten unerbittlich darauf, dass wir mit den Toten respektvoll umgingen. Ich hingegen hielt das für sinnlos. Ein Toter war keine Person mehr, sondern nur ein lebloser Körper. Ein Ding.

»Ja, sie riecht«, stimmte mir Margaret zu. »Die arme Frau. Hätte man sie doch nur früher gefunden.« Sie blickte zum Ventilator hoch, der sich langsam über uns drehte. »Hoffen wir, dass uns heute Abend der Motor nicht im Stich lässt.« Das sagte sie immer vor dem Einbalsamieren, es war fast wie ein ritueller Gesang. Über uns quietschte unbeirrt der große Quirl.

»Das Bein«, sagte sie. Ich trat zum Fußende und zog das Bein gerade, damit Margaret es einsprühen konnte. »Dreh dich um.« Ich hielt das Bein fest und starrte die Wand an, während Margaret das Tuch hob und die Oberschenkel wusch. »Ein Gutes hat es ja«, fuhr sie fort. »Ich könnte wetten, dass heute oder morgen jede Witwe im County Besuch bekommt. Jeder, der von Mrs Andersons Tod erfährt, will sehen, wie es seiner eigenen Mutter geht. Das andere Bein.«

Um ein Haar hätte ich erwidert, dass dann vermutlich auch jeder, der von Jebs Tod erfuhr, schnurstracks seinen Automechaniker aufsuchen müsste, aber Margaret mochte solche Scherze nicht.

Wir arbeiteten am Körper, vom Bein zum Arm, vom Arm zum Rumpf, vom Rumpf zum Kopf, bis die ganze Leiche abgeschrubbt und desinfiziert war. Im Raum roch es nach Tod und Seife. Endlich warf Margaret die Lappen in den Wäschekorb und holte die Sachen zum Einbalsamieren.

Schon als kleiner Junge, bevor Dad abgehauen war, hatte ich meiner Mutter in der Leichenhalle geholfen. Meine erste Aufgabe war die Reinigung der Kapelle gewesen. Alte Programmhefte einsammeln, Aschenbecher leeren, den Fußboden saugen und andere Hilfsarbeiten verrichten, die ein Sechsjähriger ohne Aufsicht übernehmen konnte. Als ich größer wurde, bekam ich größere Aufträge, aber erst mit zehn durfte ich bei den wirklich coolen Sachen wie dem Einbalsamieren mitmachen. Das Einbalsamieren war … ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Es war, als spielte ich mit einer Riesenpuppe, die ich ankleiden, baden und öffnen musste, um zu sehen, was im Innern steckte. Einmal, als ich acht war, beobachtete ich Mutter dabei. Ich linste durch eine Tür, weil ich das große Geheimnis wissen wollte. Vermutlich erkannte sie meine Beweggründe nicht, als ich in der folgenden Woche meinen Teddy aufschnitt.

Margaret gab mir einen Baumwolltupfer, den ich festhielt, während sie der Toten kleine Wattebäusche unter die Augenlider schob. Die Augäpfel fielen bereits in sich zusammen und schrumpften, weil sie Flüssigkeit verloren. Die Watte hielt die Lider in der richtigen Lage für die Aufbahrung. So blieben die Augenlider auch geschlossen, aber Margaret legte sicherheitshalber immer noch etwas Creme auf, um die Feuchtigkeit zu halten und die Lider zu verkleben.

»Jetzt die Nadelpistole, John«, sagte sie. Ich legte die Watte weg und holte die Pistole vom Metalltisch an der Wand. Es war eine lange Metallröhre mit zwei Ösen für die Finger an der Seite, einer Spritze nicht unähnlich.

»Darf ich das dieses Mal machen?«

»Klar.« Sie zog die Oberlippe und die Wange der Toten zurück. »Genau hier.«

Ich setzte das Gerät sanft auf das Zahnfleisch und presste eine kleine Nadel in den Knochen. Die Zähne waren groß und gelb. Eine weitere Nadel...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2009
Reihe/Serie Serienkiller
Übersetzer Jürgen Langowski
Sprache deutsch
Original-Titel I am not a Serial Killer
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Aliens • Buch • Bücher • Dämon • eBook • Fantasy Reihe • Fantasy Serie • Fantasy Thriller • John Cleaver • Killer • Schule • Serienkiller • Serienmörder • Soziopath • Thriller
ISBN-10 3-492-95010-8 / 3492950108
ISBN-13 978-3-492-95010-7 / 9783492950107
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