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Bravo am Eutiner See (eBook)

Hintergrundinformationen und Betrachtungen zu den Opern- und Musicalproduktionen der Eutiner Festspiele 2018 - 2024
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
188 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-6951-7408-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bravo am Eutiner See -  Matthias Gerschwitz
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Von 2018 bis 2024 hatte ich die Freude und die Ehre, die Eutiner Festspiele redaktionell zu begleiten: Meine Beiträge für die Programmhefte wie auch die Werkeinführungen für den Förderverein, das Team und in der Volkshochschule Eutin fanden bei den Festspielen, der Presse und den Besuchern großen Anklang. Die schönsten der hierfür entstandenen Texte habe ich im Folgenden zusammengestellt. Viel Vergnügen mit Hintergrundinformationen und Betrachtungen zu My Fair Lady, La Traviata, Kiss me Kate, Un ballo in maschera (Ein Maskenball), Cabaret, La Bohème, Ein Käfig voller Narren, Madama Butterfly, Jesus Christ Superstar und Der Freischütz.

Metamorphosen einer Kurtisane


»Ich sehne mich nach neuen, großartigen, schönen, abwechslungsreichen, kühnen Stoffen … grenzenlos kühn, mit neuen Formen usw. usw., und gleichzeitig komponierbar … In Venedig arbeite ich an der ›Dame aux camélias‹, die möglicherweise den Titel ›Traviata‹ bekommen wird. Ein Thema unserer Zeit. Ein anderer hätte es vielleicht nicht gemacht wegen der Sitten, der Zeiten oder aus tausend anderen törichten Skrupeln … Die Arbeit bringt mir sehr viel Vergnügen. Alle haben geschrieen, als ich vorschlug, einen Buckligen auf die Bühne zu stellen. Trotzdem war ich glücklich, den ›Rigoletto‹ zu schreiben.«2

Ein Thema unserer Zeit; Verdi hat mit seiner Traviata Operngeschichte geschrieben, und das nicht nur wegen der unvergleichlichen Melodien und der bis heute ungebrochenen Popularität. Ein derartiger Stoff war in seiner Brisanz und Aktualität bis dato nicht auf die Opernbühne gelangt, verlangten doch tragische Stoffe in der Konvention der ›Opera Seria‹ nach einem historischen Gewand. Themen mit aktuellem Hintergrund waren traditionell der ›Opera Buffa‹ vorbehalten gewesen – freilich hatte es auch in diesem Genre schon Beispiele politischer (Le nozze di Figaro) oder moralischer Brisanz (Così fan tutte) gegeben.

Giuseppe Verdi konnte mit seinen knapp 40 Jahren bereits auf sechzehn Opern zurückblicken, als er im Mai 1852 einen Auftrag vom Teatro La Fenice in Venedig erhielt, wo ein Jahr zuvor bereits sein Rigoletto die Uraufführung erlebt hatte. Als Librettist war wiederum der Hausdichter des Theaters, Francesco Maria Piave, vorgesehen, mit dem Verdi schon etliche andere Werke verfasst hatte, darunter Simon Boccanegra und La forza del destino. Die Suche nach einem geeigneten Stoff zog sich in die Länge, es wurde erwogen und verworfen, bis sich Verdi auf ein ganz aktuelles Schauspiel besann, das er im Winter zuvor in Paris gesehen hatte: La Dame aux Camélias (Die Kameliendame) von Alexandre Dumas d. J. (1824-1895), Sohn des gleichnamigen Verfassers berühmter Historienromane wie Die drei Musketiere oder Der Graf von Monte Christo.

Marie Duplessis


La Dame aus Camélias ist inspiriert von Dumas’ Liaison mit Marie Duplessis, einer der mondänsten Kurtisanen ihrer Zeit, die im Alter von nur 23 Jahren einer Tuberkulose-Erkrankung erlegen war. 1824 als Alphonsine Plessis in ärmlichen, provinziellen Verhältnissen in der Normandie aufgewachsen, entfloh sie mit fünfzehn Jahren ihrem verwahrlosten Dasein nach Paris und avancierte dort in kürzester Zeit zum Star der Pariser Halbwelt. Sie gab sich einen eleganter klingenden Namen und verzauberte nicht nur durch ihre außergewöhnliche Schönheit, sondern auch durch Bildung und Kultiviertheit, die sie sich durch Fleiß und natürlichen Instinkt angeeignet hatte. Affären mit den wohlhabendsten Aristokraten der Stadt ermöglichten ihr einen extravaganten Lebensstil. Daneben pflegte sie mehr oder minder intime Freundschaften zu zahlreichen Künstlern, darunter auch Franz Liszt und Théopile Gaultier. Mit Ausbruch der Krankheit folgte auf den rapiden Aufstieg der ebenso schnelle Fall: Sie flüchtete sich in eine Ehe, die aber scheiterte, die Geldgeber wandten sich von ihr ab. In einem hektischen Wechsel von Kuraufenthalten und einem immer exzessiveren Nachtleben ließ sich der Niedergang nicht verdrängen. Völlig verarmt holte die Schwindsucht sie am 3. Februar 1847 ein.

Ihr Markenzeichen waren weiße Kamelien, die sie stets bei sich trug – und an gewissen Tagen im Monat rote als pikant eindeutigen Hinweis für die, die es zu deuten wussten. In Erinnerung daran ziert ein Kranz aus künstlichen, weißen Kamelien, eingelassen in einen Glasschrein, ihr Grab auf dem Friedhof Montmartre, nachdem sie posthum zu literarischem Ruhm gelangt war.

Alfred Delveau schrieb über den letzten öffentlichen Auftritt von Marie Duplessis im Januar 1847: »Etwa in der dritten Szene des ersten Aktes setzten zwei (…) Lakaien in einer der Logen eine Frau ab, oder besser, den Schatten einer Frau, bleich und durchsichtig … wer war dieser Schatten, der dank der Blässe der Schwindsüchtigen und dank eines Buketts weißer Kamelien die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte? Es war Marie Duplessis, und sie besuchte zum letzten Mal das Theater; zum letzten Mal bot sie die weißen Kamelien den Blicken des Publikums dar … als auf der Bühne der Schlussgesang angestimmt wurde, trugen dieselben Lakaien, die sie in die Loge getragen hatten, sie zurück in ihre Kutsche … Marie Duplessis lag im Sterben, Marie Duplessis war schon tot.«3

Als Kameliendame, Dame aux Camélias, ist sie freilich zu Lebzeiten nie bezeichnet worden; dieser Beiname ist eine freie Erfindung von Alexandre Dumas, der ihr im Jahr nach ihrem Tod ein literarisches Denkmal setzte. Der gleichnamige Roman steht in bewusster Tradition eines populären Werkes des 18. Jahrhunderts über ein Luxusgeschöpf mit mehreren Liebhabern, der Manon Lescaut des Abbé Prévost, die in Bearbeitungen von Giacomo Puccini und Jules Massenet auch ihren Siegeszug auf der Opernbühne antreten sollte.

Marie Duplessis heißt bei Dumas Marguerite Gautier. In der glücklos endenden Liebesbeziehung zwischen ihr und Armand Duval (Verdis Alfredo) verarbeitete er Grundzüge seiner eigenen Liebschaft mit Marie, die er schließlich – völlig verschuldet – gelöst hatte. Als Auslöser des Konflikts fügte er die fiktive Intrige des Vaters von Armand ein, dessen Verdikt sich Marguerite beugt, was den Blickwinkel entscheidend verschiebt. Entsprechend legt er seiner ›Dame‹ ein Sterben an den Lebensumständen zugrunde: »Jeder stirbt an dem, woran er gelebt hat«4

Die Schauspielbearbeitung von 1852 hatte beträchtlichen Erfolg; die Marguerite avancierte zur begehrten Rolle für die größten Schauspielerinnen ihrer Zeit – von Sarah Bernhardt über Eleonora Duse bis zu Greta Garbo, deren Darstellung in der Hollywood-Verfilmung von 1936 mit dem Oscar® gekrönt wurde. Die Gründe für die Popularität sind evident, traf das Stück doch den Nerv der Zeit: Mit seinem Sittengemälde des Milieus gewährte Dumas der bourgeoisen, doppelmoralischen Gesellschaft einen voyeuristischen Einblick in die ›demi-monde‹ – im Übrigen ein von ihm geprägter Begriff, den er 1855 auch zum Titel einer Komödie machte; eine Dreiecksgeschichte, in der eine Lebedame versucht, zwei ihrer Liebhaber gegeneinander auszuspielen. Beide durchschauen das Spiel, verbünden sich gegen sie und lassen sie am Ende düpiert stehen. Die Kameliendame ist auch eine Anklage an die sexuelle Doppelmoral der damaligen Zeit. Bewusst gestaltete er die Libertinage der Protagonistin als Kontrast zu den sogenannten diskreten Affären der gutbürgerlichen Gesellschaft.

»Nun, hatte ich oder hatte ich nicht moralisch das Recht, diese Klasse von Frauen ans Licht zu bringen und auf der Bühne zu zeigen? Offensichtlich ja […]. Alle Gesellschaftsklassen gehören zum Theater und vor allem diejenigen, die in Epochen der Veränderung plötzlich auftauchen und einer Gesellschaft einen Ausnahmecharakter verleihen. Unter diese muss man notwendigerweise auch die angehaltenen Frauen zählen, die auf die heutigen Sitten einen unbestreitbaren Einfluss haben. […] Das Böse, das die Kurtisane begeht, […] geschieht […] ohne jede Vorüberlegung und vor allem ohne Heuchelei. Es breitet sich am hellen Tag aus, es eröffnet einen Laden, bringt ein Schild an seinem Haus an und versieht es mit einer Hausnummer … Dieses Böse hat eine Entschuldigung mit dem Elend, […] mit dem Egoismus der Gesellschaft, mit der Maßlosigkeit der Zivilisation, mit diesem ewigen Argument: der Liebe [… Dahingegen die Ehefrau, die] keinerlei Entschuldigung gehabt hätte […] und ungestraft die Ehe, die Familie, die Sittsamkeit zugunsten des eigenen Vergnügens mit Füßen tritt. Diese Frau ist wirklich kriminell; sie ist wirklich gefährlich, sie verdient schließlich den Zorn des Dichters und die Empörung des Publikums; und dennoch möchte man gerade ihr vergeben unter dem Vorwand, dass sie der Liebe, dem Gefühl, der Natur erlegen ist, dass sie sich schließlich hingegeben, aber nicht verkauft hat […] Es tut mir unendlich leid für Sie, Madame, aber ich sehe keinen Unterschied zwischen der Frau, die sich außerhalb der Ehe hingibt, um ihrem Körper Vergnügen zu verschaffen, und derjenigen, die sich hingibt, um ihren Körper zu schmücken und zu ernähren. Wenn sie nur für sich selber dabei verantwortlich ist, betrügt sie niemanden, während die andere die geschworene Treue bricht, ihren Gatten verrät, ihre Kinder gefährdet und mit dem Kindsmord spielt. Sie kostet nichts, das ist ihr einziger Vorteil.«5

Mitte des 19. Jahrhunderts war mit der Tuberkulose eine neue Volkskrankheit auf dem Vormarsch, die spätestens mit diesem Werk literaturfähig wurde. Etliche andere Werke folgten dieser Konjunkturwelle, man denke nur an Puccinis La Bohème oder Thomas Manns Der...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik Musiktheorie / Musiklehre
Schlagworte Festspiele • Freilichtbühne • Musical • Oper • Schleswig-Holstein
ISBN-10 3-6951-7408-0 / 3695174080
ISBN-13 978-3-6951-7408-9 / 9783695174089
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