Star Trek: Deep Space Nine (eBook)
547 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
9783769334104 (ISBN)
Julian Wangler ist ein deutscher Medienwissenschaftler und Autor. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter war er für das Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Tübingen tätig, arbeitete später am Institut für Demoskopie Allensbach sowie für die Fraunhofer-Gesellschaft und ist inzwischen in der allgemeinmedizinischen Versorgungsforschung tätig. Seit jeher ist Julian Wangler leidenschaftlicher Science-Fiction-Fan und (hobby-)schriftstellerisch aktiv. Unter anderem verfasste er gemeinsam mit Christian Humberg das Star Trek-Referenzwerk "Maximum Warp: Der Guide durch die Star-Trek-Romanwelten". Kürzlich von ihm erschienen sind verschiedene Sachbücher zu den einzelnen Star Trek-Serien, aber auch zu anderen Sci-Fi-Franchises wie z.B. Blade Runner.
Brief: Nichts bleibt, wie es war
28. Januar 2376, Cardassia Prime
Mein lieber Doktor,
zeigen Sie sich nachsichtig mit mir, dass ich aufgrund zahlreicher Verpflichtungen nicht gleich dazu kam, Ihnen eine Antwort auf Ihr Kommunikee zu schreiben. Wie Sie jedoch wissen, nehme ich unsere Korrespondenz ausgesprochen ernst – sie bedeutet mir viel. Sie ist der unverzichtbare Ersatz dafür, dass wir uns nicht mehr beim Mittagessen unterhalten können. Und da jetzt die ersehnte Gelegenheit da ist, Ihnen meine ganze Aufmerksamkeit zu widmen, wird schließlich alles gut.
Vielen Dank für Ihr aufrichtiges Interesse und die Anteilnahme, die Sie im letzten Brief zum Ausdruck brachten. Tatsächlich habe ich des Öfteren an Sie gedacht, seit sich unsere Wege das letzte Mal gekreuzt haben. Ich war höchst erfreut darüber, von Ihnen zu erfahren, dass das Leben auf Deep Space Nine auch nach den großen Veränderungen, die wir alle erleben durften, anregend bleibt. Und natürlich bin ich nicht im Geringsten erstaunt darüber, dass Ihre Forschung beim medizinischen Corps der Sternenflotte einen fulminanten Resonanzboden gefunden hat. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung, Commander Bashir. Wenn ich Ihren Werdegang im Rückblick betrachte, wird mir ganz plötzlich bewusst, wie prädestiniert Sie für diesen glanzvollen Aufstieg waren. Ich möchte beinahe sagen – und das ist in keinster Weise beleidigend gemeint –, es war Ihr Schicksal. Bei mir verhält es sich komplizierter. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, die Personen um mich herum haben im Lauf ihres Lebens allesamt – der eine früher, der andere später – ihr Leitmotiv gefunden, wie der Literat sagen würde. Sie haben, wie der Musiker sagen würde, die Melodie ihres individuellen Wegs kultiviert und zu einer Partitur ausgebaut. Doch was ist mit mir?
Manchmal glaube ich, nur ich bin es, dem die Zeit die Möglichkeit verwehrt, einen dieser vielen sprichwörtlichen Fäden des Lebens herauszugreifen und konsequent zu verfolgen, bis zum Schluss. Ich war schon so vieles in meinem Leben, und das ist wahrscheinlich das Problem. Wenn ich zurückblicke, sehe ich so viel Stückwerk, so viele lose Fäden, die im Nichts zu enden drohen. Deshalb trübt sie meine Sicht, die Zeit, heute mehr denn je zuvor. Ich frage mich: Kann dieser Elim Garak überhaupt ein Schicksal haben? Was macht ihn aus, wenn man die vielen Schalen Schicht für Schicht abträgt, was bleibt dann noch von diesem Mann übrig ohne seine zahllosen Masken? Andererseits hat er diese Masken sehr lieb gewonnen; sie gehören zu ihm. Vielleicht sind sie alles, was er je hatte.
Sie können unbesorgt sein, mein lieber Doktor: Mein Antrieb, Ihnen zu schreiben, speist sich nicht aus dem Wunsch, mich selbst zu bemitleiden oder Ihnen einen Vortrag über das Schicksal zu halten…obwohl dies vielleicht, ohne dass ich es will, die unbewusste Begleitmelodie dieses Briefs sein könnte; jedenfalls, soweit es mich betrifft. Doch ich greife vor. Ich glaube, das Beste ist es, wenn ich ganz von vorn anfange.
Mein Leben auf Cardassia Prime verläuft recht herausfordernd und produktiv. Es vergeht kein Tag, an dem auch nur der Verdacht aufkommt, ich könnte ihn mit Trübsal verbringen. Stellen Sie sich vor: Ich habe mich doch tatsächlich in der Hauptstadt einer medizinischen Notfalleinheit angeschlossen – an der Seite eines gewissen Arztes namens Parmak. Ein guter Mann, der mich gelegentlich ein wenig an Sie erinnert, Doktor, auch wenn er deutlich älter ist.
Ironisch ist, dass Parmak einst mit der Dissidentenbewegung auf Cardassia im Bunde war, und raten Sie mal, wer für sein Verhör zuständig war, nachdem er verhaftet wurde? Der Mann ist alles andere als ein Feigling, doch er ist so empfindsam, dass ich ihn nur ein paar Stunden anzustarren brauchte, bis er uns alles sagte, was er wusste. Er behauptet, dass es ihm selbst heute noch schwerfällt, mir direkt in die Augen zu sehen. Vielleicht ist hier ein guter Anfang, dachte ich. Ich habe ihn also um Vergebung gebeten, und er war freundlich genug, sie mir zu gewähren. Parmak ist nur der erste in einer langen Reihe, die ich um Entschuldigung bitten muss. Glauben Sie mir, Doktor, da sind noch viele weitere.
Immer, wenn in den Ruinen Überlebende gefunden werden, werden wir herbeigerufen, um Hilfe zu leisten und sicherzustellen, dass sie in eine Versorgungseinrichtung transportiert werden. Es ist ein Wunder, wie manche tagelang, wochenlang, begraben unter Tonnen von eingestürztem Stein, überlebt haben. Erst gestern entdeckte ein Suchtrupp ein schwaches Lebenszeichen inmitten eines mindestens vier Meter hohen Schutthaufens. Als es uns gelang, zu der Stelle, von der die Biosignatur kam, vorzudringen, fanden wir eine tote Mutter mit ihrem Baby – das noch am Leben war. Es war wie ein Wunder. Ich vermag die Blicke der Männer nicht zu beschreiben, als wir das kleine Wesen in den Händen hielten und feststellten, dass es beinahe unversehrt war.
Als ich zum ersten Mal wieder durch Locanda City lief, glaubte ich, ich könnte es nicht ertragen. Doch inzwischen denke ich, dass ich das kann. Ich kann mit dem Geröll leben, mit all den beschädigten Gebäuden, von denen manches unvermittelt in sich zusammenstürzt und Passanten unter sich begräbt. Ich kann mit den Überlebenden leben, die sich wie holographische Phantome bewegen und jede wache Minute damit verbringen, nach allem zu suchen, was sie ernähren und durch den Tag bringen könnte. Ich kann sogar mit dem Gestank der Leichen leben, die die zerstörten Straßen übersäen und in grotesken Posen darauf warten, in Massengräber abtransportiert zu werden.
Doch wissen Sie, woran ich mich wohl nie gewöhnen werde? An diesen Staub. Es ist der Staub, der mich erstickt und meine geistige Gesundheit herausfordert. Er verstopft meine Nase, trübt meine Sicht und brennt in meinen Augen. Mein Mund ist mit einer kalkartigen Paste gefüllt, die Speise und Trank – dieser Tage rare Güter – geschmacklos werden lässt. Wir leben im ewigen Zwielicht, existieren als Schattengestalten in einer halbdunklen Welt, in der jede Form und jedes Geräusch von dieser ruhelosen Staubwolke gedämpft wird, die sich einfach nicht legen will.
Ja, Doktor, mein so lange Jahre gehegter Wunsch ist schließlich in Erfüllung gegangen. Ich bin nachhause zurückgekehrt. Aber anders als ich es mir vorgestellt hatte. Das einzige Heim, das ich je kannte, ist nur noch Schutt. Dank den Gründern, die eine wahrhaft cardassianische Gerechtigkeit walten ließen. Nein, das ist nicht richtig. Dank uns selbst, die wir den ganzen Quadranten hintergangen haben, die wir schuldig im Sinne der Anklage sind. Wir hielten uns für die Herrenrasse, auserwählt zum Herrschen. Das Militär und der Obsidianische Orden hatten Jahrhunderte, um die Union zu lenken und ihre Bürger in ihrem Sinne zu erziehen. Äußerst gekonnt haben sie es verstanden, die explosive Mischung aus Minderwertigkeitsgefühl und Allmachtsfantasie im cardassianischen Herzen anzufachen – mit dem absoluten Höhepunkt an jenem Tag, als sich Cardassia dem Dominion anschloss.
Ich habe es kennengelernt, dieses xenophobe, chauvinistische Denken, das sich wie ein Gift in den Geist eines jeden Cardassianers geschlichen hat. Die Macht dieses Giftes hat Bajor und zahllose andere Welten in die Sklaverei getrieben. Doch nachdem eine Milliarde meines Volkes in einem beispiellosen Krieg verheizt oder wie Vieh abgeschlachtet worden sind, ist er mir endgültig ausgetrieben worden, der Glaube, wir seien ein auserwähltes Volk. Wir haben uns etwas vorgemacht. In Wahrheit waren wir Mörder und Tyrannen – und vor allem waren wir selbst Unterworfene. Geknechtete eines Staates, der uns mit grausamer Entschlossenheit in seine Bahnen lenkte, auf dass wir in seinem Sinne funktionierten. Das Leichentuch dieser Welt ist letztlich gefallen, aber gleichzeitig hat auch alles Wunderbare, Erhabene an Cardassia ein Ende gefunden.
Wissen Sie, Doktor, ich dachte, im Laufe der Jahre auf Deep Space Nine hätte selbst ich, der unumstößliche Garak, mich geöffnet und eine kritische Sicht auf mein Volk und meine eigene Vergangenheit entwickelt. Abstand gewinnen können. Doch meine Rückkehr droht mich Lügen zu strafen. Jetzt wird mir auf einmal bewusst, dass mir die größte Abrechnung mit allem, was ich mir so lange Zeit zurückwünschte, erst noch bevorstehen könnte. Die Abrechnung mit dem alten Cardassia. Die Abrechnung mit allem, was ich über einen Großteil meines Lebens war. Ich kann mir selbst nicht entkommen.
Wieso kommt es mir gerade jetzt wieder in Erinnerung, ein Gespräch mit einer romulanischen Konkubine, das sich vor langer Zeit im Zuge einiger geheimdienstlicher Verstrickungen ergab. Es war eine sehr intime Unterhaltung. Sie haben ja sicher gehört, dass ich mich eine Zeitlang als Gärtner in Cardassias Botschaft auf Romulus verdingte. Nun, wie dem auch sei, es war keine gerade einfache Zeit damals auf Romulus, doch besagte Konkubine war eine sehr zuneigungsvolle und anmutige Frau, ebenso wie sie voll Weisheit und Melancholie steckte. Ich werde nie den Ausdruck in ihren wunderschönen...
| Erscheint lt. Verlag | 9.12.2024 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Film / TV |
| Schlagworte | Benjamin Sisko • Deep Space Nine • defiant • Enterprise • Star Trek |
| ISBN-13 | 9783769334104 / 9783769334104 |
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