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Dawa - Dawa -  Bernhard Honkisz

Dawa - Dawa (eBook)

Ein Leben in fünf Hymnen
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2021 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99125-463-8 (ISBN)
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Wie die Alten erzählen... Mama war ein Kind, das in der Zwischenkriegszeit auf die Welt kam und in dieser, sowie im Krieg ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Auch die Zeit danach war nicht einfach und war geprägt von Wiederaufbau, eisernem Vorhang und dem Wunsch nach mehr.... Die Biographie einer Frau, die 1932 geboren wurde.

Geboren als Sohn einer Damenschneiderin und eines Buchdruckers hatte ich wohl auch andere Berufswünsche, blieb aber letztendlich doch im 'schwarzen Gewerbe' hängen. Nach Lehre und erfolgreicher Laufbahn als Drucker landete ich in der Selbständigkeit. 2002 ereilte mich der Ruf an die Graphische, wo ich - nach meinem Diplomstudium und erreichen des Baccalauréats - seitdem in der Abteilung 'Druck- und Medientechnik' unterrichte.

Das Tuch habe ich nach dem Krieg 1946 zum letzten Mal gesehen, wahrscheinlich wurde es dann bei einem Bauern gegen Lebensmittel eingetauscht.

Unsere, das heißt die Wohnung (Tür 29) meiner Großmutter, war im 2. Stock; erreichbar über gerade Stiegen, die Absätze dazwischen belegt mit Sollnhofer Platten. In jedem Stockwerk war eine Nische mit Heiligenfiguren, ich glaube bei uns stand eine Marienfigur.

Ganz unten „zu ebener Erd“ war ein orthodoxer jüdischer Greißler - an den Geruch der Tonne mit Salzheringen erinnere ich mich. Für den eigenen Gebrauch hielt er sich Hendln in einem Verschlag unter der Stiege - zum Schächten. Dort vorbeizugehen hat mir immer gegraust. An die Leute persönlich kann ich mich nicht mehr erinnern. Im Jahr 1938 kam ein anderer Greißler, aber die Gerüche hielten sich noch lange.

Nochmals zu unserer Wohnung: Küche, Zimmer, Kabinett. Im schmalen Kabinett schliefen meine Eltern. Das heißt, meine Mutter hatte ein richtiges Bett, Papa schlief auf einem „Inrusa“-Bett (heute sagt man Campingbett), das täglich aufgestellt wurde. Sonst war da nur ein Kasten. Mein Gitterbett wurde am Abend ins Zimmer geschoben, damit Platz für Papa war. Daher ist es verständlich, dass sich meine Eltern, als sie die Wohnung in der Liechtensteinstraße bekamen, als erstes ein Schlafzimmer kauften. Sie haben 1931 geheiratet und 1938 das erste Mal in einem Ehebett geschlafen!

Im Zimmer waren Ehebetten, hier schlief meine Großmutter - von mir zärtlich „O“ genannt - und mein geliebter Karl-Onkel, der Bruder meines Vaters.

Vor meiner Geburt stand noch ein Diwan vor den Betten. Hier schlief die Mi-Tante (die Schwägerin O's). Sie bekam erst eine Wohnung als ich zur Welt kam. (Ihre Geschichte folgt an anderer Stelle ... Anmerk. d. Verf.)

Meine Großmutter war verwitwet, den Großvater habe ich nicht gekannt, er ist schon zeitig verstorben. Er war Straßenbahnkondukteur, daher bekam meine Großmutter eine Pension. Von vielen beneidet, was sich so anhörte: „I hob ja nur a Pfründn, aber Se san jo a Pensionistin!“

Von dieser Pension und dem Gehalt von Karl-Onkel lebten wir also, denn kaum erschien ich auf dieser Welt, wurde Papa arbeitslos.

Es war die Zeit der großen Arbeitslosigkeit. Papa war sieben Jahre (1932 bis 1939) arbeitslos. Aber er hatte immer wieder Gelegenheitsarbeiten. Er war sehr geschickt, konnte vieles und machte in der Zeit Elektrotechnik-Kurse. Er baute auch unser erstes Radio. Es war so groß wie unser Ladlkastl in der Küche und von Zeit zu Zeit ging ich mit Papa in die Nordbergstraße zur Tankstelle (Prean, Prejan oder Beran?), um den Akku aufladen zu lassen. Immerhin: wir hatten schon ein Radio mit Lautsprecher!

Trotz der Umstände wie: arbeitslos und Enge des Wohnraums - habe ich eine sehr schöne und behütete Kindheit gehabt, die Ehe meiner Eltern war gut und man musste eigentlich miteinander auskommen. Sicher war es nicht immer ideal, Alt und

Mit diesem Geburts- und Taufschein fing in doppeldeutigem Sinn alles an. Das Kuriosum war, dass man zwar den Namen „Elfriede“ korrekt angab aber offenbar nicht weiter darauf achtete, wie er geschrieben wurde - wichtig schien nur, das Dokument in Händen zu halten.

Erst viel später kam man darauf, dass der Schreiber aus der „Elfriede“ eine „Elfrieda“ machte. Ein Irrtum, der aus der Scheu Behörden gegenüber und Kostengründen niemals behoben wurde - aber meine Mutter zeitlebens ärgerte.

... und wieder einmal Arbeitsmangel.

Jung in einer kleinen Wohnung, aber es ging. Übrigens haben sich meine Mutter und meine Großmutter nie geduzt. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1944 hat meine Großmutter „Sie, meine liebe Hedi“ gesagt, obwohl sich beide gern hatten und einander auch umarmten.

Karl-Onkel kam nie ohne Mitbringsel nach Hause. Ich lief „Onki“ schon am Gang entgegen und er hob mich dann hoch, so dass ich in seine Manteltasche greifen konnte. Er war für mich der Schönste, Beste, Größte. Groß ist er ja immer gewesen, blaue Augen und - wenn auch wenig - blonde Haare. Er war noch ledig und O murrte manchmal über seine „Dummheiten“, wenn er spät nach Hause kam.

Übrigens hat man mir immer prophezeit, ich werde auch so groß werden wie Onki, weil ich so lange Zehen habe. Die langen Zehen habe ich noch - aber sonst?

Also beginne ich einmal mit unserem Stockwerk. Nach dem Stiegenaufgang kommt man links zur Wohnung der Frau Neu. Er, ein pensionierter Eisenbahner - sie, eine fromme Frau. Herr Neu rauchte Virginier und ging hie und da zum Lamplwirt, Ecke Salzergasse, Lichtentalergasse (heute Schulzahnklinik) „auf ein Achterl“. Sie hatten Heiligenfiguren unterm „Sturz“ auf dem Trumeaukastl zwischen den Fenstern. Frau Neu war auch Mitglied vom „Josefi-Verein“ - eine kirchliche Angelegenheit - wie weit das geht weiß ich nicht, auf jeden Fall dürfen die Mitglieder schwarze umflorte brennenden Laternen neben dem Sarg tragen, wenn einer von ihnen vom Haus der Aufbahrung zur Kirche gebracht wurde. Auch bei den Fronleichnamsprozessionen begleiteten sie den Zug mit geschmückten Laternen. Beide hatten einen Spätling namens Franz, kurz „Neufranzl“ genannt.

Von ihm wurde erzählt, sein liebstes Spiel war „Kirche“. Er baute sich einen Altar auf, nahm irgendein Buch als Mess- buch, hat sich ein Leintuch umgehängt und hat „Messe“ gelesen.

Früher ging man Sonntags am Nachmittag spazieren und „kehrte“ dann bei einem Wirt oder Heurigen ein. Bei diesen Ausflügen ging der Neufranzl ganz brav mit bis zum Einkehren. Dort trank er ein rosa Kracherl, fraß in Windeseile ein Paar Würstel, um dann die Eltern zu sekkieren: „Gemma ham!“ Sie wären sicher noch gerne sitzen geblieben, aber sind dem Kind zuliebe wieder nach Hause gegangen.

Da fällt mir noch etwas ein. In der Badgasse 6 (oder 8?) sollen „gefällige Damen“ gewesen sein. Ich weiß es nicht genau, vielleicht vor meiner Zeit. (Eine spätere Bettnachbarin im Spital, hat es mir 2007 allerdings bestätigt.) Als nun der Neu- franzl aufklärungsbedürftig war, konnten sich die Eltern nicht entscheiden, wer es tun sollte. Da kam Frau Neu auf eine Idee: „Franz, gib dem Buam 5 Schilling, er soll ins 6er Haus geh'n!“ Ob's wahr ist?

Der Neufranzl lernte in der Eisenhandlung „Horak“, heute „Seemann & Menzel“. Seine Aufgaben und was er sonst noch zu schreiben hatte, schrieb er mit einer versenkbaren Füllfeder, d.h. durch drehen am unteren Ende konnte man die Goldfeder ins Innere des Halters ziehen - heute eine Rarität. Diese Feder hat mich immer sehr beeindruckt!

Noch eine Geschichte zum Neufranzl. Er war nun auch eingerückt und hatte Bahnhofswache am Franz Josefs Bahnhof. Ich, nichts wie hin - ich musste ihn einmal in Uniform sehen! Ich war ca. 7 Jahre alt. Er stand dort bei der Abfahrt der Züge, ganz starr, den Kettenhund (ein Schild, eigentlich eine große Plakette) umgehängt, sehr stolz. Ich schlich ein paar Mal um ihn herum, um ihn zu bewundern - er den Blick ganz geradeaus gerichtet. Schließlich geh ich hin: „Servus Franzl!“ Er zeigte keine Regung - also nochmals ein wenig lauter: „Servus Franzl!“. Daraufhin kam leise zwischen seinen Zähnen ein: „schleich di,

Ledergestell tragen. Er verstarb im März 2003 und liegt im Familiengrab am Wiener Zentralfriedhof (3. Tor bei Halle 3, Gruppe 68a, Reihe 5, Grab 3).

In der Küche der Frau Neu war ein großer gemauerter Herd, der nur im Winter geheizt wurde. Rechts davon ein modernes Wunderwerk, ein Gasherd - ich glaube der einzige im Haus. Alle anderen hatten Rechauds. Links davon stand eine riesige Kohlenkiste. Dort oben durfte ich sitzen. So konnte ich alles überblicken.

Vom Küchenfenster aus sah ich auch meine erste Leiche. Das Haus war eine Molkerei mit eigenen Kühen (Milch, frisch gemolken!). Ecke Fechtergasse, Simon Denk Gasse - heute der Anbau vom Hotel Bellevue. Die Besitzerin dieser Molkerei war gestorben und es kamen Frauen, um sie zu waschen und anzuziehen für die Aufbahrung, die im eigenen Hause war. Sie haben aber vergessen die Vorhänge vorzuziehen und so habe ich im Alter von ca. 5 Jahren zugesehen. Aber ohne Angst oder sonst einen bleibenden Schaden davon zu haben. Es war eben so! (Die Molkerei gehörte dann einem Ritter von Elsner, der nächste Besitzer hieß Hirschmann.)

Anschließend an die Molkerei in der Fechtergasse war eine Garage und dann eine kleine Greißlerei „Saglmeister“ mit einer kugelrunden Greißlerin. Wir kauften dort nur selten, wir kauften beim Lutz, Ecke Fechtergasse, Simon Denk Gasse. Nach der Greißlerei war der beliebte Pferdefleischhacker, der „Staber“ - später dann der Fleischhauer Popperl. Viele der in der Umgebung Wohnenden waren dort Stammkundschaft. Danach kam der Schuster Kadesabek und daneben wohnte Familie Barak - auch schon reifere Jahrgänge und schon weißhaarig. Zu mir waren sie immer recht freundlich, in der Wohnung war ich nur einmal, um mir die Hasen anzuschauen, die sie in der Küche in einem Stall hielten. Der Geruch war dementsprechend. Auch hier war ein Sohn, der Rudi, der - obwohl ca. 18 Jahre älter als ich - mit mir immer nett war und mir auch auf der Straße zuwinkte. Er ist als Fallschirmjäger auf Kreta gefallen.

Die Nächsten am Gang waren ein österreichisch-italienisches Ehepaar, die miteinander gebrochen Deutsch sprachen („was machen Sie du da?“). Er hatte einen wunderbaren Beruf - er war fahrender Eismann. Von ihm habe ich im Sommer am Abend oft krügelweise herrliches italienisches Eis bekommen. Natürlich hat dann die ganze Familie davon gegessen. Was er im Winter gemacht hat, weiß ich nicht.

Und jetzt kommt Letti, eigentlich Johanna Lastowicka. Sie legte großen Wert auf die Anrede „Fräulein“. Immerhin zum Zeitpunkt meiner Geburt ca. 50-55 Jahre alt,...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
ISBN-10 3-99125-463-8 / 3991254638
ISBN-13 978-3-99125-463-8 / 9783991254638
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