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Rohling Home - Gestern (eBook)

Homer und die Hure des Wissens

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
224 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-7469-7829-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rohling Home - Gestern -  S. Netanov
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Das Buch beschäftigt sich mit der griechischen Mythologie um diese dem Leser in bildhafter Sprache nahezubringen, der Schwerpunkt liegt hierbei auf Homer, Illias und der Odyssee.

Der Brief

Lieber Bruder!

Es würde mich nicht wundern, wenn Du überrascht bist, dass ich nach so langer Zeit etwas von mir hören lasse. Die Ursache, dass ich Dir diesen Brief schreibe, liegt darin begründet: im letzten Jahr wurde in meinem Leib der heute so verbreitete Krebs festgestellt und die Diagnose des Leidens gab mir lediglich noch eine kurze Zeit, die ich auf der Erde zu leben habe. Man sprach von ca. 2-3 Jahren, welche jetzt bald vorbeigeflogen sind. Die Nachricht war natürlich erschütternd. Sie holte mich aus einem Traum, indem ich zuvor fest eingesponnen war. Im Nachhinein kann ich sagen, dass diese Zeit nach der Diagnose für mich dennoch eine intensive, erfüllende und wahrscheinlich die fruchtbarste Zeit meines Lebens war.

Aber zum Grund meines Schreibens an Dich: Ich habe durch die nach der Diagnose anschließende Auseinandersetzung mit meinem Leben und meinem bevorstehenden Tod, inspiriert durch Träume und Gelesenes einiges über das „Leben“ ersonnen und aufgeschrieben. Das Produkt dieser Aktivität liegt nun vor Dir. Ich wusste nicht, in welche Hände ich diese Aufzeichnungen nach meinem „Abgang“ geben sollte. Da ich es den Freunden meines Lebens, die nicht die Freunde meines Sterbens sind, nicht anvertrauen mochte, fiel mir mein „kleiner Bruder“ ins Gemüt. Ich hoffe, dass ich Dir hiermit nichts aufbürde. Ich fühle jedoch, dass diese Gedanken eines „alten“ sterbenden Mannes, der das, was wir den Tod nennen, vor Augen hat, Dir, Deinen Kindern und auch anderen dabei helfen können, das Leben, welches wir als so selbstverständlich empfinden, zu begreifen und zu schätzen.

Nun ja, es war nicht ausschließlich die Botschaft des mir bevorstehenden Todes, die meinem bisherigen Lebenssystem, welches doch sehr auf Zahlen konzentriert war, einen Virus einschleuste. Natürlich bin ich durch diese in meinem Tun angehalten worden. Das, was mir zuvor so fest, so eindeutig und so selbstverständlich erschien, dieses feste Weltbild unserer modernen Zeit, wurde in seinen Grundfesten erschüttert. Die nachfolgende intensive Auseinandersetzung mit den Mythen, den Märchen und den Philosophen der älteren Zeiten konfrontierte mich mit nicht bekannten Gefühlen, Ansichten und Willen. Ich hatte diese Dokumente schon zuvor gelesen. Aus irgendeinem Grunde hat mich einiges der Literatur mein Leben lang begleitet. Ich las sie und, obwohl sie nicht zu mir sprachen, waren sie dennoch „irgendwie“ von Bedeutung für mich. Die Auseinandersetzung mit diesen Schriften, die nach der Botschaft meines baldigen Dahinscheidens begannen, zu mir zu sprechen, tat ihren Teil dazu, dass meine vor der Hiobs-Botschaft noch festgefügte Lebensstruktur zerbröckelte. Mein bisheriges Leben offenbarte sich mir weitgehendst als Fehlorganisation und die Gewissheit seiner Nichtigkeit ließ mich erschrecken. Sicherlich wäre ich in dieser Situation verzweifelt, wären da nicht Dinge geschehen, die mir halfen, diese Zeit zu überstehen. Zum einen hatte ich, nach dieser Botschaft sofort, ohne mir groß Gedanken über die Richtigkeit dieser Handlungen zu machen, mein äußeres Leben verändert. Geld hatte ich mit meinen Zahlen genug verdient, ja, ich konnte mich als wohlhabend bezeichnen (vorher nannte ich diesen Zustand noch „reich“ - jetzt weiß ich es besser). Ich war in finanzieller Hinsicht gut versorgt und konnte mich aus meiner Arbeitswelt zurückziehen. Alles, was meinen Status als erfolgreicher Broker an der Börse verherrlichte, konnte verkauft werden und ich zog mich auf mein Anwesen auf dem Lande zurück. Ich beabsichtige den Rest (wird ja nicht mehr lange sein) meines Lebens hier zu verbringen. War Maggy schon zuvor von mir eingestellt worden, um sich um dieses Haus, welches ich zuvor selten besuchte, zu kümmern, so stellte ich sie zu meinem Glück fest an. Auch willigte sie ein, hier zu wohnen und mir mit Kochen, Haushalt und allem, was dazu gehört, behilflich zu sein. Ich hatte bisher noch nie mit jemandem für längere Zeit unter einem Dach gelebt. Auch dieses Mal ist es ja befristet. Leider, da es sich als eine neue und sehr angenehme Erfahrung herausstellt. Das Eingeständnis, dass ich jemanden brauche sowie das Wissen darum, dass jemand für mich da ist, kannte ich aus meinem bisherigen Leben nicht. Ich fühlte mich immer „frei“ und war die meiste Zeit ungebunden und auf mich selbst gestellt. In dieses Leben ließ ich niemanden hinein. Die permanente Fixierung meinerseits auf die Zahlen wirkte wohl wie eine gewaltige Mauer, die niemand überwinden konnte. Diese ehemals gewaltige Mauer ist jetzt an vielen Stellen so offen, dass Maggy recht leicht in mein Reich gelangen kann und ich fühle mich dadurch nicht bedroht. Der TOD, das heißt, das Ende des leiblichen Daseins hier auf diesem Leib ERDE, ist wahrscheinlich für viele Menschen so erschreckend, weil er neben dem endgültigen Verlassen der lieben Menschen gleichbedeutend ist mit dem Glauben der endgültigen Nichterfüllung unserer Sehnsucht, d.h. unserer nicht erfüllten Wünsche und Träume. Ich hatte zuvor ein in vielerlei Hinsicht „autistisches“, nur auf mich selbst bezogenes Leben geführt, was es mir somit nicht schwer machte, Menschen und Dinge loszulassen. Mit dem Loslassen meiner Beziehungen zu meinen Mitmenschen und der Dinge, auf die ich mich im Alltag zuvor bezogen hatte, ließ ich anscheinend auch meine Vergangenheit sowie meine Zukunft los, wodurch für kurze Zeit eine Leere in mir waltete, die kaum auszuhalten war. Diese jedoch, das ist meine Erfahrung dieser Zeit, wird von dem JETZT erfüllt werden. Dieses JETZT hat mich seitdem gefunden und wird mich wohl bis zum „Ende“ nicht mehr verlassen. Mein JETZT ist hier und es ist immer wieder überraschend, was da so aus meinem „Inneren“ nach „Außen“ strebt; manchmal bestürzend, nie vorhersehbar und oft verwirrend-wundervoll. Wenn ich Dir also schon sagte, dass diese kurze Zeit, die ich am Ende meines Lebens in meinem Haus verbringe, eine erfüllende, wenn auch nicht immer die erfreulichste, so doch auf jeden Fall die intensivste Zeit meines Lebens ist, so war es nicht übertrieben. Es mag Dir merkwürdig erscheinen, aber es ist so: der „Tod“ hat mir, nach einer relativ kurzen Zeit der Verzweiflung und Angst doch das gebracht, was wir als „LEBEN“ bezeichnen und ich bin dankbar, dass ich dieses vor meinem Weggang von dieser Erde noch erleben kann.

Ein Phänomen, welches mir in der letzten Zeit oft begegnete, begann einen großen Einfluss auf die Entwicklung meiner letzten Tage zu nehmen. Das Loslassen meiner vorherigen Lebensstruktur noch in diesem irdischen Leben, welches zur Besinnung auf das JETZT führte, bildete wohl die Grundlage dafür, dass ich dieses kennenlernen konnte. Meine Träume wurden in ihren Erscheinungen und ihren Botschaften so intensiv von mir wahrgenommen, dass sie eine große Wirkung auf die Gestaltung meines Lebens bekamen und späterhin sogar entscheidend dafür wurden. Vielleicht hatte ich Träume solcherart schon vorher. Ich konnte sie jedoch nie erinnern, wie überhaupt Träume vorher für mich, so meinte ich jedenfalls, keine Rolle spielten. Ich hatte keinen Zugang zu dem, was sich da so in meinem Inneren abspielte. Das, was ich nicht durch Zahlen ausdrücken konnte, spielte für mich keine Rolle - ja, es war mir nicht einmal bewusst, dass ich so etwas wie ein „Innenleben“ habe. Dieses mir vorher nicht bekannte Leben, welches in meinem Inneren lebt und auf mich wirkt, wurde hier in meinem Haus bestimmender und ist jetzt dermaßen wirkungsvoll, dass ich das Gefühl habe, mein Leben ist wie ein Traum aus dem ich kaum mehr „erwache“.

Ich will Dir jetzt von „meinem“ Traum erzählen, der in seinem Zauber und seinem Nachwirken in meinem Gemüt mich in der folgenden Zeit so entscheidend beeinflusst hat. Die Wiedergabe dieses Traumes durch Worte, da bin ich mir bewusst, wird viel von der Intensität der erfahrenen Gefühle verlieren. Dieses Traumerleben geschieht nicht auf der Erde, dem Festen, dem Körperlichen und wenn ich in der Wiedergabe von „ICH“ spreche, so ist es doch nicht das „ICH“, welches ich hier auf Erden verkörpere. Dieses „ICH“ ist das Innerstes meines Seins, die Essenz meines Lebens, mein innerster Kern, aus dem sich die Motive meines Fühlens und Wollens in der Welt ableiten lassen.

„Ich“ gleite durch den schwerelosen Raum. „Ich“ bin eine kleine goldene, leuchtend flackernde und Funken versprühende Kugel, die nicht nach außen durch eine Hülle abgegrenzt ist. In mir selber strömt und wirbelt es. „Ich“ bin von unbegrenzter Freude, Stolz und Neugierde erfüllt. „Ich“ bin eine in sich verströmende kleine Welt, die vor Glück und Dankbarkeit kleine Funken entlässt. Hell-leuchtend und voller Wärme gleite „Ich“ durch den Raum. Zu meiner linken und rechten Seite begleiten mich je ein Wesen. Sie schauen mich nicht an. Aufs höchste konzentriert gleiten sie an meinen Seiten dahin und halten mich, diese kleine, sich vor...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2021
Reihe/Serie Rohling Home
Rohling Home
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Schlagworte griechische Mythologie • Homer • Illias • Odyssee
ISBN-10 3-7469-7829-7 / 3746978297
ISBN-13 978-3-7469-7829-1 / 9783746978291
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