Architektur und Resonanz (eBook)
192 Seiten
Jovis (Verlag)
978-3-86859-930-5 (ISBN)
Buildings and spaces are like instruments: architectural volumes and their materials, surfaces and structures generate a resonance and therefore have a sensorial impact on people. This notion of architecture as a body of sound has been largely neglected up until now, in favor of a purely functional architecture and of a historicism of proportions. Based on art installations from the middle of the twentieth century onwards, which have increasingly incorporated the art of sound and sensory perception, this book presents an architectural history of resonance effects, encompassing individual houses and their monophony, as well as the polyphony of urban areas.
Architecture and Resonance takes a new look at the question of 'good architecture' in our times, with regard to acoustic and multisensory experiments and modernist theories, and shows design approaches with a central focus on a holistic appeal to all the human senses.
Christoph Metzger
Inhalt 4
Einleitung 6
Phänomene und Kriterien 10
Bedeutung proportionaler Modelle 21
Skulptur und Zeit 31
Körper der Moderne 38
Monofonie des Hauses 57
Polyfonie der Städte 76
Formen und Funktionen 99
Probleme akustischer Untersuchungen 129
Determinanten der Bewertung 140
Ausblick 153
Glossar zum Themenfeld 174
Literatur 179
Anmerkungen 183
Nachwort 191
Bildnachweis 192
Impressum 192
Architektur und Resonanz entstand als interdisziplinäres Projekt aus der Beschäftigung mit Musik und akustischen Künsten im Raum. Verschiedene Stadien wurden dabei institutionell durchwandert, die ihren Ursprung in den Jahren von 1999 bis 2001 mit dem Klangkunstforum Potsdamer Platz, Berlin und dann 2002 mit der vom Verfasser initiierten Tagung im Rahmen der Internationalen Ferienkurse für Neue Musik des Internationalen Musikinstitutes in Darmstadt, Musik und Architektur, hatten, um schließlich in die von der DFG geförderte Tagung Architektur ist Laut! an der BTU Cottbus im Jahr 2005 zu münden. Die Stationen lassen sich auch in der Anlage und Gliederung der vorliegenden Schrift erkennen, die sich in zehn Kapiteln dem Körper der Architektur und seinen Angeboten an die Sinne des Menschen widmet. Zentral sind Phänomene der Resonanz, die ins Verhältnis zu Räumen und Orten gestellt werden, an denen Menschen mit akustischen Ereignissen in Kontakt treten. Dabei gewinnen in Zeiten urbaner Verdichtungen die Erfahrung, Bewertung und Planung akustisch geprägter Räume an Bedeutung. Architektonische Qualitäten des Wohnens werden ebenso behandelt wie Fragen zu innerstädtischen Räumen der Begegnung im 20. Jahrhundert.
Das Interesse an Architektur – in ihren baulichen wie theoretischen Dimensionen – beschäftigt seit Jahren zunehmend auch Künstler und Kulturhistoriker. Schriften zur Architektur sowie raumbezogene und skulpturale Installationen werden zunehmend in Kunst- und Musikwissenschaft, Philosophie und Kulturwissenschaft diskutiert. Positionen von Robert Venturi, Bernhard Tschumi, Tadao Ando, Peter Eisenman oder Daniel Libeskind werden einer kritischen Lektüre unterzogen. Hier deutet sich eine Bandbreite architektonischer Ideen an, die Potenziale für eine neuere Architekturtheorie liefern.1 Seitens eher künstlerischer Positionen bieten Projekte und Schriften von Akio Suzuki, Bernhard Leitner, Philippe Rahm oder Diller & Scofidio auch Potenziale, die zeigen, was ein architektonisches Denken heute zu leisten vermag. Interferenzen zwischen Geisteswissenschaften und Architektur motivieren die neuere Theoriebildung,2 deren Systematik gleichzeitig meist problematisch bleibt. Anschaulich und nachvollziehbar werden die Debatten, wenn es um die vermeintlich schlichte Frage geht: Was ist gute Architektur heute? Hieran orientiert sich die vorliegende Untersuchung. Beschreibungen sensitiv erfahrbarer Eigenschaften von Räumen3 nehmen einen zentralen Platz in Diskussionen ein, wenn Fragen der Funktionalität und Nutzung von Architektur erörtert werden. Wie – so lautet eine häufig gestellte Frage – muss ein Kindergarten, eine Schule, ein Hörsaal, eine Bibliothek oder ein Konzertsaal beschaffen sein, um den Nutzern/Besuchern optimale Voraussetzungen für bestimmte Handlungen zu bieten? Wo sind Ansätze, Schnittmengen und gemeinsame Ziele erkennbar? Durch welche Institutionen werden solche Anforderungen formuliert? Welches Gremium kontrolliert die spezifische Funktionalität eines fertiggestellten öffentlichen Gebäudes? Wie schließlich können, dürfen und müssen Räume akustisch beschaffen sein? Welche sensorischen Eigenschaften von Oberflächen, Klimatisierung (Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit) werden berücksichtigt? Wie wird mit elektromagnetischen Strahlungen, wie mit Lichtfrequenz und Ausleuchtung umgegangen? Diese und ähnliche Fragen werden meist eher von Künstlern als von Architekten gestellt, wenn in Formaten der Installation mit Klang, Licht und sensorisch wirksamen Materialien gearbeitet wird.
Angesichts der angedeuteten Themen rücken Fragen ins Zentrum, die sich mit der Bedeutung des Menschen im architektonischen Raum, dessen sensueller Wahrnehmung und Orientierung sowie dessen Wohlbefinden befassen. Gleichzeitig rücken Entwicklungen der Kritik am Funktionalismus in den Fokus. Kritik formuliert sich in Sprache und damit kommen wir zum Thema. Manche besonders wortreiche Texte zur Architektur gleichen musikalischen Aufführungsanweisungen zu Spieltechniken, die, wie ein Glossar den Partituren beigelegt, manche Werke erst erklären. Werke brauchen Texte. Objekte, ob in Kunst oder Architektur, müssen in Sprache gefasst werden, wenn diese Bedeutung haben sollen. Essays und Interviews von Daniel Libeskind, wie jene zum Jüdischen Museum in Berlin, bieten einen literarischen und dann erst architektonischen Kommentar zur jüngsten Geschichte und sie positionieren sich mit kulturhistorischem Anspruch. Der Text ist eine medial wirksame Botschaft. Das Bauwerk ist ohne diese Kenntnisse in seiner geistigen Dimension kaum zu fassen.
Ein anderes Beispiel: So stellt der Graubündner Architekt Peter Zumthor handwerkliche Qualitäten und regionale Materialien wie Holz und Stein so nachdrücklich und wortreich in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, dass daraus eine Ästhetik erwächst. Diese kann in eine Tradition naturnahen Lebens gestellt werden, die unter anderem im Nachkriegsdeutschland mit dem Philosophen Martin Heidegger vertreten ist. Gemeinsam mit dem in Darmstadt lebenden Philosophen Gernot Böhme ist Zumthor zum Theoretiker eines philosophisch besetzten Begriffs, dem der Atmosphäre, geworden. Zumthor schildert in vielen Texten sein architektonisches Wirken in Metaphern, die der Musik entliehen sind, und er identifiziert sich, wie auch Libeskind, mit Traditionen zeitgenössischer Musik. Beiden gelingt, was nur wenige schaffen – sich der, nach Rudolf Wittkower4, fragwürdig gewordenen Analogien zwischen Musik und Architektur zu entledigen. Sie distanzieren sich von Haltungen und Schriften zur Proportion, die im Zeichen eines Historismus auf dem Feld der Architekturtheorie5 nach wie vor verbreitet sind.6
Solche Querverbindungen deuten die aktuelle Gemengelage zwischen den Gattungen und deren Rückwirkungen auf das Denken im Bereich der Architektur an. Sie bestimmen die Architekturtheorie. Dies hat zur Folge, dass es keine einheitlich fokussierte Architekturtheorie geben kann. Sie ist und bleibt abhängig von ihrer Anbindung an Fakultäten der Kunst- und Sozialgeschichte, der Philosophie und der Architektur. Ihre Spezifik erfährt sie erst durch ein institutionelles Interesse.7 Die Entwicklung interdisziplinären Denkens, die im frühen 20. Jahrhundert datiert und in sämtlichen Kunstformen präsent ist, wurde quer durch die Gattungen mit historischen Bezügen rekonstruiert.
So unmittelbar der Begriff der Architektur in den oben angesprochenen Facetten vergegenwärtigt werden kann, so weitreichend und unscharf ist der Begriff der Resonanz. Es gilt dabei erstens zu unterscheiden zwischen der Bedeutung von Resonanz – als raumtypischer Eigenfrequenz – und dem Mitschwingen eines Systems, das zu charakteristischen Färbungen der Schallereignisse im Raum führt. Neben der akustisch-physikalischen Bedeutung hat zweitens die Wahrnehmungsforschung im 18. Jahrhundert im Bereich der Gedächtnispsychologie ein Modell des Wiedererkennens etabliert, das den Begriff bisweilen ins Esoterische rücken lässt. Hier „dient die Resonanz-Metapher zur Erklärung des Wiedererkennens und der Ähnlichkeitsassoziation. Da zwei Ereignisse sich nie völlig gleichen, kann ihre Assoziation, soweit sie nicht zeitgleich benachbart auftreten, nur durch Resonanz zwischen gleichartigen Aspekten erklärt werden.”8 Die aus der Gedächtnispsychologie resultierende Bedeutung wird in den folgenden Ausführungen nicht weiter bearbeitet. Das Interesse am Begriff der Resonanz speist sich vielmehr aus den Möglichkeiten, räumliche und materiale Qualitäten zu gewinnen, die über den Begriff der Reflexion und dem Abstrahlverhalten von Oberflächen hinaus reichen. Resonanz bezeichnet immer und in allen Varianten ein Mitschwingen von Körpern in anderen Körpern. So höre ich durch und mit meinem Körper die auf mich einwirkenden Klänge als besondere Ereignisse.
Es zeigte sich, dass Verbindungen von Architektur und Resonanz seit den 1980er Jahren auf dem Gebiet der Installation und Klangkunst thematisiert, bisher aber kaum in den Kontext der Architekturtheorie gestellt wurden. Interessant sind daher besonders jene Arbeiten ausgebildeter Architekten, die im Medium bildender Kunst akustische Installationen und sensualistisch wirksame Räume erstellt haben. Hier deuten sich Potenziale einer neueren Architekturtheorie an, die auf die Bedeutung sensuell wirksamer Eigenschaften von Räumen abzielt. Akustische Profile von Räumen bedingen sich durch proportionale und materiale Beschaffenheit, die mit ihrer funktionalen Seite als Summe betrachtet werden. Gleichzeitig soll eine Positionierung von Architektur und Resonanz zum Stand der Architekturtheorie nach Kate Nesbitt, Theorizing a New Agenda for Architecture 1965–1995, geleistet werden. Im Anschluss an Rudolf Wittkowers The Changing Concept of Proportion (1960) galt es, architektonische Verfahren zu entwickeln. Die Beurteilung proportionaler Modelle für die Beschreibung unregelmäßiger Körper bleibt das nahezu unlösbare Problem der Architekturtheorie und Klangforschung. Fragen zur Erfassung akustischer Daten sowie die Beurteilung von Emissionen und Immissionen in architektonischen Einzelobjekten, Raumfolgen, Gebäudeensembles, Stadträumen und Landschaften werden anhand von Normen...
| Erscheint lt. Verlag | 1.7.2018 |
|---|---|
| Zusatzinfo | 14 farb. und 50 s/w Abb. |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Design / Innenarchitektur / Mode |
| Technik ► Architektur | |
| Schlagworte | Akustik • Akustik,Architekturgeschichte,Architekur,Klangkunst,Klangkörper,Monofonie,Raum,Resonanz,multisensorisch • Architektur • Architekturgeschichte • Architekur • Demenz • Klangkörper • Klangkunst • Kunstinstallationen • Monofonie • Multisensorisch • Raum • Resonanz • Sinne |
| ISBN-10 | 3-86859-930-4 / 3868599304 |
| ISBN-13 | 978-3-86859-930-5 / 9783868599305 |
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