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Der Klang der Maschine (eBook)

Autobiografie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
665 Seiten
Eichborn AG (Verlag)
978-3-7325-2975-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Klang der Maschine -  Karl Bartos
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'Das Modell', 'Die Roboter', 'Computerwelt' oder 'Tour de France': Bei allen großen Hits von Kraftwerk war Karl Bartos als Komponist dabei.

Mit seinem Einstieg im Jahr 1975 entwickelte das Düsseldorfer Quartett jene unverkennbare Soundarchitektur, die die Band weltweit so einflussreich machte. Kraftwerk waren Wegbereiter für Techno, House und auch Elektropop.

In seiner Autobiografie erzählt Karl Bartos zum ersten Mal, was in den berühmten Kling Klang-Studios wirklich passierte, warum er die Band nach einem verlorenen Jahrzehnt 1990 verlassen hat und warum Kraftwerk heute ins Museum gehört.

2


EIN AKKORD VERÄNDERT MEIN LEBEN


Briten bei Bartos. Die Musik der Sixties spricht zu mir. Help! Ein Winter in Berchtesgaden. Der Ernst des Lebens? Wie werde ich eine Band? Fotosession im Kinderzimmer. Franz, Klaus und ich. Band sucht Gitarristen und Schlagzeuger. Beat-Musik in Düsseldorf. Im psychedelischen Volkswagen-Bus. Schlagzeugunterricht bei Otto Weinandi. Meine erste Liebe. The Jokers. Abschied von zu Hause.

Briten bei Bartos


Das Jahr 1964 begann turbulent. Marietta hatte sich bei einem Tagesausflug im Wald verlaufen. Nachdem sie bis in die Dunkelheit herumirrte, sah sie in einiger Entfernung ein Licht, ging darauf zu und erreichte eine Kaserne, in der die britischen Streitkräfte untergebracht waren. Der Zufall wollte es, dass in dieser Nacht Lance Corporal Peter Hornshaw Dienst hatte. Als er die Tür öffnete und Marietta weinend vor ihm stand, verliebte er sich – wie er mir später einmal sagte – auf den ersten Blick in sie.

Schon den ganzen Abend hatten wir uns große Sorgen gemacht. Umso erleichteter waren wir, als es gegen 23 Uhr an der Tür klingelte und zwei britische Soldaten, die in ihrer Militärpolizei-Uniform recht beeindruckend aussahen, meine Schwester unversehrt ablieferten. Peter und Terry, so hießen die beiden, bekamen den besten Tee, den Rosa zu bieten hatte, und jeder von uns bedankte sich mindestens tausend Mal bei ihnen: »Thank you, thank you very much.«

In der nächsten Zeit schaute Pete, wie er von allen genannt wurde, verdächtig oft bei uns vorbei, um sich nach dem Wohlbefinden von Marietta zu erkundigen. Ich wusste natürlich sofort, was los war. Naja, ich hatte zumindest so eine Ahnung … Tatsächlich freundeten sich die beiden an und kamen sich näher. Rosa und Hans-Joachim blieben locker – es gab keine Berührungsängste gegenüber dem sympathischen Briten. Pete bemühte sich auch sehr um mich, den kleinen Bruder. Schon bald hatte er meine ganze Sympathie. Als ich obendrein im Landrover der britischen Militärpolizei mitfahren durfte, war auch das letzte Eis geschmolzen.

Pete, damals einundzwanzig, brachte einen wohltuenden nordenglischen Wind in unsere Familie. Ich weiß nicht, wie oft er mit Terry zum Tee oder Abendbrot vorbeikam. Manchmal hatten sie vorher etwas im Supermarkt der Streitkräfte eingekauft, zum Beispiel Blumen für meine Mutter, eine Flasche Whiskey für meinen Vater oder für mich eine Tafel Cadbury-Schokolade. Die beiden waren total in Ordnung. Mir gefielen die englische Sprache und ihr Humor.

Bald wurde uns klar, dass sich zwischen Marietta und Pete etwas Ernstes anbahnte und sich das Leben unserer Familie verändern würde. Aber noch etwas anderes nahm seinen Lauf, dessen Auswirkungen mein Leben grundsätzlich und für immer verändern sollten. Rosa hatte sich von einem Vertreter eine Mitgliedschaft im Bertelsmann-Lesering aufschwatzen lassen. Für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag konnte man dort Bücher beziehen – besonders günstig, wie es hieß. Neben Büchern gab es aber auch Plattenspieler und Schallplatten. Rosa liebte Musik und schlug zu. Denn zusammen mit Cliff Richards »Living Doll« und Elvis’ »Return To Sender« schien es ein perfektes Geburtstagsgeschenk für Marietta zu sein. Der neue Philips-Plattenspieler hatte ein cremefarbenes Gehäuse, einen türkisfarbenen Drehteller und Abspielarm. Über ein Kabel mit zwei Bananensteckern wurde der Plattenspieler mit unserem Grundig-Radiogerät verbunden. Das klang für uns damals perfekt. Jeden Monat bestellten Marietta und meine Mutter nun bei Bertelsmann Musik. Wir hörten jetzt von Ronny: »Hundert Mann und ein Befehl«, »Geisterreiter«, »Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand«, von Leonard Bernstein: West Side Story, oder von Max Greger: Kellerparty mit jeder Menge Swing-Musik – passend zu »gepflegten Getränken und Tanz«. Das ist natürlich nicht die Veränderung, von der ich gesprochen habe. Die ließ noch etwas auf sich warten, aber dann traf sie mich unerwartet und frontal.

Die Musik der Sixties spricht zu mir


Bei einem seiner nächsten Besuche brachte Pete eine neue Schallplatte mit und legte sie mit den Worten »Listen to the new Beatles album« auf den Plattenspieler, setzte die Nadel auf die Anfangsrille der schwarzen Vinylscheibe und sah uns erwartungsvoll an. Es knisterte zunächst ein wenig, aber dann ging’s los: Bäng! – »It’s been a hard day’s night, and I’ve been working like a dog …« Wir hörten die Songs der A-Seite. Pete sang hin und wieder ein paar Textzeilen mit. Marietta bewegte sich, wie ich fand, sehr seltsam zur Musik. Wir drei lachten die ganze Zeit. Bis heute kann ich mich daran erinnern, wie beeindruckt ich von der Leichtigkeit dieser Musik war. Vor allen Dingen die schnelleren Upbeat-Nummern hatten es mir angetan. Das Schlagzeug hämmerte eindringlich, die Gitarren klangen unglaublich frisch, und die Stimmen – laut und selbstbewusst – schienen direkt an mich adressiert zu sein. Klar: Die Inhalte der Texte konnte ich nicht verstehen, die Worte waren reiner Klang, aber ich verstand den Ausdruck des Gesangs.

Dann drehten wir die Schallplatte um, und ohne Pause ging es weiter bis zum letzten Titel »I’ll Be Back«. Dann nochmal umdrehen und von vorne – immer wieder. So etwas hatte ich noch nie gehört, es haute mich um.

Ich hatte keine Ahnung, wer diese Leute waren, die sich The Beatles nannten. Das Albumcover brachte auch nicht so wahnsinnig viele Erkenntnisse. Ja, gut, Engländer mit merkwürdigen Frisuren, das waren sie wohl. Aber das stand für mich nicht im Vordergrund. Ich hörte einfach nur zu – sonst nichts. Die Musik von diesem Elvis Presley hatte mich zwar auch irgendwie interessiert. Aber bei den Beatles war das noch etwas anderes, sie waren eine Gruppe, eine Gang, eine Band. Irgendetwas bei mir hatte jetzt auf Empfang geschaltet. Dabei war es nur der Klang von Musik, den die Schallplatte wiedergab. Dieser Klang hatte keine Geschichte, stand für mich in keinem Zusammenhang, außer dass Pete ihn mitgebracht hatte. Nicht dass er versucht hätte, mir diese Musik anzudrehen, sie zu erklären oder schönzureden und mich zu missionieren. Ich glaube, er wollte einfach nicht mehr »Geisterreiter« oder »Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand« hören, wenn er bei uns war.

Kurz darauf kassierte ich unsere Musikanlage ein: Der Philips-Plattenspieler und das Radiogerät wanderten in unser Kinderzimmer. Marietta arbeitete auch nach ihrer Lehre bei Foto Geller und kam erst abends nach Hause. Ich hatte also den ganzen Nachmittag Zeit, Musik zu hören. Wie es üblich war, kaufte ich von meinem Taschengeld 7″-Singles, und meine Schallplattensammlung wurde schnell größer.

Für viele Jugendliche in meiner Generation war die Beat-Musik eine Art Rebellion gegen ihre Eltern oder die Autoritäten der Nachkriegsgesellschaft. In unserer Familie aber bot sie keinen Anlass zu irgendwelchen Streitigkeiten. Der soziale und kulturelle Wandel der Sechziger wurde von mir gefühlt, aber nicht bewusst wahrgenommen. Ich war jung und unschuldig und staunte über die Empfindungen, die diese neue Musik in mir weckte. Marietta gefiel der Sound der Beatles, meine Mutter liebte vor allem die langsamen Songs. Kämpfe um die »Lufthoheit« – welche Musik man hören darf und welche nicht – wurden bei uns nicht ausgetragen. Im Gegenteil: Gemeinsam bestellten wir jetzt bei Bertelsmann weitere Schallplatten: The Rolling Stones No.2 (1965) und später Aftermath (1966). Pete brachte noch weitere Beatles-Platten mit: Please Please Me (1963), With The Beatles (1963) und Beatles For Sale (1964).

Wenn es einen Zeitpunkt gibt, an dem ich mich das erste Mal in meinem Leben von Musik wirklich angesprochen fühlte, dann war es der vieldeutige Akkord am Anfang von »A Hard Day’s Night«. Er war Weckruf und Einladung zugleich. Aber wofür?

Help!


Es muss 1965 gewesen sein, als Pete eines Tages den Marschbefehl erhielt, an einer militärischen Operation in Nordafrika teilzunehmen. Wir waren alle betroffen und völlig überfordert. Marietta stand unter Schock. Die genauen Umstände der Mission waren geheim. Ich habe keine Ahnung, was damals dort abgelaufen ist, aber bei diesem Einsatz wurde Pete an der Schläfe verwundet und in ein Lazarett gebracht. Mit großem Glück überlebte er. Nach fünf langen Wochen der Ungewissheit war er endlich wieder bei uns. Er sprach nicht viel über diesen Einsatz. Sicher ist, dass er nicht spurlos an ihm vorübergegangen war. Sobald es ihm möglich war, verließ er die Armee. Pete trug für den Rest seines Lebens nie wieder eine Uniform.

In der Weihnachtszeit 1965 lief im Rex-Kino am Hauptbahnhof der zweite Film der Beatles: Help! – in Deutschland mit dem schwachsinnigen Titel Hi-Hi-Hilfe! Den durfte ich mir mit Pete und Marietta anschauen. Der Film hat mich völlig umgehauen. Nicht die Handlung – diese Klamotte war mir zu aufgesetzt komisch –, aber jetzt sah ich die Jungs das erste Mal ihre Instrumente spielen und ihre Songs singen. Ich war wie hypnotisiert von der Gruppendynamik ihrer Performance. Bisher hatte ich das Musikmachen als eine Tätigkeit wahrgenommen, die von anonymen Personen – beispielsweise den Musikern eines Unterhaltungsorchesters während einer Fernseh-Show – ausgeführt wird. Das war jetzt plötzlich anders. Die Beatles waren selbstverständlich John, Paul, George and Ringo, sie spielten ihre Musik mit ihrem eigenen Sound. Und das taten sie mit einer ganz besonderen Haltung – die war gleichzeitig ernsthaft und humorvoll. Nach dem Film gingen wir zufällig bei...

Erscheint lt. Verlag 25.8.2017
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Kunst / Musik / Theater Musik
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Alphaville • Ars Electronica • Autobahn • Autobiografie • Autobiographie • Bands • Beach Boys • Beatles • bio • Biografie • Biographie • Biographien berühmter Persönlichkeiten • Biographien bestseller • Björk • Club • Computerwelt • Controller • dance charts • Dancefloor • Das Model • David Bowie • Deine Lakaien • Depeche Mode • Der Telefon Anruf • Detroit • Deutsche Bank • Deutschland • Die Krupps • Die Mensch-Maschine • Disco • DJ • Drumcomputer • Drum Computer • Drummer • Drumset • Duran Duran • Düsseldorf • Electric Café • Electric Music • electro • Electronic • electronic music • Elektro • Elektronische Musik • Elektronische Tanzmusik • Elektropop • Erinnerung • Erzählung • EXPO 2000 • Florian Schneider • Front 242 • Gedanken • Geschichte • Historie • Human League • Industrial • Jazzmusiker • Joy Division • Karlheinz Stockhausen • Klassische Musik • Kling Klang Studio • Konzerte • Korg • Kraftwerk • Kraftwerk 2 • Krafty • Krautrock • Kraut Rock • Kultur • Kulturgeschichte • Laptop • Leben • Lebensbericht • Lebensbeschreibung • Lebensgeschichte • Memoiren • Memorien • Michael Rother • MIDI • Mini Moog • Moby • MTV • Musik • Musiker • Musikgeschichte • Musikproduzent • NDW • Neue Deutsche Welle • New order • New York • Off the record • O.M.D. • OMD • Pioniere • Pop • Popkultur • Popsong • Primal Scream • Radio-Aktivität • Ralf Hütter • Ralf und Florian • Rammstein • Roboter • Roland • Roman eines Lebens • Schlagzeug • Schlagzeuger • Sequencer • Siouxsie and The Banshees • Software-Syntheszizer • Song • Songs • Songtext • Songwriter • Stahlwerksymphonie • Stahlwerk Symphonie • Synthesizer • Tagebücher • Techno • Telefonanruf • telephone call • telephone song • The Jesus and Mary Chain • Tone FLoat • Tour de France • Trans Europa Express • Ultravox • Vita • Wir sind die Roboter • Wolfgang Flür
ISBN-10 3-7325-2975-4 / 3732529754
ISBN-13 978-3-7325-2975-9 / 9783732529759
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